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Siderische Geburt - Peter Godzik

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Vorgänge, die sich abspielen sollen, wie das Bewegen der Blätter im Winde; und wiederum<br />

müssen wir staunen, wie es möglich sein kann, das Spiel dürrer Blätter im Winde und eine<br />

menschliche Willenshandlung nicht mehr unterscheiden zu können. Wer die Freiheit von<br />

Wollen und Handeln leugnet, leugnet Wollen und Handeln überhaupt, leugnet damit das<br />

Dasein des Menschen. Im Menschen vollzieht sich der Schritt von der Notwendigkeit zur<br />

Freiheit. Freiheit ist das ureigentümlichste der Menschheit. Freiheit bedeutet nimmermehr<br />

regellose Sinnlosigkeit. Ich bin frei, wenn ich wie die Gottheit nach meinem eigenen inneren<br />

Gesetz handle, dieser Zwang aus meinem Selbst macht mein Selbst nicht unfrei. In diesem<br />

Sinne bedeutet Freiheit nur ein solches Wachsen des Menschentums über den Natur-Zwang,<br />

dass das Gesetz des Menschentums stärker geworden ist als das mechanische Gesetz der<br />

Dinge. Das Zwinge-Gesetz der mechanischen Todes-Tiefe kann nicht regellos im Einzelfall<br />

durchbrochen werden, sondern nur, ein unerhört viel größeres und tieferes Wunder, im Höheren<br />

als Ganzes überwunden werden. Und nicht ist Wille ein Etwas, das entweder frei oder<br />

unfrei ist, wie ein mechanisch bewegtes Ding, sondern Wille ist nur der Ausdruck für das,<br />

was frei geworden ist, die Folge der Freiheit, die tatgerichtete Göttlichkeit. Der freie Mensch<br />

ist vom gezwungenen Tier zum schaffenden Künstler geworden, die Kunst ist die höchste<br />

Form der Freiheit und göttlichen Schaffens.<br />

Die durch Äonen unerhörte Umwertung alles Lebens durch siderische <strong>Geburt</strong> lässt auch<br />

Kunst nicht unberührt. Sie zeigt sich im Streit über Inhalt und Form der Kunst. Die Kunst hat<br />

bisher überwiegend danach getrachtet, in Bild und Dichtung eine Art Abbild höherer idealer<br />

Wirklichkeiten zu geben, das Beste der Kunst war stets das Vorausahnen und phantastische<br />

Gestalten ferner Göttlichkeit. Daher ging alle solche Kunst aus vom Inhalt und gewann erst<br />

aus dem Inhalt die Form. Doch ist das Ausmalen solcher idealen Reiche, ganz wie die kindlichen<br />

Vorstellungen von Gott und Göttern, nur der Ausdruck unseres Abstandes von der<br />

Göttlichkeit. Doch wie wir diesen Gottfernen entwachsen, kann uns all solches Abbild nimmermehr<br />

genügen. Auch die seligsten Gefilde, die wir uns ausmalen, und nicht nur die heidnischen<br />

vielgestaltigen Gottheiten, auch die Gesellschaft der Olympier und selbst die Gottheit<br />

der monotheistischen Religionen kann heut kaum noch den kindlichsten Ansprüchen<br />

genügen. Das alles ist für uns völlig durchlebt und erscheint uns schlechthin primitiv. Wir<br />

vermögen nicht mehr vor diesen Gestalten, die der Kindheit des Menschentums angepasst<br />

waren, zu knien oder uns jenseitige Höhen auszumalen, da wir das Jenseits mitten aus dem<br />

Diesseits heraus tun wollen und mitten in Gott selbst hineinwachsen. Wie wir den alten<br />

Zwinge-Religionen entwachsen sind, die eine Schule des kindlichen Menschentums darstellen,<br />

so auch nun den Erlösungsreligionen. Es bedeutet uns nichts mehr, das kleine Ich stoisch<br />

auf einen Nullpunkt einzustellen, wo es vor jeder Erregung sorgsam bewahrt bleibe. Auch<br />

darf unser Leben nicht im untätigen Erwarten eines Jenseits verrinnen, das schließlich nur<br />

ein idealisiertes Diesseits ist, doch ein Diesseits ohne Leben und Kraft. Wir können nicht einzig<br />

uns vom Diesseits erlösen wollen in Missachtung alles Reichtums, der aller-heiligster Besitz<br />

und Sämerei der Gottheit ist. Einzig die seraphisch allumarmende Tatreligion, die siderische<br />

<strong>Geburt</strong>, ist die Religion der Zukunft. Und ganz so wird die Kunst von der Darstellung und<br />

Ausmalung eines Idealen zur künstlerisch ästhetischen Tat. Wir können das Höhere nicht an<br />

das Endliche heften, indem wir es im Endlichen darstellen mit endlichen Mitteln und endlichen<br />

Formen. Umgekehrt streben wir nun, das Endliche ans Unendliche zu heften und durch<br />

eine neue Form Endlichkeit zu vergöttlichen. Aus der Form gewinnt der neue Künstler den<br />

Inhalt. Das sehen wir herrlich in der Malerei. Nicht mehr wird der neue Maler ein ausgedachtes<br />

Höheres, etwa eine ausgedachte Gottheit in einer, wenn auch noch so herrlichen, aber<br />

realistisch dinghaften Weise abmalen wollen, wie einen Gegenstand, genau wie einen Baum<br />

oder Zaun, sondern er wird ein Thema des Alltags, und sei es das trivialste, in göttliche neue

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