Siderische Geburt - Peter Godzik

Siderische Geburt - Peter Godzik Siderische Geburt - Peter Godzik

25.05.2014 Aufrufe

72 Alle, die je lebten und je nach mir kommen werden. Den Myriaden füge ich Schmerz zu, und erlöse sie durch meine Fürbitte und seraphisches Handeln. Noch ist meine Sensibilität zu gering, ich bin noch zu sehr Person-Enge, um alle solche Weiten zu fühlen, noch lebe ich zu schwach, um alle solche erdrückende Fülle zu ertragen, deren Anblick mich in Wahnsinn stürzen würde. Könnte ich allgemeine Unendlichkeit und die Allverwobenheit und Ewigkeit meines Wirkens anschaulich erblicken, ich würde erschauern vor der folgerichtigen Furchtbarkeit. Selbst die längst versunkenen Naturtiefen werden wieder vor mir auftauchen, Wälder und Blitze, Seen und Berge, die aus den mechanischen Todesabgründen in die Lebendigkeit des Ich gestiegen zu Ich geworden sind. Und ich ahnte, wie ich in mir neue Meere und Berge und Stürme und Vulkane berge und den Grund zu neuen Naturen. Nur das Tier lebt im Gegenwartspunkt, und ihm wird einzig die Gegenwart zum Schauplatz des Tatens. Doch dem entschleierten überpersönlichen Blick enthüllt sich nicht nur die Zukunft, sondern ihm auch erst steigt alle Naturtiefe aus rätselvoller Dunkelheit. Erst dem höheren Menschen wird das Leben sinnvoll, so völlig lückenlos sinnvoll, wie das Niedere mechanisch gesetzmäßig. Das Mechanische hat sich in das Sinnvolle gewandelt. Wenn das Leben sinnvoll wird, das ist das Zeichen siderischer Geburt. Noch kannten wir nichts als das mechanische Gesetz, doch nicht die Unterordnung alles Lebens unter den planvollen Sinn. Aber je höher Einer steigt und in siderischer Geburt erblüht, sternenhaft über dem mechanischen Reich der Sterne, umso mehr wird er der Sphäre entrückt, wo der Zufall herrscht und der Unsinn, der Unsinn zwar nicht in mechanischer Hinsicht, aber dem Sinn nach. Die Meinung, Plato oder Beethoven hätten wohl von einem Dachziegel erschlagen werden können oder frühzeitiger an einer Krankheit sterben, ist barer Unsinn. Solche Personen sind so sehr zu notwendigen Weltorganen geworden und der Zufallssphäre schon so weit enthoben, dass solche Zufälle nahezu ganz ausgeschlossen sind, jedenfalls überaus viel seltener als bei niederen Wesen. Und dass Jesus etwa hätte von Zufällen betroffen werden können, ist mathematisch absolut ausgeschlossen. So trifft auch keinen Menschen ein Unverdientes oder Sinnloses, Jedem geschieht mathematisch genau das, was ihm gebührt, bis hinein in die unbedeutendsten Alltäglichkeiten des Lebens; auch läuft Jeder nur eine für ihn spezifische Gefahr. Selbst das Kind ist keineswegs ein unschuldiges, denn in ihm liegt eine ganz eindeutig gerichtete Person, die durch Äonen zusammengeschweißt ist, es ist nur weltlich unentfaltet, doch nimmermehr eine leere Reinheit. Und wenn es Zufälligkeiten in Fülle gibt, die Jeden treffen können, so heißt das nichts anderes, als dass noch jetzt das menschliche Gesamt-Niveau so tief liegt, dass Alle in die Sphäre scheinbarer Zufälligkeiten eintauchen. Doch dem Höher- Steigenden enthüllt sich aller Sinn. So exakt, wie nur bei irgend einem physikalischen Experiment, folgen ihm auf jede seiner Handlungen die sinnvollen Erlebnisse, die andere nicht sein können, und was nur an ihn herantritt, wird zu einem Sendboten der Göttlichkeit. So sinnvoll und so urgerecht wird ihm Freud und Leiden, Mühen und Erfolg, Aufgabe und Ruhen zuerteilt, dass er mit immer maßloserem Erstaunen sein ganzes Leben als ein einziges nur für ihn bestimmtes unbegreiflich sinnvolles gottbereitetes Kunstwerk erschaut. Kein Riegel kann gegen Feinde, kein Panzer gegen Verwundung, kein Serum gegen Krankheit, keine noch so raffinierte Schlauheit gegen Übles so sicher schützen als das höhere seraphische Leben, das der Sphäre der niederen Konflikte entrückt ist. Was Menschenkunst zum Schutz der Person ausdenkt, ist ewig vergeblich. Kein Ich entrinnt seinem göttlichen Schicksal. Doch in siderischer Geburt und in Kreuzigung, da wir alles Weltenleid in überschäumender Kraft übernehmen, steigen wir leicht über die höllischen Abgründe, die Überseele schwebt selig im höchsten Sinn des Pleroma, der höhere Mensch ist unverwundbar. Dem seraphischen Selbst folgt willig alles Leben, alle Naturgesetze beugt das liebesglühende überpersönliche Selbst den Pleromagesetzen. Da es nichts für sich nimmt in heiliger Armut, sondern alle Lebensfülle

73 den Höhen zuträgt, so ist es Herr über Leben und Tod, über Krankheit und Glück und leitet den Gang des Lebens. Seine ekstatische Berserkerkraft zwingt die Seligkeit in sich hinein, das göttliche Selbst bedarf nicht mehr all der Kräfte, die aus Natur entspringen, es setzt selbst in Gemeinschaft mit Gott die höchste Kraft, es wird zum wundertuenden Magier, denn tue ich nicht mehr mich, sondern Gott, so ist mein Tun reif zur Wundertat. Nicht mehr erwartet der neue Magier die Wunder von außen in Durchbrechung des mechanischen Naturseyns, sondern er selbst tut innerlich, in übermächtiger Göttlichkeit, die Wunder; in göttlichem Opferdienst lenkt er Welt und Sterne. Doch wann wird dieses Wunder sein? Niemals, so sagen sie, werden die Menschen zu Engeln werden und ihren Egoismus überwinden. Doch werden wir noch die wütende Not schauen, wie sie die Menschen aus der Enge hervortreiben wird; auch wissen wir, dass wir über den Mittag der Welt schritten und dass die Zeit reif machte, was aus sich selbst nicht befreit sein konnte. Dann braucht das Ich seinen Egoismus nicht mehr, stürmisch drängt es sich zum Verströmen. Doch stirbt es nicht mehr in die Tiefen, sondern in die Höhen hinein, es stirbt nicht in den Tod, sondern ins Leben, nicht in die Dinge, das Niedere, nicht in die Welt, sondern in die Gottheit, nicht in den Sumpf, sondern in die Himmel. Die Kultur des schauenden Glaubens, der stärker ist als alle Widersprüche, scheucht zuvor den nagenden weltgeborenen Zweifel. Ich sehe, ich erschaue, wenn ich nur das Eine tue, dass so stark und kühn und folgenschwer ist, nämlich Fernbleiben vom Sumpf. Nicht mehr zögernd, nein, mit fieberhafter Wut packe ich nun mein rauschendes göttliches Leben, der mystische Tod krampft mich zusammen in toller unerhörter Lust, nie verspürt durch Äonen und in göttlicher Raserei ist das Eine nur mein Trachten, dass ich mich ausgieße in siderischer Geburt sternenhaft über alle Sterne.

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den Höhen zuträgt, so ist es Herr über Leben und Tod, über Krankheit und Glück und leitet<br />

den Gang des Lebens. Seine ekstatische Berserkerkraft zwingt die Seligkeit in sich hinein, das<br />

göttliche Selbst bedarf nicht mehr all der Kräfte, die aus Natur entspringen, es setzt selbst in<br />

Gemeinschaft mit Gott die höchste Kraft, es wird zum wundertuenden Magier, denn tue ich<br />

nicht mehr mich, sondern Gott, so ist mein Tun reif zur Wundertat. Nicht mehr erwartet der<br />

neue Magier die Wunder von außen in Durchbrechung des mechanischen Naturseyns, sondern<br />

er selbst tut innerlich, in übermächtiger Göttlichkeit, die Wunder; in göttlichem Opferdienst<br />

lenkt er Welt und Sterne.<br />

Doch wann wird dieses Wunder sein? Niemals, so sagen sie, werden die Menschen zu Engeln<br />

werden und ihren Egoismus überwinden. Doch werden wir noch die wütende Not schauen,<br />

wie sie die Menschen aus der Enge hervortreiben wird; auch wissen wir, dass wir über den<br />

Mittag der Welt schritten und dass die Zeit reif machte, was aus sich selbst nicht befreit sein<br />

konnte. Dann braucht das Ich seinen Egoismus nicht mehr, stürmisch drängt es sich zum Verströmen.<br />

Doch stirbt es nicht mehr in die Tiefen, sondern in die Höhen hinein, es stirbt nicht<br />

in den Tod, sondern ins Leben, nicht in die Dinge, das Niedere, nicht in die Welt, sondern in<br />

die Gottheit, nicht in den Sumpf, sondern in die Himmel. Die Kultur des schauenden Glaubens,<br />

der stärker ist als alle Widersprüche, scheucht zuvor den nagenden weltgeborenen<br />

Zweifel. Ich sehe, ich erschaue, wenn ich nur das Eine tue, dass so stark und kühn und folgenschwer<br />

ist, nämlich Fernbleiben vom Sumpf. Nicht mehr zögernd, nein, mit fieberhafter<br />

Wut packe ich nun mein rauschendes göttliches Leben, der mystische Tod krampft mich zusammen<br />

in toller unerhörter Lust, nie verspürt durch Äonen und in göttlicher Raserei ist das<br />

Eine nur mein Trachten, dass ich mich ausgieße in siderischer <strong>Geburt</strong> sternenhaft über alle<br />

Sterne.

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