Siderische Geburt - Peter Godzik
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äußerung, ruht das Naturleben, auf Hochzeitsfesten und Schlachten ihr Verbinden und Trennen,<br />
auf des Künstlers seligem Schwingen in Schönheit ihr Gestalten. Das ist der Wahrheitskern<br />
alles Anthropomorphismus, das ist die anthropologische und die göttliche Naturdeutung<br />
an Stelle der bloß mechanischen. Und die Analogien, die alle Naturbeseelung seit je<br />
zwischen Naturreich und Menschenwelt gezogen hat, ist keine müßige Spielerei, ja dass solche<br />
Analogien überhaupt möglich sind, deutet schon auf die tiefen Zusammenhänge. „Du<br />
Natur unter mir“ spricht diese neue höhere Deutung, wie „zurück zur Natur“ heut nur noch<br />
der Aufruf zu materialistischer Vertierung sein kann.<br />
Mehr und mehr müssen wir uns dem materialistischen Irrwahn entwöhnen, als ob die ganze<br />
Natur mit all ihren Organismen, Wäldern und Seen, die Erde mit ihren Zonen, geologischen<br />
Epochen, Sonnen und Sternen, auch ohne uns und schon vor uns ganz so hätten bestehen<br />
können. Gehen wir in der Stufenleiter der Lebewesen zu Primitiveren zurück, so finden wir<br />
da kein Erlebnis von Sternen, geologischen Epochen, chemischen Verbindungen oder elektrischen<br />
Vorgängen. Dieser ganze Reichtum ist in dieser Form erst durch das Leben der Lebewesen<br />
entstanden und durch das Werden der Menschen. Alles dies ist erst aus dem chaotischen<br />
Urgrund herausgelebt, nimmermehr war aber schon eine fertige anorganische Natur in dieser<br />
Gestalt, ehe Wesen sie wahrgenommen haben, die Gestaltung der Natur war niemals<br />
höher, als wie sie von den fortgeschrittensten Wesen erfasst wurde, die Entwicklung der<br />
anorganischen Natur läuft streng parallel mit dem Aufstieg der Lebewesen bis zum Menschen.<br />
Plumper Materialismus hat das Wort geprägt „ohne Phosphor kein Gedanke“. Richtiger<br />
muss es heißen: ohne Gedanken kein Phosphor, denn ohne den Zug, den unser Erleben<br />
und unser Menschwerden durch das Naturreich hindurch gemacht hat, gäbe es weder Phosphor<br />
noch Eisen, noch Elektrizität oder Wärme oder Licht oder Urgestein oder irgendeinen<br />
Stern. Würde die Organisation unseres Geistes sich im Kleinsten ändern, wäre unsere Sendung<br />
im Winzigsten eine andere, die festesten Gesetze der Physik und die ewigen Bahnen<br />
der Gestirne fielen in sich zusammen wie Zunder. Gewisslich ist die Naturgestaltung nicht<br />
einzig und allein unser Werk. Es bleibt ein Rest in allem, der von uns nicht gestaltet ist, eben<br />
das, was reine Natur ist, der Naturabgrund. Doch dieses wilde göttliche Chaos ist weder Licht<br />
noch Phosphor noch Stern noch Urzeit. Es ist da nichts als ein höllischer Abgrund göttlicher<br />
Not, die uns in unerhört übergewaltigem Zwang durch Todesnot und Hungerpein hervorpeitscht,<br />
den langen weiten Weg zu wandern zur Welt und die gestaltenden Erlebnisse zu<br />
machen, die erst in unserem Geist zu Stern und Metall und Erde werden. Die Erde, die heut<br />
vor uns steht, die Sterne, die heut kreisen, die Vergangenheit der geologischen Epochen ist<br />
ganz unser Menschenerlebnis, ganz unser Menschenbedürfnis, ganz unsere Menschwerdung.<br />
Das, was von all dem im Chaos und dort in Todessetzung ruht, ist nur der Antrieb, nur<br />
der mechanische Zwang, der Hunger, der zum Fraß treibt und zum Kampf des Erlebens, der<br />
Schrei nach Erlösung. Die reine Natur ist ein hilfloser Zustand der Erstarrung, ist das tote<br />
gleichbleibende Ruhen in der Tiefe, ist der vollendete Sturz. Natur kann in Veränderung nur<br />
zusammenbrechen, doch nicht sich steigern. Das, was an der Gestaltung Materie und Mechanismus<br />
ist, gehört der Natur an. Was da aber – mag es auch noch an den Tiefen haften –<br />
Steigerung ist, was Sinn und Schönheit, dieses ganze Naturbild in seiner Einheitlichkeit ist,<br />
was sich selig entfaltet zu immer herrlicherer Harmonie, das stammt aus uns, das ist der<br />
Wiederanstieg, das stammt aus der Heimkehr und spottet der mechanischen Erklärung.<br />
Der reine Naturzustand ist wie reine Vollendung ein Grenzzustand. Er kann nicht einen einzigen<br />
Augenblick bestehen, ohne dass schon zugleich die Lösung und Steigerung beginnt und<br />
das Weltwerden. Auch ist das Naturreich von Welt und Pleroma nicht scharf geschieden wie<br />
die Stockwerke eines Hauses, sondern es sind Gesamt-Lebenszustände des göttlichen