Siderische Geburt - Peter Godzik
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sein und in Freiheit soll das Niedere verneint werden. Doch gibt es nicht auch unverdientes<br />
Leid? Nimmermehr begegnet einem Menschen auch nur das Winzigste, das ihm nicht gerecht<br />
zukäme, mathematisch genau. Seht in jedes Gesicht, hört das erste beste Wort, das Ihr<br />
auffangt, kann da weniger Leid sein? Muss man nicht vielmehr staunen über so wenig Leid!<br />
Wer wagt es, für sich zu fordern, das Leid bleibe ihm fern! Aber wird nicht auch das unschuldige<br />
Kind vom Leide getroffen? Nur wer noch gar nichts weiß vom Selbst und seiner überpersönlichen<br />
Allverwobenheit, kann die materialistische Fabel vom unschuldigen Kind glauben.<br />
Ist das Kind nicht die ganze, wenn auch unentfaltete Person, und ist das Leid nicht vielleicht<br />
gerade zu seiner Entfaltung dienlich? Alle Vergangenheiten und alle Zukunft und die<br />
ganze Welt sind im Kind Person geworden, das schon eine feste Richtung des Weltwerdens<br />
darstellt. Nimmermehr ist das Kind ein unschuldig unbeschriebenes Blatt. Oberflächliche,<br />
bloß empirische Betrachtung wie diese ist es auch, die Grundlage alles Menschenhasses ist.<br />
Das, was uns bei der äußerlichen Schau am Mitmenschen entgegentritt, ist eben das, was<br />
sichtbar, um zu wirken, im Fegefeuer steht, was der Reinigung und Reifung bedarf, doch in<br />
tiefster Verborgenheit ruht der göttliche Kern und gibt sich nur der seraphischen Umarmung,<br />
doch nicht dem alltäglichen rohen Tasten.<br />
Die gröbste Form des Leidens ist der körperliche Schmerz und die Krankheit. Solcher Schmerz<br />
ist allerhöchstes Getast, ist Überwältigung durch das Getast, es ist, als ob von außen der<br />
Weltendruck eindränge und die überwältigte Person sich nicht zu wehren vermag. Wo ein<br />
Ich reif ist für höheres Seyn und doch noch in den Tiefen weilt, da vermag es sich nicht zu<br />
wehren, denn nur von den Höhen lenkt und leitet sich das Tiefere. Krankheit bedeutet, dass<br />
die Konflikte, Reibungen und Unvollkommenheiten des Hylischen sich der Person vermählen.<br />
Doch vermag die Person diesen Konflikten zu begegnen. Bei niederen Lebewesen, bei Tieren<br />
und Pflanzen, die noch nicht Person sind, ja selbst bei primitiven Menschen, finden wir wenig<br />
Krankheiten, denn der unfehlbare Geist der Gattung wehrt die Schädigungen besser als<br />
unser irrendes Ich. Beim Menschen kann Krankheit also als ein Verschulden angesehen werden,<br />
denn stände ein Mensch genau auf der Höhe, die ihm zugewiesen ist, wäre er ein so<br />
vollendet arbeitendes Organ der Allheit, wie gerade ihm bestimmt ist, verließe er unverzüglich<br />
schon beim leisesten Anreiz der Not die durchlaufene Sphäre und ginge in Freiheit seiner<br />
höheren Göttlichkeit ohne jedes Zögern nach, so könnte ein solcher Mensch nicht erkranken.<br />
Der Vollendete und vollendet göttlich Wandernde steht über der Krankheit. Also können wir<br />
Krankheit überwinden und ist jedes Kranksein ein Verschulden, wenn es freilich oft auch zu<br />
spät ist zu solcher Überwindung, und es freilich auch Verschulden und Krankheiten gibt, die<br />
so allgemein menschlich sind, dass kein Menschenwesen ihnen je entrinnt. Man bekommt<br />
keine Krankheit, die man nicht schon hat, und die man in den Tiefen der Person hat, bekommt<br />
man. Wie ein jeder erkrankt, ist für ihn so charakteristisch wie sein Gesicht und nur<br />
irgendeine seiner Handlungen. Auch hier gibt es keinen Zufall. Wir müssen uns ganz frei machen<br />
von der materialistisch physiologischen Deutung, die Krankheit durch allerhand Störungen,<br />
Schädigungen, Bazillenstäubchen und ähnliche Seichtigkeiten erklären möchte. Solcherlei<br />
Störungen und Schädigungen sind so übergewaltig im Hylischen, dass kein lebender Leib<br />
je dagegen ankämpfen kann. Wenn nun der Leib dennoch lebt, so ist es ganz einzig, weil er<br />
durch ein Höheres als wie Leib geführt wird, sein Leben nur durch dies höhere beseelte Göttliche<br />
empfängt, denn ein nur materiell physiologischer Mechanismus könnte dem Ansturm<br />
der Schädigungen und Funktionsstörungen nicht widerstehen. Darum ist lebendige Gesundheit<br />
so sehr ein Geschenk der höheren Beseelung, wie Krankheit ein Verschulden, und zwar<br />
umso mehr, je höher ein Mensch gestiegen ist. Aber je höher Einer steht, umso größere und<br />
gewaltigere Mittel hat er auch, die Krankheit nach seinem Willen zu heilen. Es ist überhaupt<br />
nicht die Natur, die heilt, sondern einzig das höhere Selbst. Natur kann nichts als Wunden