Siderische Geburt - Peter Godzik
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sich nur selbst. Diese ganz heutige Nullpunktkultur übersieht, dass ohne solches überweltliches<br />
Durchbrechen die niederen tiermenschlichen Regionen nie überwunden werden können,<br />
und wo niedere Sphären noch bestehen, da muss es auch Menschen geben, die ihnen dienen.<br />
Ein noch tiefer Weltstand macht die Sklavenarbeit metaphysisch notwendig, und das Steigen<br />
des metaphysischen Grundniveaus gibt uns einzig die Hoffnung, auch die niederen Tätigkeiten<br />
und Lebensformen entbehren zu können. Die immer mächtigere Herrschaft der Nullpunktkultur<br />
hat uns dazu gebracht, nur noch auf das Einzelindividuum zu sehen, auch wo es<br />
sich um größere Zusammengehörigkeiten und Verbände handelt. Solange solche bestehen,<br />
solange etwa eine Nation noch lebenskräftig wirkt, können wir uns nicht wundern, dass sie<br />
tausendfach den Einzelnen unter ihre umfassenderen Zwecke hinabzwingt. Auch mag uns<br />
etwa der einzelne Vertreter eines Berufes oder einer Partei noch so zuwider sein, darum<br />
kann er doch seinen Platz vorzüglich ausfüllen. Man kann so etwa die mehr hundertjährigen<br />
Leistungen des Kaufmannstums erkennen, auch wenn man den Kaufmann als Einzeltyp wenig<br />
leiden mag. Es kommt eben auf den Einzelnen nicht an, solange das Weltgeschehen in<br />
Gemeinsamkeiten sich gattungsmäßig ausdrückt, und es ist kein Anlass zum Pessimismus<br />
über die Rückständigkeit des Menschlichen, wenn man bedenkt, dass nichts auf den Einzelnen<br />
gestellt war in der aufsteigenden Welt, dass aber das Menschentum als Ganzes seine<br />
Sendung so voll erfüllte, wie es musste. Im Ablauf der Welt bis heut war eine wertvollere<br />
Gestaltung des Einzel-Ich nicht vonnöten, ja, sie wäre sogar ein Hindernis gewesen. Es ist nur<br />
die ausschließliche Betrachtung unter dem Gesichtspunkt des Einzel-Ich, die unserer Zeit den<br />
Blick trübt.<br />
Dennoch ist die Entwicklung zu dem großen Umkehrpunkt unaufhaltsam, an dem alle Werte<br />
dahinsinken, die aus der ursprünglichen Getriebenheit des Ich stammen, aus seinen Naturverwobenheiten,<br />
dem physischen Geschlechtstrieb, aus Rasse, Volk, Nation, aus dem demokratisch-aristokratischen<br />
Gegensatz und aus allen überpersönlichen Verbänden. Alle Unterschiede,<br />
selbst zwischen den entferntesten Völkern, verstreichen immer schneller, und als<br />
einziger Unterschied bleibt die Verschiedenheit der Einzelpersönlichkeiten. Im Nullpunkt und<br />
Umkehrpunkt der Person endet alle Getriebenheit, bis sich aus dieser ausgleichenden Erschöpfung,<br />
aus dem neuen überpersönlichen Leben des Einzelnen im hyazinthnen Keim-<br />
Frühling der siderischen <strong>Geburt</strong> die allverwobene seraphische Gemeinschaft erhebt, um<br />
nicht mehr gegen den Todes-Nullpunkt, sondern selig um Gottheit zu kreisen.<br />
Der letzte Gegensatz, der nicht nur alle Zeiten überdauert und sich sogar ständig gesteigert<br />
hat, entsteht aus dem Kampf um den Besitz. Es ist kein Zufall, dass dieser gewaltige Zwiespalt<br />
heut seinen dramatischen Höhepunkt erreicht hat, und dass vor dem Gegensatz von<br />
Besitzenden und Nichtbesitzenden, von Bourgeoisie und Proletariat alle anderen Gegensätze<br />
verblassen. Besitz, das ist der große Prüfstein, an dem sich keiner vorbeidrücken kann, die<br />
letzte Entscheidungsschlacht, wo es keine Ausflüchte und Halbheiten mehr gibt, und es heißt<br />
Farbe bekennen. Wir wissen, dass in der Fraßsetzung, der Besitzergreifung der Schlüssel zu<br />
finden ist für das weltliche Seyn, für Bewusstsein, Subjekt und Objekt, ja alles Seyn überhaupt,<br />
und dass wir über Welt und alles, was aus ihr fließt, nur hinfortdringen in der Auflösung<br />
der Fraßsetzung, in seraphischer Göttlichkeit. Die gottferne Welthöhe der Gegenwart,<br />
die Einkapselung unseres unendlichen Selbsts in der toten Samenhülse der Person und die<br />
leidenschaftliche Höhe des Willens zum Besitz, das ist alles Eines. Besitz ist die letzte brutale<br />
Enträtselung alles dessen, was in all den sich erschöpfenden überpersönlichen Gemeinsamkeiten<br />
in höherer Form verschlossen war; doch habelos ist der Gang zur Gottheit, das Göttliche<br />
mag nicht besitzen, da es über aller Dinglichkeit überquellendes Schenken ist und kein<br />
armseliges In-sich-Verschließen. Freilich konnte die formende Werkstätte des Weltlichen