1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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schnöden Vorteil und Eigennutz. Aber wie verbinden und versöhnen wir die verschiedenen<br />
Ebenen und Interessen, für die wir verantwortlich sind?<br />
Der Apostel Petrus hat nun allerlei Vorschläge und Hinweise für uns, an denen wir<br />
rechtes Verhalten erkennen können. So wie es Kennzeichen für die Kirche in der<br />
Welt gibt – notae ecclesiae, und dazu gehört auch das Aushalten von Leiden –, so<br />
gibt es Kennzeichen für angemessenes Leitungsverhalten – leadership – unter den<br />
Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleitern:<br />
Versucht nicht, die, die euch anvertraut sind, zu beherrschen, sondern seid ein Vorbild<br />
für eure Herde. Auch und gerade in der Art und Weise, wie ihr Konflikte austragt,<br />
Übereinstimmungen herstellt, Reformen voranbringt.<br />
Seid nicht überheblich, sondern bereit, einander zu dienen. Vielleicht ist das ja gegenwärtig<br />
das wichtigste Kriterien für gelungene Leitungsverantwortung: die Rücknahme<br />
von bestimmendem Einfluss hin zu dienender, zudienender Unterstützung.<br />
Nicht, das eine Leitungsebene Einfluss hat, ist das Entscheidende, sondern dass sie<br />
dem geordneten Zusammenleben der Gemeinden dient – so hat schon Schleiermacher<br />
die Aufgabe der Kirchenleitung definiert.<br />
Es geht um Nüchternheit und Wachsamkeit. Es geht um das Festhalten am Glauben.<br />
Wir sollen eine Adresse wissen, wo wir unsere Sorgen ablegen können, um wieder<br />
frei zu sein für das Wesentliche. Wir sollen nicht zu viel selber machen, sondern unsere<br />
Sache Gott anvertrauen, der uns wieder aufrichten wird. Was für geistliche Vorschläge<br />
zur Bewältigung einer Krise! Einfach werden, bescheiden, hinnehmen, dienen<br />
– daraus wird Neues und Großes erwachsen!<br />
Und Acht geben sollen wir darauf, dass einer nur darauf wartet, einzelne aus der<br />
gemeinsamen Herde herauszudividieren, abzuspalten, zu isolieren und unglücklich<br />
zu machen. Wir haben in dem ganzen Prozess der Neuordnung der Kirche darauf zu<br />
achten, dass wir das Ganze in ein gutes, geordnetes Zusammenwirken führen können.<br />
Deshalb müssen wir darauf achten, uns selbst und andere nicht abzuspalten,<br />
sondern gemeinsam, miteinander das neue Gefäß zu bauen, in dem wir miteinander<br />
leben können. Wenn zu viele Zumutungen für einzelne ausgesprochen werden, kann<br />
die gemeinsame Aufgabe nicht gelingen!<br />
Und noch etwas, mahnt der Apostel: Gott selbst wird vollenden! Ihr müsst nicht alles<br />
auf einmal und perfekt schaffen! Ihr dürft Schritte gehen, Etappenziele formulieren,<br />
Pausen einlegen, noch einmal neu ansetzen. Denn: Gott wird euch Kraft und Stärke<br />
geben und euch auf einen festen Grund stellen.<br />
Deshalb ist es so wichtig, nicht an den Fundamenten zu rütteln – des Glaubens<br />
schon gar nicht, aber auch nicht der Kirche. Wir dürfen Säulen aufrichten – meinetwegen<br />
auch zwei – aber der Grund muss stimmen, die Basis. Wir werden keine<br />
stabile Kirche bauen mit überschweren Dächern, wenn das Fundament nicht stimmt<br />
und die tragenden Säulen. Unten stark und oben leicht – so kenne ich jedenfalls<br />
stabile Gebäude. Umgekehrt fängt alles zu wanken an.<br />
Aber seien wir sicher: der Grund ist gelegt. Keiner kann und will etwas anderes daraus<br />
machen. Im Wesentlichen steht das Gebäude der Kirche. Jetzt geht es um Statik.<br />
Und dann um die Einrichtung – gemäß den Mitteln, die wir dafür zur Verfügung<br />
haben. Aber das, worüber hier und heute weiter gestritten werden muss, ist die Statik:<br />
Trägt das Ganze, stimmen die Gewichte und Proportionen? Ich will jetzt nicht einsteigen<br />
in die Debatte, aber das Thema benennen und uns alle ermutigen, auf die<br />
Worte des Apostels Acht zu geben: Sorgt wie Hirten für die Herde, die Gott euch anvertraut<br />
hat. Gott will, dass ihr euch gerne und nicht nur widerwillig um sie kümmert<br />
... Und: Seid nicht überheblich, sondern bereit, einander zu dienen (GN 78). Amen.<br />
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