1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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Ich will das jetzt nicht im einzelnen belegen und von den Folgen der Globalisierung<br />
und der Rolle der G 8-Staaten darin berichten. Ich bin ja eher an der Umkehr-<br />
Geschichte interessiert als an all den internationalen Verstrickungen in Gewalt und<br />
Ungerechtigkeit. Nur deutlich machen möchte ich, dass Zachäus hier nicht allein ist.<br />
Das ist ja kein einzelner aus einer fernen Vergangenheit, der umkehrt und zum Leben<br />
findet. Das ist einer, der wie ein kollektives Symbol über unser aller Leben steht:<br />
„Da war ein Mann, genannt Zachäus, der war ein Oberster der Zöllner und war reich.“<br />
Wir, die wir einer „Zachäus-Kultur“ angehören, lesen diese biblische Geschichte und<br />
hören aus ihr den Ruf zur Umkehr. Es geht um uns und unsere sogenannten „Lebensverhältnisse“,<br />
die leider allzu oft, wenn man den Zusammenhang und den Hintergrund<br />
beachtet, eher „Todesverhältnisse“, jedenfalls für viele andere, sind.<br />
Nun, der Wendepunkt dieser Geschichte, der Wendepunkt vom Tod zum Leben, liegt<br />
bereits darin, dass dieser ehrgeizige und scheinbar so erfolgreiche Mann „begehrt,<br />
Jesus zu sehen, wer er wäre“.<br />
Offensichtlich ist ihm bewusst geworden, dass sein Reichtum noch nicht alles gewesen<br />
sein kann. Mag es zunächst auch nur eine oberflächliche Neugier sein, die ihn<br />
auf den merkwürdigen Wanderprediger aus Nazareth achten lässt, dem so viele<br />
Menschen hinterherlaufen – jedenfalls beginnt er, sich für einen anderen Entwurf von<br />
Leben zu interessieren als den, den er bisher selber praktiziert hat.<br />
Am Ende des Reichtums steht nicht das Glück, sondern die Frage nach einem anderen<br />
Leben, nach anderen Werten. Das ist die Erfahrung, die wir mit Zachäus teilen.<br />
Alles, worauf wir so stolz sind in unserer eigenen Entwicklung, beginnt plötzlich zu<br />
wanken und fraglich zu werden, wenn wir die Zusammenhänge und die Folgen bedenken.<br />
Es ist teuer erkauft, was unsere Macht und unseren Reichtum ausmacht, oft<br />
genug: zu teuer.<br />
Mit großem Energieeinsatz machen wir uns z.B. über die Natur her und zerstören<br />
oder gefährden dabei langfristig die Grundlagen des Lebens. Mit schrecklichen Waffen<br />
bedrohen wir uns gegenseitig oder setzen sie im Kampf gegen den Terrorismus<br />
auch tatsächlich ein und verweigern dabei unsere Kräfte dem entschiedenen Einsatz<br />
gegen Hunger und Ungerechtigkeit, den Wurzeln von so viel Verzweiflung und Aufstand<br />
in der Welt. Wir sitzen auf einem sehr hohen Ross und sind auf einmal gar<br />
nicht mehr so stolz und unbefangen, sondern ahnen die Abgründe und schauen uns<br />
um nach einem anderen, gerechteren Lebensstil.<br />
In unserer biblischen Geschichte klettert Zachäus auf einen Baum und hält Ausschau<br />
nach Jesus. Und der begreift sofort, was mit diesem Mann los ist: dass der mächtige<br />
Baum nur ein Vehikel ist für seine Kleinheit, dass der reiche Mann da oben im Baum<br />
einsam ist und etwas ganz anderes sucht: „Komm herunter“, sagt er, „ich will bei dir<br />
einkehren.“<br />
Welch tiefe Bedeutung steckt allein in diesen Worten! „Komm herunter“, sagt Jesus.<br />
Komm herunter von deiner geliehenen Macht, deinem zusammengerafften Reichtum,<br />
deiner Verstiegenheit in Ehrgeiz und Selbstbehauptung, von deiner Sucht, über alle<br />
hinausragen und sie übertreffen zu wollen.<br />
„Komm herunter“, sagt Jesus. Sei wieder du selber. Lass los, was dich immer wieder<br />
nach oben treibt, befreie dich von dieser schrecklichen Einsamkeit im luftleeren<br />
Raum über den Köpfen der Menschen, steig herab, spüre wieder die Erde unter den<br />
Füßen, begegne den Menschen, die mit dir leben.<br />
„Ich will bei dir einkehren“ – damit ist nicht nur ein Gastmahl gemeint, eine fröhliche<br />
Gemeinschaft von Menschen. Das geht noch viel tiefer. „Ich will bei dir einkehren“<br />
heißt: Ich will dir begegnen, in dich hineinwachsen, dich ausfüllen, dir wirkliches Leben<br />
schenken. Du kannst anders werden, finden, wonach du suchst.<br />
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