1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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trauen, Uneinsichtigkeit, Selbstgerechtigkeit, Unbußfertigkeit und auch Selbstrückzug<br />
und Selbstausschluss erzählen. Spannungen und Streitigkeiten, die von Machtansprüchen<br />
und Ängsten durchwachsen sind, spielen da eine nicht geringe Rolle.<br />
Seelsorge und Beratung ist der Weg aus der Sackgasse, erklärt die Gemeinderegel<br />
des Matthäusevangeliums. Die christliche Gemeinde, in der Christus gegenwärtig ist,<br />
lebt allein aus dem Wort der Vergebung mit dem Gebet im Mit- und Füreinandersein.<br />
Erst wer sich als gerechtfertigter Sünder erkennt, d.h. als vergebungsbedürftigen und<br />
der Vergebung tatsächlich teilhaftig gewordenen Menschen, begreift wirklich das<br />
Wesen Gottes, das grundlos Liebe ist. Eine wunderbare Botschaft! Das seelsorgerliche<br />
und beratende Gespräch ist darum die in der christlichen Gemeinde eigentümliche<br />
Form der Streitschlichtung und Konfliktlösung.<br />
Das konkretisiert sich zuerst im vertrauens- und verständnisvollen Sprechen mit einander<br />
unter vier Augen (also nicht im Reden übereinander!), im selbstkritischen Zuhören,<br />
im Trostwort des „Gottes alles Trostes”, im mahnenden Bußruf und schließlich<br />
im Zuspruch der Vergebung mit dem Ziel der Aussöhnung.<br />
Das konkretisiert sich weiter in der um Verständnis und Klärung bemühten Beratung,<br />
gerade da, wo Misstrauen und Verärgerung, aber auch Unkenntnis und Eigensinn zu<br />
eskalieren drohen.<br />
Das konkretisiert sich leider und leidvoll in der öffentlichen, auch rechtlichen Konfliktregelung,<br />
die durch selbstgerechte oder gleichgültige Unbußfertigkeit im Blick auf die<br />
sich bewahrheitende Wahrheit in Jesus Christus, dem Haupt der Gemeinde und Kirche,<br />
auch den Selbstausschluss feststellt. Auch in diesem Fall aber gehen wir dem<br />
Ausgetretenen als Getauften nach, nicht zuletzt in der Fürbitte für ihn; er wird von<br />
uns nicht alleingelassen, sich selbst oder anderen überlassen, weil das Wort der<br />
Vergebung allen gilt, sich an „alles Volk” richtet.<br />
Die Gemeinderegel des Matthäusevangeliums in unseren Predigttext setzt auf das<br />
seelsorgerliche Miteinander des geschwisterlichen Gesprächs im Wissen um die<br />
Verheißung des Vergebungswortes und des Gebets: das Seelsorgegespräch unter<br />
vier Augen, das die Verschwiegenheit des Beichtgeheimnisses einschließt; das geschwisterliche<br />
Gespräch unter Hinzuziehen weiterer Personen auch unter dem Gesichtspunkt<br />
der Fachkompetenz; schließlich die Herbeiführung einer Beurteilung in<br />
der Gemeindeversammlung. Hört der „Bruder” auch diese nicht, so stellt er sich<br />
selbst außerhalb der Gemeinschaft der Gemeinde, außerhalb des Grundes der<br />
christlichen Gemeinde, der Vergebungsverheißung und des Gebets; als solcher soll<br />
er von der Gemeinde angesehen werden in der Offenheit für Umkehr und Buße.<br />
Das Binde- und Lösewort, gerichtet an die ganze Gemeinde, bezieht sich zunächst<br />
auf den Zuspruch der Vergebung an den, der Buße tut. Aber als „ultima ratio“, als<br />
letztes Mittel, kann es in Situationen des „status confessionis”, wo es um Wahrheit<br />
und Lüge, um Glaube und Unglaube, um Gott und Abgott, um Förderung und Zerstörung<br />
des Lebens, um Eröffnen und Verschließen von Zukunft geht, sehr ernsthaft als<br />
Wort der Trennung der Gemeinde und der Trennung von der Gemeinschaft der<br />
Christen ausgesprochen werden. Die Situation des bekennenden Christen gegen die<br />
von der nationalsozialistischen Ideologie infiltrierten Deutschen Christen, die Verurteilung<br />
der Apartheid in Südafrika und des Ku-Klux-Klan in den USA, der „sektiererische”<br />
Selbstausschluss aus der christlichen Gemeinde oder der bewusste oder<br />
gleichgültige Austritt aus der evangelischen Kirche sind Beispiele dafür.<br />
Liebe Gemeinde, trotz dieser dunklen Folie verkündigt unser Predigttext eine wundervolle<br />
Botschaft heute, nämlich diese: Das Evangelium, in dem Christus selbst gegenwärtig<br />
Leben und Seligkeit zusagt, verheißt das, wovon wir und die christliche<br />
Gemeinde und Kirche leben und erhalten werden: das Wort der Vergebung. Dem<br />
antworten wir mit unseren Gebeten, mit Dank, Klage und Fürbitte „Bei dir ist die Ver-<br />
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