1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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eine Verzweiflung an, in der uns klar wird: mein Gott, dann muss ich mich ja<br />
ändern!<br />
Liebe Gemeinde, Schönheit und Schauder liegen in der Hubertuslegende eng zusammen.<br />
Sie ist die Geschichte einer Umkehr. Sie ist das fromme Bild eines Menschen,<br />
der von Gott den Durchblick geschenkt bekommt. Der auf einmal durch das<br />
Objekt seiner nackten Begierde hindurchschaut und neu wird. Die Legende vom Heiligen<br />
Hubertus ist die Legende von dem Menschen, der ehemals auf und in die Knie<br />
zwang, was um ihn herum war, der dann aber selber auf die Knie fällt und zur Ordnung<br />
zurückfindet, die jenseits von Beutetrieb und Trophäengier liegt.<br />
St. Hubertus ist vom Jagdkönig zum Diener an Gottes Schöpfung aufgestiegen. Aufgestiegen<br />
vom König zum Diener.<br />
Ungezügelter Beutetrieb und Trophäengier – sie sind keineswegs ausschließlich Attribute<br />
eines fehlgeleiteten Waidwerks. Sie sind Attribute des gottlosen, verlorenen,<br />
sündigen, d.h. gottfernen Menschseins überhaupt. Eine Hubertusmesse zu feiern<br />
heißt also recht verstanden, das Undenkbare im Namen Gottes denken zu wagen:<br />
Umkehr, Buße, Erneuerung, Demut.<br />
Einen Hubertusgottesdienst zu feiern heißt, darüber nachzudenken, welches unverrückbare<br />
und unbestreitbare Beziehungsgeflecht zwischen Mensch und Mitwelt besteht.<br />
Heißt darüber nachzudenken, dass „Schöpfung“ kein überflüssig frommer, religiös<br />
altmodischer und von daher verzichtbarer Begriff unserer Altvorderen ist, sondern<br />
vielmehr Ordnungsanzeige, Wesensanzeige, weisheitliches Reden von dem,<br />
was wir weltlich „Umwelt“ nennen. Wo es auch um die Frage geht, welchen Platz wir<br />
Menschen wohl in dieser Ordnung uns einzunehmen erlauben können.<br />
Immer wieder einmal wird einem als Pastor oder Propst gesagt: „Ach wissen Sie, das<br />
mit den sieben Tagen der Schöpfung, das glaube ich nicht.“ Das glaube ich nun auch<br />
nicht! Glauben, liebe Gemeinde, heißt ja nicht, dass wir unseren Verstand an der Kirchengarderobe<br />
abgeben müssten.<br />
Aber wenn jemand kommt und sagt, das Bild, die Metapher von den sieben Schöpfungstagen<br />
solle man im Zuge der Moderne endlich aufgeben, auf den Müllhaufen<br />
unserer Geistes- und Religionsgeschichte werfen, dann muss der mir bitteschön<br />
auch sagen, welches bessere Bild er mir für die geistliche Einsicht liefern kann, dass<br />
die Vorgaben für das Leben nicht der Mensch selbst gemacht hat. Sondern dass der<br />
Mensch Produkt einer schöpferischen Entwicklung ist, die begann, als der Mensch<br />
aus der Unendlichkeit der Vorzeit noch gar nicht aufgetaucht war.<br />
Der Schöpfungsmythos des Alten Testaments soll doch kein wissenschaftlicher Bericht<br />
sein, sondern er will sagen, dass die Dinge um mich herum von einer Größe und<br />
Weisheit sind, die mich Erdenwurm fromm sagen lassen: „Von Gott, vom Schöpfer!“<br />
Die Bibel sagt in ihren Bildern: Das Leben ist von einer Größe und Weisheit, die ich<br />
Adam, ich „Erdling“ (so heißt „Adam“ wörtlich übersetzt aus dem Hebräischen), ich<br />
Wimpernschlag in der Ewigkeit doch nicht infrage zu stellen oder hybrid zu leugnen<br />
hätte!<br />
Was ist das für ein Wahnsinn, für ein Defekt im Kopf, liebe Gemeinde, der uns meinen<br />
lässt, wir könnten die Schöpfung hier und da, mir nichts, dir nichts, aus den<br />
Jahrmillionen gewachsenen Angeln heben, um sie mal nach links, mal nach rechts<br />
zu rücken? Wir verheben uns dabei! Mutter Erde gleitet uns aus den Händen!<br />
Darum: Mensch, Adam, Erdling – höre auf, Gott zu spielen und denke darüber nach,<br />
wo dein Ort in dieser wunderbaren Welt ist!<br />
Mensch, Erdling – geh’ auf die Knie, und mache dir nicht immer schon ein Bild von<br />
der Welt von Morgen, sondern lass’ doch einmal Gottes Gedanken an dich heran!<br />
Frage danach, wo dein Platz ist und welches Instrument dir der schöpferische Geist<br />
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