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1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...

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01.11.2004: Hubertustag (3.11.) (Hubertus-Messe)<br />

Thema: Hubertuslegende<br />

Ich denke, in den Grundzügen und im Kern kriegen wir die Legende vom Heiligen<br />

Hubertus wohl alle zusammen. Da wird erzählt, dass der Hubert (heilig war er ja da<br />

noch nicht) einem Hirsch nachstellt. Und als er ihn zusammen mit seinen Jagdkumpanen<br />

und wohl mit der Hundemeute gestellt hat, erscheint ihm – diesem Hasardeur<br />

des Waidwerks, diesem zügellosen Jäger – im Geweih des Hirsches ein Kruzifixus.<br />

Und Hubert, ganz überwältigt von dieser Vision, fällt auf die Knie, betet Christus an<br />

und jagt hinfort nicht mehr.<br />

Er jagt nicht mehr – nicht, weil die Jagd etwas Schlechtes wäre, sondern weil sein<br />

Auftrag, sein Lebensauftrag ihn fortan ganz in Anspruch nimmt: nämlich Menschen<br />

den Blick auf Gott frei zu machen. Aus dem wilden Hubert ist St. Hubertus geworden.<br />

Wer nun ein bisschen kritisch nachfragt, wer ein bisschen hinter die Kulissen der<br />

ganzen Hubertusverehrung schaut, der wird bald feststellen, dass hier zwei Legenden<br />

zusammengetragen worden sind: die vom Heiligen Hubertus und die vom Heiligen<br />

Eustachius. Hier haben Volksfrömmigkeit, Jagdromantik, vielleicht auch kirchliche<br />

Interessen mächtig gewirkt, bis zusammengewachsen war, was heute die Hubertus-Legende<br />

heißt.<br />

Historisch ist davon allenfalls, dass es diesen Hubertus als Bischof gab. Aber wie<br />

man weiß, hat der nicht einmal gejagt.<br />

Dennoch: die Legende von St. Hubertus ist nicht auszurotten. Sie hat überlebt, sie<br />

hat allen Versuchen historisch-kritischer Aufklärung widerstanden, allen Versuchen<br />

der totalen Verkitschung, allen Versuchen der kirchlichen Vereinnahmung. Die Hubertuslegende<br />

führt ein sicheres und widerspenstiges Leben am Rande unserer Zeit.<br />

Irgendwie geliebt und doch auch vernachlässigt, dann und wann gefeiert, und wieder<br />

vergessen.<br />

Liebe Gemeinde! Es ist weiß Gott nicht leicht, diese Legende wirklich an sich heranzulassen.<br />

Denn sie rührt gleichermaßen an eine tiefe Sehnsucht und an eine tiefe<br />

Verzweiflung. Sie rührt an die Sehnsucht, Gott möge doch auch uns deutliche Zeichen<br />

senden, damit wir einig leben können unter seinem Willen und seinen Geboten.<br />

Und St. Hubertus rührt an die tiefe Verzweiflung, die uns anfällt und aufwühlt, wenn<br />

wir daran denken, dass neues Leben nur durch Umkehr zu erreichen ist. Durch Umkehr<br />

– die Bibel sagt: durch Buße, durch Metanoia, durch die Sinnesänderung.<br />

Sehnsucht und Verzweiflung – diese Regungen, diese Lebenszeichen kommen uns<br />

nach Jahren der Selbstgefälligkeit allmählich wieder näher:<br />

- Wir alle haben inzwischen begriffen, dass uns nach wilder Hatz nach Geld und<br />

Sicherheit die Zunge meterweit aus dem Hals hängt.<br />

- Wenn wir uns umschauen, dann sehen wir, dass es immer weniger werden,<br />

die dieses mörderische Tempo unserer Jagd nach dem, was wir Glück nennen,<br />

durchzuhalten in der Lage sind.<br />

- Wir leben in einer Zeit, in der Erfolg und Gesundheit entgegengesetzte Größen<br />

sind. In einer Zeit, in der Politik und soziale Entwicklung auseinanderdriften,<br />

sich voneinander entfernen.<br />

- Wir leben in einer menschgewollten und menschbestimmten Zeit, in der es an<br />

Weisheit fehlt. In der darum leise stirbt, was nicht fliehen kann: Bäume, Tiere,<br />

Biosphäre, Lebensraum.<br />

- Wir leben in einer Zeit, in der nicht Weisheit die Ziele bestimmt, sondern<br />

Wachstum.<br />

- Wir alle wissen das. Und dieses Wissen weckt die Sehnsucht in uns, Gott möge<br />

doch endlich Zeichen senden, damit wir innehalten und nicht abstürzen,<br />

nicht untergehen, nicht noch weiter ins Verderben rasen. Gleichzeitig fällt uns<br />

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