Siderische Geburt - Peter Godzik
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warum und wie lange –, da ist eine Weile Welt, da werden alle Werte zu Null-Werten, da ist<br />
alles beherrscht und gestaltet durch Fraß, also durch das Todesgesetz, wie alles durch ewiges<br />
Leben und Liebe bestimmt ist, wenn es in seraphischem Sich-Öffnen außer sich um den göttlichen<br />
Urschwang kreist. Das aber eben ist das Unerhörte, dass Fraß und Tod und Welt um<br />
uns schwinden sollen und das herbstliche Ende alles Wachsens sich wieder in hyazinthnen<br />
Frühling kehre. Der Wahn, dass der winterliche Nullpunkt das Höchste sei, ja, dass es überhaupt<br />
ein Wohl des begrenzten kleinen unteren Ich geben könne, die Illusion vom Himmelreich<br />
auf Erden, treibt unsere Zeit immer tiefer in Materialismus und Dekadenz, zwei Äste<br />
aus dem gleichen Stamm der gespreizten Eitelkeit des Nichts. Der Materialist will nicht hinauf,<br />
indem er die Tiefen, aus denen wir herkommen, zum allumfassenden Urgrund verherrlicht<br />
und sie also ihres Sinnes entkleidet, zum Sumpf macht; der Dekadente in seiner müden<br />
Unfähigkeit zur Steigerung kann nicht hinauf, indem er in dem verstaubten Antiquariat der<br />
Vergangenheit entschwundene Große hervorkramt als Reizmittel des erschöpften Ich. Und<br />
all dieser Egoismus ist nichts weniger als Selbstliebe, denn wie kann der sein Selbst lieben,<br />
der sein After-Ich liebt, diese Einkapselung seiner eigenen Unendlichkeiten. Egoismus ist<br />
nichts als Feigheit derer, die sich scheuen, ihr Staubkorn-Ich im göttlichen Acker des Transzendenten<br />
zu verlieren.<br />
Das Ich war das Wachstum der Welt; es ist aber auch das Gottgesandte, das die Welt aus der<br />
Starre lösen soll, um sie Gott zurückzugeben, es ist der Sinn des Menschen, sich am eigenen<br />
Schöpf aus dem Sumpf zu ziehen, und dies eben ist Welt. Das Ich ist das, was ewig das Leben<br />
revolutioniert, es ist das Werte-Setzende. Nun, da das Wachstum der Welt endete, bleibt<br />
nichts, als das reife Ich zu ernten, als dieses Paragranum in das Reich der Fülle zu verpflanzen,<br />
dass es dort mit all seinen schlummernden Fähigkeiten ins Grenzenlose wachse. Das<br />
reife Ich zerfiele sonst in sich, so wie Welt in sich zerschwingt, das Festeste, das scheinbar<br />
Letzte zerrinnt zu Trug. Auf die Entstehung der Welt durch Fraß und Tod folgt die Eroberung<br />
der Welt für Gott, denn nimmermehr kann die reife Welt als Futter dienen für das kleine Ich,<br />
das selbst nur der Brennstoff sein kann der Göttlichkeit. Und wie Nahrung im Leib sich erhöht<br />
zum glänzenden Auge, zu Hirn und Gesundheit, so wird Mensch im Pleroma zur Nahrung<br />
Gottes. Das Menschen-Ich ist stets größer als das Gegebene, doch ist es unendlich klein vor<br />
dem Nicht-Gegebenen, vor Gott; es mittelt zwischen beiden. Wie das Ich aus der Welt<br />
hervortritt, hat es das ganze All seraphisch in sich einbezogen, es übernimmt als Aufgabe das<br />
ganze All statt sich selbst, und Allheit wird zum Persönlichen. Nicht dass ich lebe, sondern<br />
dass ich lebe wird zum Wesentlichen; der göttliche Lebensozean flutet in mich, das Ich hat<br />
nichts mehr für sich selbst in heiliger Armut, es löst sich in mystischem Tod ins Leben auf;<br />
indem es allumfassend zum Selbst vergöttlicht ist, vermag das kleine Ich nicht mehr zu leben.<br />
Es ist ungemein schwierig, an der Einzelperson das zu erfassen, was ihr Sonderseyn ausmacht,<br />
denn auch bei der stärksten Persönlichkeit scheint vor der zerlegenden Betrachtung<br />
nur Typisches zu bleiben. Die Stellung im historischen Verlauf, das Nationale und die Rasse,<br />
der Beruf, die Gesellschaftsklasse, das Geschlecht, dann die Typen des Charakters und des<br />
Verstandes, Temperament und leibliche Erscheinung, und all die Eigenschaften, die sich aus<br />
den verschiedensten Gebieten des Seelischen ergeben, das alles sind Typen, aber nichts Individuelles.<br />
Das Individuelle ist ein ganz Ungreifbares, das all das Typische in einer ganz einzigen<br />
und nirgends wiederholten Weise zusammenhält, es ist ein völlig einziger Rotationspunkt,<br />
der die Allgemeinheiten zwingt, in gerade dieser Weise und diesen wechselseitigen<br />
Beziehungen um ihn zu kreisen. Das Individuum wurde uns so zum Grenz- und Umkehrpunkt,<br />
zum allerinnersten Punkt des Kreisens von Natur und Welt und Pleroma, zur winterli-