Siderische Geburt - Peter Godzik

Siderische Geburt - Peter Godzik Siderische Geburt - Peter Godzik

25.05.2014 Aufrufe

22 wegen ewig neu in das Kreisen, um Unendlichkeiten über Unendlichkeiten zu türmen. Und ewig soll alles, was je zum Leben der Gestalt kam, nun nicht mehr am Staube der endlichen Materie haften, sondern die Gestalten sollen losgelöst von der Endlichkeit, grenzenlos geworden, befreit, eingebettet in die Unendlichkeit, als neuen Träger in sich den überseyenden Urschwang gewinnen. Die höchste aller Gestalten ist die Ich-Gestalt und die Vollendung aller Gestaltung überhaupt, wo sich Gestaltung bereits aufhebt, der Ort der Erlösung aller Gestalten. Was unten noch kaum zeitlich geformt war und in mechanischem Verhältnis stand, wird zur begrifflichen und endlich zur Wert-Gestalt und Seelenzustände treten an Stelle der Dinge, symbolisch und gesteigert sind die Dinge in Seele übersetzt, so dass die festeste aller Formen, die ganz abhängige, erdrückte, dingliche Form hier schon wieder grenzenlos frei zerrinnen will. Ist also das Ich einmal die höchste sinnvolle Entfaltung und Krönung aller Gestaltung, so ist es zugleich auch der trächtige Schoß, dem in siderischer Geburt das Übergestaltliche entsteigt. Das Ich steht im tief Innersten des Kreisens in der Gottferne des Heut, das uns entsetzen macht, und ist höchste Verdichtung der Gestaltung, verschlossene Unendlichkeit wie ein Samenkorn Blume in höchster Einengung. Und wieder ist das Ich der geheiligte Ort, in dem einzig siderische Geburt anheben kann, in dem der wahnsinnige Wirbel der Gestalten hinauswachsen kann über das Kreisen, um in der göttlichen Sonne des überseienden Schwingens selig zu schweben. So wiederum sind Ich und Bild Gegensätze. Diese Doppelnatur und die tiefere und höhere Sphäre des Ich werden wir noch eingehend begründen. Wie nun Anfang und Ende des überweltlichen Kreislaufes nicht im Seyn ruhen, sondern im überseligen Urschwang, so tritt das Ich, wenn es durch Natur und Welt und Vollendung hindurchgegangen ist, aus dem Kreisen hervor, steht über dem Kreislauf, tritt mit der Fülle alles seines seraphischen Inhaltes vor Gott, in das Reich, wo anstatt der Seyns-Funktion, das Überschwängliche Außer-Sich-Seyn das Letzte, Allgemeinste ist. Weil also Gott über aller Gestaltung ist, darum ist er nicht das starre Vollkommenheitsding, das auch nur etwas ganz Menschliches wäre, nicht das dinghafte, jenseitige Kinderparadies, dem wir für immer entwuchsen, auch nicht der allmächtige Greis, Gott ist die liebesglühend-seraphische In-eins- Setzung von Allem in höchster Fülle, das überschwängliche Leben über allen Gestalten, der überselige Überschwang am Anfang und Ende, der das Kreisen treibt und die Gestalten treibt vom mechanischen Erdrücktsein zum freien absoluten Schaffen. Da ist kein Äußeres mehr, weil nur noch Inneres ist, denn das Außer-Sich-Seyn und Über-Sich-Schaffen ist zum Innerlichsten geworden, zur höchsten „Kategorie“ und letzten Grundeigenschaft, von der „Seyn“ nur schwacher Abglanz in der Tiefe ist. Wenn wir die Ansprüche der philosophischen Forschung prüfen werden, wird uns bald deutlich, wie das Höhere nimmermehr „existiert“, sondern ihm die höhere sozialistische Form der seraphischen In-eins-Setzung eignet, in siderischer Geburt und ekstatischer Setzung. So wie im Leib die Säfte strömen von einem Organ zum andern, doch alles sinnlos bliebe, bedeutete dies Strömen nicht überall und einzig „Mensch“, so liegt um das Geformte das unendliche Liebesreich des Ungeformten, wo sich das Geformte verwertet, wo der hochheilige Sinn des Nur-Einmal jeder Einzelgestalt erwacht zu einem grenzenlosen Leben. Doch kann der ans dinghaft Bildliche gefesselte Tierverstand solches nicht schauen. Da ist erst ein Sehen, wenn das Ich in seinem seraphischen Allumfassen und gespeist und getränkt mit aller Fülle seine Wanderung endet, sein höheres, sein höchstes Ich gewinnt, und in vollendeter siderischer Geburt dem Kreislauf entsteigt, um im überseligen Schwebe- und Schwinge-Seyn unbegrenzt zu leben. Und dies sind keine Phantasiegemälde – haarscharf werden wir diese höheren Setzungscharaktere, diese einzigsten Set-

23 zungen wahrhafter Realität noch festlegen, wenn wir die niederen Schauungen der Wissenschaft des alltäglichen Tierverstandes zurückweisen. Wir gingen aus vom Tode der Welt, von der mittaglichen Erschöpfung, weil kein Steigen mehr sein kann, und ein völlig Neues, ein Höheres herabkommen, weil der reife Same zu Wäldern vergehen muss, denn Welt grenzt endlich an das Himmelreich und an das Naturreich in der Tiefe. Wir sahen, wie das Naturreich nimmermehr ein Höheres ist, sondern Absonderung der Welt, weltgeschaffen, Durchlebtes, die Ernte in den Scheuern der Welt, und dass Himmelreich nur verunendlichte Welt, paradiesische Vollendung der Welt ist, aber Natur und Welt und Pleroma seraphisch in-eins-gesetzt nur ein einziger Herzschlag, Systole und Diastole Gottes, des überschwänglichen, ewig über sich gebärenden Schwinge-Seyns. Doch werden wir niemals aus dem Kreisen hervorsteigen, wenn wir einzig reine Vollendung ersehnen. Wohl zeigt uns Vollendung die Richtung, in der wir gehen müssen, doch begnügten wir uns bei der Vollendung, es wäre Erstarren und Verlöschen, darum auch jeder Klassizismus zu einem immer gefährlicheren Hemmschuh für die gebärende Kraft unserer Zeit wird. Es muss das Reich der Vollendung die Sphäre der Tiefe und die des Werdens umschließen, und der siderisch Geborene begehrt in gleicher Brunst Chaos und Abgrund und die weltliche Werkstatt der schöpferischen Gestaltungskraft, denn es ist die Vollendung kein Bevorzugtes im übergestaltlichen Schwingen, vor dem alles dies seraphisch in Eins verschmolzen ist; in der Tiefe und in der Mitte lebt das überselige Schwingen in nicht geringerer Gewalt wie in der Höhe und keines ist dem Leben der Gottheit entbehrlich. Aber von den seligen Höhen trennt uns noch ein Tal voll maßloser Schrecken und gerade heut schreiten wir in der Talwanderung. Es schwindet um uns Welt und alles, was aus Welt stammt, aber keimhaft ist erst das Überweltliche, ein scheues Ahnen. Da greifen wir atemlos ins Leere. In der toten Schwüle des Weltenmittags spüren wir kaum das leise Heranrauschen des Abends oder gar der Welt purpurne Dämmerung. Und scheint es auch, als ob in der Mittagsglut das heißeste Leben pulst und das Summen am lautesten tönt – ja wann jemals war das Dröhnen betäubender als heut? – von der Warte des göttlichen Lebens ist es doch nur Augenblicks-Enge und siderischer Tod, die Gottferne des Umkehrpunktes, wo das schwingende Pendel in seinem Tiefpunkt einen Moment zu ruhen scheint – tiefste Stille. Zwischen den Landen, aus denen wir fortziehen, und den Landen, in die wir reisen, liegt das Tal der „äonischen Stille“, der höchste Schrecken derer, die Feiglinge sind im metaphysischen Gemüt, denn es erfordert tausendfach mehr Mut, durch die äonische Stille zu schreiten, als durch Brünhildes feurige Lohe. Unter uns war völlig erdrückter, kristallen-dinghaft erstarrter Geist; wir selbst sind gegenständlicher Geist, über uns lebt der reine Geist. Aber wie reiner Geist nicht in sich zu beharren vermag und über sich selbst in ekstatischer Setzung jubelnd hinausschwingt, grenzenlos, so formt auch die Sinke-Schwere den Geist unter uns zu einem Abgrund, in dem die Frost- Riesen des Todes die kristallharten Formen prägen, zu dem grenzenlos starren Todes- Abgrund, über dem das überseyende Leben jubelnd schwebt, als dem Schwinge-Raum und der selig lockenden Schwebe-Tiefe. Da schließt sich der Ring der Höhe und Tiefe; beide ruhen im Schwinge-Schwang über dem Geist. Über dem Geist, denn nicht nur über die Körper, auch über die Seele werden wir dringen müssen, wenn wir den Ring des Kreisens schließen und über dem Kreis siderische Geburt vollenden wollen. So wird die transzendente Herrlichkeit über uns kommen, wir werden zu ihr steigen, zu dem unerhört Neuen, Ohnegleichen, das allein den Bann des Mittagsschreckens brechen kann, denn wir wollten nichts mehr erwarten von dem, was mit „Welt“ gleichartig ist, sondern einzig von der höheren Stufe, so wie sich etwa die plumpe riesenhafte Kraft der vorweltlichen Ungeheuer überlebte, als ein so

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zungen wahrhafter Realität noch festlegen, wenn wir die niederen Schauungen der Wissenschaft<br />

des alltäglichen Tierverstandes zurückweisen.<br />

Wir gingen aus vom Tode der Welt, von der mittaglichen Erschöpfung, weil kein Steigen<br />

mehr sein kann, und ein völlig Neues, ein Höheres herabkommen, weil der reife Same zu<br />

Wäldern vergehen muss, denn Welt grenzt endlich an das Himmelreich und an das Naturreich<br />

in der Tiefe. Wir sahen, wie das Naturreich nimmermehr ein Höheres ist, sondern Absonderung<br />

der Welt, weltgeschaffen, Durchlebtes, die Ernte in den Scheuern der Welt, und<br />

dass Himmelreich nur verunendlichte Welt, paradiesische Vollendung der Welt ist, aber Natur<br />

und Welt und Pleroma seraphisch in-eins-gesetzt nur ein einziger Herzschlag, Systole und<br />

Diastole Gottes, des überschwänglichen, ewig über sich gebärenden Schwinge-Seyns.<br />

Doch werden wir niemals aus dem Kreisen hervorsteigen, wenn wir einzig reine Vollendung<br />

ersehnen. Wohl zeigt uns Vollendung die Richtung, in der wir gehen müssen, doch begnügten<br />

wir uns bei der Vollendung, es wäre Erstarren und Verlöschen, darum auch jeder Klassizismus<br />

zu einem immer gefährlicheren Hemmschuh für die gebärende Kraft unserer Zeit<br />

wird. Es muss das Reich der Vollendung die Sphäre der Tiefe und die des Werdens umschließen,<br />

und der siderisch Geborene begehrt in gleicher Brunst Chaos und Abgrund und die<br />

weltliche Werkstatt der schöpferischen Gestaltungskraft, denn es ist die Vollendung kein<br />

Bevorzugtes im übergestaltlichen Schwingen, vor dem alles dies seraphisch in Eins verschmolzen<br />

ist; in der Tiefe und in der Mitte lebt das überselige Schwingen in nicht geringerer<br />

Gewalt wie in der Höhe und keines ist dem Leben der Gottheit entbehrlich.<br />

Aber von den seligen Höhen trennt uns noch ein Tal voll maßloser Schrecken und gerade<br />

heut schreiten wir in der Talwanderung. Es schwindet um uns Welt und alles, was aus Welt<br />

stammt, aber keimhaft ist erst das Überweltliche, ein scheues Ahnen. Da greifen wir atemlos<br />

ins Leere. In der toten Schwüle des Weltenmittags spüren wir kaum das leise Heranrauschen<br />

des Abends oder gar der Welt purpurne Dämmerung. Und scheint es auch, als ob in der Mittagsglut<br />

das heißeste Leben pulst und das Summen am lautesten tönt – ja wann jemals war<br />

das Dröhnen betäubender als heut? – von der Warte des göttlichen Lebens ist es doch nur<br />

Augenblicks-Enge und siderischer Tod, die Gottferne des Umkehrpunktes, wo das schwingende<br />

Pendel in seinem Tiefpunkt einen Moment zu ruhen scheint – tiefste Stille. Zwischen<br />

den Landen, aus denen wir fortziehen, und den Landen, in die wir reisen, liegt das Tal der<br />

„äonischen Stille“, der höchste Schrecken derer, die Feiglinge sind im metaphysischen Gemüt,<br />

denn es erfordert tausendfach mehr Mut, durch die äonische Stille zu schreiten, als<br />

durch Brünhildes feurige Lohe.<br />

Unter uns war völlig erdrückter, kristallen-dinghaft erstarrter Geist; wir selbst sind gegenständlicher<br />

Geist, über uns lebt der reine Geist. Aber wie reiner Geist nicht in sich zu beharren<br />

vermag und über sich selbst in ekstatischer Setzung jubelnd hinausschwingt, grenzenlos,<br />

so formt auch die Sinke-Schwere den Geist unter uns zu einem Abgrund, in dem die Frost-<br />

Riesen des Todes die kristallharten Formen prägen, zu dem grenzenlos starren Todes-<br />

Abgrund, über dem das überseyende Leben jubelnd schwebt, als dem Schwinge-Raum und<br />

der selig lockenden Schwebe-Tiefe. Da schließt sich der Ring der Höhe und Tiefe; beide ruhen<br />

im Schwinge-Schwang über dem Geist. Über dem Geist, denn nicht nur über die Körper,<br />

auch über die Seele werden wir dringen müssen, wenn wir den Ring des Kreisens schließen<br />

und über dem Kreis siderische <strong>Geburt</strong> vollenden wollen. So wird die transzendente Herrlichkeit<br />

über uns kommen, wir werden zu ihr steigen, zu dem unerhört Neuen, Ohnegleichen,<br />

das allein den Bann des Mittagsschreckens brechen kann, denn wir wollten nichts mehr erwarten<br />

von dem, was mit „Welt“ gleichartig ist, sondern einzig von der höheren Stufe, so wie<br />

sich etwa die plumpe riesenhafte Kraft der vorweltlichen Ungeheuer überlebte, als ein so

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