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Siderische Geburt - Peter Godzik

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Natur und ihr ganzer schöpferischer Mechanismus in all seiner Harmonie ist also nicht denkbar<br />

ohne göttlichen Ursprung; wir wissen, dass es göttliche Vollendung ist, die sich in Natur<br />

gewandelt hat, dass siegreiche Ruhe grenzenloser hinausdrängender Liebe sich zu höchster<br />

Bedürftigkeit entäußert hat, und diese göttliche Bedürftigkeit, diese schreiende Götter-Not<br />

ist das Chaos des Naturabgrundes, ein Chaos nicht dem mechanischen Gesetz nach, aber<br />

dem Sinn nach, bloße Anordnung, aber noch keine Ordnung. Einzig diese willenlose Bedürftigkeit,<br />

diese chaotische Not, diese dinghaft todesstarre Unterworfenheit, dieser Schrei nach<br />

Erlösung ist Natur, alles andere kann wohl in der Natur stecken, aber ist nicht Naturabgrund,<br />

sondern beginnende Natur-Auflösung. Von Anbeginn ist zugleich mit dem göttlichen Sturz<br />

die Möglichkeit des Wiederaufstiegs gegeben, als Paragranum, als Übersame, ist der Mensch<br />

in das Chaos hineingelegt, dass er dort wie ein gestaltendes Ferment wirke oder wie ein Rotationspunkt,<br />

der die Naturtiefen zwingt, in aufsteigender Gestaltung um ihn zu kreisen.<br />

Dass wir in der Natur steckten als ihr Kern, ist der Grund alles Natur-Aufstieges, aller Natur-<br />

Entwicklung und -Entfaltung. Und diese Entwicklung tut nichts, als unablässig alle Natürlichkeit<br />

aufzulösen. Was an der Natur naturt, das Mechanische, das Materielle, das sinnlos Chaotische,<br />

löst sich weltlich in menschlicher Gestaltung, zerrinnt in einem Geschehen über der<br />

Natur. Natur ist geradezu das, was fortdauernd überwunden und zersetzt wird; das ist der<br />

Naturprozess. Natur hat gar keine Steigerungsmöglichkeiten in sich. Sie ist uns von Anbeginn<br />

in ihrer vollsten Höhe gegeben, und wir sehen nichts als einen ständigen Verfall des Natürlichen,<br />

denn alle höhere Gestaltung der Natur ist Vermenschung, Weltwerdung, Vergottung,<br />

Rückkehr zur Gottheit, und ist einzig hervorgerufen durch die siderische <strong>Geburt</strong> der Weltlichkeit<br />

in der Natürlichkeit, nimmermehr aber kann das Naturreich sich selbst erlösend erheben.<br />

Nirgends sehen wir Naturentstehung, nur auflösende Gestaltung, nichts als Abstieg,<br />

Fall, Aufgehen in Höherem, ein ständiges Zusammenbrechen. Wir werden diese Dematerialisation,<br />

diese Lösung auch alles Mechanischen und aller Energie noch physikalisch untersuchen.<br />

Das Übernatürliche ist also das Allerrealste in der Natur, die Materie dagegen, wie wir<br />

wissen, nichts als bloßer Schein, eine Abstraktion des in der Enge des Tastgefühls und der<br />

winterlichen Todessetzung befangenen hylischen Geistes. Die Erklärung aus der Materie ist<br />

die Erklärung aus dem Nichts. Die Materie hat, wenn wir ein mathematisches Bild frei anwenden,<br />

einen differentialen Charakter wie der Mensch, in göttlicher Richtung einen integralen.<br />

Die Materie ist nur ein Moment des Göttlichen und strebt zur Null, da sie einzig in Todessetzung<br />

besteht, der Mensch ruht zuletzt im göttlichen Überschwang, ist das Richtungsgesetz<br />

des göttlichen Kreisens und nähert sich der Unendlichkeit. Der Überschwang der Materie<br />

ist der Tod des Erlöschens. Der Überschwang des Menschen ist Gott.<br />

Der liebesglühende cherubinische Sturz Gottes lastet erdrückend auf den Naturtiefen in<br />

schmerzvoller Zusammenziehung. Auf die höchste Vollendung ist die Naturtiefe gefolgt, und<br />

nur auf der Vollendung des Pleroma kann Natur ruhen, nicht sinnloser Wiederholung wegen,<br />

sondern um selbst die Wiederholung in unerhörtem Reichtum abermals zu steigern und alle<br />

Fülle der Vollendung plötzlich über abgründige Todestiefen schweben zu machen und sie zu<br />

einem ewig höheren Ziele zu treiben. Wenn sich da der Himmel vernaturt hat, himmlische<br />

Ruhe in bitterste Not gewandelt hat und in dräuenden chaotischen Zwang, da entsteigt der<br />

Menschenkeim den Tiefen, steigt Gestalt über Gestalt, die sich endlich der begrenzten Todesmaterie<br />

entreißen, zu weltlichen Leidenschaften werden will und am Ende sich verklären.<br />

Da ruht das Pleroma in seinen Tiefen dann auf Tigern und Rosen, auf Schlachten und Hochzeitsfesten,<br />

auf Sturmwetter und Abendfrieden. Aber Natur ruht auch wieder auf dem<br />

Pleroma, das ihr voran war. Und mindestens so tief wie die modernsten geologischen Theorien<br />

ist die dichterisch visionäre Schau, die unter den Vulkanen und bebenden Erdschollen<br />

erstickte Titanen sucht, denn auf sehnsüchtigen Leidenschaften, auf Mord und Selbstent-

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