1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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Wer genauer nachliest im Römerbrief, worauf Paulus die Gemeinden hinweisen<br />
möchte, der merkt schnell: Es geht gar nicht um paradiesische Zustände, sondern<br />
um handfeste Konflikte, bei denen die Art und Weise des Essens und Trinkens eine<br />
gewichtige Rolle spielen. Als könnte man an der Frage, was einer zu sich nimmt oder<br />
nicht, ermessen, ob einer es ernst meint mit der Sache mit Gott. Die Befolgung von<br />
Speisevorschriften war ins Gerede gekommen, Starke und Schwache spielten eine<br />
Rolle, solche, die sich ängstlich gebunden wussten an überlieferte Normen, und solche,<br />
die in evangelischer Freiheit gelernt hatten, sich hinwegzusetzen über allzu einengende<br />
Details und die sich konzentrieren wollten auf die Hauptsache des Glaubens.<br />
Denen allen sagt Paulus: Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken. Ähnlich<br />
wie Jesus gemeint hatte: Nicht das verunreinigt einen Menschen, was er in seinen<br />
Mund hineinsteckt, sondern das, was aus dem Mund herauskommt (Matthäus<br />
15,11).<br />
Wir Heutigen spüren Nachbeben dieser Auseinandersetzung allenfalls in den wiederaufkommenden<br />
Auseinandersetzungen um vegetarische oder makrobiotische<br />
Kost. Mit einem gewissen Eifer gehen wieder Menschen daran, uns vorschreiben zu<br />
wollen, was wir tunlichst essen oder nicht essen sollten, um unser eigenes Leben<br />
oder das unserer Mitmenschen und der Mitgeschöpfe unter den Tieren und Pflanzen<br />
zu schonen. Auch denen mögen die Worte des Apostels Paulus in den Ohren klingen:<br />
Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken.<br />
Wenn wir Essen und Trinken im Sinne der Auslegung der vierten Vaterunser-Bitte als<br />
Symbol für all das verstehen, was uns zum Bestreiten unseres äußeren Lebensunterhaltes<br />
wichtig und notwendig ist, dann könnten wir die apostolische Mahnung auch<br />
so verstehen: Das Reich Gottes hat es überhaupt nicht mit Haben und Behalten-<br />
Wollen zu tun, nicht mit der Befriedigung noch so fundamentaler Bedürfnisse und<br />
schon gar nicht mit all dem Überfluss und Übermaß an Dingen, die wir meinen festhalten<br />
und besitzen zu sollen. Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, es ist<br />
nicht Bedürfnisbefriedigung oder Bequemlichkeit, es ist nicht Sattheit und seliges<br />
Ausruhen. Das Reich Gottes hat es zu tun mit Streben und Dienen, es ist ein Stück<br />
Arbeit mitten in dieser Welt, es hat zu tun mit der Herstellung gerechter und friedlicher<br />
und freudvoller Verhältnisse unter uns, zuerst wohl in der Gemeinde Gottes,<br />
dann aber auch in der ganzen Welt, ein Mitwirken an dem, was durch Gottes umgestaltende<br />
Kräfte ohnehin mächtig zum Zuge kommt.<br />
Worum geht es? Woran sollen wir mitwirken mit unserem Können und unserem Vermögen?<br />
Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom: Es geht um Gerechtigkeit, Friede<br />
und Freude in dem heiligen Geist.<br />
Diese Trias kommt uns bekannt vor. Wir kennen als Aufgabenbeschreibung für die<br />
Kirchen in unserer Zeit die Mitwirkung am konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden<br />
und Bewahrung der Schöpfung. Es ist eine globale Aufgabe, an der inzwischen<br />
nicht nur Christen, sondern auch Vertreterinnen und Vertreter anderer Religionen<br />
teilnehmen, ja auch solche Menschen, die meinen, ohne religiöse Motivation auskommen<br />
zu können, aber mit einer humanistischen, die Welt umspannenden Zielsetzung<br />
für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, damit auch nach uns noch Generationen<br />
von Menschen leben können im Frieden und im Einklang mit den natürlichen<br />
Gegebenheiten dieser Erde.<br />
Paulus entwickelt seine Trias „Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen<br />
Geist“ nun aber nicht als ein globales politisches Programm, sondern als eine selbstverständliche<br />
Gemeinderegel. Zunächst bei uns, im Zusammenleben der Christen<br />
und Gemeinden, muss sich zeigen, ob wir dazu fähig sind, Gerechtigkeit walten zu<br />
lassen, Frieden zu stiften und uns gegenseitig zur Freude zu verhelfen.<br />
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