Siderische Geburt - Peter Godzik
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nannten exakten Wissenschaften uns feindselig glauben machen will. Gewiss tat stets jeder<br />
Denker sein eigen Werk, aber nicht anders wie der Künstler im Orchester sein eigen Instrument<br />
spielt und ist doch zusammen alles klingende Harmonie; so ist auch der Reigen der<br />
Weltanschauer von einer Einhelligkeit, der ich nichts vergleichen mag, und eine einzige gottberauschte<br />
Harmonie durch alle Zeiten. Wohl aber hat es in den exakten Wissenschaften<br />
noch nie eine Meinung gegeben, die nicht bald widerrufen wurde, kein einziges ihrer Gesetze<br />
steht fest und keine Behauptung ist, zu der es nicht eine gegenteilige gäbe, die sie aufhöbe.<br />
In aller philosophischen Geistesgeschichte sehen wir nicht zahllose widerstreitende,<br />
nein, nur zwei Richtungen, die alles erklären. Den einen Harmonieschwall, der göttlich hinansteigt,<br />
und die Sumpfweisheit des Materialismus, der hinabzieht. Er mag im Bereich tierischen<br />
Lebens lauterste Wahrheit sein, heut ist er uns selbst in seinen ernstesten Augenblicken<br />
nicht mehr als ein schmerzvoller Antrieb. Die kritische Besinnung nun innerhalb der<br />
aufwärtsströmenden Weltweisheit, besonders die Erkenntnistheorie, hat seit alters Eines<br />
gelehrt ganz gemäß unserem Keimen und Wachsen in der Welt und über die Welt hinaus: sie<br />
hat immer deutlicher alle Wirklichkeit, alle Umwelt zum Schein gemacht, uns aber zum<br />
Schlüssel des Alls. Da war sie Revolution, Erlösung und hochheilige Sendung. Aber scharf<br />
werden wir uns noch gegen die Erkenntnistheorie wenden, wo die zersetzende bauen will,<br />
wo sie Metaphysik treiben möchte, denn nichts ist mehr von Übel als Metaphysik auf Erkenntnistheorie<br />
aufgebaut, die feige nun einen Schattenbau aufführen möchte, wo sie ewig<br />
erlösend zerstörte. Der Erkenntnistheoretiker vermag wohl horizontal, aber nie vertikal zu<br />
philosophieren, nimmermehr kann er zur Metaphysik vordringen und sich fliegend über des<br />
Bodens Fläche erheben. Nicht weiter taugt uns das besinnende Philosophieren, als dass es<br />
alle Rätsel der Welt bettete in das größte Rätsel – Uns. Nun ruhen wir über zwei Abgründen,<br />
dem todesstarrenden Abgrund unter uns und dem grenzenlos starrenden Gott-Abgrund<br />
über uns.<br />
Folgen wir dieser wonnig befreiend auflösenden Vernichtung bis ans Ende. Was der gemeine<br />
Verstand in seiner tierisch dumpfen Befangenheit für das allein Wirkliche nimmt, ist mitnichten<br />
das Wirkliche. Was ist es, das wirklich wirkt? Das, was der gemeine Verstand niemals<br />
sieht, das Mysterium, das ihm nur luftige Phantasterei ist, das er verspottet – der heilige<br />
Gral. Aber wir wissen seit alters: die festeste Wirklichkeit zerrinnt uns unter den Händen<br />
umso gespenstischer, je sehnender wir sie greifen mögen. Und nichts verbliebe ohne unser<br />
Selbstbewusstsein, das im Gedächtnis einen schwachen Anstieg macht, zur Allgegenwart<br />
durchzudringen und seraphisch glühend jedes Erlebte ewig in sich zu umarmen. Und wie<br />
wechselt dies Selbst und reißt da alle Erscheinung, die auf ihm ruhen will, in einen Wirbel.<br />
Dort unbewegte, schweigende Einsamkeit, hier das tolle Jagen einer Stadt. Eben noch durchschauert<br />
von Strömen von Musik, jetzt schon im Halbschlaf, als einzigen Inhalt ein paar<br />
kümmerliche Tastempfindungen. Eben trinkt das Auge noch alle Weiten von Seen und Bergen,<br />
jetzt vielleicht als Inhalt ein Fleckchen Tisch, ein paar Körper und Geschmacksempfindungen.<br />
Jeder Gemütspuls lässt die Wirklichkeit tanzen wie ein Schifflein im Sturm. Jede<br />
Drehung des Kopfes, jede Minute Leben. Und täuschender Schein in Unzahl hüllt alles in seinen<br />
Nebel. Was wäre Härte ohne unser Getast! Und wüchse unsere Kraft ins Riesenhafte,<br />
Marmor wäre wachsweich, ja dünner noch als Luft. Was wäre Licht und Farbe ohne das Auge.<br />
Aber fragt doch weiter – was wäre das Auge ohne uns! Was Ton ohne das Ohr, aber was<br />
Ohr ohne uns. Und was Raum und was Zeit in all ihrer Unendlichkeit ohne uns, da nicht wir in<br />
ihnen, den Behältern, sondern sie in uns, unsere Geistesaugen, mit denen wir schauen. Und<br />
sind sie einzig zwingend, die ewigen Gesetze der Mathematik? Sie ruhen auf uns, ganz allein<br />
darauf, dass unser Raum-Geistesauge eingerichtet ist, mit drei Dimensionen zu schauen. Auf<br />
dieser Organisation unseres Geistes ruht unsere Mathematik als folgerichtiger Bau. Aber