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1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...

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Lebens. In dieser von Abgötterei bestimmten Frömmigkeit erkennt er vom Evangelium<br />

her ein Suchen. Die vielen Bilder, Tempel, Götter und Altäre, die vielerlei Anschauungen<br />

und philosophischen Systeme offenbaren ja nicht so sehr eine Fülle,<br />

sondern vielmehr einen tiefen Mangel. Sie lassen Angst deutlich werden: Ich könnte<br />

einen – vielleicht den entscheidenden – Gott und damit mich selber verfehlen, ebenso<br />

wie das Gemeinwesen seine Zukunft.<br />

Und hier setzt Paulus an, bei diesem inneren Schaden trotz aller äußerlichen Fülle.<br />

Wenn uns das doch auch immer gelingen könnte, hinter die Kulissen, hinter die Fassaden<br />

der Menschen zu sehen! Statt uns über all die Äußerlichkeiten, den Prunk, die<br />

Selbstsicherheit und Selbstherrlichkeit der Menschen zu ärgern, sollten wir auf die<br />

dahinterliegenden Signale ihrer ängstlichen Seele achten.<br />

Wie viele Menschen sind eigentlich auf der Suche nach der eigenen Tiefe, nach Sinn<br />

und wirklicher Erfüllung in ihrem Leben und bleiben nur vorzeitig stecken in Äußerlichkeiten<br />

und Eitelkeiten. Paulus lässt sich davon nicht täuschen, auch nicht von der<br />

Klugheit und Bildung der Athener. Er sieht ihnen ins Herz, so wie Jesus das immer<br />

getan hatte, und entdeckt ihren heimlichen Schaden und ihre heimliche Sehnsucht.<br />

Und daran knüpft er an. Das nimmt er, um seine Botschaft unter die Leute zu bringen<br />

– nicht den Ärger, nicht die Äußerlichkeiten. Davon lässt er sich nicht täuschen und<br />

ablenken. Er geht auf das Zentrale, die tiefe Sehnsucht der Menschen zu und versucht,<br />

sie darin zu verstehen und ein Stück weiterzubringen.<br />

Paulus spricht von dem „unbekannten Gott“. Er weiß, die Menschen suchen ihn, ob<br />

sie ihn vielleicht fühlen und finden könnten. Er sagt: Es ist wahr, er ist nicht ferne von<br />

einem jeden von uns. In ihm leben und weben und sind wir. Und er gibt den Dichtern<br />

recht, die schon immer gesagt haben: Wir sind von göttlichem Geschlecht.<br />

So redet also Paulus mit den Menschen. Er lässt alles Äußere und Irritierende beiseite<br />

und konzentriert sich auf das Wesentliche: alle Menschen, auch die verkehrtesten<br />

und irregeleiteten, haben etwas Göttliches in sich, das sie suchen lässt nach Tiefe<br />

und Wahrheit. Und das allein ist ihm jetzt wichtig.<br />

Ob wir die Menschen auch so mit liebenden Augen ansehen können? Den heimlichen<br />

Sinn hinter all dem offensichtlichen Unsinn entdecken können? Paulus konnte<br />

das.<br />

Die dritte Beobachtung:<br />

Paulus bleibt nicht bei diesem Anknüpfungspunkt stehen. Er bestätigt die Leute nicht<br />

einfach in ihrer Suche und lässt sie dann allein. Nein, er riskiert etwas. Er setzt das<br />

eben gewonnene Einverständnis mit den Leuten wieder aufs Spiel, indem er ihnen<br />

die ganze Wahrheit sagt, so wie er sie erlebt und verstanden hat. Erst das bedeutet,<br />

dass er ihnen seine ganze Liebe schenkt. Er kann gar nicht anders, als von seinen<br />

Gotteserfahrungen zu sprechen, mögen sie auch in den Ohren seiner Zuhörer Erstaunen,<br />

Befremden, ja Widerstand hervorrufen.<br />

Liebe Gemeinde! Es ist gerade dieser Mut des Paulus, der uns heute oft fehlt. Gewiss,<br />

wir haben gelernt, unseren Zorn zu besiegen und einen freundlichen Ton gegenüber<br />

den Menschen anzuschlagen und sie dort abzuholen, wo sie gerade stehen.<br />

Aber genügt das? Ist das alles, was wir ihnen zu sagen haben, dass sie sich bestätigt<br />

und angenommen fühlen? Ich fürchte, wenn wir dabei stehen bleiben, bei dieser<br />

Freundlichkeit, bei diesem Verständnis, dann bleiben wir ihnen Wesentliches schuldig:<br />

nämlich die Wahrheit. Die Wahrheit über unser Leben, die manchmal auch wehtut,<br />

die schwer zu ertragen ist.<br />

Paulus nimmt den Menschen in Athen eine freundliche und schöne Illusion: nämlich,<br />

dass die Gottheit gleich sein könnte jenen goldenen, silbernen und steinernen Bildern,<br />

durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht. Und wenn noch so viel<br />

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