Siderische Geburt - Peter Godzik
Siderische Geburt - Peter Godzik
Siderische Geburt - Peter Godzik
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
89<br />
soweit sie nicht Erleben, sondern Theorie und Erkenntnis sein will, ist nimmermehr die letzte<br />
Grundwissenschaft, die sie sein möchte, sondern eine Eintagsfliege, geworden mit dem kapitalistischen<br />
Zeitalter, und wird mit ihm wieder vergehen. Wenn die Naturwissenschaft die<br />
Entwicklung aus dem Niederen lehren möchte, so blieb sie noch stets dabei, nur vom Niederen,<br />
vom Abwärts zu erzählen, doch nichts von Entwicklung. Einzig die praktische, tatsächliche<br />
Naturauflösung kann uns Erkenntnis geben, weil sie den verschlossenen, todeserstarrten,<br />
mechanischen Sinn der Natur wieder enthüllt; sie beginnt damit, dass ihr jedes Natürliche<br />
zum Symbol wird. Wir erinnern uns, wie jedwede Einzelheit nur ein Umkehrpunkt war,<br />
Samenkornverschlossenheit und grenzenlos in Vergangenheit und Zukunft dem ganzen Kreisen<br />
verwoben. Das Märchen wird Wirklichkeit, da alle Dinge zu uns zu sprechen beginnen.<br />
Das Eisen spricht, dass es nicht sein kann, wenn vor ihm nicht Schwert war, das Blau des<br />
Himmels leuchtete uns nicht zum Entzücken, wenn es nicht Ausdruck wäre göttlicher, jubelnder<br />
Wanderung. Die Blumen dufteten nicht so süß, die Vögel sängen uns nicht im Frühling,<br />
wenn nicht vor all dem göttliche Süßigkeit und Lieblichkeit und hyazinthne Lust in Todeserstarrung<br />
sich hier verschlossen hätte. Nicht ist der Fuchs schlau aus Anpassung, sondern<br />
er ist verdichtete Schlauheit. Nicht weil wir diese Muskel haben, können wir lachen,<br />
sondern göttliches Lachen schuf diese Muskeln. Nicht weil wir Augen haben, können wir sehen,<br />
sondern weil wir seit je und je sahen, haben wir auch in stofflicher Gebundenheit Augen.<br />
Doch noch ist all diese Entschleierung der Symbole so gering, und gering darum auch<br />
noch unser Schauen erlöster Natur. Und weiter: wo wäre Feuer ohne Leidenschaft, wo wäre<br />
Erde, wenn nicht irdisches Leben vorher, wenn nicht Schlangen vorher sich kriechend bewegt<br />
hätten, wo Wasser ohne Fische, wo Luft ohne Vögel! Und ein jedes Tier und jede Pflanze<br />
hat einen ganz einzigen, ganz spezifischen Sinn. Noch ahnen wir nicht, was in diesem<br />
Tropfen Schwefelsäure, in diesem Fels, in diesem Blitz verschlossen schlummert an grenzenloser<br />
Fülle und Sehnsucht und Leidenschaft. Oder sehen wir etwa die harmonische Verteilung<br />
der klimatischen Zonen auf der Erde, die durch die Schiefe der Erdachse bedingt ist und<br />
von Indien bis Island eine wundervolle Mannigfaltigkeit der Völkertypen auch in klimatologischer<br />
Hinsicht hervorruft? Eher meinen wir da, dass diese mechanische Ursache nur ein<br />
Symbol, nur der stumme Ausdruck, nur die Einkörperung einer harmonischen vorausgegangenen<br />
Mannigfaltigkeit ist, und dass wir in diesem Sinn sagen können, dass es der Geist der<br />
Bewohner ist, der Indiens und Islands Klima schuf. Das ist praktische Natursymbolik, dass wir<br />
die höhere Funktion jedes Dinges und jedes Naturvorganges auffinden, das Erhöhen und<br />
Fortreißen aller Wirklichkeit. Selige Erlösungswonne breitet sich über die ganze Natur, Erlösungszauber<br />
verscheucht die winterliche Erstarrung, aus allem Todesstarren brechen Ströme<br />
des Lebens hervor. Das große, ewige Osterfest der Natur beginnt. Auferstehung! Und wie<br />
alle Natur Leben werden will, drängt sie herzu, dass sie den mystischen Tod erleide und sich<br />
ausgieße in siderischer <strong>Geburt</strong> sternenhaft über alle Sterne.