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Siderische Geburt - Peter Godzik

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Aber die Kultur der Gegenwart vermag sich von dem knechtischen Ich noch nicht loszureißen.<br />

Zu sehr ruhte alles um uns und in uns auf diesem Ich. Dies fressende Ich, das in sich<br />

selbst ruht, dieses winterliche Ich, dieser ganz einwärts gekehrte, verschlossene Zustand des<br />

göttlichen Schwingens, was ist er anders als diese Welt mit ihrer Scheidung von Körper und<br />

Geist, von Subjekt und Objekt, von Dingen und Gedanken, ihre Rätsel und ihre Leiden, ihr<br />

Kampf des Einen gegen das Andere und ihre Göttersehnsucht. Aber da Welt nun ihre sommerliche<br />

Höhe erreichte, da Welt nicht mehr wachsen, sich nicht mehr entfalten kann, ist da<br />

nicht die Sendung dieses Ich erfüllt? Was will da noch die ganze Ich-Kultur und lch-Pflege?<br />

Was bleibt uns da noch, als die neue Aufgabe zu übernehmen, statt dies Ich, das nur in Aussaat<br />

noch leben kann, zu mumifizieren. Säen wir den Samen nicht, wir müssen in der<br />

Welthöhe verfaulen, in der Welt, die reifte und nicht mehr wachsen kann, ersticken. Also<br />

muss ein völlig Neues herbeikommen, das nicht bloß Ausbau der Welt und Kultur der Person<br />

ist. Die metaphysischen Grundlagen müssen sich zuvor ändern, wollen wir durchgreifend reformieren.<br />

Denn die kühnsten Forderungen der Ethik an uns, die tiefsten Umwälzungen der<br />

wirtschaftlichen Gestalt der Gesellschaft, die hochfliegendsten Erkenntnisse und die letzten<br />

Träume der Technik sind nichts anderes als solch ein Ausbau der Welt und Pflege des Ichs,<br />

dem alles dienen soll als einem Moloch; aber nichts von all dem bricht durch die Weltlichkeit.<br />

Aber wir wissen, dass diese ganze Ich-Kultur enden muss, weil höchste Todesnot uns daraus<br />

hervortreiben wird, denn könnte sie noch weiter bestehen, so bedeutete es, dass der reife<br />

Same als totes Staubkorn verginge, statt gesät zu werden, es bedeutete, dass, was nur ein<br />

Ende ist, verewigt würde, es wäre der ewige Stillstand des göttlichen Schwingens und also<br />

auch des weltlichen Seyns. Narrheit ist diese ganze „Pflege des persönlichen Lebens“, diese<br />

„Kunst der Lebensführung“, „Erziehung zum Genuss“, und die Verrenkungen der Pädagogik;<br />

närrisch das gespreizte Leben zwischen Wohnungskunst und Sonnenbad und den verzärtelten<br />

Sentimentalitäten der Demokratie. Alle diese Reformen und Verbesserungen, innerhalb<br />

des weltlichen Rahmens, die das Gehäuse der Welt für uns behaglich machen wollen, werden<br />

in keiner Zukunft zum Ziel gelangen, so wenig, wie sie bisher trotz der wahnwitzigsten<br />

Anstrengungen auch nur das kleinste Quäntchen ihrer Wünsche verwirklichen konnten. Dieses<br />

Ziel der persönlichen Kultur, die Befestigung der Einzelperson, und die Befreiung der Person<br />

von Leid, Ungemach und Sorge, dies behaglich stickige Philisteridyll, ist nicht nur so sinnlos,<br />

als wollte ich ein Samenkorn, statt es in Aussaat vergehen zu lassen, als totes Staubkorn<br />

konservieren, es ist auch das Unmöglichste vom Unmöglichen, da das Ich, wenn es zum Ich<br />

herangereift ist, nur dazu bestimmt ist, seine überpersönliche Aufgabe zu übernehmen, da es<br />

so, nur so, sein höheres Selbst erobern kann, wie der Same die Blüte; dieses höhere Selbst,<br />

das einzig über die weltliche Enge und Unzulänglichkeit hinausragt, während das kleine abgesonderte<br />

Ich seinen Platz einzig in der Werkstätte der aufsteigenden Welt haben kann.<br />

Also werden wir nicht müde, zu wiederholen, dass Erlösung nur sein kann in Weltdurchbrechung,<br />

in diesem bis heut Unerhörten, aber nicht in irgendeiner „Lehre“ oder „Reform“ oder<br />

„Technik“; und Weltzertrümmerung wird nicht sein ohne Ich-Zertrümmerung, die Todesnot<br />

herbeizwingen wird, zwingen wir sie nicht selbst. Das Ich, das in seinem überpersönlichen<br />

sozialistisch göttlich allverwobenem Leben ewiges Blühen und ewige Frucht ist, Gipfel und<br />

Ziel der Natur, Schlüssel der Welt und Pforte des Pleroma und Herzschlag Gottes, es wird<br />

zum närrischen Nichts, wenn es in sich ruhen will und sich selbst als Höchstes anbetet; es<br />

gibt schlechthin in allen Tiefen und Höhen des Weltablaufs nichts, das ein größeres Gelächter<br />

wäre, wie das Einzel-Ich als Selbstzweck, und wir werden noch sehen, dass so viel Tod und so<br />

viel Zufall im Individuum ist, als Selbstzweck darin ist. Unser winziges Ich, an das wir uns<br />

klammern, ist nur ein Grenzpunkt, der hochheilige Umkehr- und Nullpunkt, der tiefinnerste<br />

Punkt des göttlichen Schwingens; und indem alles um ihn rotiert wir werden noch erkennen,

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