Siderische Geburt - Peter Godzik
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tes zu umfassen. Wir sollen nicht wissen, sondern durch die übermenschliche Tat des Glaubens<br />
steigen, und die Transzendenz, die wir meinen, ist das Wachstum der siderischen <strong>Geburt</strong>.<br />
In ihrer seraphischen Hingegossenheit durch alle Himmel, können wir in der Enge der<br />
Erfahrung nicht mehr leben; und sie ist eine Enge, ja „reine“ Erfahrung sogar ganz unvollziehbar.<br />
Über die Erfahrung hinaus, das ist der übertierische Sinn, das ist aller Stolz und alle<br />
Würde des Menschentums und seine himmlische Krone. Schon wenn wir von der nächsten<br />
Vergangenheit sprechen, sind wir nicht mehr in reiner Erfahrung, und wir tun da nichts anderes,<br />
als wenn wir uns ein Zauberschloss vorstellen, das ja auch nur aus Bestandteilen der<br />
Erfahrung besteht. Es fragt sich nur noch, wo uns nun der Rubin der Realität leuchtet, und<br />
gelingt es uns, ihn in unsere Gewalt zu bekommen und leuchten zu lassen, wo wir wollen, so<br />
ist jedes Zauberschloss unser. Die reine Erfahrung, die von den neunmal Weisen der „exakten“<br />
Wissenschaft als unverletzlich gepriesen wird, ist kaum mehr als ein Pflanzendasein, ja<br />
noch nicht einmal tierisches Leben. Wir blieben da in kümmerlicher Augenblicks-Versunkenheit.<br />
Könnten wir da jemals exakte Chemie treiben? Es ist schon Transzendenz, wenn wir nur von<br />
der einfachen Tatsache der chemischen Verbindung sprechen, denn „gegeben“ ist keine solche<br />
Verbindung, sondern primitive Gegebenheiten bauen sich auf in jener überobjektiven<br />
Ordnung in uns, die wir bereits kennen lernten. Es ist ein Irrtum, dass unser Leben sich im<br />
Empirischen, in der Erfahrung abspielt. Je höher wir steigen, umso mehr ist alles durchsetzt<br />
von Metaphysik, es ist nichts mehr, das da in sich beruhte und nicht nach außen wiese, ja,<br />
jede Aussage, jedes Urteil, jedes Bewusstseinsfaktum, ist gar nichts anderes als solch ein<br />
Hinweis über sich selbst fort; wir können kein Wort mehr sprechen, ohne Metaphysik zu<br />
treiben, ohne zu transzendieren. Leben können wir nur über der Erfahrung, die uns zum Untergrund<br />
wird, wir dämmern und pflanzen, sind aber in reiner Erfahrung. Sie ist nichts als das<br />
noch kindlich-ängstliche Festhalten an den Sicherheiten des Dinglichen, ist träger Besitz und<br />
unlebendiges, unsozialistisches Privateigentum, sie ist das Nest der jungen Vögel, die noch<br />
nicht lernten zu fliegen. Es ist völlig tierisch, sich nur an das Gegebene zu halten, und feige<br />
dazu; dies nicht zu tun und es zu durchbrechen, ist einzig menschlich.<br />
Nun könnte man meinen, dass die Anbeter der reinen Erfahrung wenigstens in das Gegebene<br />
eine starke verständnisvolle Einsicht hätten. Doch dies kann nicht sein, da sie ja eben von<br />
dem höheren Sinn alles Gegebenen, seiner göttlichen Verwobenheit, seinem über sich hinausweisenden<br />
Charakter nichts wissen und das Höchste aller Wirklichkeit, den siderischen<br />
Drang in sich glutvoll über aller Welt zu verströmen, niemals erleben. Es bleibt ihnen alles<br />
Erlebte nur ein sinnloses Herausgerissenes, für sich Bestehendes, und selbst von solchen<br />
toten Trümmern bemerken sie nur solche, die am allerweitesten entfernt sind, ihre Ruhe<br />
irgendwie zu stören. Die Scheu vor dem überweltlich Riesenhaften des Erlebens verblendet<br />
sie so sehr, dass auch die Durchforschung des Erfahrungsreiches nichts als tendenziös materialistische<br />
Stümperei bleibt.<br />
Es ist ein närrischer Streit zwischen dem Lager des Empirismus und dem der Spekulation.<br />
Heilig ist uns das Gegebene, heilig das Denken. Doch wie wir den Verstand entthronen, da er<br />
ein weltliches Werkzeug ist und untüchtig als Führer in die Höhen, so ist uns noch mehr die<br />
Augenblicksbeobachtung mit den Tier-Sinnen ein Haften an der Tiefe. Doch dem Sichtigen<br />
ruhen beide, Erfahrung und Denken, im Überschwang des Göttlichen, beide sind, wenn wir<br />
sie nur mit dem überweltlichen Blick sehen, trunken vor Göttlichkeit. Erfahrung und Denken<br />
können uns weder Wege zur Transzendenz sein noch Hindernisse, doch in ihrer überseyenden<br />
Setzung und überweltlichen Bedeutung – nicht als die halbtierischen Funktionen –<br />
sind sie uns Pforten in die höheren Reiche. Wenn wir nun transzendieren, tun wir es weniger