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Siderische Geburt - Peter Godzik

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Der völlig Vollendete ist Jesus Christus, der sein hylisches Ich gekreuzigt hat. In Auferstehung<br />

und Himmelfahrt ist sein gottgesandtes Selbst ins Pleroma entschwebt. Das Christentum ist<br />

ein gar nicht zu ermessender Fortschritt über das Judentum hinaus, über die indische Metaphysik<br />

und Buddha. Die gewaltigste aller Entdeckungen, die je zu machen war, ist durch<br />

Christus gemacht: die Seele. Alle anderen Religionen, Kosmologien, Metaphysiken und Erlösungslehren<br />

sind noch vorpersönlich. Dennoch scheinen sie alle kosmischer, metaphysischer<br />

als Jesu Lehre. Es scheint eine Gefahr des Christentums, dass es allzu leicht zur bloßen Ethik<br />

wird, deren Grenzen wir eben zogen, zur bloßen Lebensführung. Das erklärt sich so, dass die<br />

alles niederschmetternde Entdeckung der ewigen Seele für einen Augenblick allen Kosmos<br />

vergessen machte. Das noch ganz Unpersönliche musste sich erst an der Seele entzünden<br />

und beleben, und wir verstehen auch, dass das vorpersönliche noch geführte Leben einen<br />

viel allgemeineren, kosmologisch metaphysischen Ausdruck suchen musste. In dieser Abwendung<br />

vom Kosmos finden wir auch die Grenzen des Christentums. Es ist zugunsten der<br />

Seele aller schöpferischen Fülle der Weltlichkeit nie gerecht geworden, und so konnte es all<br />

seine Erhabenheit und welterlösende Sendung nicht durchsetzen, es konnte nie zu solcher<br />

Durchdringung des praktischen Lebens gelangen, wie die metaphysisch kosmologischen Religionen<br />

Asiens. Furchtbar ist dieser Zwiespalt des Weltlichen und des Geistlichen der Kirche<br />

von Anbeginn aufgeprägt. Durch die Kultur durch muss alles den Weg nehmen, nicht in Weltflucht,<br />

sondern in Welteroberung, aber auch durch die Person durch und über allem Persönlichen<br />

will das neue Leben sich nun wieder seine neue überpersönliche Religion schaffen, in<br />

Verwobenheit mit jeglicher Fülle und Allheit. Doch wird die neue Religion nicht mehr Anbetung<br />

sein, die auch nur ein Tasten ist, noch Ethik, noch irgend ein System der Metaphysik,<br />

kein Weltbild, sondern das Weltende, sie wird die Tat der siderischen <strong>Geburt</strong> sein und lebendige<br />

Vermählung mit der Gottheit.<br />

Unsere Zeit hat der neuen Auffassung des Christentums Ausdruck gegeben in der Trennung<br />

von Jesus und Christus, in der scharfen Scheidung des historischen Ereignisses und des metaphysisch<br />

weltaufbauenden Prinzips. Jesus ist das Bekenntnis der noch unfreien Person, die<br />

den Mittler braucht und die Kirche. Wir wollen das Urteil über die Kirche einer späteren Zeit<br />

überlassen, die ruhiger abwägen mag als wir. Uns scheint sie nicht schlimmer als jedes Weltgeborene<br />

überhaupt, auch ist kein Hergang in der Geschichte, der jemals zur Bedeutung kam<br />

und nur von negativem Wert wäre. Uns genügt, dass die Kirche nichts mehr herzugeben hat,<br />

dass sie nicht mehr die Form der kommenden Religiosität sein kann, dass sie nur lebt, weil<br />

der brutale Materialismus unserer Zeit den metaphysischen Drang wahrhaftig nicht zu stillen<br />

vermag, ihn künstlich darnieder hält und so den Verfall der Kirchen geradezu aufhält. Christus,<br />

das ist der Schritt über jeden Mittler hinaus, ist das Bekenntnis zu eigener Tat, zur eigenen<br />

Kreuzigung, und heißt, dass ohne Auswahl Jeder Gottes Sohn sei und in lebendiger Tat<br />

der siderischen <strong>Geburt</strong> selbst zu Gott zerfließe. Auch wenn wir die Seichtigkeit der liberalen<br />

Theologie, die eine metaphysische Weltwende zu einem bloß historischen Ereignis macht<br />

wie irgendeine Schlacht oder Städtegründung, noch so schroff abweisen, so sehen wir doch<br />

eine Befreiung nicht nur im Verfall alles Kirchentums, sondern auch in der Abwendung von<br />

aller Sektiererei, die in neuen Dogmen und Lehren und Büchern ein neues Pfaffentum begründen<br />

möchte, die freie, eigene siderische Tat zu töten.<br />

Auf der Kreuzigung des Ich, nicht auf seinem Genussleben ruht das Kreisen. Genießen kann<br />

nur, was noch nicht vollendetes Ich ward; das reife Ich, das zum Leben kommen will und zum<br />

seraphischen Ich erblüht, hat nicht das mindeste Anrecht auf Genuss und Besitzen, es wird<br />

gekreuzigt. „Ich bin“, meine Seynssetzung und Genuss im Persönlichen, das bedeutet den<br />

Stillstand des göttlichen Kreisens, bedeutet, dass die winterliche Erfrorenheit des ganzen

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