Siderische Geburt - Peter Godzik
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lichkeit; Streit und Steigen, Werkstätte und Wiederkehr, das ist der Sinn der Welt; Schöpferkraft,<br />
Herrlichkeit, seraphische Glut und Freiheit und Ewigkeit, das ist der Sinn des Pleroma.<br />
Und während wir immer staunender aus dem Schlummer der Tierheit zum ewigen Tag lichter<br />
Göttlichkeit erwachen, schwindet der Albdruck der Körperlichkeit, wird Körper zur unteren<br />
Grenze, verliert seine Selbständigkeit. Was der gemeine Verstand noch eben als das Einzigste,<br />
Festeste sah, löst sich nicht nur, nein, wird geradezu zum Nichts, zu einer Leere, zum<br />
Toten mitten im Leben, wandelt sich vom Positiven zum Negativen und all Widerstehen und<br />
Stemmen der Körperlichkeit ist nur noch Hemmung der Grenze, ein Grenzen an das Nichts.<br />
Wir werden diesen Vorgang des Zerrinnens der Körperlichkeit noch genau beobachten.<br />
Nun wird gefragt: Aber ist es denn auch möglich, diese Geistigkeit frei über dem Körper,<br />
kann denn Geist ohne Körper sein? Doch greift uns diese Frage nicht tief genug, denn wir<br />
wollen etwas wissen von dem lebendigen Verhältnis zwischen dem, was wir Geist, und dem,<br />
was wir Körper nennen. Es braucht Geist nicht ohne Körper zu sein und kann herrlicher sein<br />
als Geist frei von Körper. Ein anderes ist der König ohne Land, ein anderes der Bildhauer, der<br />
wohl abhängt von seinem Stein, aber ihn herrisch gestaltet, ein anderes das naturüberwältigte<br />
Tier in seiner geängstigten Erschrecktheit. Wohl kennen wir keinen größeren Frevel an<br />
jeder <strong>Geburt</strong> als die Lehre: Geist ohne Körper ist unmöglich; wenn wir es verstehen wie die<br />
materialistische Sumpflehre, denn da soll es bedeuten: Ewig ist der Geist gefesselt an den<br />
Leib. Aber das eben ist ja unser tiefster, unser wahnsinniger Jubel, dass wir überwältigend<br />
erleben: wir sind nicht in Ewigkeit in das Verließ der Körperlichkeit gebannt, wir sind die Herren<br />
der Vergänglichkeit und des Moders. Dreifach kann der Geist mit dem Körper sein. Er<br />
kann vom Stoff umhüllt schlummern im winterlichen Acker. Der Tauwind kann ihn wecken<br />
zum Keimen, so dass er mit den Schollen ringt, und es kann die Mühle den Stoff mahlen, es<br />
kann der Geist gebietend gestalten. Selbst wenn der Geist den Körper erzeugt, ist es ein Abhängen<br />
und ist doch höchste Freiheit. Sollen wir nun die groteske Vorstellung widerlegen,<br />
nach der Denken ein Gehirnprozess ist oder bestenfalls ein rätselhaftes Anhängsel des Leibes?<br />
Ist das nicht ein närrischer Kampf gegen eine Handvoll Verstiegener, die vielleicht nur in<br />
unserer Einbildung leben, während in Wahrheit niemand mehr an derartiges glaubt? Wir<br />
meinen nicht. Der Materialismus beherrscht die Welt und kam kaum in das erste Wanken. Er<br />
ist die unbefangene Anschauung des Alltags, und nur die ihm widersprechen, sind die Handvoll<br />
Sonderlinge, fern vom praktischen Leben, denn die Lebenswirklichkeit ist noch einzig<br />
materialistisch, ruht auf dem Naturreich, kaum ist sie schon „Welt“ und kann es erst sein,<br />
wenn „Welt“ sich schon zum Abstieg neigt. Wenn der lebendige Alltag sich auch nur im<br />
kleinsten über den Materialismus höbe, so wäre das eine Revolution, die in keiner Weltepoche<br />
ihresgleichen hätte, und käme gleich dem Anheben des Pleroma. Und da dies nun so<br />
ist, bleibt unsere Zeit größer denn je eine. Darum erachten wir das Steigen über den Materialismus<br />
überaus viel wichtiger als den papierenen Streit zwischen allerlei erkenntnistheoretischen<br />
Systemen. Auch werden wir uns über die Vorstellungen von der Alleinherrschaft des<br />
Leibes und dem Bewusstsein als Gehirnprodukt gar nicht verwundern, denn wir werden<br />
noch sehen, wie der Geist der meisten Menschen – noch fast schlummernd, wenn wir ihn<br />
am göttlichen Licht messen – nichts ist als eine peinlich genaue Übersetzung der eigenen<br />
leiblichen Vorgänge ins Seelische. Denn erfasste sich der niedere Gehirnverstand als dies<br />
himmlische Licht des Pleroma, er hätte zugleich aufgehört in seiner Begrenztheit zu sein wie<br />
das zerspringende Ei.<br />
Wo nun erfahren wir mehr, als was uns der niedere Gehirnverstand verrät, wo ist der Geist<br />
über dem Stoff, wo kreißt das Pleroma in der Welt? Nun wieder möchten wir laut schreien<br />
über so viel Blindheit, da unser geöffnetes Auge beinahe nichts anderes mehr zu bemerken