Siderische Geburt - Peter Godzik
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Ding erst zum Inhalt wird, das Inhaltsetzende. Und selbst diese Zweiheit der Verschränkung<br />
ist wieder miteinander verwoben, und weiter ins Unendliche. Wir wählen als symbolisches<br />
Zeichen dieser Verschränkung das griechische Zeichen „X“ und nennen diese verschränkte<br />
Art der Betrachtung „chiliastisch“, denn sie ist wahrhaft ein tausendjähriges Reich. Aber eng<br />
und endlich ist alle Art, wie sie heute sehen, Stückwerk und bloße eitle Parteigängerei. Denn<br />
wo auch immer zwei in einem enthalten ist, und in jedem von beiden wieder die zwei, wo<br />
auch immer tausendfach sich alles durchdringt in liebender Verschmelzung, gleich stürzen<br />
sie herzu, zerfetzen und erraffen ein jeder weniger denn ein Teilchen und schreien: dies, das<br />
ich halte, ist, was Ihr sucht – und jeder andere: nein meines. Und jeder nennt es auf seine<br />
Art. Aber ihr Halten und Nennen ist blasser Dunst, nur der tausendjährige Blick sieht darüber<br />
wie in ewiger Ehe liebesglühend ineinander gegossen, jedes Einzelne steht in der Allheit und<br />
Allheit ruht in jedem Einzelnen.<br />
Was gewannen wir, da uns die Realität der Welt schwand? Dass „Welt“ nun nichts anderes<br />
bedeutet als „wir selbst“ als „Mensch“. Da wir selbst zum mystischen Schlüssel wurden und<br />
unsere Mannbarkeit erwarben. Denn wir verließen alles, das unwiederbringlich hinter uns<br />
lag – wir ließen es tränend, nicht grollend. Da versank um uns der starre Mechanismus, die<br />
ewig todbringende Maschine, die uns bald zernichtet, da fürchteten wir nicht mehr den großen<br />
Erkenner, der jeden Tag vor uns treten kann zu lehren, die Welt ist Unflat, ist die denkbar<br />
schlechteste. Und wäre sie es! Uns ward die froheste Botschaft, dass wir den Rahmen<br />
dieser Welt zersprengen können und sie formen sollen in hochheiliger Gestaltung. Wir wurden<br />
mannbar, das ist der Sinn des Heut – die Einsegnung in unserem All-Leben. Vom weichen<br />
Ton wurden wir zu Plastikern der Welt, zum Pflug Gottes, und unsere ewige Sendung<br />
der Welt-Formung sollen wir heut antreten. Endlich öffnet sich uns der Weg ins Freie, frohe<br />
Erlösung von dem Albdruck einer Welt, die nichts ist als zweckloser toter Mechanismus, entstanden<br />
durch blöden Zufall, wie es die dümmlichen Lehren der Naturwissenschaft wollen.<br />
Sie ist kein Mosaik aus was auch immer für Teilchen, seien es Körper, Kräfte, logische, Empfindungs-<br />
oder Monadenteilchen, sie ist kein dürres Abrollen logischer Vorgänge, auch nicht<br />
einzig beherrscht durch das Gesetz von Ursache und Wirkung, „Welt“ ist das siebenmal<br />
hochheilige, nicht das deutliche Ding, sondern das Mysterium, ist ein Schleier vor dem Paradies,<br />
ein dünnes Häutchen über dem Grenzenlosen, eine Wolke vor Gott, ist eine höllische<br />
Dämonie, ist Werkstätte, ist Fegfeuer, Gestaltung, Darstellung, unser Spiegel, unsere Entfaltung,<br />
sie ist Brautkammer, sie ist der Trabant Gottes.<br />
Nun wir aus der Welt fortziehen, wollen wir sie doch nimmermehr fliehen, denn sie ist Gottes<br />
Schule und ganz und gar Gottesdienst. Heut erst ruht der Vater und ward Sonntag, da die<br />
Schöpfung vollendet wurde und sich erschöpfte, und wir schreiten in der Talwanderung. Da<br />
die Welt sterben und welken will zur Weltruhe und nichts mehr von außen treiben, stoßen,<br />
gestalten, nichts mehr wachsen will – da müssen wir den Punkt suchen, über der Welt, wo<br />
wir sie aus den Angeln heben, denn wir selbst sind das Ur und der Welten Grund. Erwarten<br />
wir keine Hilfe mehr von außen, da wir auf uns selbst gestellt und mannbar wurden, da die<br />
Nabelschnur zerriss, die uns aus der Schöpfung Tiefen Kraft zuführte, denn hinter dem Welt-<br />
Mittag steht einzig noch Welt-Auswirkung und Welt-Erfüllung. Das ist die herbe Angst unserer<br />
Zeit, dass sie Gottferne ist und verlassenste Einkapselung und dass der heilige Geist gepresst<br />
ist in das Gefäß der Enge und dass keine Auswege sind und nicht Rettung noch Gesundung<br />
als einzig im göttlichen Umbau der Welt. Nun unter uns alles treibende Drängen<br />
ermattet, zieht uns ein Übermächtiges; zerreißend will es in uns gebären, sternenhaft über<br />
den Sternen.