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Siderische Geburt - Peter Godzik

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Zeit! – und wer sie nicht versteht, kann nichts verstehen. So wenig wie der Fruchtkern aber<br />

weiß, dass er ein blühender und fruchtbeladener Baum ist, so wenig weiß das kleine Einzel-<br />

Ich, dieses Korn, noch von allen seinen grenzenlosen Ewigkeiten.<br />

Es ist der Sinn des Samens, dass er vergehen soll. Aber unsere ganze Kultur ist in raffinierter<br />

Weise einzig darauf veranlagt, dass der Same nicht vergehe und also nicht keime, dass er<br />

seine Staubkorngestalt erhalte. Es sei ein Hirngespinst, das Keimen, so sagen sie! Diese ganze<br />

übermächtige Ich-Kultur mit all ihrer Verherrlichung der Einzel-Person, der nun alles unterworfen<br />

werden soll und dieser Vergötterung des lächerlichen kleinen Staubkorns Ich, sie<br />

entspringt noch den Sphären, wo der Same erst ward und zum Samen heranreifte, wo er<br />

noch alle Weiten und alle Fülle in sich hineinziehen musste, fressend; aber nun, wo der Same<br />

reif ward, wo das einwärts gekehrte Einkapseln seine tiefste winterliche Ruhe erreichte, da<br />

kann einzig nur Entfaltung folgen und Aussaat. Da wird die Ich-Kultur zum Wahnsinn, wenn<br />

sie, um des toten Kornes Schale zu erhalten, alles Blühen für ewig vernichten mag, wenn sie<br />

hohen heiligen Sinn des göttlichen Kreisens so an die Sinnlosigkeit heftet, an das Ende, und<br />

ein Ende, einen Grenzpunkt, einen Umkehrpunkt zu einer Hemmung jeder Weite und Göttlichkeit<br />

macht. Dies Philister-Ideal, das gerade heut der seligen Weltwanderung des Selbst<br />

ein Ende machen will, diese Moral des Fraßes sollen wir ersetzen durch die Moral der Aussaat.<br />

Es kann nichts selbstverständlicher und einfacher sein: werft das kleine Ich in den<br />

fruchtbaren Acker des göttlich Transzendenten, und das Pleroma, unser höheres Selbst, wird<br />

aufkeimen; säet das Ich, und ihr stoßt das Pendel des göttlichen Schwingens über seinen<br />

Tiefpunkt, löst alle Weltenstarre, schreitet über den höchsten Schrecken der Erschöpfung. Es<br />

ist, als ob ihr den Winter von den Fluren hinwegnehmt; nun erst beginnt das Ich zu leben, im<br />

göttlichen Kreisen wieder zu wandern und zu wachsen. Und mit einem Schlage sehen wir<br />

alles Weltenleid und alle Weltenrätsel sich lösen, da Welt sich lösen will, wenn Ich in Aussaat<br />

vergeht.<br />

Das Ich entsteht nur durch Fraß, es kann nicht anders entstehen. Aber was sich emporringt in<br />

hyazinthnem Frühling und sich auswirkt in der Rosenpracht des Sommers, passt nicht in den<br />

tannenden Ernst des Herbstes. Das völlig erdrückte Ich konnte nur wachsen und erst Ich<br />

werden durch Fraß und in der Seynssetzung, in Materien und Dingen und im niederen Geist;<br />

aber das reife Ich kann nur sein in seraphischem Sich-Öffnen, in Keimen, in liebender Erlösung<br />

des Niederen, das es nicht fressen mag, sondern in aller Fülle, herausgerissen aus dem<br />

Todesreich, einbetten in den göttlichen Urschwang. Das Einzel-Ich kann nicht in sich ruhen,<br />

es muss stets eine Aufgabe, eine Sendung vor sich haben, wenn es nicht verwesen soll. Eine<br />

unermessliche Aufgabe hat das Ich nun bis heut bewältigt. Es hat das Naturreich überwunden<br />

und die Weltbildung bis zur Höhe unserer Zeit geführt, wo Welt nun ihren höchsten<br />

Stand erreicht hat, dass sie nimmermehr wachsen kann. Darum ist es mit dem Fraß und allem,<br />

was aus dem Fraß stammt, ewig am Ende; es bleibt dem Ich nichts, als auch nun Welt<br />

unter sich sinken zu lassen wie Natur. Weltlösung, Welterlösung, Welterfüllung ist die neue<br />

Aufgabe, die ich heut übernehmen soll, und dass Welt sich in den Fruchtgarten des Pleroma<br />

wandele. Aus dem Keimen und Blühen und Fruchttragen des Ich ringt sich das höhere Selbst,<br />

unser Götter-Ich, heraus, dessen Knecht das kleine Einzel-Ich ist, an das sie sich alle so angstvoll<br />

klammern. Und dies Blühen und Fruchtbringen ist nicht nur Entstehen und Vergehen in<br />

ewig sinnloser Wiederkehr, es ist der Pulsschlag, der innere Stoffwechsel unseres göttlichen<br />

Selbst, seine Möglichkeit der schöpferischen endlosen Erneuerung; es ist, wie wir noch darstellen<br />

werden, die seraphische In-eins-Setzung von Same, Blüte und Frucht in höchster Fülle<br />

über dem Welt-Seyn.

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