1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...

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25.05.2014 Aufrufe

allen kirchlichen Gemeinschaften, aber das Festhalten am Privatbesitz ist doch bestimmender geworden und macht das Teilen und Hergeben so schwer. Irgendwie ist die große Freude am gemeinschaftlichen Leben abhanden gekommen und das Wohlwollen der öffentlichen Meinung hat auch nachgelassen. Die Mitgliederzahl schrumpft, der gesellschaftliche Einfluss der Kirchen geht zurück. Kein schönes „Altersbild“ der Kirche also, das ich da beschrieben und neben das „Jugendbildnis“ gehalten habe. Aber es ist wahr: Wir sind einen langen Weg durch die Geschichte der Menschheit gegangen und haben Federn gelassen, Schuld auf uns geladen und sind trotz großartiger Siegeszüge über die ganze Welt alt und runzelig geworden. Was sollen wir machen, wenn wir in der gegenwärtigen Krise und Altersgestalt der Kirche unserem „Jugendbildnis“ wieder begegnen? Resignieren und jammern, wegschauen und flüchten in allerlei Geschäftigkeit, die uns davon ablenkt, in den Spiegel zu schauen? Es hilft ja nicht, davonzulaufen oder das Jugendbild nur für eine verklärte Momentaufnahme zu halten. Es ist gut, wenn wir uns wenigstens ab und zu als christliche Gemeinde dieses Anfangsgemälde neben den Spiegel stecken und versuchen, Spuren alter Lebendigkeit unter matten Augen und runzliger Haut zu finden. Denn, nicht wahr, liebe Gemeinde, so schlecht ist es nun auch wieder nicht mit uns bestellt! Manchmal müssen wir uns auch im privaten Leben gegen die Jüngeren verteidigen und ihnen zeigen, wie viel Leben noch in uns steckt. Das Gefährlichste ist die Resignation, die Selbstaufgabe, der vorzeitig erklärte Tod vor dem Sterben und dem damit verbundenen Wandlungsprozess. Auch im individuellen Leben gehen wir „neuen Räumen jung entgegen“, wie Hesse einmal gedichtet hat. Und im Leben der christlichen Gemeinde geschieht das allemal. Durch Krisen und Wandlungsprozesse hindurch erneuert sich die Kirche, die niemals untergehen wird, wie die Bibel bezeugt und alle Kirchenväter gehofft und gekämpft haben in ihrem Einsatz für die Erneuerung der Kirche. Es lohnt sich, das jugendliche Leben wiederzuentdecken unter den ersten Anzeichen der Erschlaffung und fest darauf zu vertrauen, dass wieder wirksam werden wird, wovon die Apostel gesprochen haben am Anfang der Kirche. An der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend kommt es darauf an, den jugendlichen Schwung der Kirche neu zu beleben und sich darauf zu verlassen, dass die Wirkkräfte lebendigen Gemeindelebens immer noch die gleichen sind wie zu Beginn der Kirche. Es kommt darauf an, das Wort Gottes lebendig und kräftig hinausgehen zu lassen, so dass sich die Seelen der Menschen auf ihrer Suche nach Sinn angesprochen fühlen. Dann werden sie es auch als hilfreich und heilsam für ihr Leben annehmen und sich taufen lassen. Dass es diese Kraft des göttlichen Wortes immer noch gibt, können wir in den jungen Kirchen beobachten und in all den christlichen Gemeinschaften, die wachsen und zunehmen. Eine der Voraussetzungen für eine lebendige Gemeinde ist die Treue gegenüber der Lehre der Apostel, eine gute Gemeinschaft untereinander und das Festhalten am Gebet. Wenn wir Gottes Wort hören und annehmen, die Taufe begehren und immer wieder die Gemeinschaft suchen im Sakrament des Altars, dann werden wir die Erfahrung machen, dass auch unter uns Zeichen und Wunder geschehen, nämlich Menschen gesund werden an Leib und Seele, weil sie sich auf das Elementare besinnen in ihrem Leben. Es kommt nicht darauf an, alles mögliche in unserem Leben zu erleben und zu konsumieren, uns zu verlieren und zu verstricken in die vielfältigen Ablenkungsmanöver unserer schnelllebigen und vergnügungssüchtigen Zeit, sondern das Einfache wieder zu entdecken, wovon wir wirklich satt werden. Manchmal genügt dieser eine Bissen vom Brot des Lebens, dieser eine 34

Schluck aus der wahren Quelle des Lebens, um wieder in Ordnung zu kommen und gesund zu werden. Das größte Geheimnis neben dem Annehmen des Elementaren ist gewiss das Hergeben-Können und Teilen. Was haben wir nicht alles für Reichtümer und Besitztümer, die uns im wahrsten Sinne des Wortes belasten! Wir können das nicht auf ewig bei uns behalten, sondern müssen eines Tages doch alles hergeben. Was wir selbst verbrauchen, belastet uns; was wir vererben, belastet oft genug unsere Kinder und Erben, die nicht alles mitschleppen wollen, was ihnen da zugedacht wird. Wie könnten wir anders glücklich werden und glücklich machen, wenn wir beizeiten lernten, zu verschenken und auszuteilen, wo es andere nötig haben. Unsere Partnerkirche in Papua-Neuguinea z.B. möchte den von der Flutkatastrophe Betroffenen helfen, wenigstens die einfachsten Grundbedingungen des Lebens wiederzuerlangen, und den verletzten, verschreckten und versprengten Menschen Mut machen, in ihre zerstörten Dörfer zurückzukehren. Helfen wir mit bei dieser großen Aufgabe und geben heute unsere Kollekte am Ausgang besonders für diesen aktuellen Zweck. Das Geheimnis lebendiger Gemeinde liegt aber nicht nur im Annehmen der Gottesgaben und im Hergeben der weltlichen Güter, sondern auch in Fröhlichkeit, Lauterkeit, Eintracht und Dankbarkeit. Es ist eine bestimmte Haltung dem Leben gegenüber, die die Attraktivität christlichen Lebens ausmacht. Wir können nicht mit Reichtum, Jugendlichkeit, Macht und Erfolg dienen. Es sind immer andere Kräfte gewesen, die darauf verweisen können und damit Menschen zu gewinnen trachten. Aber angesichts einer sich wandelnden, begrenzten und gefährdeten Welt sind das Werte, die nicht auf Dauer befriedigen, weil sie selbst der Vergänglichkeit unterworfen sind. Was trägt, ist eine innere Zufriedenheit, die sich zeigt in inneren Werten, die auch Wandlungen, Veränderungen und Abbrüche überstehen können. Fröhliche Menschen mit lauterem Herzen, die dankbar sein können für alles von Gott Empfangene werden auch die nachwachsende Generation überzeugen. Es gibt so viele verführerische Kräfte, die Jugendliche in ihren Bann ziehen möchten. Sie werden ihnen vielleicht eine Zeitlang folgen und dann ernüchtert feststellen, wer sie betrogen und wer ihnen reinen Wein eingeschenkt hat über das Leben. Ich bin nicht bange darum, dass die christlichen Gemeinden auch heute noch das Wesentliche zu geben haben, um Leben zu bestehen in dieser modernen Welt. Vielleicht nicht die technischen Hilfsmittel und die äußeren Lebenskünste zur Bewältigung des heraufziehenden Dienstleistungszeitalters. Aber doch die inneren Kräfte, die helfen, ein fröhliches und lebendiges Herz zu behalten in der Beziehung zu sich selbst, zu den Mitgeschöpfen und zu Gott. Es ist nicht nur ein altes Jugendfoto der Urkirche, sondern auch ein Bild kommender Generationen in einer wieder lebendig gewordenen Kirche: „Die das Wort annahmen, ließen sich taufen. Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“ Amen. 07.10.1998: Eröffnung Kirchenkreissynode (Text: 18. S. n. Tr., Reihe II) Thema: Frieden und Freude im heiligen Geist (Römer 14,17-19) Dem Apostel Paulus geht es offensichtlich zunächst um die Abwehr eines Missverständnisses: Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken. Als gäbe es Menschen, die sich unter dem Frieden der Endzeit eine Art Schlaraffenland vorstellen: paradiesische Verhältnisse ohne Arbeit und Anstrengung, bei denen einem die gebratenen Tauben nur so in den Mund fliegen und wir alles sorglos genießen dürften, was wir uns von paradiesischen Zuständen erhoffen. Aber: Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken. 35

allen kirchlichen Gemeinschaften, aber das Festhalten am Privatbesitz ist doch bestimmender<br />

geworden und macht das Teilen und Hergeben so schwer. Irgendwie ist<br />

die große Freude am gemeinschaftlichen Leben abhanden gekommen und das<br />

Wohlwollen der öffentlichen Meinung hat auch nachgelassen. Die Mitgliederzahl<br />

schrumpft, der gesellschaftliche Einfluss der Kirchen geht zurück.<br />

Kein schönes „Altersbild“ der Kirche also, das ich da beschrieben und neben das<br />

„Jugendbildnis“ gehalten habe. Aber es ist wahr: Wir sind einen langen Weg durch<br />

die Geschichte der Menschheit gegangen und haben Federn gelassen, Schuld auf<br />

uns geladen und sind trotz großartiger Siegeszüge über die ganze Welt alt und runzelig<br />

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Was sollen wir machen, wenn wir in der gegenwärtigen Krise und Altersgestalt der<br />

Kirche unserem „Jugendbildnis“ wieder begegnen? Resignieren und jammern, wegschauen<br />

und flüchten in allerlei Geschäftigkeit, die uns davon ablenkt, in den Spiegel<br />

zu schauen?<br />

Es hilft ja nicht, davonzulaufen oder das Jugendbild nur für eine verklärte Momentaufnahme<br />

zu halten. Es ist gut, wenn wir uns wenigstens ab und zu als christliche<br />

Gemeinde dieses Anfangsgemälde neben den Spiegel stecken und versuchen, Spuren<br />

alter Lebendigkeit unter matten Augen und runzliger Haut zu finden. Denn, nicht<br />

wahr, liebe Gemeinde, so schlecht ist es nun auch wieder nicht mit uns bestellt!<br />

Manchmal müssen wir uns auch im privaten Leben gegen die Jüngeren verteidigen<br />

und ihnen zeigen, wie viel Leben noch in uns steckt. Das Gefährlichste ist die Resignation,<br />

die Selbstaufgabe, der vorzeitig erklärte Tod vor dem Sterben und dem damit<br />

verbundenen Wandlungsprozess.<br />

Auch im individuellen Leben gehen wir „neuen Räumen jung entgegen“, wie Hesse<br />

einmal gedichtet hat. Und im Leben der christlichen Gemeinde geschieht das allemal.<br />

Durch Krisen und Wandlungsprozesse hindurch erneuert sich die Kirche, die niemals<br />

untergehen wird, wie die Bibel bezeugt und alle Kirchenväter gehofft und gekämpft<br />

haben in ihrem Einsatz für die Erneuerung der Kirche. Es lohnt sich, das jugendliche<br />

Leben wiederzuentdecken unter den ersten Anzeichen der Erschlaffung und fest darauf<br />

zu vertrauen, dass wieder wirksam werden wird, wovon die Apostel gesprochen<br />

haben am Anfang der Kirche.<br />

An der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend kommt es darauf an, den jugendlichen<br />

Schwung der Kirche neu zu beleben und sich darauf zu verlassen, dass die Wirkkräfte<br />

lebendigen Gemeindelebens immer noch die gleichen sind wie zu Beginn der Kirche.<br />

Es kommt darauf an, das Wort Gottes lebendig und kräftig hinausgehen zu lassen,<br />

so dass sich die Seelen der Menschen auf ihrer Suche nach Sinn angesprochen fühlen.<br />

Dann werden sie es auch als hilfreich und heilsam für ihr Leben annehmen und<br />

sich taufen lassen. Dass es diese Kraft des göttlichen Wortes immer noch gibt, können<br />

wir in den jungen Kirchen beobachten und in all den christlichen Gemeinschaften,<br />

die wachsen und zunehmen. Eine der Voraussetzungen für eine lebendige Gemeinde<br />

ist die Treue gegenüber der Lehre der Apostel, eine gute Gemeinschaft untereinander<br />

und das Festhalten am Gebet. Wenn wir Gottes Wort hören und annehmen,<br />

die Taufe begehren und immer wieder die Gemeinschaft suchen im Sakrament<br />

des Altars, dann werden wir die Erfahrung machen, dass auch unter uns Zeichen und<br />

Wunder geschehen, nämlich Menschen gesund werden an Leib und Seele, weil sie<br />

sich auf das Elementare besinnen in ihrem Leben. Es kommt nicht darauf an, alles<br />

mögliche in unserem Leben zu erleben und zu konsumieren, uns zu verlieren und zu<br />

verstricken in die vielfältigen Ablenkungsmanöver unserer schnelllebigen und vergnügungssüchtigen<br />

Zeit, sondern das Einfache wieder zu entdecken, wovon wir wirklich<br />

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