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Siderische Geburt - Peter Godzik

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wegen, die Gipfelschau verlangen, aber am Fuße des Berges bleiben. Alle diese Philosophien<br />

und Wissenschaften wollen das Licht vom Himmel zu sich herunterholen, statt in namenlosen<br />

Wehen selbst zu Himmel zu werden.<br />

Auch können wir unmöglich zugestehen, dass Kant durchaus das Selbst erhöhte und belebte,<br />

da es auch ihm, wenigstens in der Vernunftkritik, nur ein Spiegel ist oder eine Kuchenbäckerform,<br />

die mechanisch den ebenfalls leblosen Rohstoff aufnimmt. „Objekt“ ist nichts als eine<br />

bestimmte Art zu leben; es ist diese todes- und ding-orientierte Erkenntnis noch ein frühes<br />

Stadium, wo das Leben noch nicht erlebt wurde, und in diesen Regionen, in denen das noch<br />

unerweckte Selbst einzig in den mechanischen Dingen lebt, die noch nicht hindurchgingen<br />

durch das Feuer des Persönlichen, da ist es nur selbstverständlich, dass jeder Lump oder<br />

Trottel der größte Gelehrte sein kann. Es ist das kapitalistische Ideal der Bereicherung durch<br />

Haben und Raffen statt durch Wachsen. Das „an-sich“-Motiv dringt nicht in Höhe und Tiefe,<br />

sondern führt nur zu einer Rückseiten-Metaphysik, es will die Erscheinungen von hinten sehen;<br />

doch ist es das Wesen dessen, was erscheint, dass es ein Interieur ohne Exterieur ist.<br />

Aber über dieses leblose, unbeteiligte Dahinter führt uns wieder die erkenntnistheoretische<br />

Auflösung, die alle Wirklichkeit von außen nach innen verlegte und damit freilich das Innere<br />

noch rätselvoller machte. Von der Metaphysik der Rückseite, des Dinges, des „An-sich“, des<br />

Niederen, werden wir gedrängt zur Metaphysik der höheren Funktion. Dies wollen wir nun<br />

ergründen.<br />

Es erscheint uns der Zwang des Objektiven nie als eine Sache, sondern stets als eine Ordnung.<br />

Warum muss ich dort stets diesen Stern sehen? Warum dort immer wieder diesen<br />

Wald, warum finde ich beim Erwachen immer wieder mein Zimmer? Warum sehen die vielen<br />

Leute dort das eine Bild auf der Bühne? Ist dort wirklich ein Stern, ein Wald, eine Szene, die<br />

wir abspiegeln oder aufsaugen? Zunächst wissen wir nichts, als dass sich allerhand Sinnesempfindungen,<br />

Gefühle, Gedanken, Strebungen zu einem Ganzen anordnen, das wir Stern,<br />

Wald, Bühne heißen. Doch wäre es voreilig zu folgern, dies alles sei meine Vorstellung, denn<br />

noch steht offen, woher diese Ordnung stammt, die diese Rohmaterialien zu Wald und Stern<br />

gefügt hat und wodurch sie allein zu Wald und Stern wurden. Oder weiter: Wer hat schon<br />

gesehen, dass Wasserstoff und Sauerstoff sich zu Wasser verbanden? Niemand, und keiner<br />

wird es je sehen. Wir sehen nur, dass auch hier die gleichen Elemente der bewussten Wahrnehmung<br />

in einer ganz bestimmten Reihe und Ordnung sich folgen; dass Farbeneindrücke,<br />

Wärmeempfindungen, Geräusche, Gerüche und andere Bausteine des Bewusstseins in bestimmten<br />

räumlichen und zeitlichen Beziehungen sich zu einem Bilde anordnen, das wir<br />

nennen: Verbindung des Wasserstoffes mit Sauerstoff zu Wasser. Doch woher entspringt<br />

nun diese Ordnung?<br />

Die dingwärts gewandten Theorien weisen nach Abtrennung alles dessen, was uns je zu Bewusstsein<br />

werden kann, auf den Grenzbegriff des „Dinges an sich“, das den Zwang der Ordnung<br />

veranlassen soll; die aufwärts gerichteten entscheiden sich für den logischen Mechanismus<br />

der Kategorien im Ich oder anderer Ich-Mechanismen. Doch keines von beiden wird<br />

uns erklären, warum der Wald uns jetzt rauscht und die Sterne funkeln. Dass Gefühle und<br />

Gedanken, Strebungen und Empfindungen sich zu dieser Welt anordnen, diese Dinge um uns<br />

formen, gerade diese Einzelheit und diesen objektiven Zwang ausmachen, das ist keinerlei<br />

Mechanismus, das ist eine unsäglich praktische glühende Lebendigkeit, ist Ziel und Aufgabe,<br />

ein Drang nach Höhe und Göttlichkeit, aber so wenig mechanisch, wie die ordnende Zusammenfügung<br />

der Farben auf der Palette zum Meisterbild. Diese Grundstimmung der Objektivität,<br />

diese schweigende Starre, dieser stumme Zwang, ist voll von heiligen Schauern, ist höhere<br />

Botschaft und Verkündigung und dringliche Aufforderung; und verspüren wir solches

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