Siderische Geburt - Peter Godzik

Siderische Geburt - Peter Godzik Siderische Geburt - Peter Godzik

25.05.2014 Aufrufe

46 chen Samenkorn-Verschlossenheit, während das selige Außer-Sich-Seyn über dem Kreisen, die höchste Lebendigkeit und seraphische In-eins-Setzung der Göttlichkeit als Gegenpol diesem Nullpunkt gegenübersteht. Zwischen diesen beiden Polen weben die Allgemeinheiten hin und her, wie das Blut in den Adern, ihr ganzes Wesen in der Wanderung zwischen Gottheit und Ich erfüllend. Aufsteigend also vom Samenkorn Ich, hinweg über das Weben des Typischen, über Blüte und Frucht, gipfle ich in der Gottheit, finde ich mein Selbst erst in der Gottheit; und wie ich etwa das Leben eines Blutstropfen erst verstehe, wenn ich den ganzen Menschen hinzudenke, so kann ich auch mein Dasein als Sonder-Ich erst erfassen, wenn ich atemlos immer deutlicher erschaue, wie ich nur tiefste Verschlossenheit bin göttlicher Unendlichkeiten, und ewig wandere von Ruhe zum glühendsten Lebensüberschwang in nie endender Steigerung und Fülle. Jetzt nur ein Punkt, muss ich das Ganze meines Kreisens erfassen, in dem dieser Ich-Punkt nur ein Pol ist, ich verlange nun nach dem höhenentrückten Gegenpol meiner eigenen Unermesslichkeit; mein Mikrokosmos will sich wieder weiten, hinein in seine seit Äonen unerfasslich reichen Wanderungen in Natur und Welt und Pleroma; erst mein Mikrokosmos Ich und mein göttliches Selbst zusammen, mit dem ewig pulsenden Kreisen inmitten, machen mein ganzes Selbst. Doch ehe wir weiter gehen, wollen wir uns noch einmal erinnern, dass wir scharf unterschieden, zwischen dem Einzelnen und dem Einen. Das Einzelne ist der Ort der Fülle, wo alle Mannigfaltigkeit entsteht und farbig sich aus wirkt; das Eine enthält alle Fülle in seraphischer In-eins-Setzung. Das Einzelne ist zwar auch ein Letztes, Unteilbares, aber weil es Null- und Umkehrpunkt ist; das Konkrete haftet am Tode. Das Eine aber ist der Überschwang und die höchste verschmolzene Lebendigkeit aller Einzelheit, doch bedarf es der alle Fülle erzeugenden Kraft der Einzelheit. Wir wollen scharf den Fehler aller Einerlei-Lehre vermeiden, die alle Fülle zugunsten eines Einheitspunktes verlöschen, ja, sich schließlich mit der Anbetung eines grauen Wortes begnügen. Es ist das Wesen alles bisherigen Sprechens, dass es auf das Einzelne, aber nicht auf das Eine geht; es ist das Wort nur Nachklang der Einzelheit. Die schweigende Sprache des allverschmolzenen Einen über aller Einzelheit konnte noch nicht beginnen. Einheit und Fülle also gehören zusammen wie Kugelfläche und Kugelraum, zwischen ihnen beiden aber mittelt die Polarität oder die zusammengehörige gepaarte gegensätzliche Zweiheit, die aus zweien eins macht, die Fülle und Einheit verbindet, indem sie paart, indem sie zwei Getrenntheiten wie Ehegatten zusammenführt, dass sie sich verschmelzen. Polarität ist der Weg der Trennung und der Verschmelzung. Nicht nur die ganze Natur, nicht nur Welt und Pleroma, ja, selbst Gottheit und das gesamte Kreisen ruhen auf dem Gesetz der Polarität, und Polarität ist der Charakter der tiefsten und letzten Geheimnisse, aus denen Welt ewig entspringt, sie ist Einheit und Zweiheit zugleich. So ausgerüstet betrachten wir nun das Verhältnis von Masse und Einzel-Ich. Wir müssen die Vorstellung ganz fallen lassen, als sei das Ich einfach und die Masse das Zusammengesetzte; das Ich – wir meinen jetzt das enge Grenz- und Null- und Samenkornkorn-Ich –, das unteilbare Atom, und Masse eine bloße Summenwirkung aus diesen Atomen. Die Auffassung des individualistischen Abendlandes und des viel unpersönlicheren Morgenlandes stehen sich hier schroff gegenüber. Das Ich ist die Einheit alles dessen, was unter ihm liegt, und Einheit als Samenkorn, Umkehrpunkt und Innerstes des göttlichen Schwingens. Doch ist es aus Vielheit durch Fraß geworden und soll in seraphisch lösender Umarmung wieder zur Vielheit gehen; es kam von jener göttlichen Einheit der seraphisch verschmolzenen Fülle, bis es heut seine Gottferne in der Einzelheit erreicht, um nun mit Seinesgleichen immer enger verwoben, schließlich in die Gottheimat zurückzukehren. Also steht die Einzelseele der allverwobenen Gottheit als ihrer

47 Blüte polar gegenüber. Diese Allverschmolzenheit aller Fülle im höchsten Ausgang des Pleroma, wo wir aus dem Kreisen hervortreten, ist es nun, die sich in der Masse offenbart; und der ruhende Nullpunkt der Gegenwart, die Einzelheit, das Grenz-Ich in dem, was wir Individuum nennen. Massenkraft und Ichkraft sind zwei titanische Weltbewegungen, die stets verbunden auftreten, keine ohne die andere. Eine Masse kann wie ein Individuum sein, und in einem einzigen Individuum lebt der Geist der Masse. In einer Masse zuckt oft mit einem Schlage ein Leben, ob sie nun Volk oder Beruf oder Stand oder eine gesellschaftliche Klasse oder ein Zeitalter ist, als ob sie ein einziges Individuum wäre, und sie ist auch in der Tat eine Einheit. Und ebenso lebt in Jedem, vorzüglich in den ganz großen Menschen, stets das Leben der Masse. Nur der mosaik- und der dinglich-rohen Betrachtung kann es schwierig erscheinen, dass Eines bald etwas Vielfaches, bald etwas Einfaches sein soll. Mit Dingen mag das unmöglich sein. Doch ganz leicht ist es, wenn Einheit und Vielheit eine Polarität, Standpunkte der Orientierung, zwei verschiedene Rotationspunkte sind, oder ein einziger Pulsschlag hin und her, in der göttlichen Allverwobenheit. Freilich sind diese Beziehungen ganz andere im hyazinthnen Frühling des Ich als in seinem tannenen Herbst. Im Naturreich verschwindet das Einzelwesen in der Masse, in der Art, der Rasse, der Gattung. Dort ist keinerlei Wert darauf gelegt, das Individuum zu erhalten, alle Sorgfalt ist auf den Bestand der Gattung verwendet. Der Tod des Einzelnen ist bedeutungslos, und so sehr kann das einzelne Individuum in der unsterblichen Gattung aufgehen, dass bei den primitiven einzelligen Wesen, die sich durch Teilung vermehren, die Fortpflanzung jedes Mal mit dem Ende des Einzelwesens zusammenfällt, so dass man hier, da niemals eine Leiche entsteht, geradezu von einer körperlichen Unsterblichkeit der Einzelligen reden konnte. Umso grimmiger aber scheint der Tod in der Welt des Menschen-Ich zu wüten, jeden Fall zu einer furchtbaren Tragödie gestaltend. Aber scheinbar nur. Denn das Einzelwesen tritt in immer höherem Aufstieg zwar aus der Gattung hervor, doch wenn das Individuum im Menschen endlich zur Person wird, da ist der Umkehrpunkt, in dem die Gattung beginnt, sich in der Person zu lösen, die Gattung wird zum Persönlichen, die Person weitet sich zur Gattung, so die Unsterblichkeit in sich hineinziehend. Immer höher steigt sie über die Sphäre der Zufälligkeiten und des Todes; denn Tod herrscht nur, wo die Einzelseele in tastbarer Enge in leiblicher Umschlossenheit ruht, in dem kurzen Zustand winterlicher Erfrorenheit, wo sie leibliche Seele oder Hyle ist. Diese begrenzte Enge-Person musste in Materialismus oder Dekadenz vergehen, wenn sie sich nicht einer überpersönlichen Aufgabe bemächtigte, denn einzig das überpersönliche Leben wurzelt nicht im Dinglich-Leiblichen und schwingt selig über dem Tode. War diese überpersönliche Aufgabe bisher das Verschlingen der Natur durch das Ich und die Weltbildung, so ist es nun die Welteroberung in seraphischem Umarmen und die Bildung des Pleroma. War das Ich noch ganz bedingt durch Gattung, durch die Vielheit, durch Masse, so will es nun die Masse erobern. Aber es kann dies nur, indem es selbst zur Gattung wird, nicht indem es als Ziel sich selbst nimmt, sondern nur, wenn es in liebesglühender sozialistischer Verschmelzung jeden Anderen als Inhalt und Aufgabe hat, so dass Jeder Alle und Alle Jeder ist. Und da erst beginnt auch jene Sprache, die nicht nur der Nachklang des Einzelnen, sondern die Vorahnung des Einen ist, jene schweigende Sprache, die einzig von Allen Verständigung und Ausdruck ist. Es ist die wortelose Sprache, in der Liebende sich allen Reichtum abgründiger mitteilen können als in den kunstvollsten Worten, es ist die Sprache, deren sich der fromme Pilger bediente, der aus weiter Ferne zum heiligen Franziskus von Assisi kam, und nach schweigender langer Umarmung zum Staunen der Brüder getröstet von dannen zog, ohne dass ein Wort gesprochen war. Es beginnt die Sprache der sozialen Verwobenheit,

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chen Samenkorn-Verschlossenheit, während das selige Außer-Sich-Seyn über dem Kreisen,<br />

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Nullpunkt gegenübersteht. Zwischen diesen beiden Polen weben die Allgemeinheiten<br />

hin und her, wie das Blut in den Adern, ihr ganzes Wesen in der Wanderung zwischen Gottheit<br />

und Ich erfüllend. Aufsteigend also vom Samenkorn Ich, hinweg über das Weben des<br />

Typischen, über Blüte und Frucht, gipfle ich in der Gottheit, finde ich mein Selbst erst in der<br />

Gottheit; und wie ich etwa das Leben eines Blutstropfen erst verstehe, wenn ich den ganzen<br />

Menschen hinzudenke, so kann ich auch mein Dasein als Sonder-Ich erst erfassen, wenn ich<br />

atemlos immer deutlicher erschaue, wie ich nur tiefste Verschlossenheit bin göttlicher<br />

Unendlichkeiten, und ewig wandere von Ruhe zum glühendsten Lebensüberschwang in nie<br />

endender Steigerung und Fülle. Jetzt nur ein Punkt, muss ich das Ganze meines Kreisens erfassen,<br />

in dem dieser Ich-Punkt nur ein Pol ist, ich verlange nun nach dem höhenentrückten<br />

Gegenpol meiner eigenen Unermesslichkeit; mein Mikrokosmos will sich wieder weiten, hinein<br />

in seine seit Äonen unerfasslich reichen Wanderungen in Natur und Welt und Pleroma;<br />

erst mein Mikrokosmos Ich und mein göttliches Selbst zusammen, mit dem ewig pulsenden<br />

Kreisen inmitten, machen mein ganzes Selbst.<br />

Doch ehe wir weiter gehen, wollen wir uns noch einmal erinnern, dass wir scharf unterschieden,<br />

zwischen dem Einzelnen und dem Einen. Das Einzelne ist der Ort der Fülle, wo alle<br />

Mannigfaltigkeit entsteht und farbig sich aus wirkt; das Eine enthält alle Fülle in seraphischer<br />

In-eins-Setzung. Das Einzelne ist zwar auch ein Letztes, Unteilbares, aber weil es Null- und<br />

Umkehrpunkt ist; das Konkrete haftet am Tode. Das Eine aber ist der Überschwang und die<br />

höchste verschmolzene Lebendigkeit aller Einzelheit, doch bedarf es der alle Fülle erzeugenden<br />

Kraft der Einzelheit. Wir wollen scharf den Fehler aller Einerlei-Lehre vermeiden, die alle<br />

Fülle zugunsten eines Einheitspunktes verlöschen, ja, sich schließlich mit der Anbetung eines<br />

grauen Wortes begnügen. Es ist das Wesen alles bisherigen Sprechens, dass es auf das Einzelne,<br />

aber nicht auf das Eine geht; es ist das Wort nur Nachklang der Einzelheit. Die schweigende<br />

Sprache des allverschmolzenen Einen über aller Einzelheit konnte noch nicht beginnen.<br />

Einheit und Fülle also gehören zusammen wie Kugelfläche und Kugelraum, zwischen<br />

ihnen beiden aber mittelt die Polarität oder die zusammengehörige gepaarte gegensätzliche<br />

Zweiheit, die aus zweien eins macht, die Fülle und Einheit verbindet, indem sie paart, indem<br />

sie zwei Getrenntheiten wie Ehegatten zusammenführt, dass sie sich verschmelzen. Polarität<br />

ist der Weg der Trennung und der Verschmelzung. Nicht nur die ganze Natur, nicht nur Welt<br />

und Pleroma, ja, selbst Gottheit und das gesamte Kreisen ruhen auf dem Gesetz der Polarität,<br />

und Polarität ist der Charakter der tiefsten und letzten Geheimnisse, aus denen Welt<br />

ewig entspringt, sie ist Einheit und Zweiheit zugleich.<br />

So ausgerüstet betrachten wir nun das Verhältnis von Masse und Einzel-Ich. Wir müssen die<br />

Vorstellung ganz fallen lassen, als sei das Ich einfach und die Masse das Zusammengesetzte;<br />

das Ich – wir meinen jetzt das enge Grenz- und Null- und Samenkornkorn-Ich –, das unteilbare<br />

Atom, und Masse eine bloße Summenwirkung aus diesen Atomen. Die Auffassung des<br />

individualistischen Abendlandes und des viel unpersönlicheren Morgenlandes stehen sich<br />

hier schroff gegenüber.<br />

Das Ich ist die Einheit alles dessen, was unter ihm liegt, und Einheit als Samenkorn, Umkehrpunkt<br />

und Innerstes des göttlichen Schwingens. Doch ist es aus Vielheit durch Fraß geworden<br />

und soll in seraphisch lösender Umarmung wieder zur Vielheit gehen; es kam von jener<br />

göttlichen Einheit der seraphisch verschmolzenen Fülle, bis es heut seine Gottferne in der<br />

Einzelheit erreicht, um nun mit Seinesgleichen immer enger verwoben, schließlich in die<br />

Gottheimat zurückzukehren. Also steht die Einzelseele der allverwobenen Gottheit als ihrer

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