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1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...

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Was soll’s also, wenn wir sagen: Typisch deutsch oder typisch amerikanisch, typisch<br />

Schröder oder typisch Bush, typisch Moslem oder Jude oder Christ, typisch Mölln<br />

oder typisch Ratzeburg, typisch Schützengilde oder typisch Atomkraftgegner. Wir<br />

kleben einander Etiketten auf, um uns besser unterscheiden, streiten oder gar bekämpfen<br />

zu können und trauen dem anderen weder Bewegung noch Veränderung<br />

zu. Wir halten fest am Unterschied, um die eigene Identität besser behaupten zu<br />

können. Und das hat auch wieder fatale Folgen für uns: Wir legen uns selber fest<br />

und verhindern so Bewegung und Wachstum, auch und gerade Entwicklung und<br />

Verständigung auf den anderen zu.<br />

Selbst in dem verstockten Anderssein des anderen vermutet der Apostel Paulus ein<br />

Geheimnis: Es gibt uns selber eine Chance, mit unserer Überzeugung, mit unserem<br />

eigenen Weg besser zum Zuge zu kommen. Wenn wir denn meinen, dass der andere<br />

falsch liegt, dann haben wir jetzt die Chance, das Andere und Bessere, von dem<br />

wir überzeugt sind, vorzuführen, zu leben und zu gestalten. Die – hoffentlich vorübergehende<br />

– Verstocktheit der anderen lässt uns z.B. Wahlen gewinnen, gibt uns<br />

Gestaltungs- und Lebensräume, bis die anderen auch auf unseren Bahnhof fahren.<br />

Denn alles hängt doch so miteinander zusammen, dass der andere seine Verbohrtheit<br />

oder Verstockung nicht ewig aufrechterhalten kann. Er wird doch auch verändert<br />

durch die Entwicklung. An ihm arbeitet Gott oder die Zeit oder die Geschichte genauso<br />

wie an uns.<br />

Das können wir am politischen Erfolg der Grünen ablesen. Erst waren die anderen<br />

umweltpolitisch ein wenig verstockt, das hat den Grünen eine Chance gegeben, und<br />

nun ist Umweltpolitik selbstverständlicher Bestandteil jeder politischen Richtung in<br />

unserem Land.<br />

Liebe Gemeinde, Sie haben gemerkt, ich habe den Predigttext in seiner Struktur und<br />

in seiner Argumentationsweise exemplarisch genommen auch für andere Lebensbereiche,<br />

nicht nur für den religiösen Zusammenhang, in dem Paulus ihn benutzt. Wir<br />

können viel aus diesem Bibeltext für unseren Umgang miteinander lernen. Und<br />

selbstverständlich behält dieser Text seine Berechtigung und seine Bedeutung für<br />

den ursprünglichen Zusammenhang: den Dialog zwischen Juden und Christen. Israel<br />

ist nicht verworfen oder abgelöst. Im Gegenteil: Es behält seine bleibende Erwählung.<br />

Es hat sich verschlossen, aber das war eine Chance für uns und das kann sich<br />

auch wieder ändern. Unter einem gewissen Gesichtspunkt bleibt Unterschied und<br />

vielleicht auch religiöse Gegnerschaft, aber in anderer Betrachtungsweise ist da<br />

Freundschaft und Verwandtschaft und gegenseitige Anerkennung, ja gemeinsames<br />

Geliebtsein vor Gott. Und wenn auch Kritik oder Vorwürfe vorgebracht werden müssen,<br />

so erinnern wir uns: Es gab eine Zeit, da waren wir ganz und gar nicht anders,<br />

im Gegenteil, noch viel weiter weg von Gott. Und so, wie wir uns haben entwickeln,<br />

verändern und bekehren können, so sollen wir das auch den anderen zutrauen.<br />

Ich möchte den Predigttext nun noch einmal lesen, indem ich den konkreten Anlass<br />

herausnehme und seine Argumentationsstruktur deutlich mache, die uns in jeder Situation<br />

hilft, aufmerksam und freundlich, entgegenkommend und Veränderungen zutrauend<br />

mit anderen umzugehen.<br />

Ich will euch ein Geheimnis anvertrauen, schreibt Paulus, damit ihr euch nicht selbst<br />

immer wieder für die Besseren haltet: Verstockung ist anderen Menschen deshalb<br />

widerfahren, damit ihr eine Chance bekommt, mit eurem Guten zum Zuge zu kommen.<br />

Aber täuscht euch nicht: Gott wird auch den anderen ihre Chance zur rechten<br />

Zeit wieder geben.<br />

Im Blick auf eure Wertesysteme müsst ihr manchen durchaus als Gegner betrachten;<br />

aber im Blick auf eure Menschlichkeit seid ihr doch tiefer miteinander verbunden, als<br />

ihr denkt. Denn Gott hat auch den anderen Gaben und Berufungen geschenkt. Und<br />

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