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1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...

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26.07.1998: 7. Sonntag nach Trinitatis<br />

Apostelgeschichte 2,41-47<br />

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie Fotos aus Ihrer Kinder- und Jugendzeit<br />

betrachten. Mich beschleichen dabei oft zwiespältige Gefühle. Auf der einen Seite<br />

die Freude über sorglose Zeiten, in denen ich aufwachsen durfte. Die Familienverhältnisse<br />

waren noch einigermaßen heil, die Zukunft mit ihren damals so vielfältigen<br />

Möglichkeiten lag noch vor mir. Auf der anderen Seite ein Seufzen über längst<br />

entschwundene Tage; die Erkenntnis, dass so mancher Traum nicht in Erfüllung gegangen<br />

ist, die Erfahrung von Scheitern und auch Schuld. Wir sind älter geworden<br />

und haben vielversprechende Ansätze aufgeben müssen. Aber in der Verwandlung<br />

und Konkretion unserer Wünsche und Ziele sind wir auch reifer, nüchterner, erwachsener<br />

geworden. Was bedeutet da ein Jugendbild? Sehnsucht und Ernüchterung<br />

zugleich! Viele empfinden auch Ermutigung und Neubelebung in ihrer zur Resignation<br />

neigenden Weltsicht. Es gab ja mal diesen Schwung im Leben, und ihn gilt es<br />

wiederzuentdecken unter der ermattenden Staubschicht des Lebens.<br />

Mir ist dieses Beispiel vom Bilderbetrachten aus Kinder- und Jugendzeiten mit seinen<br />

zwiespältigen Gefühlen eingefallen, als ich den heutigen Predigttext las. Dieser Abschnitt<br />

aus dem zweiten Kapitel der Apostelgeschichte kommt mir vor wie ein Kinderund<br />

Jugendfoto aus den Anfängen der christlichen Gemeinde. Da ist noch alles in<br />

Ordnung: Die Gemeinde wächst, die Menschen lassen sich taufen; sie sind einmütig<br />

beieinander im Gottesdienst und loben Gott mit Freuden; sie besuchen sich gegenseitig<br />

in den Häusern und haben alle Dinge gemeinsam; sie helfen einander aus<br />

in allerlei Nöten und finden Wohlwollen beim Volk. Ehrfurcht ergreift die Seelen und<br />

es geschehen noch Zeichen und Wunder.<br />

Ich stelle mir die Apostel Petrus und Paulus vor, wie sie ganz stolz zu sehen sind in<br />

der Mitte dieser so ideal gezeichneten Gemeinde. Wir kennen solche Fotos aus den<br />

Anfängen junger Gemeinden auf den Missionsfeldern der Welt. Meist sind sie etwas<br />

vergilbt, aber strahlen doch noch etwas aus von der Freude des Anfangs – wie z.B.<br />

vor hundert Jahren in unserer Partnerkirche in Papua-Neuguinea. Auch da war es so,<br />

wie wir es in der Apostelgeschichte lesen: „Die das Wort annahmen, ließen sich taufen.<br />

Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft<br />

und im Brotbrechen und im Gebet.“<br />

Wir begegnen unseren Anfängen als christliche Gemeinde in diesen Worten aus der<br />

Apostelgeschichte. Gewiss, es ist nur eine Momentaufnahme mit dem besonderen<br />

Charme einer Sonntagssituation und Fotografierpose: „bitte alle mal hersehen und lächeln“.<br />

Wir wissen genau, dass es auch schon in der Urgemeinde Spannungen und<br />

Auseinandersetzungen gab. Wenige Verse zuvor und einige danach erzählen vom<br />

Alltag der Gemeinden, die sich mit sehr viel inneren Spannungen und äußeren Anfeindungen<br />

auseinandersetzen mussten. Es wäre also Unrecht, wollte man unsere<br />

Gemeindewirklichkeit immer an diesem wirklich gelungenen „Jugendfoto“ aus den<br />

Anfängen der Christenheit messen.<br />

Aber zunächst einmal fällt uns allen ein, wie „alt“ wir heutzutage aussehen, gemessen<br />

an diesem schönen Bild. Es scheint sich beinahe alles ins Gegenteil verkehrt zu<br />

haben: Die Leute wollen das Gotteswort nicht mehr hören, immer weniger lassen<br />

sich taufen. Die apostolische Lehrgrundlage der Kirche ist ins Wanken geraten; Gemeinschaft,<br />

Gebet und Brotbrechen rücken an den Rand des Geschehens. Von Ehrfurcht<br />

vor Gott und den Geheimnissen des Lebens kann keine Rede mehr sein, es<br />

geschehen auch nicht mehr Zeichen und Wunder; jedenfalls scheint es so. Vor allem<br />

hat die Eintracht gelitten unter den Christen, sie feiern nicht mehr einmütig ihre Gottesdienste<br />

in zentralen Kirchen, sondern sind aufgespalten in viele Konfessionen.<br />

Zwar gibt es noch Gemeinschaftseigentum und eine große soziale Verpflichtung in<br />

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