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Siderische Geburt - Peter Godzik

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Wir finden uns heut genau in dem Augenblick, da unser höheres, liebeströmendes Ich sich<br />

von seinen hylischen Tiefen trennen will, da die Waagschale zugunsten göttlichen Lebens<br />

sinkt und in siderischer <strong>Geburt</strong> unser neues sternenhaftes Leben die durchlebte Enge verschlingen<br />

muss. Die hylischen Tiefen und weltlichen Werkstätten sind auf die Endlichkeit<br />

gestellt, denn die Endlichkeit ist der Ort der Darstellung und formenhafter Gestaltung. Wäre<br />

dort keine Endlichkeit, sondern schon Unendlichkeit, so könnte unser Verweilen dort auch<br />

kein endliches sein, wir könnten dem Innerweltlichen niemals entrinnen. Aber nun erschöpft<br />

sich Welt und was sie je hergeben kann, und näher rückt der Augenblick, wo wir auf Äonen<br />

das Weltinnere verlassen werden, um vom Ausgelebten zu neuen Möglichkeiten zu wandern.<br />

Doch wir wissen schon nach dem Gesetz vom tiefsten Weg, dass nichts eher verlassen<br />

wird, ehe nicht das letzte Quäntchen von Wert herausgelebt ist. Blindheit ist daher alles<br />

Stöhnen über menschliche Zurückgebliebenheit, über Tiefstand, Beharren im Tierischen,<br />

zähe Unveränderlichkeit und Schlechtigkeit. Dem Sichtigen ist bis ins Letzte deutlich, dass zur<br />

Hinaufführung der Welt nichts besser zu sein brauchte, als es war; ja das hohe seraphische<br />

Selbst wäre zur Weltbildung so völlig untauglich gewesen, wie eine Sense zum Säen. Sinnlos<br />

ist auch die Klage, es hätten wohl die Verstandeskräfte zugenommen, doch nicht die Kräfte<br />

des Charakters. Das noch geführte Ich braucht solche Kräfte weniger, wohl aber die allen<br />

Druck scheuchende Leuchte des Verstandes, die über Geführtheit hinausweist. Nun erst<br />

kann in langsamer Erziehung seraphischer Gemeinschaftlichkeit Charakter sich entfalten, der<br />

das königliche Abzeichen nur jedes höheren Selbst sein kann. Und einzig auch das höhere<br />

Selbst, das sich schon in siderischer <strong>Geburt</strong> enthebt, kann schon innerhalb seines individuellen<br />

Lebens eine größere Weite der Entwicklung aufweisen, das weltlich ansteigende Ich steigert<br />

sich vorwiegend in der Folge der Generationen. Träge beharren die Meisten in ihrer<br />

Sphäre. Blind ist wieder unser Mitleid mit ihnen, die eher sterben mögen als in ein höher<br />

Seyn aufrücken. Sie alle fliehen nur das Leiden, das doch aber einzig noch vermag, sie aus<br />

der Trägheit aufzuscheuchen, mit der sie jede Sphäre langsam zum Sumpf wandeln. Nur aus<br />

dem Leid, nicht aber aus der Tiefe wollen sie heraus, sie fühlen sich wohl darin, sie müssen<br />

es, bis das Leid sie rüttelnd anpackt, bis endlich der sternenhafte Wandertrieb in ihnen erwacht.<br />

Darum ist auch aller Ethik ewig eine Grenze gesetzt. Wohl hat Gewissen, Pflicht und Sittlichkeit<br />

die hohe, göttliche Sendung, das seraphische Verschmelzen aller Menschen vorzubereiten,<br />

doch ist Ethik noch keine Verschmelzung. Das Ich kann nicht in die Tiefe und Höhe<br />

wachsen, ohne auch sozial in die Breite zu wachsen. Das seraphische Selbst kann nicht werden,<br />

wenn sein niederes egoistisches Selbst nicht im Überschwang seines Ethos vergeht.<br />

Dennoch genügt auch höchste Sittlichkeit nicht, uns über Weltlichkeit zu führen, da sie nur<br />

innerweltliche Ordnung ist; sie führt uns zwar bis an die Grenzen, doch mündet alle Ethik in<br />

der Metaphysik, sie ist das weltliche Hineinragen und überpersönliche Rufen Gottes. Das<br />

enge weltliche Ich kann zwar nicht völlig ethisch sein, ohne zu vergehen, das seraphische<br />

Selbst aber steht über der Ethik, die es durchlaufen hat, sein allverwobenes kosmisches Leben<br />

bedarf des Gut und Böse so wenig wie die Gottheit, in der es sich vollendet. Vollendung<br />

von Gut und Böse, das ist die Gottheit, die nichts tut als lieben und allen Zorn in Leid und<br />

Seligkeit einzig gegen sich selbst richtet, ewiger Steigerung willen, und den cherubinischen<br />

Abgrund um sich schaffend, für die Fahrt zur Tiefe in grenzenloser Liebe. Der Dämon aber tut<br />

nichts als hassen, und hat alle Liebe zu sich selbst, in Todesstille verstrickt. Moral ist also eine<br />

Funktion, sogar die höchste, des Sonder-Selbst, zu dem sie gehört, wie die Aussaat zum Samen,<br />

aber nicht zur Blüte. Ethik, Moral muss uns im Innerweltlichen führen, doch unserer<br />

kosmischen, metaphysischen Sendung genügt sie nicht, daher ein gütiger Mensch ein noch<br />

unbedeutender Mensch sein kann.

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