Siderische Geburt - Peter Godzik
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denen der eine das Seyn, der andere die Kausalität und Teleologie, das ist Ursache, Wirkung<br />
und Zweck, ist. Das Seyn, das tote in sich ruhende Objektive, Kausalität und Teleologie das<br />
mehr Subjektive, das nicht nur in sich ruht, sondern eine Zweiheit, ein Verbindenwollen, eine<br />
Lösung des bloßen In-sich-Ruhens des Seyns enthält und so, besonders im Zweckbegriff, wie<br />
die Larve auf etwas über sich weist, auf etwas, das nicht mehr Kategorie ist.<br />
Diese polare Gegensätzlichkeit finden wir auch wieder bei den nach außen gewandten Vermögen<br />
Raum und Zeit. Es ist der Raum das Objektive, Niedere, ein lebloses, mechanisches<br />
Ding Umschließendes, eine erstarrte Unendlichkeit, dagegen die Zeit, das viel umfassendere<br />
Höhere, das mehr Subjektive, das ganz Undingliche, Lebendige, sie ist gelöster Raum und<br />
fließende Unendlichkeit und weist auf das Übergestaltliche. Sie ist der wirkenden Kausalität<br />
und dem Zweckbegriff verwandter als dem Seyn, das sich in seiner Ruhe eher dem unbewegten<br />
Raum vergleicht. Während wir den Raum in jeder Richtung durchlaufen können, ist die<br />
Richtung der Zeit eindeutig bestimmt. Das Räumliche ist tastbar, das Zeitliche ungreifbar,<br />
und nur die zeitliche Unendlichkeit ist wahrhafte Ewigkeit, denn der Raum ist nur ein differentiales<br />
Moment der Zeit. Auch ist die niedere Art zu transzendieren weit eher an das<br />
räumliche als an das zeitliche Bild gebunden.<br />
In welchem Verhältnis stehen nun die raum-zeitlichen und die Kategorienfunktion zueinander?<br />
Es richten sich Raum und Zeit mehr nach außen und dienen der Darstellung und der<br />
sichtbaren Gestaltung, die im Räume anhebt und dinglich äußerlich sich formt, in der Zeit<br />
aber sich verunendlicht und dem Inneren zuwendet. Wir selbst spielen in ihnen eine mehr<br />
passive Rolle. Die Kategorien aber ruhen mehr im Inneren und dienen der Verknüpfung, die<br />
im Seyn äußerlich anhebt und zur Kausalität steigt, um im Zweckbegriff innerlich zu gipfeln.<br />
Es ist im Raum noch bloße Ausdehnung, in der Zeit aber schon Richtung und Zweck und Lösung<br />
des toten Sichdehnens, ganz wie im Seyn tote Ruhe, aber in den Zweck-Ursachen Bewegung.<br />
Aber in Raum und Zeit wie in den Kategorien ist ein Gleiches, ein mathematischlogisch<br />
Zwingendes, ein Logos. Der ruhende Logos verhält sich darstellend ästhetisch, der<br />
bewegte Logos handelnd, ethisch. Es ist eine Dreieinigkeit von Logischem, Ethischem und<br />
Ästhetischem. Drum liegt der tiefste Grund für Raum und Zeit in der Ästhetik, für die Verstandesfunktionen<br />
in der Ethik, und ewig will sich eine in die andere kehren, ewig will das,<br />
was sich darstellt, zum Inneren werden und das Innere will sich wirkend darstellen.<br />
Doch von allen diesen Beziehungen ist das Seyn die unterste Wurzel, die letzte Forderung<br />
des mathematisch logischen Zwanges, und die Seele des Menschen, die in der Welt heranreifte<br />
bis zum Heut, will sich nicht eher zufrieden geben, ehe diesem Zwange nicht Genüge<br />
getan ist und sie in der Ruhe des Seyns endet, ehe sie nicht überzeugt ist, das Lösewort sprechen<br />
zu dürfen: „es ist“. Was also nun ist dieses „Seyn“, das wir nach der Forderung der Wissenschaft<br />
vollziehen müssen, ehe wir in die höheren Sphären über der Welt eintreten dürfen?<br />
Was ist dieses Setzen der Realität? Die Seynssetzung ist die niederste von allen. „Seyn“<br />
ist völliges Ruhen in eingekapseltem Zustand, das in sich selbst Versunkene, das wertelos<br />
Mechanische, das Tote; und wie alles Tote in seiner Unfreiheit, seiner Unselbständigkeit,<br />
seiner Beziehungslosigkeit und Abgeschiedenheit sich darnach drängt, in Liebesglut umarmt<br />
und vom Leben aufgenommen zu werden, so will alles Seyende eingehen in den Geist wie<br />
die Nahrung in den Leib, sich zu erhöhen. Alles Seyn ist Nahrung, ist Fraß, und Seynssetzung<br />
ist Fraßsetzung; wenn etwas „ist“, dann isst der Geist. Das „Seyn“ ist Umschließen, ein Betasten,<br />
im „Seyn“ be-greift der Geist. Doch nimmermehr können wir das Höhere, das Transzendente,<br />
das Göttliche begreifen oder betasten, niemals kann das in den Geist eingehen, wovon<br />
der Geist nur die Vorstufe ist, es schrumpft der Falter nicht wieder zur Larve. Spannten wir<br />
das Grenzenlose in die Enge, es wäre nicht nur der Urfrevel, wir raubten auch dem Selbst