25.05.2014 Aufrufe

Siderische Geburt - Peter Godzik

Siderische Geburt - Peter Godzik

Siderische Geburt - Peter Godzik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

101<br />

über dem mechanischen Ablauf der alltäglichen Geistesfunktionen steht, ist unberührt von<br />

geistiger Erkrankung. Auch in wahnwitzigsten Geistesstörungen erhält sich das Persönliche<br />

unverändert, ja diese Erkrankungen sind oft nichts als Steigerungen von Eigenschaften, die<br />

schon in der Person bereit lagen. Wenn beim Nahen des Todes der Verband zwischen Geist<br />

und Leib sich lockert, leuchtet meist das Bewusstsein noch einmal in voller Klarheit auf. Wäre<br />

Denken wirklich so ganz auf das Gehirn gestellt, wie könnte es dann sich noch aus dem<br />

zerstörten Organ wieder erheben. Auch Genie und Göttlichkeit sind eine Art Wahnsinn bei<br />

gesundem Geiste. Aller Wahnsinn ist stärkste Nichtachtung der gegebenen Realitäten, ein<br />

Überspringen der Wirklichkeiten, und was fehlte unserer Zeit so sehr als dieser göttliche<br />

Wahnsinn. Nur wo die Gestiegenheit und göttlicher Überschwang noch nicht stark genug<br />

waren zu solchem überweltlichen Tun, fällt das niederste Bewusstsein, das tierische, das an<br />

die Materie brandet, in Irresein. Aber sehen wir uns die Depressionen und Manien und alle<br />

Typen des Irreseins an, so finden wir kaum da etwas, das den Charakter der Störung eines<br />

materiellen Organs hätte, wir gewinnen wie auch bei allen anderen Krankheitstypen viel<br />

eher den Eindruck, charakteristische Konflikte des persönlichen Lebens zu haben, als materielle<br />

mechanische wertelose Unregelmäßigkeiten.<br />

Das Leiden gehörte dem Reich des Todes an, das wir als den einen Pol der Göttlichkeit bestimmt<br />

hatten. Über den Tod hebt sich als eine der Säulen, die das Weltliche tragen, das Bewusstsein,<br />

diese erste Lösung alles Toten, und weiter das Ich, das erst die Grundlage bildet<br />

zu allem überpersönlichen Taten. Im Reich der Wertung endlich fanden wir die große Umkehr<br />

vom Sinnlos-Mechanischen zu Zweck und Sinn. Hier fanden wir Antwort, warum göttliches<br />

Kreisen nicht sinnlose, ewig gleiche Wiederholung ist, sondern schaffende Erneuerung<br />

und glühendes Liebesweben, und wir sahen, dass einzig der unseraphischen Betrachtung der<br />

absolute Maßstab der Wertung fehlte und sinnvoller Zweck sich erst in seraphischer Setzung<br />

enthüllt. Doch könnte schließlich seraphische In-eins-Setzung nicht sein, wenn alle die Fülle,<br />

um derentwillen der Aufwand der Welt einzig gemacht ist, sich in unterschiedsloser Einheit<br />

auflöste und ausgliche. Nicht ist etwa die polare Spaltung von Mann und Weib nur vorhanden,<br />

um am Ende wieder zu vergehen, wie der gespannte Bogen seine Spannung verliert.<br />

Das göttliche Gesetz der Harmonie vereint und verschmilzt alle Fülle und lässt doch ein Jedes<br />

in seiner stärksten ungebrochenen Besonderheit bestehen. Durch die Harmonie muss alle<br />

Fülle hindurch, ehe sie in seraphischer In-eins-Setzung bestehen kann, und in konkretester<br />

Lebendigkeit will alle Fülle und Einzelheit ungeschwächt im göttlichen Urschwang ruhen.<br />

Doch noch näher an den dem Tode entgegengesetzten Pol göttlicher höchster Lebendigkeit<br />

führt uns die Freiheit. Die Freiheit ist die Vorstufe der höchsten Göttlichkeit, Freiheit ist das<br />

ureigentlich Innerste aller Aktivität und Lebendigkeit; und dass alles, was als Zwang vor uns<br />

liegt, alle Fülle der Welt in Freiheit getan wird, ist aller Zukunft Sinn. Freiheit ist nicht nur<br />

Abwesenheit von Zwang, sondern das aller Positivste, ist lebendiges Schaffen. Um der Freiheit<br />

willen hat sich Gott in die Welt entäußert. Das Größte an Gott ist diese Unfreiheit, dass<br />

Gott nichts anderes als Gott tun kann, und dennoch soll alles Gott-Tun in Freiheit geschehen,<br />

in Freiheit soll Gott ergriffen werden. Der Mensch ist das Reich dieser Freiheit im göttlichen<br />

Urzwang, das Reich der freien Wahl über allem Schwanken und Streiten. Der Mensch ist der<br />

göttliche Streit in Gott. So steht der Mensch inmitten von Zwang und Freiheit, kommt aus<br />

ewigem Zwingen und geht zur Freiheit. Das ganz Freie ist die Gottheit, die nur ihrem eigenen<br />

Gesetz folgt, ihrem eigenen Zwang. Zwang und Freiheit fallen in ihr zusammen. Eine rohe<br />

mechanistische Zeit hat die Freiheit des Wollens und Handelns bezweifelt. Doch ist uns solche<br />

Betrachtung in dinghaft materiell mechanischen Bildern oder nach der Art eines Uhrwerks<br />

mit seinen Rädern genug als rückständig kindlich gezeichnet, nur dies muss betont<br />

werden, dass Worte wie Handeln und Wollen nicht mehr angewendet werden dürfen auf

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!