Siderische Geburt - Peter Godzik
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sowenig Konflikte wie in den Höhen der Vollendung. Inmitten in der Welt sind die großen<br />
Aufgaben und die Geißel des Bösen, das goldene Zeitalter ist am Beginn und am Ende. Diese<br />
Widersprüche des Lebens sind nicht erstaunlicher als die Widersprüche des Verstandes und<br />
die Reibungen der Materie. Nur hoch über Welt, Verstand und Materie, über allen Stücken,<br />
die in Wut gegeneinander streiten, in Seraphischem-In-Eins, können wir Lösung erwarten.<br />
Doch dürfen wir niemals vergessen, dass nimmermehr die große Frage lautet: Ist es ein Behagen,<br />
zu leben? Sondern einzig: Erfüllt die Welt ihre göttliche Sendung? Nicht auf Behagen,<br />
sondern auf die donnernde Gewalt der Göttlichkeit ist das Kreisen gestellt. Und was ist nun<br />
noch Behagen vor dem Jubel solcher frohen Botschaft!<br />
Ohne den Stachel der Not muss das Leben versumpfen. Es kann weltliches Leben nicht in sich<br />
ruhen, und die Schönheit klassischer Vollendung musste stets schnell Verfall zur Folge haben,<br />
weil es Vollendung nur von Begrenztheiten war. Das weltliche Leben will in Todesnot<br />
sich ewig neu gebären, es kann ohne den Tod nicht sein, und mit dem Tode muss es nicht<br />
weniger schnell endigen. Es ruht dies Seyn, das wir als das einzig Konkrete nehmen, auf dem<br />
Tode, zerrinnt unausgesetzt in den Tod. Alles Weltliche ist so nur Organ des Höheren, nichts<br />
für sich. Doch dies Höhere zu schauen, hindern uns Ding und Person. Erst über ihnen in heiliger<br />
Armut erschauen wir das Schwingen, wo alle Qual von uns abgefallen ist, da wir dem<br />
Stachel der Enge entwuchsen. Was wäre ohne den Leidens-Stachel! Der Sumpf wäre der<br />
Herr der Welt. Nirgends offenbart Gottheit sich göttlicher als im Zwang des Leidens, der das<br />
Höchste des Zwingens ist. Könnte sich ein Jeder, wie er da ist, im Tage des Gerichtes sehen<br />
und erschaute sich in all seiner Enge und Niedrigkeit und Todesnichtigkeit, auch der Vollendetste<br />
würde vergehen vor Sehnsucht nach allen höllischen Leiden, um durch ihr Feuerbad<br />
gestählt dem Nichts zu entrinnen. Auch die Besten beginnen noch kaum, Gottheit in Freiheit<br />
zu ergreifen. Fast nichts geschieht ohne den Stachel der Not, und aus höchsten Nöten nur<br />
sind wir zu der Höhe des Jetzt emporgestiegen. Es ist kein Zufall, dass wir die volle Entfaltung<br />
des Menschenkeims aus der Naturtiefe in die große Not der Eiszeiten verlegen, diese göttlichen<br />
Meißel. Ohne Nöte blieben Menschen in ihrem Pflanzendasein wohl im Sumpf, und wir<br />
meinen, Trägheit macht, dass die Meisten sich dort auch wohl fühlen. Doch nicht das Übel,<br />
einzig der träge lastende Stillstand ist uns verabscheuenswert. Nicht die Ausscheidung der<br />
Konflikte, des Dramatisch-Tragischen ist der Sinn der Welt, sondern die Vernichtung der<br />
Nichtigkeit, des Unbedeutenden, Unreifen, des trägen Sumpfes, und wie Vollendung das ist,<br />
was wir aus der Gottheit herausgelebt haben, so ist der giftige Sumpf das, was durch uns aus<br />
Göttlichkeit herausgestorben ist. Also ist für uns kaum eine herrlichere Sicherheit, dass Göttlichkeit<br />
kommen muss, als der zermalmende Todesmechanismus der Heiligkeit. Mit eiserner<br />
Notwendigkeit stößt das Getriebe der Not alles hinunter ins Fegfeuer der Läuterung, bis dass<br />
es gereift ist. Und mag um uns sein, was noch so übervoll ist von Gemeinheit und stinkender<br />
Niedrigkeit, wir wissen, dass es mit mathematischer Folgerichtigkeit in der Mahlmaschine<br />
der Not zerrieben werden muss. Und wie Todes-Not ewig den Abgrund der Läuterung öffnet,<br />
so treibt sie hinan. Mögen wir noch so übermenschliche Forderungen der Göttlichkeit stellen,<br />
wir wissen, sie werden leicht getan werden, denn es wird eine treibende Not kommen,<br />
gewaltiger als je eine. Die Not der Erschöpfung, die Not des Endes, die Not des Erstickens im<br />
Sumpfe wird noch übermächtiger einherschreiten als zu den Zeiten, da sie das Christentum<br />
gebar, und sie wird die Menschen lehren, dass sie Egoismus, dass sie Seyn und Stoff und Leib<br />
und Wissen nicht brauchen, sie wird den kühnsten Phantasten Recht geben, die selbst die<br />
unerhörtesten Forderungen noch für leicht halten, wenn es nur an der Zeit sein wird, sie lässt<br />
uns mit gelassener Sicherheit Gottes Nahen erwarten, der kommen muss. Das Übel, die Materien-Tiefen,<br />
sollen nicht einfach aus der Welt verschwinden, es soll mit ihnen gerungen<br />
werden. Die in heiligen Nöten errungene Gestiegenheit ist der Sinn der Welt. Mit Bewusst-