Siderische Geburt - Peter Godzik
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len können, wir können Musik innerlich mit größter Anschaulichkeit wiederholen, viel weniger<br />
lebendig aber die farbige Erscheinung, am undeutlichsten aber alles Getast. Das bedeutet<br />
den ewigen Gegensatz von Tastlichem und Geistigem, und wie das Geistige sich sinnlich<br />
darstellen will, das Sinnliche aber vergeistigt dem Tasteuntergrund entschweben. Verschiebt<br />
sich der Schwerpunkt der Realität immer mehr vom Tastbaren ins Geistige, so würden die<br />
vorgestellten Farben und Töne in nicht geringerer Lebendigkeit aufleuchten, als wenn sie<br />
noch an den Sinnesorganen hingen, und die Realität wird wandern, wie die tastbare Enge zur<br />
Weltplastik wird, und hylisches Tasten und Greifen und leibliches Handeln, zum göttlich allumfassenden<br />
Umarmen.<br />
Die Spannung zwischen Leib und Geist in uns ist also nur der Person gewordene Ausdruck für<br />
die große Polarität von göttlichem und hylischem Geist. Unser Leib ist das Organ unseres<br />
niederen Tastens und bedeutet unsere untere Grenze in der Sinnlichkeit. Doch ist er der Gipfel<br />
der Naturmaterie, die sich hier an uns schmiegt. Gelangt das Selbst auf seiner seraphischen<br />
Weltwanderung von der Gottheit in den hylischen Geist, so zeigt der Leib ihm an, dass<br />
die Gottferne erreicht ist, und dient ihm zur Umkehr, wir trennen uns heut von unserer eignen<br />
Naturdurchlaufenheit. Stiegen wir über Rasse und Volk, über alle Naturtriebe und die<br />
ganze Natur, über Welt und Besitzen, über Bewusstsein und Seyn, um all dieses nicht in tastbar<br />
dinglicher Enge, sondern in göttlichem Überschwang zu betten, so müssen wir als<br />
schwersten aller Schritte auch unseren Leib verlassen, wenn wir über unserer höchsten Einengung<br />
göttlich erblühen wollen.<br />
Der Aufbau meines Selbsts von seiner Leibes-Tiefe bis zu seiner Geistes-Höhe, ist subjektiv<br />
nicht zu erklären, es kann keine individuelle Psychologie geben. Unsere individuelle Struktur,<br />
diese Teilung von Leib und Seele, und die Seele, die wiederum Denken, Fühlen, Wollen in<br />
sich schließt, können wir nicht betrachten nach der Analogie des Leibes mit seinen Organen,<br />
noch etwa ist das Ich ein leeres Gefäß, in das sich das Außen ergießt. Denn wenn meine Person<br />
auch nur einen Grenzpunkt bedeutet, so wirkt sie doch wie die Sonne, die ihren Einfluss<br />
durch ihr ganzes System ergießt, mein Ich schwingt durch die ganze Allheit. Also weder die<br />
Auffassung des Geistes mit seinem Leib als einen festgefügten Sonder-Organismus, noch die<br />
Deutung als leeres Gefäß können wir gutheißen. Beides ist gänzlich bestimmt durch die Auffassung<br />
nach Subjekt und Objekt und ganz verdinglicht. Es wird weder dem tiefsten letzten<br />
Sinn des Ichs als Gegenpol Gottes und Zielpunkt aller in die Weiten schwingenden Göttlichkeit<br />
gerecht, noch erkennt man hier die höhere Keimfähigkeit und die göttliche Verwobenheit<br />
des Persönlichen. Es kann auch keine subjektive Deutung geben für die verschiedenen<br />
Fähigkeiten und Tätigkeiten des Geistes, für seine Teilung im Denken, Empfinden, Wollen.<br />
Das sind eben keine getrennten Funktionen und Organe, sondern verschiedene Richtungen<br />
einer Gemeinsamkeit; der Geist ist als Ganzes zugleich denkend, fühlend, wollend. Wir bezeichnen<br />
sowohl unser Tasten, wie unsere Stimmungen als Fühlen. Stimmung ist ein ganz<br />
gelöstes, vergeistigtes Tasten der Seele. Was wir transzendent nennen, ist nicht etwa, wie<br />
der wohl meint, der nichts ahnt von siderischer <strong>Geburt</strong>, Stimmung oder Gefühl, es bedient<br />
sich das Transzendente nur des Gefühls als des noch ungeformten Allgemeinen als seiner<br />
Eingangsöffnung in die Seele, es tritt geformt im Verstand wieder aus. Der Wille aber ist das<br />
Ureigenste des Individuums, wo sich ewig Zwang in Freiheit wandelt, das Bindeglied zwischen<br />
Fühlen und Denken, wo sich der dunkle Drang zur Tat gestalten will. Ich will, das heißt,<br />
ich schreite mitten hinein ins Transzendente, aus dem Zwange fort, ich bin nicht mehr Tier.<br />
Zwischen Fühlen und Denken, zwischen Ruhen und Wollen, zwischen Sinnlichkeit und Geist<br />
pulst aber ein nie ruhendes Leben, es will sich stets eines in das andere wandeln, nichts besteht<br />
da je für sich.