1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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Ich will noch einmal an den beobachteten Merkwürdigkeiten entlang gehen und versuchen,<br />
sie auf unsere Zeit zu übertragen. Ich beginne mit dem letztgenannten Gedanken:<br />
Es vermischen sich hier persönliche Nachrichten und Politik. Ein Kind wird geboren<br />
und das Ende von kriegerischer Gewalt zeichnet sich ab. Bis heute ist das eine Provokation<br />
– was richten Kinder schon aus, in einer Welt, die es auch im dritten Jahrtausend<br />
nach Christi Geburt nicht schafft, die Waffen schweigen zu lassen? Was<br />
bewirken die Geburtsanzeigen gegen die Meldung von Anschlägen aus dem Irak,<br />
Raketenangriffen in Israel und tödlicher Gewalt auch immer wieder bei uns? Es ist<br />
eine Provokation, angesichts der Stärkedemonstrationen von Staaten bis hin zum<br />
mächtigsten Land der Welt auf die Ohnmacht eines Kindes zu setzen. Genau das<br />
aber tut unser uralter Jesaja-Text. Er lässt ein Gegenbild entstehen, eine Vision, die<br />
bereits gegenwärtig wirkt. Mit der Geburt eines Kindes wird alles anders, es ist neues<br />
Leben und neue Hoffnung in die Welt getreten.<br />
Wir wissen nicht genau, in welches Kind der Prophet selbst damals seine Hoffnung<br />
gesetzt hat, vielleicht war es Josia, ein Nachkomme Davids, der schließlich für die<br />
Sammlung der biblischen Schriften sorgte und eine neue staatliche Ordnung herstellte,<br />
wenn auch nur vorübergehend, wie sich später zeigte. Wir Christen können diese<br />
Worte nicht hören ohne an Jesus zu denken, mit dessen Geburt „Frieden auf Erden“<br />
verheißen ist. Das Gegenbild des neugeborenen Kindes bleibt. Es widerspricht bis<br />
heute allen denen, die auf Macht und Stärke, Waffen und Gewalt vertrauen. Diese<br />
Geburtsanzeige hat ihren Platz zurecht nicht nur auf der Familienseite, sondern mitten<br />
in den Meldungen der aktuellen Politik.<br />
Das besagt ja auch mein zweiter Punkt, den ich noch einmal ansprechen möchte:<br />
Nicht allein für seine Familie, sondern für ein ganzes Volk hat dieses Kind Bedeutung:<br />
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die<br />
da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. So lautet die Überschrift, die Proklamation<br />
über dieser Anzeige. Das Symbol des Lichtes hat bis heute seine Kraft bewahrt,<br />
vor allem für Menschen, die ihr eigenes Leben in Finsternis führen.<br />
Wer sich mit der sozialen Lage unseres Volkes beschäftigt, wer die finanziellen<br />
Prognosen hört, wer die Probleme auf dem Arbeitsmarkt bedenkt, wird eine wachsende<br />
Finsternis bemerken. Immer dunkler scheint es zu werden, und für viele Menschen<br />
sind die Chancen auf ein gesichertes, sorgenfreies Lebens in den letzten Jahren<br />
sehr gesunken.<br />
Wir wissen zwar, dass die Finsternis über anderen Völkern noch deutlich ausgeprägter<br />
ist, das aber ist nur ein schwacher Trost. Vor allem bedrückt, dass die soziale Lage<br />
der einen viel schlechter ist als die der anderen in unserem Land. Es scheint Zonen<br />
des Lichtes und Zonen der Finsternis zu geben, wenn wir die ungerechte Verteilung<br />
des Wohlstandes und der Arbeit in den Blick nehmen. Dagegen, liebe Gemeinde,<br />
stehen die Worte, die wir eben hörten: „Ihr, die ihr im Dunkeln sitzt, seht ein großes<br />
Licht.“ Dieses Licht geht von einem Kind aus, von einem Kind, das nicht aus sich<br />
heraus, sondern im Namen Gottes lebt und handelt. In diesem Kind fließen Eigenschaften<br />
Gottes zusammen, die Hoffnung wecken und einen neuen Lebenshorizont<br />
eröffnen: Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst ...<br />
Im alten Orient waren das Thronnamen, die einem Herrscher gegeben werden konnten.<br />
Diese Namen sind Programm. Sie stehen für einen anderen Entwurf des Lebens,<br />
der sich nicht allein an der materiellen Versorgung und am Streben nach<br />
Wohlstand orientiert. Hier geht es um das friedliche Miteinander, um die Gerechtigkeit<br />
im Zusammenleben, um Geborgenheit bei Gott, der seine Menschen nicht im<br />
Stich lässt.<br />
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