1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Antworten gibt. Gott, so berichtet die Bibel, hat diesen Weg gewählt. Wir sollten zunächst<br />
einmal zu hören versuchen, was das Kreuz uns zur Versöhnung sagt.<br />
Das Kreuz gibt ein bestimmtes Signal an das schlechte Gewissen, das Angst hat vor<br />
den Konsequenzen von Schuld und Versagen. Es ist ja wahr: Das, was wir Menschen<br />
tun, trifft uns und andere mit harten Folgen. Das macht immer Angst. Gott, das<br />
wissen wir, wenn wir überhaupt mit ihm rechnen, ist der eigentliche Richter, der letzte<br />
Richter über menschliches Tun. Diesen Richter müssen Menschen durchaus fürchten.<br />
Immer und immer wieder in der Geschichte hatten Menschen schreckliche Angst<br />
vor dem göttlichen Richter, welche Namen sie ihm auch gaben oder welche Vorstellung<br />
sie sich auch immer von ihm machten. Am Kreuz dagegen ist vor aller Augen<br />
sichtbar: Dieser Richter ist anders, er kann gar nicht zuschlagen, seine Hände sind<br />
festgehalten. Von ihm geht keine Strafe mehr aus, im Gegenteil, die Strafe liegt auf<br />
ihm. Wie viele unbarmherzige Richter es auch immer geben mag, Gott gehört nicht<br />
zu ihnen. Das können wir am Kreuz erblicken.<br />
Aber würde es nicht genügen, so fragen wir, das den Menschen einfach schlicht zu<br />
sagen? Wahrscheinlich nicht. Da geängstigte Gewissen glaubt nicht so einfach. Das<br />
Zeichen des Kreuzes aber reicht in die Tiefe der Angst, es erreicht das Herz der<br />
Menschen. Das hat sich, seit es die Botschaft von der Versöhnung am Kreuz gibt,<br />
immer und immer wieder gezeigt. Das Kreuz hat vielen Menschen in der Angst vor<br />
dem Gericht geholfen. Ob wir tief genug verstehen können, was das bedeutet? Ein<br />
geängstigtes und gequältes Gewissen schaut auf den Gekreuzigten und versteht: Du<br />
bist ja bei mir, du hältst aus mein Leid und trägst mit mir meine Schuld.<br />
Dann allerdings steht das Kreuz auch gegen die Verharmlosung der Folgen menschlicher<br />
Schuld und menschlichen Versagens. Da stirbt einer, da leidet einer Schmerzen,<br />
da zerbrechen Hoffnungen, da kommt Verzweiflung auf. Das, was die Feinde<br />
und die Freunde Jesu angerichtet haben – es bleibt nicht folgenlos, es tut weh. Auch,<br />
wenn das alles nicht das letzte Wort ist – es ist schlimm, schlimm genug. Wer wollte<br />
da sagen: Was gehen mich denn die Folgen an? Menschen schreien und Menschen<br />
verstummen unter den Schlägen, die ihnen andere zufügen. Billige Vergebung und<br />
Versöhnung kann es da nicht geben – sie überspielen die Opfer.<br />
Wie aber kann Vergebung geschehen, ohne dass die Opfer vergessen werden?<br />
Durch das Kreuz. Es ist die stets gegenwärtige Erinnerung daran, dass menschliche<br />
Schuld schlimme Folgen hat. Wenn man Versöhnung und die Erinnerung an das<br />
Schicksal der Opfer im Kreuz zusammensieht, dann fängt man an, über diesen Vorgang<br />
zu staunen, dann kommt Dankbarkeit auf und tiefes Verständnis über den Weg,<br />
den Gott gewählt hat für seine Versöhnung. Unter diesem Niveau göttlicher Verbindung<br />
des Unverbindbaren – dass einer eintritt in den Riss dieser Welt und versöhnt<br />
und heilt, wo es scheinbar keine Hoffnung mehr gab – unter diesem Niveau sollten<br />
wir nie wieder von Versöhnung reden. Es muss ja auf sich genommen und durchgehalten<br />
werden – das ist die Botschaft unbesiegbarer Liebe.<br />
Und schließlich, das Kreuz steht ja nicht allein, wenn es immer noch Bedenken gegen<br />
diesen ungewöhnlichen Weg Gottes geben sollte. Die Auferweckung als Gottes<br />
Antwort gehört dazu. Gott versöhnt durch Kreuz und Auferstehung. Damit bürgt er für<br />
all das, was offen bleibt bei menschlicher Versöhnung, ja, was offen bleiben muss,<br />
weil wir Vergangenes nicht wirklich wiedergutmachen können. Nur eine Versöhnung,<br />
die dem Täter und dem Opfer, dem Opfer und dem Täter neue Möglichkeiten eröffnet,<br />
kann halten und tragen. Letztlich ist jeder, der Versöhnung versucht, darauf angewiesen,<br />
dass Gott ihm und ihr zu Hilfe kommt mit der Kraft, neues Leben zu schaffen.<br />
18