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Siderische Geburt - Peter Godzik

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und Zahl geschlagen und das Räumliche algebraisch ausgedrückt. Man ist in der Infinitesimal-Rechnung<br />

weiter gegangen und hat ermöglicht, das Fließende mathematisch zu erfassen,<br />

indem man die Unendlichkeit in die Rechnung hineinzog, freilich eine Unendlichkeit, die<br />

vom Dinghaft-Endlichen noch nicht befreit war, denn man zerlegte den kontinuierlichen<br />

Fluss des Geschehens in unzählige Teilchen, deren Abstände man dem unendlich Kleinen<br />

anzunähern suchte. Einen bedeutenden Vorstoß aber machte man, als man begann, von den<br />

Dimensionen des Raumes zu abstrahieren, und erkannte, dass auch auf einer anderen Dimensionszahl<br />

als der Drei folgerichtige Mathematiken ruhen können, dass diese Drei nur ein<br />

Spezialfall aus einer unendlichen Anzahl von Möglichkeiten sei. Man schuf die absolute Geometrie.<br />

Doch scheint uns noch immer nicht der letzte Schritt getan zu sein. Denn nicht nur<br />

die Grundlage unserer dreidimensionalen Mathematik ist eine relative, auch das Fundament<br />

einer noch so absoluten Mathematik ist zuletzt doch nur relativ. Gerade die Basis aber gilt es<br />

zu erforschen, auf der das gesamte Mathematische ruht. Alle bisherige Mathematik nimmt<br />

stets eine solche Basis als gegeben an, sei es nun unser dreidimensionaler Raum oder eine<br />

höhere Mannigfaltigkeit, und errichtet darauf den Bau einer Mathematik, die sich ganz mechanisch<br />

ergibt und durch den Untergrund eindeutig bestimmt ist. Die höhere übermechanische<br />

Mathematik, die sich von der Dinghaftigkeit befreit hat, sucht den Ursprung des Mathematischen;<br />

sie begnügt sich nicht zu konstatieren, dass drei mal drei neun ist, sondern<br />

fragt, warum es so ist. Da ergibt sich denn freilich, dass diese Grundlagen nur wurzeln können<br />

im Rhythmischen, dass sie nicht selbst wieder mechanisch mathematisch bedingt sein<br />

können, sondern dass dieses Mechanisch-Zwingende nur das innere Gesetz des Mathematischen<br />

sein kann. Das Ganze der Mathematik ruht auf einem Rhythmus, der nur durch grenzenlose<br />

Allverwobenheit des gesamten Kreisens geschaffen sein kann, die Mathematik wird<br />

zur Musik. Ein Harmonie-Zwang, ein musikalisches Gesetz herrscht, wo in der Tiefe der<br />

Zwang der Todesnot und des Hungers wütet. Es ist von tiefer Bedeutung, dass durch geistvolle<br />

Untersuchungen neuerdings gezeigt ist, wie zwischen den Gesetzen, die bei der Kristallbildung<br />

bestimmend sind und musikalischen Harmonien eine weitgehende Übereinstimmung<br />

besteht. Die Bedeutung des Rhythmus in der Kunst, in der Wirtschaftslehre, in der<br />

Psychologie wird immer mehr gewürdigt, und in der Biologie sind durch die Beobachtung<br />

rhythmischer Erscheinungen im Ablauf der Lebensvorgänge neue Bahnen gewiesen. Aber<br />

auch die anorganische Natur ist in ihrem tiefsten Wesen rhythmisch, Licht und Ton, Himmelskörper<br />

und chemische Gesetze sind durch Harmonie und Rhythmus geführt und göttliche<br />

mathematische Musik; und die Bedeutung gewisser Zahlen wie etwa der Sieben im Naturreich<br />

ist schon etwas ganz Populäres. Damit die bloß mechanische Mathematik zur<br />

Rhythmuslehre wird, wäre es zuvor nötig, den Zeitbegriff hineinzuziehen. Das ist bisher<br />

kaum der Fall, denn wo das Zeitliche in der Rechnung steht, ist es stets eine ganz verräumlichte<br />

Zeit. Die Aufgabe der künftigen Forschung wird sein, eine höhere zeitliche Analyse der<br />

mehr räumlich dinglich niederen mathematischen Gebilde zu geben. Die Zahlentheorie ist<br />

ein Ansatz dazu, sie erforscht den Tanz der Zahlen und wie das räumliche mathematische<br />

Nebeneinander zur zeitlich mathematischen Gestalt wird, wie die Zahlen Organe einer<br />

Ganzheit sind.<br />

Die Stellung, die von den verschiedenen Naturwissenschaften zum Mathematischen eingenommen<br />

wird, ihr mathematischer Charakter scheidet sie deutlich voneinander. Freilich wird<br />

der heutige Naturalismus solche Scheidung kaum zulassen, denn für ihn gibt es zuletzt nur<br />

eine Grundwissenschaft, die Physik. Die verschiedenen Zweige der biologischen Wissenschaften<br />

sollen im Grunde auf Physik und Chemie reduziert werden, und selbst die Chemie<br />

ist nur ein Spezialzweig der Physik. Diese Auffassung kann nicht beibehalten werden, denn<br />

sie ruht auf der Lehre von der Einheit der Natur. Uns aber ist die Natur keine Einheit, sondern

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