1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Darf er zum Beispiel Kriegsdienst leisten? In den ersten Jahrhunderten lautete die<br />
Antwort klar: Nein. Ein Christ darf nicht töten, deshalb kann er nicht Soldat sein. Will<br />
ein Soldat Christ werden, muss er seinen Beruf aufgeben (denken Sie an den heiligen<br />
Martin von Tours). Jahrhunderte später stand auf den Koppelschlössern der Soldaten:<br />
„Gott mit uns“. Bis zum heutigen Tag gibt es immer wieder Diskussionen auch<br />
unter uns darüber, ob sich christlicher Glaube und Dienst mit der Waffe vertragen,<br />
und die Ergebnisse sind durchaus unterschiedlich.<br />
In der Gemeinde in Rom ging es um die Frage, ob man als Christ Vegetarier sein<br />
müsse, ob man Wein trinken dürfe und ob bestimmte Fasten- und Feiertage zu beachten<br />
seien. Damals gewichtige Fragen, die die Grundfesten des Glaubens und das<br />
Zusammenleben in der Gemeinde berührten.<br />
Diejenigen, die kein Fleisch aßen und keinen Wein tranken, hatten dafür gute Gründe.<br />
Sie sagten: „Wir gehören zu Christus. Wir wollen mit den heidnischen Götzen<br />
nichts mehr zu tun haben. Woher wissen wir, ob das Fleisch, das wir auf dem Markt<br />
kaufen, nicht aus einem Götzenopfer stammt? Woher wissen wir, dass der Wein, den<br />
wir kaufen, nicht einem fremden Gott geweiht worden ist? Vielleicht gewinnen die<br />
Götter der Heiden doch wieder Macht über uns, wenn wir von ihren Opferspeisen<br />
essen. Außerdem halten wir die jüdischen Fest- und Fastentage. An ihnen gedenken<br />
wir all des Guten, das Gott seinem Volk in der Geschichte getan hat. Der Vater Jesu<br />
Christi ist der Gott Israels. Wir danken ihm, dass wir durch die Taufe nun auch zu ihm<br />
gehören und halten die Gebote, die er gegeben hat.“<br />
Die anderen sagten: „In Christus haben wir die vollkommene Freiheit. Die heidnischen<br />
Götter haben keine Macht mehr über uns, denn wir gehören Christus. Wir<br />
können alles essen oder trinken. Nichts ist für uns unrein. Und auch die Gesetze des<br />
Alten Testaments sind durch Christus erfüllt. Wir brauchen sie nicht mehr zu beachten.<br />
Uns ist das Heil geschenkt, wir können und brauchen es uns nicht mehr durch<br />
Askese zu verdienen.“<br />
Die Fleischesser betrachteten die Vegetarier als rückständig, weil sie noch an den<br />
alten Regeln hingen und die Freiheit noch nicht auskosteten. Die Vegetarier hielten<br />
die Fleischesser für genusssüchtig und fanden, der Glaube müsse sich auch im Leben<br />
auswirken. Jede Seite war von der Richtigkeit ihrer Haltung überzeugt. Jede Seite<br />
dachte, die anderen leben ihren Glauben nicht richtig. Sie konnten sich nicht mehr<br />
miteinander an einen Tisch setzen.<br />
In dieser Sachfrage vertritt Paulus eine feste Position. Er ist überzeugt, dass wir in<br />
Christus vollkommene Freiheit haben, dass nichts an sich unrein ist und die Christen<br />
deshalb eigentlich alles essen dürfen. Eigentlich. Es gibt Einschränkungen. Aber die<br />
liegen nicht in der Sache selbst, sondern im Verhältnis zueinander. Deshalb schlägt<br />
er sich in diesem Konflikt nicht auf die Seite der Fleischesser. Im Gegenteil: ihnen<br />
redet er ins Gewissen.<br />
Zunächst macht er deutlich, dass die Frage, ob jemand Fleisch und Wein genießt<br />
oder sich enthält, nicht entscheidend ist. Entscheidend ist, ob jemand zu Christus<br />
gehört oder nicht.<br />
Wer vom Herrn erlöst worden ist, wird auch von ihm gehalten, wie schwach er auch<br />
sein mag. Er soll in Treue zu seiner Überzeugung für den Herrn leben. Nur ihm gegenüber<br />
ist er Rechenschaft schuldig. Kein Christ hat das Recht, über einen anderen<br />
zu urteilen.<br />
Jeder Gläubige soll allein seinem Gewissen folgen. Zugleich muss er aber die Gewissensentscheidung<br />
des anderen respektieren, auch wenn sie anders ausfällt als<br />
die eigene. Die Gemeinschaft in Christus ist wichtiger als unterschiedliche Positionen<br />
in der Sachfrage. Verschiedene Meinungen berechtigen nicht, dem anderen das<br />
Christsein abzusprechen oder die Tischgemeinschaft aufzukündigen.<br />
114