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1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...

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2001 (Reihe V)<br />

15.02.2001: Pröpstekonvent Holstein-Lübeck (Text: Sexagesimae)<br />

Thema: Von der Kraft des Gotteswortes (Jesaja 55,6-12a)<br />

Wir sind nicht die ersten, denen das gesagt ist. Dieser Text hat eine Geschichte. Er<br />

galt zuerst Menschen im Exil, den nach Babylon zwangsausgesiedelten Israeliten.<br />

Durch die Deportation hatten sie nicht nur Probleme mit dem fremden Land, in dem<br />

sie nun in äußerster Unfreiheit arbeiteten. Sie hatten auch Probleme mit ihrem Glauben<br />

an Gott. Von Gott verlassen und am Ende – so erlebten sie damals ihre Situation.<br />

Da war kein Ausweg zu sehen.<br />

In diese Situation hinein spricht der Prophet seine Botschaft. Sie steht in krassem<br />

Gegensatz zu den Erfahrungen seiner Landsleute und lautet: Gott ist da, er lässt sich<br />

finden – auch jetzt und hier, in der Fremde. Und: Nichts muss so bleiben, wie es ist!<br />

Gott vermag alles zu ändern, alles! Er ist in seinem Wirken nicht aufzuhalten. So redet<br />

der Prophet gegen die Resignation seiner Landsleute an. Es waren die letzten<br />

Worte, die er ihnen mit auf den Weg gab – sein Schlusswort, ein Finale der Hoffnung.<br />

Noch heute ist es so, dass wir diesen Text von einst in Situationen wieder hören, die<br />

zuallererst von Resignation bestimmt sind, von Trauer und Nicht-Verstehen-Können.<br />

Wenn Gott anders handelt, als wir es wünschen, wenn wir Leid tragen müssen und<br />

wider Erwarten und Hoffen eben alles anders kommt und wir uns auf nichts mehr<br />

einen Reim machen können, dann heißt es: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,<br />

und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr...“ Das behaftet uns<br />

in unserer Ratlosigkeit und Resignation. Wenn wir Gott nicht verstehen, dann ist er<br />

eben fern, sagen wir uns dann.<br />

Eben nicht, sagt der Prophet. Alles andere als das! Gott ist euch nahe, ist zu finden,<br />

er ist für euch zu sprechen und euch zugewandt. Ergreift seine Hand da, wo sie sich<br />

euch entgegenstreckt. Sucht ihn, gleich, wo und wie er sich finden lässt. Dieses Suchen<br />

ist kein Blindekuh-Spiel, sondern die Hinwendung zu dem, der sich uns längst<br />

zugewandt hat. Gerade da, wo wir uns völlig von Gott verlassen vorkommen, ist er<br />

ganz nah. Das ist die wundervolle Erfahrung von Gethsemane und anderswo. In<br />

Christus ist uns Gott so ganz nah, im Wort der Bibel und in den Sakramenten. Da<br />

lässt er sich finden, hier und heute.<br />

Aber warum heißt es dann doch gleich im nächsten Atemzug: „Meine Gedanken sind<br />

nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, sondern soviel der<br />

Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und<br />

meine Gedanken als eure Gedanken“?<br />

Hinter diesem Satz steckt die Erfahrung, dass wir mit unseren Gottesvorstellungen<br />

Gott nur allzu oft verfehlen. Meinen wir doch, ganz genau zu wissen, wie Gott sich in<br />

der Welt durchsetzen müsse und wo er einzugreifen habe. Wir haben über den Lauf<br />

der Welt eben unsere sehr menschlichen Vorstellungen und Überzeugungen. Wir<br />

legen es uns zurecht, wie Gott sein müsste. Und wenn dann alles anders kommt,<br />

erklären wir kurzerhand, es sei nichts mit ihm. Der selbsterdachte Gott ist ein Gott,<br />

der einen nicht aus der Ruhe bringt und der, da er alles versteht und verzeiht, das<br />

Gewissen nicht belastet. Gott muss doch so sein, so handeln, wie ich es mir mit meinem<br />

Verstand und meiner Vernunft denke!<br />

Dem widerspricht der Prophet klar und deutlich. Er mahnt uns, nicht zu vergessen,<br />

dass Gott unvorstellbar Größeres vollbringen will und ganz andere Wege dazu gehen<br />

wird. Es ist ein himmelhoher Unterschied zwischen Gottes und unseren Plänen und<br />

Handlungen. Und ich muss sagen: Gott sei Dank! Gott sei Dank lässt sich Gott nicht<br />

zum ausführenden Organ unserer eigenen frommen oder unfrommen Einfälle und<br />

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