1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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Mir fällt nämlich ein, dass ich manchmal auf dem Kriegsfuß stehe mit mir selber, mit<br />
meiner Umwelt, in der ich lebe. Und ich kann mir vorstellen, ja, ich weiß ein Stück,<br />
was es heißt, „Frieden“ zu finden, endlich in Frieden und Einklang zu leben mit mir<br />
selber, mit den Menschen, die mir begegnen und die mir anvertraut sind.<br />
„Frieden haben mit Gott“ – könnte das nicht heißen: Frieden haben mit dem Ganzen<br />
– mit mir, mit den andern, mit dem Leben überhaupt? Versöhnt zu sein mit dem, was<br />
ist?<br />
Ich finde, es müsste etwas Großartiges sein, zur Ruhe zu kommen, Frieden zu finden,<br />
versöhnt zu sein. Sich selber und andere annehmen zu können, so wie sie sind.<br />
Dann geht es nicht allein um ein Versöhnungsopfer, das Christus für mich bei Gott<br />
bewirkt hat, wie wir es im Anschluss an die Lebensfrage des Paulus formulieren.<br />
Dann geht es auf dem Hintergrund meiner und Ihrer Lebenserfahrungen um die Ermöglichung<br />
eines anderen Umgangs miteinander. Und auch das bewirkt Christus in<br />
unserem Leben, weil er gezeigt hat: Es geht doch. Du kannst so sein! Sanftmut verwandelt<br />
das Leben.<br />
Es geht nicht um eine bloße Kapitulation vor den Gegebenheiten des Lebens, so<br />
dass wir resigniert und ergeben einräumen müssten: So ist es nun einmal, so bin ich,<br />
so sind die Menschen. Nein, es ist eine ganz fröhliche, friedliche und auf Hoffnung<br />
hin gelebte Haltung dem Leben gegenüber: Das bin ich und das bist du und das alles<br />
können wir noch werden. Herrlich muss ein solcher Blick auf das Leben sein! Voller<br />
Liebe und Barmherzigkeit, wie Christus das getan hat, von sich selber absehen und<br />
anderen begegnen und mir und ihnen noch etwas zutrauen: „Es ist noch nicht erschienen,<br />
was wir sein werden.“<br />
Ist das nicht wahrer Glaube, der Frieden macht mit der Welt, der annimmt, was ist,<br />
und wartet auf das, was aussteht? Ja, aber was ist mit dem vielen Leiden in der<br />
Welt? Willst du auch damit deinen Frieden machen, höre ich eine Stimme sagen.<br />
Das ist nun die zweite tiefe Erfahrung, die Paulus mitteilt: „Trübsal bringt Geduld,<br />
Geduld aber bringt Bewährung, Bewährung aber bringt Hoffnung, Hoffnung aber<br />
lässt nicht zuschanden werden.“<br />
Er sagt nicht: „Weg mit dem Leid, so etwas darf es gar nicht geben.“ Er sagt auch<br />
nicht: „Ich ertrage es nur zähneknirschend.“ Nein, er sagt etwas ungeheuer Herausforderndes:<br />
„Ich rühme mich auch der Trübsale.“ Im Rühmen wird alle Bedrängnis<br />
angenommen und verwandelt. Er leugnet nicht diese dunkle Seite des Lebens, er<br />
vermeidet das Unglück nicht, er läuft nicht davon. Er klagt auch nicht an und versucht,<br />
es auf diese Weise von sich zu halten oder wieder wegzubringen zu einem<br />
Schicksal, das man dafür anklagen dürfte. Er nimmt es an und verwandelt es in eigene<br />
Stärke. Er sagt nicht ohne Stolz, dass er durch die Erfahrung des Leidens gelernt<br />
habe, nämlich: Geduld, Bewährung, Hoffnung, Liebe.<br />
Ich finde das gar nicht so unglaublich, was Paulus hier sagt. Ich weiß zwar genau,<br />
dass ich mich immer wieder gegen die Erfahrung von Leid gewehrt habe und es auch<br />
heute noch manchmal tue. Aber – wo ich nicht ausweichen konnte, wo ich nicht davongelaufen<br />
bin, da habe ich auch gelernt, da habe ich mehr vom Leben verstanden<br />
als durch viele Erfolge und Fröhlichkeiten.<br />
Menschen, die meine Frau und mich näher kennen, wissen, welche Erfahrungen ich<br />
damit meine. Das hat mit unserer schwerbehinderten Tochter Mirjam zu tun, die wir<br />
ein paar Jahre in unserer Familie getragen haben, bis wir unter der Last beinahe zusammengebrochen<br />
wären. Das hat auch mit unserer Adoptivtochter Gloria zu tun,<br />
deren Schicksal wir bei aller Liebe nur mildern, nicht wirklich grundlegend verändern<br />
konnten. Wir wurden durch all das stark herausgefordert, das unabänderliche Leiden<br />
anzunehmen und in unser Leben zu integrieren und aus all dem Schweren und<br />
Schmerzhaften innere Stärke zu gewinnen. „Trauern ist besser als Lachen, denn<br />
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