1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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Denn Johannes Chrysostomos (349-407) sagte einmal: „Christus hat uns die Möglichkeit<br />
gegeben, uns von seinem Leibe zu sättigen; dadurch erhob er uns zu einer<br />
noch engeren Freundschaft und zeigte uns seine Sehnsucht nach uns, denn er gibt<br />
sich nicht denen, die ihn nur schauen möchten, sondern jenen, die ihn betasten und<br />
essen wollen, die sich in seinen Leib einpflanzen, sich mit ihm vereinigen und die ihre<br />
ganze Sehnsucht nach ihm sättigen wollen.“ Wieviele, gerade auch säkularisierte<br />
Menschen, sehnen sich nach dieser Erfahrung!<br />
Und doch ist die Herausforderung, so hören wir aus dem biblischen Text, noch nicht<br />
zu Ende. Der auferstandene Christus spricht zu Thomas, nachdem er sich hat sehen<br />
und berühren lassen: „Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig<br />
sind, die nicht sehen und doch glauben!“<br />
Liebe Schwestern und Brüder! „Nicht sehen und doch glauben“ – das ist vielleicht die<br />
größte Herausforderung für uns alle, besonders für eine moderne, visuell veranlagte<br />
Erlebnisgesellschaft. Aber es ist die Wahrheit: Angeeignet wird das wunderbare Geschenk<br />
unseres Herrn Jesus Christus, der sich uns selber gibt in Brot und Wein, nur<br />
innen, im Unanschaulichen, Unbegreiflichen, im Herzen – wenn die Wahrnehmungstüren<br />
zur Welt geschlossen sind und einer spricht: „Friede sei mit dir!“ Und ich finde:<br />
Es kann ja nur einer so sprechen und unser Herz erreichen: der Menschensohn, der<br />
Sohn Gottes. Amen.<br />
08.10.2006: 17. Sonntag nach Trinitatis (20 Jahre Künstlerhaus Lauenburg/E.)<br />
Jesaja 49,1-6<br />
War der Prophet Jesaja (wie wir heute wissen: der zweite Jesaja, von dem die eben<br />
vorgelesenen Verse stammen) ein Künstler? Ja, er war einer, wie wir noch hören und<br />
hoffentlich auch verstehen werden. Aber vor allem und zuerst war er ein besonderes<br />
Kunstwerk des Schöpfergottes, den wir in der Einheit von Vater, Sohn und Heiligem<br />
Geist als den einen und wahren Gott anbeten und verehren.<br />
Er, der Schöpfergott, Erschaffer, Retter und Bewahrer unseres Lebens, hat auch den<br />
Propheten Jesaja, den zweiten Jesaja, „gemacht“ – „künstlich und fein bereitet“, wie<br />
wir das im Loblied besingen, also besonders kunstvoll gestaltet. Wenn wir genau hinschauen<br />
tut er das mit allen Menschen, macht sie zu Kunstwerken seiner Menschenkunst<br />
und belebt sie mit seinem Odem so, dass sie womöglich selber Künstler werden<br />
können. Im Predigttext heißt es zu diesem „Kunstschaffen“ Gottes: „Der Herr hat<br />
mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet, er hat meinen Mund wie ein scharfes<br />
Schwert gemacht, mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat<br />
mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt.“<br />
Kann man schöpferisches Tun, künstlerisches Schaffen besser beschreiben als mit<br />
diesen Worten: bereitet, gemacht, bedeckt, gemacht, verwahrt? Genau so spielen<br />
sich die schöpferisches Prozesse in unserem künstlerischen Schaffen ab: Wir bereiten,<br />
wir machen, wir bedecken, wir machen erneut, wir verwahren – und stellen dar<br />
und stellen aus.<br />
Das also halten wir als erste Erkenntnis aus unserem Predigttext fest: Ehe wir handeln<br />
und schaffen können, hat Gott schon längst an uns gehandelt und geschaffen.<br />
Wir sind Geschöpfe eines Schöpfers, selber Kunstwerke, ehe wir zum Künstler, zur<br />
Künstlerin berufen werden.<br />
Jesaja, der zweite Jesaja, war ein besonderes Kunstwerk, ein wichtiges Lebenswerk<br />
Gottes: von Mutterleib an erwählt, gemacht, bereitet, bedeckt und verwahrt für eine<br />
große kommende Aufgabe.<br />
Aber wie entdeckt ein Kunstwerk, dass es ein Künstler, eine Künstlerin ist? Wieder<br />
erfahren wir aus dem Predigttext die entscheidenden Stichworte. Es geht nur durch<br />
Berufung: Gott gedenkt seines Kunst- und Lebenswerkes und beruft und spricht. Er<br />
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