25.05.2014 Aufrufe

Siderische Geburt - Peter Godzik

Siderische Geburt - Peter Godzik

Siderische Geburt - Peter Godzik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

8<br />

nannten exakten Wissenschaften uns feindselig glauben machen will. Gewiss tat stets jeder<br />

Denker sein eigen Werk, aber nicht anders wie der Künstler im Orchester sein eigen Instrument<br />

spielt und ist doch zusammen alles klingende Harmonie; so ist auch der Reigen der<br />

Weltanschauer von einer Einhelligkeit, der ich nichts vergleichen mag, und eine einzige gottberauschte<br />

Harmonie durch alle Zeiten. Wohl aber hat es in den exakten Wissenschaften<br />

noch nie eine Meinung gegeben, die nicht bald widerrufen wurde, kein einziges ihrer Gesetze<br />

steht fest und keine Behauptung ist, zu der es nicht eine gegenteilige gäbe, die sie aufhöbe.<br />

In aller philosophischen Geistesgeschichte sehen wir nicht zahllose widerstreitende,<br />

nein, nur zwei Richtungen, die alles erklären. Den einen Harmonieschwall, der göttlich hinansteigt,<br />

und die Sumpfweisheit des Materialismus, der hinabzieht. Er mag im Bereich tierischen<br />

Lebens lauterste Wahrheit sein, heut ist er uns selbst in seinen ernstesten Augenblicken<br />

nicht mehr als ein schmerzvoller Antrieb. Die kritische Besinnung nun innerhalb der<br />

aufwärtsströmenden Weltweisheit, besonders die Erkenntnistheorie, hat seit alters Eines<br />

gelehrt ganz gemäß unserem Keimen und Wachsen in der Welt und über die Welt hinaus: sie<br />

hat immer deutlicher alle Wirklichkeit, alle Umwelt zum Schein gemacht, uns aber zum<br />

Schlüssel des Alls. Da war sie Revolution, Erlösung und hochheilige Sendung. Aber scharf<br />

werden wir uns noch gegen die Erkenntnistheorie wenden, wo die zersetzende bauen will,<br />

wo sie Metaphysik treiben möchte, denn nichts ist mehr von Übel als Metaphysik auf Erkenntnistheorie<br />

aufgebaut, die feige nun einen Schattenbau aufführen möchte, wo sie ewig<br />

erlösend zerstörte. Der Erkenntnistheoretiker vermag wohl horizontal, aber nie vertikal zu<br />

philosophieren, nimmermehr kann er zur Metaphysik vordringen und sich fliegend über des<br />

Bodens Fläche erheben. Nicht weiter taugt uns das besinnende Philosophieren, als dass es<br />

alle Rätsel der Welt bettete in das größte Rätsel – Uns. Nun ruhen wir über zwei Abgründen,<br />

dem todesstarrenden Abgrund unter uns und dem grenzenlos starrenden Gott-Abgrund<br />

über uns.<br />

Folgen wir dieser wonnig befreiend auflösenden Vernichtung bis ans Ende. Was der gemeine<br />

Verstand in seiner tierisch dumpfen Befangenheit für das allein Wirkliche nimmt, ist mitnichten<br />

das Wirkliche. Was ist es, das wirklich wirkt? Das, was der gemeine Verstand niemals<br />

sieht, das Mysterium, das ihm nur luftige Phantasterei ist, das er verspottet – der heilige<br />

Gral. Aber wir wissen seit alters: die festeste Wirklichkeit zerrinnt uns unter den Händen<br />

umso gespenstischer, je sehnender wir sie greifen mögen. Und nichts verbliebe ohne unser<br />

Selbstbewusstsein, das im Gedächtnis einen schwachen Anstieg macht, zur Allgegenwart<br />

durchzudringen und seraphisch glühend jedes Erlebte ewig in sich zu umarmen. Und wie<br />

wechselt dies Selbst und reißt da alle Erscheinung, die auf ihm ruhen will, in einen Wirbel.<br />

Dort unbewegte, schweigende Einsamkeit, hier das tolle Jagen einer Stadt. Eben noch durchschauert<br />

von Strömen von Musik, jetzt schon im Halbschlaf, als einzigen Inhalt ein paar<br />

kümmerliche Tastempfindungen. Eben trinkt das Auge noch alle Weiten von Seen und Bergen,<br />

jetzt vielleicht als Inhalt ein Fleckchen Tisch, ein paar Körper und Geschmacksempfindungen.<br />

Jeder Gemütspuls lässt die Wirklichkeit tanzen wie ein Schifflein im Sturm. Jede<br />

Drehung des Kopfes, jede Minute Leben. Und täuschender Schein in Unzahl hüllt alles in seinen<br />

Nebel. Was wäre Härte ohne unser Getast! Und wüchse unsere Kraft ins Riesenhafte,<br />

Marmor wäre wachsweich, ja dünner noch als Luft. Was wäre Licht und Farbe ohne das Auge.<br />

Aber fragt doch weiter – was wäre das Auge ohne uns! Was Ton ohne das Ohr, aber was<br />

Ohr ohne uns. Und was Raum und was Zeit in all ihrer Unendlichkeit ohne uns, da nicht wir in<br />

ihnen, den Behältern, sondern sie in uns, unsere Geistesaugen, mit denen wir schauen. Und<br />

sind sie einzig zwingend, die ewigen Gesetze der Mathematik? Sie ruhen auf uns, ganz allein<br />

darauf, dass unser Raum-Geistesauge eingerichtet ist, mit drei Dimensionen zu schauen. Auf<br />

dieser Organisation unseres Geistes ruht unsere Mathematik als folgerichtiger Bau. Aber

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!