Siderische Geburt - Peter Godzik
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Wir sagten, das überweltliche Kreißen sei die festeste Säule des Pleroma in der Welt und<br />
diese Himmelsschwangerschaft ihr ureigenstes Leben. Aber mehr noch: nichts in der Welt<br />
bleibt am Leben, das nicht zum Baustein des Pleroma wird; und wie unser Leib jedes von sich<br />
ausscheidet, das nicht dem Aufbau seiner Ganzheit dienen kann, so wird alles, das nicht<br />
Pleroma zu werden vermag, durch das Tor des Todes ausgestoßen und verworfen. Dort sinkt<br />
es zurück in die Natur-Tiefe und sinkt bis zur völligen Erstarrtheit, bis es steinern ist und liebend<br />
wieder auferweckt wird, um von neuem die Wanderung anzutreten, bis in weißester<br />
Reinheit das Ziel erreicht ist. Wir werden diese formgewaltige, reinigende Bedeutung des<br />
Todes noch ergründen.<br />
Wir sahen das Übermaterielle im Pleroma, wir sahen die Wandlung des Mechanischen ins<br />
Dynamische, wir sahen Druck und Stoß in seraphische Liebe gewandelt, nun wollen wir anschauen,<br />
wie die individuellen Gesetze in kosmische gewandelt werden und das Einzelne<br />
zum bloßen Durchgangspunkt. Das ist eine Erkenntnis revolutionärster Art, denn nun lösen<br />
wir uns endlich von jenen Grauenvollen, die immer wieder am Ende auch des herrlichsten<br />
Erlebens stehen und mit gespreiztem Lächeln über uns spotten: „Was Ihr da auch immer<br />
erzählt von Euren religiösen Ekstasen und himmlischen Erleuchtungen, das alles sind nicht<br />
mehr als rein subjektive Einbildungen und innerseelische Erlebnisse; über die kommt Ihr nie<br />
hinaus.“ Und dennoch kommen wir darüber hinaus! Noch wollen wir hier nicht unsere Erkenntnisse<br />
vorwegnehmen vom „Subjektiven“ und vom „Wissen“, doch sei so viel schon<br />
jetzt gesagt, dass solches Reden nichts als rohester Materialismus ist, dass hier noch das allerprimitivste<br />
Einsehen dafür fehlt, wie das „bloß“ Seelische und Subjektive von unsäglich<br />
tieferer universeller Herkunft ist als das angeblich so objektive Draußen. Hier fehlt dem<br />
Rumpf noch der Kopf, der ihm sein höheres Leben einbläst. Gewiss kann in der Welt alles nur<br />
im Subjekt und in der Seele bewusst werden, aber es ist dumpfeste tiermenschliche Auffassung<br />
oder ein dämonischer Abgrund, der uns den Himmelsweg sperrt, wenn wir nicht den<br />
überseelischen, den überweltlichen Sinn erschauen, der allem Persönlichen und allem Einzelnen<br />
innewohnt wie dem Samenkorn die Blüte. Und diese kosmische, diese unendliche<br />
Ausweitung ist nicht das Rätselhafte, nein, auch die einfachsten und alltäglichsten Vorgänge<br />
bleiben ewig unverständlich, wenn wir sie als bloße Dinge statt als Himmelswesen erfassen.<br />
Immer wieder wird hinter allem noch so erhabenem Mühen und noch so scharfsinnigen Gedankenbauten<br />
der Spott stehen, der höheres Schauen zur persönlichen Einbildung herabzieht,<br />
wenn wir nicht in konkreter Erhebung all und jedes und uns selbst ins Pleroma aufsteigen<br />
lassen, wo es erst seine eigene <strong>Geburt</strong> erlebt und jedes einzelne aus dem Weltreich der<br />
Vereinzelung entrückt, zum Durchgangspunkt eines grenzenlosen Prozesses wird; das Subjektive<br />
zum universalen Weltgesetz aufleuchtet.<br />
„Das Vergangene lässt sich nicht ändern.“ Doch sobald alles ins Pleroma steigt, gewinnt es<br />
Allgegenwart; was in der Welt dem Machtbereich des Wirkens entzogen war und in ein unfassbares<br />
Vorbei entrückt schien, taucht nun wieder auf, wird gewertet und gerichtet, und<br />
ist noch da Unvollkommenheit und Schmerz und Reue, so wird es von neuem gesandt, dass<br />
das Vergangene dennoch sich ändere. So ist die Zukunft der Felsen, auf dem dann neu das<br />
Vergangene ruht. Was unserem Blick verdeckt war, enthüllt sich wieder durch Steigerung,<br />
und nicht den mechanischen Ablauf der „Entwicklung“, dieses Dorado moderner Flachköpfigkeit,<br />
nein Steigerung müssen wir zuvor erleben, denn die beiden verhalten sich zueinander<br />
wie der Handlangerdienst eines Maschinenarbeiters zum Schaffen eines Künstlers,<br />
der einen Marmorblock zum Bildwerk erhöht; stumpfe Sklavenarbeit und höchste freie Seligkeit<br />
des Steigens. Was ist ein Frosch bei sich selbst anderes als wenige kümmerliche Empfindungen<br />
von Körperreizungen und Fortpflanzungslust im stehenden Sumpf. Nichts ist da