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1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...

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fördert und fordert. Und so macht das berufende Wort aus einem Kunstwerk einen<br />

Künstler. Verbum accedit ad elementum et fit sacramentum. Das Wort tritt zum Element,<br />

zum Material, und macht daraus ein Sakrament, ein heiliges und heilendes<br />

Geschehen unter dem Segen Gottes. Kunst ist Weitergabe des schöpferischen Impulses,<br />

der in uns steckt, Äußerung, Entäußerung eines Innen. Wir werden durchlässig<br />

für fremdes Handeln an uns und geben doch unser Eigenes dazu: Das ist Kunst.<br />

Nicht einfach nur die Abbildung der Schöpfung wie in einer Fotographie, sondern die<br />

Sichtbarmachung eines Berufungsimpulses, der durch allerlei Widerstände und Zweifel<br />

hindurch von innen nach außen drängt und „schafft, wie’s ihm gefällt“.<br />

Hören wir genau auf den Text und entdecken dabei die Grundmotive schöpferischen,<br />

künstlerischen Handelns beim Menschen.<br />

Gott gedenkt meines Namens. Er erinnert sich, weshalb, wozu er mich gemacht hat.<br />

Kunst ist immer prospektiv, nach vorn gerichtet. Und deshalb ist es so wichtig, dass<br />

dieses Stichwort in unser Fest eingefügt wurde. Ja, wir erinnern uns dankbar an 20<br />

Jahre Künstlerhaus in Lauenburg an der Elbe, wir lassen die Namen und die wunderbaren<br />

Kunstwerke noch einmal an uns vorüberziehen. Aber sie waren nicht gemacht<br />

und gedacht als Rückblicke, sondern als Entwürfe, vor sich Geworfenes und<br />

sichtbar Gemachtes, was noch kommen soll: Verständnis, Begreifen, Beachten.<br />

Auch wenn Kunstwerke von bereits Vergangenem erzählen, wollen sie doch vorgreifen<br />

und Zusammenhänge deutlich machen, betonen, unterstreichen, herausstellen –<br />

damit wir aufmerksamer, liebevoller, bewusster leben. Selbst in der Provokation –<br />

und es wird eben nicht revoziert, zurückgenommen, sondern provoziert, hervorgerufen<br />

– geht es um das bessere, das zukünftige Leben.<br />

Wie beim Propheten Jesaja, dem zweiten Jesaja. Auch aus ihm wurde ein Künstler.<br />

Gott gedachte seiner, den er gemacht hatte im Mutterleib, und erinnerte sich, wozu<br />

er diesen Propheten erschaffen hatte: als ein scharfes Schwert und einen spitzen<br />

Pfeil. Prophet und Provokateur, Künstler eben, durch den etwas geschehen und geschaffen<br />

werden sollte.<br />

Hören wir wieder genau hin: „Er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, durch<br />

den ich mich verherrlichen will.“ Was für eine wunderbare Berufung in eine ehrenvolle<br />

Aufgabe. Wir sollen etwas sein zum Lobe seiner Herrlichkeit. Genauer noch: Wir<br />

sind es. Gott verherrlicht sich durch uns. Und die eigentliche Aufgabe kommt erst<br />

noch. Vor aller Aufgabe, vor allem Werk, sind wir etwas: nämlich wertgeachtet bei<br />

Gott, und Gott ist unsere Stärke. Wer hält das aus, so geehrt und geachtet, so hoch<br />

erhoben zu werden?<br />

Uns befallen Zweifel, den Propheten befallen Zweifel, alle Künstlerinnen und Künstler<br />

befallen Zweifel – sonst wären sie keine. Wie kann man das denn auch aushalten,<br />

von Gott berufen zu werden zur Äußerung, zur Entäußerung des Inneren nach außen.<br />

Wie soll man oder frau das nur aushalten, das eigene, von Gott geschenkte Innere<br />

nach außen zu bringen vor die Augen und Ohren der Menschen?<br />

Jesaja, dem zweiten Jesaja, brachte der Selbstzweifel, dieses lebensnotwendige<br />

Ferment allen künstlerischen, prospektiven Schaffens, schwere Anfechtungen: „Ich<br />

aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz,<br />

wiewohl mein Recht bei dem Herrn und mein Lohn bei meinem Gott ist.“ Haben Sie,<br />

liebe Gemeinde, schon jemals genauer und präziser beschrieben gehört, was einen<br />

Propheten und Künstler ausmacht, als diese Worte? Vergeblich, umsonst, unnütz. So<br />

denken alle – wenigstens manchmal und zwischendurch. Und wenn es wie eine große<br />

Woge über sie kommt, dieses starke Gefühl, dann werden auch schon mal<br />

Kunstwerke zerstört und verbrannt von eigener Hand. Und das ist der einzige Grund,<br />

den ich gelten lassen würde, ein Kunstwerk zu zerstören: Wenn den Künstler, die<br />

Künstlerin der Selbstzweifel packt und sie es besser machen will und es doch nicht<br />

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