Siderische Geburt - Peter Godzik

Siderische Geburt - Peter Godzik Siderische Geburt - Peter Godzik

25.05.2014 Aufrufe

78 äußerung, ruht das Naturleben, auf Hochzeitsfesten und Schlachten ihr Verbinden und Trennen, auf des Künstlers seligem Schwingen in Schönheit ihr Gestalten. Das ist der Wahrheitskern alles Anthropomorphismus, das ist die anthropologische und die göttliche Naturdeutung an Stelle der bloß mechanischen. Und die Analogien, die alle Naturbeseelung seit je zwischen Naturreich und Menschenwelt gezogen hat, ist keine müßige Spielerei, ja dass solche Analogien überhaupt möglich sind, deutet schon auf die tiefen Zusammenhänge. „Du Natur unter mir“ spricht diese neue höhere Deutung, wie „zurück zur Natur“ heut nur noch der Aufruf zu materialistischer Vertierung sein kann. Mehr und mehr müssen wir uns dem materialistischen Irrwahn entwöhnen, als ob die ganze Natur mit all ihren Organismen, Wäldern und Seen, die Erde mit ihren Zonen, geologischen Epochen, Sonnen und Sternen, auch ohne uns und schon vor uns ganz so hätten bestehen können. Gehen wir in der Stufenleiter der Lebewesen zu Primitiveren zurück, so finden wir da kein Erlebnis von Sternen, geologischen Epochen, chemischen Verbindungen oder elektrischen Vorgängen. Dieser ganze Reichtum ist in dieser Form erst durch das Leben der Lebewesen entstanden und durch das Werden der Menschen. Alles dies ist erst aus dem chaotischen Urgrund herausgelebt, nimmermehr war aber schon eine fertige anorganische Natur in dieser Gestalt, ehe Wesen sie wahrgenommen haben, die Gestaltung der Natur war niemals höher, als wie sie von den fortgeschrittensten Wesen erfasst wurde, die Entwicklung der anorganischen Natur läuft streng parallel mit dem Aufstieg der Lebewesen bis zum Menschen. Plumper Materialismus hat das Wort geprägt „ohne Phosphor kein Gedanke“. Richtiger muss es heißen: ohne Gedanken kein Phosphor, denn ohne den Zug, den unser Erleben und unser Menschwerden durch das Naturreich hindurch gemacht hat, gäbe es weder Phosphor noch Eisen, noch Elektrizität oder Wärme oder Licht oder Urgestein oder irgendeinen Stern. Würde die Organisation unseres Geistes sich im Kleinsten ändern, wäre unsere Sendung im Winzigsten eine andere, die festesten Gesetze der Physik und die ewigen Bahnen der Gestirne fielen in sich zusammen wie Zunder. Gewisslich ist die Naturgestaltung nicht einzig und allein unser Werk. Es bleibt ein Rest in allem, der von uns nicht gestaltet ist, eben das, was reine Natur ist, der Naturabgrund. Doch dieses wilde göttliche Chaos ist weder Licht noch Phosphor noch Stern noch Urzeit. Es ist da nichts als ein höllischer Abgrund göttlicher Not, die uns in unerhört übergewaltigem Zwang durch Todesnot und Hungerpein hervorpeitscht, den langen weiten Weg zu wandern zur Welt und die gestaltenden Erlebnisse zu machen, die erst in unserem Geist zu Stern und Metall und Erde werden. Die Erde, die heut vor uns steht, die Sterne, die heut kreisen, die Vergangenheit der geologischen Epochen ist ganz unser Menschenerlebnis, ganz unser Menschenbedürfnis, ganz unsere Menschwerdung. Das, was von all dem im Chaos und dort in Todessetzung ruht, ist nur der Antrieb, nur der mechanische Zwang, der Hunger, der zum Fraß treibt und zum Kampf des Erlebens, der Schrei nach Erlösung. Die reine Natur ist ein hilfloser Zustand der Erstarrung, ist das tote gleichbleibende Ruhen in der Tiefe, ist der vollendete Sturz. Natur kann in Veränderung nur zusammenbrechen, doch nicht sich steigern. Das, was an der Gestaltung Materie und Mechanismus ist, gehört der Natur an. Was da aber – mag es auch noch an den Tiefen haften – Steigerung ist, was Sinn und Schönheit, dieses ganze Naturbild in seiner Einheitlichkeit ist, was sich selig entfaltet zu immer herrlicherer Harmonie, das stammt aus uns, das ist der Wiederanstieg, das stammt aus der Heimkehr und spottet der mechanischen Erklärung. Der reine Naturzustand ist wie reine Vollendung ein Grenzzustand. Er kann nicht einen einzigen Augenblick bestehen, ohne dass schon zugleich die Lösung und Steigerung beginnt und das Weltwerden. Auch ist das Naturreich von Welt und Pleroma nicht scharf geschieden wie die Stockwerke eines Hauses, sondern es sind Gesamt-Lebenszustände des göttlichen

79 Schwingens, und der Naturzustand ist völlig aufgenommen in Weltseyn, wie das Weltseyn in der himmlischen Vollendung gelöst ist. Darum durchhallt das wilde chaotische mechanische Naturseyn das ganze Kreisen, durchhallt die ganze Welt und verklingt erst im Reich der Vollendung; noch in der Vollendung zittert das Naturseyn nach als der chaotische Überschwang göttlicher Selbstentäußerung, ganz wie Vollendung als ein Keim schon in der Naturtiefe schlummert. Darum können wir das Mechanische nicht scharf von dem Übermechanischen scheiden, denn es klingt, wenn auch immer schwächer, bis in die letzten Höhen, ganz wie die Höhen und Freiheit als Keim schon im Mechanischen wirken. Wie wir nach der Mischung zweier Farben nicht mehr scheiden können, was aus jeder einzelnen stammt, so können wir das Mechanische und das Lebendige in seiner gegenseitigen Durchdringung nicht leicht voneinander reißen. Doch auch ohne eine solche scharfe Trennung werden wir den Bereich der Naturerforschung wie alle Natürlichkeit auf das beschränken, was aus dem Mechanischen und Materiellen stammt. Und zweierlei muss jede Naturwissenschaft der Zukunft als eiserne Grundlage haben. Dass Natur nur ein Teil der Allheit, nur die Tiefe, nur die dingliche Erstarrtheit in Todessetzung ist; und dass die mechanische Naturerforschung auch nicht einmal ein vollkommenes Bild der Naturtiefe gibt, sondern einzig nur die Beziehung von Naturteilen, Einzelheiten und Vorgängen zueinander. Die Natur als Ganzes, ja selbst jeder einzelne Naturvorgang, jedes einzelne Naturgebiet, soweit es als Glied des Naturganzen betrachtet wird, ist mechanisch nicht zu erfassen. Weder einen chemischen, noch einen physikalischen, noch einen biologischen Hergang werden wir mechanisch völlig ausschöpfen können. Denn alles, was daran aus der Steigerung, aus Weltwerden stammt, das, was darin aus uns ist, bedarf erst der Deutung und enthüllt sich nicht durch bloße exakte Feststellung seines mechanischen Gehaltes. Ja selbst das Mechanische in seiner Ganzheit will erst erfasst werden nach seinem Ursprung aus göttlicher Fülle. Die übernaturalistische Naturdeutung kann Natur nicht nur aus Natur erklären. Doch sind wir weit entfernt, einer willkürlichen phantastischen Natursymbolik die Wege zu ebnen. Vielmehr werden wir weiterhin aufzeigen, dass diese Naturdeutung sich völlig deckt mit der Lösung der Natur und dass der Sinn des Naturgeschehens im Ganzen wie im Einzelnen sich nur soweit enthüllt, wie Natur vermenscht in uns eingegangen ist. Wohl ist es uns möglich, die Natur zu umfassen und in uns zu ziehen, während wir das Höhere nimmermehr umfassen können, sondern darin aufgehen müssen wie Natur in uns. Doch auch Natur können wir nur umfassen, wenn wir größer geworden sind als Natur, nur durch die Tat unerhörten Wachstums, die Losreißung ist aus Tod und Fraßsetzung; nimmermehr aber ergibt sich Natur einer Theorie. Die Naturwissenschaft hat zu der exakt mechanischen Forschung eine Theorie, ja eine ganze Weltanschauung hinzugefügt, nämlich die materialistische. Es gibt keine andere Naturtheorie bisher als den Materialismus und kann keine andere geben. Es gibt keinen Satz, keine Behauptung, keine Beobachtung der Naturwissenschaft, die nicht gesättigt wären mit der materialistischen Deutung und Ergänzung, und das Auge des heutigen Naturforschers ist bis ins Unbegreifliche erblindet gegen jede Tatsache, die dieser Theorie widersprechen könnte, er sieht schlechterdings solche Tatsachen nicht. Das deutet schon darauf, dass der Materialismus keineswegs bloß eine verstiegene Theorie ist, sondern eine gestaltende Macht. Man hat gezeigt, dass die Materie, der Stoff, nur eine Abstraktion ist, aber keine Erfahrungstatsache, und wir haben zur Genüge nachgewiesen, dass alle Materien nur aus der Fraßsetzung geboren Schöpfungen des niederen Tierverstandes sind, bloßer Schein, und nichts als das Gefesseltseyn unseres Selbst in dinghafter winterlicher Todeserstarrung. Aber gerade darum ist Materie und Materialismus nicht bloß verkehrte Theorie, sondern das todeswärts gewandte dämonische Haften am Nichts, gerade darum ist Materie so konkret und so wirklich, wie das Nichts und der Tod und der Schein Wirklichkeiten sind. Der Materialismus ist die

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Schwingens, und der Naturzustand ist völlig aufgenommen in Weltseyn, wie das Weltseyn in<br />

der himmlischen Vollendung gelöst ist. Darum durchhallt das wilde chaotische mechanische<br />

Naturseyn das ganze Kreisen, durchhallt die ganze Welt und verklingt erst im Reich der Vollendung;<br />

noch in der Vollendung zittert das Naturseyn nach als der chaotische Überschwang<br />

göttlicher Selbstentäußerung, ganz wie Vollendung als ein Keim schon in der Naturtiefe<br />

schlummert. Darum können wir das Mechanische nicht scharf von dem Übermechanischen<br />

scheiden, denn es klingt, wenn auch immer schwächer, bis in die letzten Höhen, ganz wie die<br />

Höhen und Freiheit als Keim schon im Mechanischen wirken. Wie wir nach der Mischung<br />

zweier Farben nicht mehr scheiden können, was aus jeder einzelnen stammt, so können wir<br />

das Mechanische und das Lebendige in seiner gegenseitigen Durchdringung nicht leicht voneinander<br />

reißen. Doch auch ohne eine solche scharfe Trennung werden wir den Bereich der<br />

Naturerforschung wie alle Natürlichkeit auf das beschränken, was aus dem Mechanischen<br />

und Materiellen stammt. Und zweierlei muss jede Naturwissenschaft der Zukunft als eiserne<br />

Grundlage haben. Dass Natur nur ein Teil der Allheit, nur die Tiefe, nur die dingliche Erstarrtheit<br />

in Todessetzung ist; und dass die mechanische Naturerforschung auch nicht einmal ein<br />

vollkommenes Bild der Naturtiefe gibt, sondern einzig nur die Beziehung von Naturteilen,<br />

Einzelheiten und Vorgängen zueinander. Die Natur als Ganzes, ja selbst jeder einzelne Naturvorgang,<br />

jedes einzelne Naturgebiet, soweit es als Glied des Naturganzen betrachtet wird,<br />

ist mechanisch nicht zu erfassen. Weder einen chemischen, noch einen physikalischen, noch<br />

einen biologischen Hergang werden wir mechanisch völlig ausschöpfen können. Denn alles,<br />

was daran aus der Steigerung, aus Weltwerden stammt, das, was darin aus uns ist, bedarf<br />

erst der Deutung und enthüllt sich nicht durch bloße exakte Feststellung seines mechanischen<br />

Gehaltes. Ja selbst das Mechanische in seiner Ganzheit will erst erfasst werden nach<br />

seinem Ursprung aus göttlicher Fülle. Die übernaturalistische Naturdeutung kann Natur nicht<br />

nur aus Natur erklären. Doch sind wir weit entfernt, einer willkürlichen phantastischen Natursymbolik<br />

die Wege zu ebnen. Vielmehr werden wir weiterhin aufzeigen, dass diese Naturdeutung<br />

sich völlig deckt mit der Lösung der Natur und dass der Sinn des Naturgeschehens<br />

im Ganzen wie im Einzelnen sich nur soweit enthüllt, wie Natur vermenscht in uns eingegangen<br />

ist. Wohl ist es uns möglich, die Natur zu umfassen und in uns zu ziehen, während<br />

wir das Höhere nimmermehr umfassen können, sondern darin aufgehen müssen wie Natur<br />

in uns. Doch auch Natur können wir nur umfassen, wenn wir größer geworden sind als Natur,<br />

nur durch die Tat unerhörten Wachstums, die Losreißung ist aus Tod und Fraßsetzung; nimmermehr<br />

aber ergibt sich Natur einer Theorie.<br />

Die Naturwissenschaft hat zu der exakt mechanischen Forschung eine Theorie, ja eine ganze<br />

Weltanschauung hinzugefügt, nämlich die materialistische. Es gibt keine andere Naturtheorie<br />

bisher als den Materialismus und kann keine andere geben. Es gibt keinen Satz, keine Behauptung,<br />

keine Beobachtung der Naturwissenschaft, die nicht gesättigt wären mit der materialistischen<br />

Deutung und Ergänzung, und das Auge des heutigen Naturforschers ist bis ins<br />

Unbegreifliche erblindet gegen jede Tatsache, die dieser Theorie widersprechen könnte, er<br />

sieht schlechterdings solche Tatsachen nicht. Das deutet schon darauf, dass der Materialismus<br />

keineswegs bloß eine verstiegene Theorie ist, sondern eine gestaltende Macht. Man hat<br />

gezeigt, dass die Materie, der Stoff, nur eine Abstraktion ist, aber keine Erfahrungstatsache,<br />

und wir haben zur Genüge nachgewiesen, dass alle Materien nur aus der Fraßsetzung geboren<br />

Schöpfungen des niederen Tierverstandes sind, bloßer Schein, und nichts als das<br />

Gefesseltseyn unseres Selbst in dinghafter winterlicher Todeserstarrung. Aber gerade darum<br />

ist Materie und Materialismus nicht bloß verkehrte Theorie, sondern das todeswärts gewandte<br />

dämonische Haften am Nichts, gerade darum ist Materie so konkret und so wirklich,<br />

wie das Nichts und der Tod und der Schein Wirklichkeiten sind. Der Materialismus ist die

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