1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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3<br />
Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken<br />
ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians.<br />
4<br />
Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift,<br />
wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.<br />
5<br />
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht<br />
auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;<br />
6<br />
auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron<br />
Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit<br />
von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.<br />
Liebe Gemeinde! Diese Geburtsanzeige würde wohl in einer heutigen Tageszeitung<br />
kaum als solche erkannt, und doch hat sie mit der modernen Fassung manches gemeinsam:<br />
Die Freude über eine Geburt, der Stolz über die Besonderheit des Kindes,<br />
die Hoffnung, die daraus spricht. Auf der anderen Seite gibt es hier auch viele Merkwürdigkeiten:<br />
Zum einen erschien diese Anzeige lange Zeit vor der Geburt, die wir<br />
heute, an Weihnachten, feiern. Die Gelehrten streiten zwar, ob dieser Text aus dem<br />
Jesajabuch rund siebenhundert oder vielleicht auch erst vierhundert Jahre vor Christi<br />
Geburt entstanden ist – in jedem Fall aber davor – und zwar viele Jahre, bevor das<br />
Kind in Bethlehem geboren wurde und die Hirten die Botschaft der Engel hörten.<br />
Wem galt also diese Anzeige eigentlich? Wurde hier die Geburt eines Königskindes<br />
aus der Familie Davids gefeiert? Oder bestand Hoffnung auf eine Geburt? Der Text<br />
ist so formuliert, als ob es bereits geschehen wäre – Denn uns ist ein Kind geboren<br />
... und dennoch wirkt es wie Prophetie, wenn es heißt Das Volk, das im Finstern<br />
wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande,<br />
scheint es hell ...Kann es eigentlich eine Zeit geben, in der dieses Licht nicht von der<br />
Finsternis erdrückt wird? Ist der Glaube an dieses Licht nicht immer auf die Zukunft<br />
gerichtet?<br />
Die zweite Merkwürdigkeit besteht darin, dass es sich um alles andere als eine Familienanzeige<br />
handelt. Ein ganzes Volk hat vielmehr Grund, sich über dieses Kind zu<br />
freuen. Vom Thron Davids ist die Rede, es geht um ein Königskind. Bis heute ist es<br />
so, dass sich über Königskinder nicht nur die eigene Familie freut. Vor wenigen Tagen<br />
war zu lesen, dass in vielen europäischen Königshäusern wieder Prinzen und<br />
Prinzessinnen geboren worden sind. „Auf sie alle wartet ein Thron“, hieß es und viele<br />
werden sich über die niedlichen Baby-Bilder gefreut haben. Ein Kind, über das ein<br />
ganzes Volk sich freut, soll es auch damals gewesen sein. Bei Jesus sangen die Engel<br />
sogar, dass alle Menschen Grund zur Freude haben – aber war er auch ein solches<br />
Königskind? Merkwürdig ist sie schon, diese Beziehung von einem Kind armer<br />
Leute zu diesen Worten, die große Hoffnung in ein Königskind setzen, das offenbar<br />
aus der Dynastie Davids stammt.<br />
Die dritte Merkwürdigkeit unseres Textes ist seine Vermischung mit der Politik. Wenn<br />
hier eine Geburt bekannt gegeben wird, dann scheint sie wohl auf der falschen Seite<br />
erschienen zu sein: Dröhnende Soldatenstiefel und blutgetränkte Mäntel werden verbrannt,<br />
bedrückende Antreiber der Gewalt werden gehindert, ihr Werk zu tun. Hier<br />
geht es offenbar um aktuelle Geschichte, um blutiges Leid und Unterdrückung. Kann<br />
da ein Kind wirklich etwas ausrichten? Selbst wenn es schon alt genug wäre, um den<br />
Thron zu besteigen, wird hier der Mund nicht zu voll genommen? Kann ein einzelner<br />
Mensch wirklich soviel Hoffnung auf sich ziehen, dass er die Lage eines unterdrückten<br />
Volkes wendet und das Elend der Menschen beseitigt?<br />
Diese Geburtsanzeige ist voller Merkwürdigkeiten und voller Anstöße bis heute. Was<br />
aber sagen uns diese alten Worte, die viele Jahre vor Jesu Geburt entstanden, am<br />
heutigen Heiligen Abend?<br />
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