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inform Nr.5 Dezember 2013 - Physio Austria

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von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> enthalten:<br />

12 Seiten Berufspolitik, Tipps und<br />

Services für <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />

physioaustria<br />

Zeitschrift von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, dem Bundesverband<br />

der <strong>Physio</strong>therapeutInnen Österreichs<br />

Nr. 5 <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><br />

<strong>inform</strong><br />

Das Becken im Zentrum<br />

<strong>Physio</strong>therapie erfolgreich im Einsatz bei<br />

Leiden im Bereich Urologie, Proktologie<br />

und Gynäkologie.<br />

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Inhalt 05/<strong>2013</strong><br />

<strong>inform</strong> Inhalt dez <strong>2013</strong><br />

EINSTIEG<br />

4 EDITORIAL<br />

Der neue Stil<br />

Silvia Mériaux-Kratochvila, M.Ed.<br />

SCHWERPUNKT<br />

»DAS BECKEN IM ZENTRUM«<br />

6<br />

Pelvic Organ Prolaps<br />

<strong>Physio</strong>therapie bei Senkungen<br />

im weiblichen Becken<br />

Überblick und Update<br />

Christine Stelzhammer, MEd<br />

10<br />

Der Beckenboden im<br />

Tanz – ein zuverlässiger<br />

Partner?<br />

Judith Elisa Kaufmann und<br />

Anita Kiselka, MSc<br />

14<br />

Beckenboden-Krafttraining<br />

während der<br />

Schwangerschaft?<br />

Maria Schwingenschlögl, MSc<br />

15<br />

Das fachliche Netzwerk<br />

UroProktoGynäkologie<br />

und Geburtshilfe stellt<br />

sich vor<br />

Elisabeth Udier, MSc<br />

16<br />

Literatur und Kurse<br />

zum Schwerpunkt<br />

»Becken«<br />

17<br />

Vor Gericht erkämpft:<br />

Mehr Sicherheit für<br />

PatientInnen<br />

Mag. Patricia Otuka-Karner und<br />

Mag. Nicole Muzar<br />

18<br />

Der kleine Unterschied!<br />

Beckenbodenprävention<br />

für den Mann?<br />

Markus Martin<br />

22<br />

Erregung als Störfaktor<br />

Beate Carrière<br />

25<br />

Chance oder Risiko<br />

für MTD-Berufe?<br />

Mag. Gabriele Jaksch<br />

26<br />

Die Umsetzungsarbeiten<br />

zu den Rahmen-<br />

Gesundheitszielen<br />

für Österreich<br />

Mag.iur. Agnes Görny<br />

30<br />

Bilanz Rückenfit<br />

Doris Necker<br />

31<br />

Kongress zu Inkontinenz<br />

Beate Carrière<br />

INFORM EXKLUSIV<br />

e2 PHYSIO AUSTRIA<br />

Startschuss – FunktionärInnen-Fest<br />

von<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />

Mag. Patricia Otuka-Karner<br />

e4 KONGRESS<br />

SportphysiotherapeutInnen<br />

tagten in Kapstadt<br />

e5<br />

<strong>Physio</strong>talk mit<br />

lebhaften Diskussionen<br />

Ingrid Großbötzl<br />

e6<br />

Qualitätssicherung –<br />

Der Praxis-Check für<br />

die freiberufliche Praxis<br />

Mag. Nicole Muzar<br />

e9<br />

Neue Open Access<br />

Zeitschrift für Gesundheitsberufe<br />

VFWG<br />

e10 SERIE ARBEITSRECHT<br />

Pflegekarenz und<br />

Pflegeteilzeit neu<br />

Valid Hanuna<br />

e11 SERIE STEUERRECHT<br />

Prüfung von Dienstverhältnissen<br />

Günter Ernst<br />

e16<br />

IN EIGENER SACHE<br />

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physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 3


Themenschwerpunkt Becken<br />

Impressum<br />

MEDIENINHABER, HERAUSGEBER<br />

UND REDAKTION<br />

EDITORIAL<br />

Silvia Mériaux-Kratochvila, M.Ed.<br />

physioaustria<br />

Bundesverband der<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen Österreichs<br />

Linke Wienzeile 8/28, A-1060 Wien<br />

Tel. (01) 587 99 51-0, Fax DW-30<br />

www.physioaustria.at<br />

ZVR 511125857<br />

GESCHÄFTSFÜHRUNG<br />

Mag. Stefan Moritz, MSc,<br />

RESSORT BERUFSPOLITIK<br />

Mag. Nicole Muzar,<br />

berufspolitik@physioaustria.at<br />

RESSORT MEDIZINRECHT<br />

Mag. Agnes Görny,<br />

medizinrecht@physioaustria.at<br />

RESSORT BILDUNG<br />

Mag. Uta Ganev, Bakk. phil.,<br />

Elisabeth Kvarda,<br />

bildungsreferat@physioaustria.at<br />

RESSORT ADMINISTRATION<br />

Petra Ritzal, <strong>inform</strong>@physioaustria.at,<br />

Eva Maierhofer,<br />

office@physioaustria.at<br />

BIBLIOTHEK nach Vereinbarung<br />

bibliothek@physioaustria.at<br />

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

Mag. Patricia Otuka-Karner,<br />

oeffentlichkeitsarbeit@<br />

physioaustria.at<br />

REDAKTIONSSCHLUSS<br />

Beiträge, Inserate und bezahlte<br />

Anzeigen für das mit Monatsbeginn<br />

erscheinende <strong>inform</strong> müssen bis<br />

spätestens 5. des Vormonats im<br />

Verbandsbüro eingelangt sein.<br />

Ist dieser Tag ein Samstag, Sonnoder<br />

Feiertag, so gilt der nächste<br />

darauf folgende Werktag.<br />

WEITERE MITARBEITERINNEN<br />

DIESER AUSGABE<br />

Christine Stelzhammer, MEd, Judith<br />

Elisa Kaufmann, Anita Kiselka, MSc,<br />

Maria Schwingenschlögl, MSc,<br />

Elisabeth Udier, MSc, Markus Martin,<br />

Beate Carrière, Doris Necker,<br />

Mag. Gabriele Jaksch, Karl Lochner,<br />

Ingrid Großbötzl, Valid Hanuna,<br />

Günter Ernst.<br />

CHEFREDAKTEUR<br />

Bernhard Baumgartner, BA<br />

chefredaktion@physioaustria.at<br />

GESTALTUNG<br />

Dechant Grafische Arbeiten<br />

FOTOS Helmut Wallner/<br />

© <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, ausgenommen:<br />

wo gesondert angegeben<br />

Foto Portrait S4: Franziska Höhne<br />

FARBKORREKTUR UND RETUSCHE<br />

Dechant Grafische Arbeiten/<br />

Helmut Wallner<br />

DRUCK Medienfabrik, Graz<br />

BEZUGSPREISE Einzelheft: 6 Euro;<br />

Abo (5 Ausgaben/Jahr): 28 Euro<br />

(Inland), 48 Euro (Ausland).<br />

STORNO schriftlich 2 Monate<br />

vor Ablauf des Abos.<br />

4 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><br />

Es ist in diesem Land gute Tradition, dass<br />

viele Organisationen die Zeit der Regierungsverhandlungen<br />

nützen, um der möglichen<br />

neuen Koalition mehr oder weniger<br />

unverblümt ihre »Wunschliste« zu kommunizieren.<br />

Die Berufsvertretung der <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />

in Österreich möchte sich an<br />

dieser Stelle zwar nicht direkt in diesen<br />

vielstimmigen Kanon einbringen, dennoch<br />

ist es ein offenes Geheimnis, dass auch<br />

wir Anliegen haben, die es wert sind, unterstrichen<br />

zu werden.<br />

Zumal gerade in den vergangenen Wochen<br />

vielfach ein »Regieren des neuen Stils«<br />

angekündigt wurde, wäre es an der Zeit,<br />

die Absender auch an dieses Versprechen<br />

zu erinnern. Zu einem neuen Stil würde aus<br />

unserer Sicht auch gehören, dass sich der<br />

Versuch eines Drüberfahrens über einen<br />

ganzen Berufsstand, wie wir es bedauerlicher<br />

Weise im Fall der für uns relevanten<br />

Beauftragung der Arbeiterkammer mit der<br />

Führung des MTD-Registers geschehen ist,<br />

keinesfalls wiederholt. Das Ansinnen ist ja<br />

vorerst am Veto zweier Bundesländer gescheitert.<br />

Ein gutes Beispiel für ein Regieren<br />

neuen Stils wäre es, die Betroffenen von<br />

dieser (aus unserer Sicht) sehr nachteiligen<br />

Regelung mit ins Boot zu holen und in einem<br />

neuen Anlauf eine Lösung zu finden. Eine<br />

Lösung, die dem verständlichen Wunsch<br />

nach Neutralität genauso nachkommt wie<br />

der Transparenz und Sicherheit für die PatientInnen<br />

aber auch für die Berufsgruppe.<br />

Selbstverständlich kann es dem ganzen<br />

Gesundheitswesen, und natürlich auch den<br />

OFFENLEGUNG GEMÄSS<br />

MEDIENGESETZ<br />

VEREINSNAME<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, Bundesverband der<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen Österreichs<br />

Linke Wienzeile 8/28, 1060 Wien<br />

T +43 (0)1 587 99 51<br />

F +43 (0)1 587 99 51-30<br />

office@physioaustria.at<br />

www.physioaustria.at<br />

RECHTSFORM<br />

gemeinnütziger Verein,<br />

ZVR-Zahl: 511125857<br />

VEREINSZWECK (STATUTEN §2)<br />

2.1. Der Verein, dessen Tätigkeit<br />

nicht auf Gewinn ausgerichtet ist,<br />

verfolgt ausschließlich und unmittelbar<br />

gemeinnützige Zwecke im<br />

Sinne der Bundesabgabenordnung.<br />

2.2.<br />

Der Verein setzt sich zur Aufgabe,<br />

2.2.1 berufs- und bildungspolitische<br />

Ziele und Maßnahmen zu<br />

entwickeln und umzusetzen<br />

2.2.2 den Wissensstand der<br />

Bevölkerung auf dem Gebiet der<br />

Gesundheitsförderung, Vorsorgemedizin,<br />

der Therapie, der Rehabilitation<br />

und der Palliation/<br />

des Hospizwesens im Bereich der<br />

<strong>Physio</strong>therapie zu verbessern<br />

Ein neuer Stil ist angesagt<br />

2.2.3 das Berufsbild »<strong>Physio</strong>therapie«<br />

zu stärken und in der<br />

Öffentlichkeit bekannt zu machen<br />

2.2.4 die Zusammenarbeit mit<br />

benachbarten Berufsgruppen zu<br />

pflegen und das Berufsbild »<strong>Physio</strong>therapie«<br />

im Gesundheitswesen<br />

klar zu positionieren<br />

2.2.5 den Informations- und Gedankenaustausch<br />

zwischen den<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen zu fördern<br />

2.2.6 Qualitätssicherung in der<br />

<strong>Physio</strong>therapie zu schaffen und<br />

weiterzuentwickeln mit dem Ziel,<br />

eine standardisierte, flächendeckende<br />

physiotherapeutische<br />

Versorgung der österreichischen<br />

Bevölkerung intra- und extramural<br />

zu fördern<br />

2.2.7 die Rahmenbedingungen für<br />

die Berufsausübung von <strong>Physio</strong> -<br />

therapeutInnen als freier Beruf zu<br />

gestalten und zu sichern.<br />

DAS PRÄSIDIUM<br />

PRÄSIDENTIN<br />

Silvia Mériaux-Kratochvila,MEd.<br />

FINANZREFERENT<br />

Gerhard Eder, MSc<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen, nicht egal sein, wenn<br />

offenbar zur Vorbereitung neuer Sparprogramme<br />

allenthalben von gigantischen<br />

Löchern in den Budgets die Rede ist. Es sei<br />

daher daran erinnert, dass Investitionen in<br />

<strong>Physio</strong>therapie für alle Beteiligten eine Win-<br />

Win-Situation darstellt: Für die PatientInnen<br />

in erster Linie, aber auch über den Weg der<br />

Präventionen nicht zuletzt zur Vermeidung<br />

von Folgekosten auch für die Allgemeinheit.<br />

Und wenn man von Konjunkturmaßnahmen<br />

spricht, so gibt es wohl kaum Investitionen,<br />

die ohne Streuverluste so direkt in hochqualitative<br />

Arbeitsplätze gehen und die noch<br />

dazu mit dramatischen Kosteneinsparungen<br />

durch weniger Medikamente und dem<br />

Erhalt der Arbeitsfähigkeit einhergehen,<br />

wie die <strong>Physio</strong>therapie.<br />

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen mit<br />

unserem <strong>inform</strong> mit dem diesmaligen<br />

Schwerpunkt »Das Becken in Zentrum«<br />

eine interessante Lektüre.<br />

Silvia Mériaux-Kratochvila, M.Ed.<br />

VERTRETERIN FÜR FREIBERUFLICH<br />

TÄTIGE PHYSIOTHERAPEUTiNNEN<br />

Beate Salchinger, MSc, MSc<br />

VERTRETERIN FÜR ANGESTELLT<br />

TÄTIGE PT<br />

Brigitta Kolmayr, MSc<br />

VERTRETERIN FÜR BILDUNG<br />

UND FORSCHUNG<br />

Elisabeth Eckerstorfer, M.A.<br />

VERTRETERIN DER LÄNDER<br />

Joan Klee<br />

BLATTRICHTUNG<br />

Die Zeitschrift <strong>inform</strong> ist ein Publikationsorgan<br />

des eingetragenen<br />

Vereins <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>. Dieser ist<br />

die berufspolitische Vertretung<br />

aller berufstätigen und in Ausbildung<br />

befindlichen <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />

Österreichs.<br />

Die Zeitschrift <strong>inform</strong> dient als<br />

Informationsmedium von <strong>Physio</strong><br />

<strong>Austria</strong> für seine Mitglieder und die<br />

an physiotherapeutischen Themen<br />

interessierte Öffentlichkeit.<br />

WEB-ADRESSE<br />

www.physioaustria.at/impressum<br />

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die sich wirklich lohnt!”<br />

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Themenschwerpunkt Becken<br />

6 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


SENKUNGSZUSTÄNDE<br />

Christine Stelzhammer, MEd<br />

Pelvic Organ Prolaps<br />

<strong>Physio</strong>therapie bei Senkungen im weiblichen Becken<br />

Überblick und Update<br />

Die Senkung der inneren Organe im kleinen<br />

Becken ist weit verbreitet. <strong>Physio</strong>therapie kann viel<br />

zur Verbesserung für die Betroffenen beitragen.<br />

© Helmut Wallner<br />

Pelvic Organ Prolaps (POP) ist der englische<br />

Begriff für Senkungszustände der inneren<br />

Organe des kleinen Beckens bei der Frau,<br />

wobei der englische Sprachgebrauch nicht<br />

zwischen Senkung und Prolaps, sondern nur<br />

bezüglich des Ausprägungsgrades unterscheidet.<br />

Die international gebräuchliche<br />

Definition des »fehlenden Supports für Uterus,<br />

Blase, Colon und Rektum, der zu einem<br />

Vorfall eines oder mehrerer dieser Organe in<br />

die Vagina führt« findet sich auf der Homepage<br />

der Internationalen Continence Society<br />

(ICS), die eine große Anzahl an aktuellen und<br />

gut recherchierten Informationen frei zugänglich<br />

zur Verfügung stellt: www.ics.org<br />

Für die Beurteilung des Ausprägungsgrades<br />

gibt es mehrere Bewertungsschemen. Vor<br />

allem im Forschungsbereich wird sehr häufig<br />

die von der ICS erstellte, reliable Pelvic<br />

Organ Prolaps Quantification (POP-Q) mit<br />

einer Abstufung von Grad I – IV verwendet,<br />

die von einer leichten Senkung bis zum<br />

Totalprolaps reicht. Dabei wird die Vorwölbung<br />

spezifischer Segmente der Vagina im<br />

Verhältnis zum Fixpunkt Hymenring gemessen,<br />

was jedoch noch keinen Rückschluss<br />

auf Symptome zulässt. Bei diesem Test soll<br />

die Frau ein »Valsalvamanöver« durchführen,<br />

also den Atem anhalten und stark nach<br />

unten pressen bei entspannter Beckenbodenmuskulatur,<br />

wodurch die ligamentäre<br />

Sicherung der Organe des kleinen Beckens<br />

unter Ausschaltung der Muskelaktivität des<br />

Beckenbodens überprüft wird. Als Ergebnis<br />

wird gemessen ob und wie stark eine Vorwölbung<br />

der vorderen oder hinteren Scheidenwand,<br />

eine Absenkung der Cervix oder<br />

des Scheidenstumpfes (nach Hysterektomie)<br />

zu beobachten ist. In verschiedenen Studien<br />

wird gleichlautend die vordere Scheidenwand<br />

als häufigste betroffene Struktur<br />

genannt, gefolgt von der hinteren Scheidenwand<br />

und dem seltener betroffenen apicalen<br />

Kompartment bzw. Scheidenstumpf.<br />

Das Problem der Senkung hat eine lange<br />

medizinische Geschichte: Schon ca. 1500<br />

vor Christus beschrieben die Ägypter in dem<br />

Kahun Papyrus das »Fallen der Gebärmutter«.<br />

Aktuell liegt die Prävalenz von POP für<br />

Frauen zwischen dem 20. und 59. Lebensjahr<br />

bei 31%, für Frauen zwischen dem<br />

50. und 79. bei 41%, wobei nur ein geringer<br />

Prozentsatz der Betroffenen eine starke<br />

Senkung von Grad III und IV erleidet, hingegen<br />

Senkungen I. und II. Grades weit verbreitetet<br />

sind und relativ beschwerdefrei<br />

verlaufen können. Erwiesene Risikofaktoren<br />

sind Alter, Anzahl der Schwangerschaften,<br />

die Kraft der Beckenbodenmuskulatur und<br />

ein hohes Geburtsgewicht des Kindes bzw.<br />

der Kinder. In einigen Studien werden hohe<br />

physische Belastung, chronischer Husten,<br />

geringe Belastbarkeit des Bindegewebes,<br />

vorangegangene Hysterektomie, großer<br />

Bauchumfang sowie niedriger Bildungsstand<br />

als Risikofaktor dargestellt. Es gibt jedoch<br />

keinen sicheren Nachweis über negative<br />

Auswirkungen von Übergewicht. Eine von<br />

Braekken 2009 veröffentlichte Studie beschreibt<br />

einen signifikanten Unterschied in<br />

Kraft, Ausdauer und Ruhetonus der Beckenbodenmuskulatur<br />

zwischen Frauen mit POP<br />

Stage II oder höher gegenüber Frauen mit<br />

POP 0 oder I. DeLancey zeigte eindrucksvoll,<br />

dass sowohl bei Harninkontinenz als auch<br />

bei POP nach vaginalen Entbindungen das<br />

Risiko mit jedem Kind ansteigt – jedoch<br />

ist dieser Anstieg bei POP mehr als doppelt<br />

so hoch!<br />

Zu den Symptomen werden Schwere- oder<br />

Druckgefühl, ziehende Schmerzen im Unterbauch,<br />

in der Leiste oder im unteren Rücken,<br />

Hautirritationen und plötzliche Vorwölbung<br />

bei Druckbelastung mit Fremdkörpergefühl<br />

gezählt, sowie die Auswirkungen auf räumliche<br />

Lageveränderung von Harnröhre<br />

(Cystocele) und Enddarm (Rektocele), die<br />

sowohl mit Kontinenzproblemen als auch<br />

mit Entleerungsstörungen einhergehen<br />

können. Ca. 30 – 40 Prozent der Frauen<br />

mit POP haben auch eine Harninkontinenz<br />

Christine Stelzhammer, MEd<br />

arbeitet an der Fachhochschule<br />

Campus Wien und<br />

ist darüber hinaus freiberuflich<br />

tätig. Ihr fachlicher Schwerpunkt<br />

liegt in der Inkontinenztherapie<br />

und den angrenzenden<br />

Fachbereichen. Sie ist<br />

Vorstandsmitglied der Medizinischen<br />

Kontinenzgesellschaft<br />

Österreich und vertritt dort die<br />

Sichtweise der <strong>Physio</strong>therapie.<br />

Christine Stelzhammer ist<br />

Mitglied des fachlichen Netzwerks<br />

Uro-Prokto-Gynäkologie<br />

und Geburstshilfe.<br />

physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 7


Themenschwerpunkt Becken<br />

und/oder -drangproblematik, was auf der<br />

Basis der geänderten anatomischen Verhältnisse<br />

nachvollziehbar ist. Obstipation tritt als<br />

Symptom auf, wird jedoch in Folge vermehrter<br />

Pressmanöver in einigen Studien auch<br />

als verursachender Faktor genannt.<br />

Der Einfluss der Schwerkraft kann bei POP<br />

sehr deutlich sein, sodass die Symptomatik<br />

häufig in der zweiten Tageshälfte deutlicher<br />

wird bzw. Entlastungsstellungen Linderung<br />

bringen können. Die Wahl von geeigneten<br />

Positionen kann auch eventuell vorhandene<br />

Schmerzen beim Geschlechtsverkehr<br />

reduzieren.<br />

Als objektiver Befund wird von ÄrztInnen<br />

häufig die Beurteilung der vorhandenen<br />

passiven Fixierung der inneren Organe während<br />

des Valsalvamanövers herangezogen.<br />

Mit dieser Testmethode, welche Aktivität des<br />

Beckenbodens ausschließt, können Verbesserungen<br />

der aktiven Stabilisierung und im<br />

Bereich der Muskulatur nicht unter Beweis<br />

gestellt werden. Dies hat in der Vergangenheit<br />

auch dazu geführt, dass der Evidenzlevel<br />

für Beckenbodentraining mit 2 eingestuft<br />

wurde.<br />

Im Überblick betrachtet kommen derzeit<br />

vier verschiedene therapeutische Ansätze<br />

zum Einsatz:<br />

1<br />

Operationen<br />

Die Anzahl an verschiedenen Operationsmethoden<br />

ist sehr groß und ständig in<br />

Weiterentwicklung begriffen. Generell wird<br />

zwischen Operationen mit abdominellen und<br />

vaginalem Zugang unterschieden. Zu den<br />

»Klassikern« zählen die Raffung der vorderen<br />

oder hinteren Scheidenwand (vordere oder<br />

hintere Kolporraphie) und die Fixation der<br />

Gebärmutter am Kreuzbein mittels Einbringung<br />

eines Kunststoffnetzes (Kolposakropexie).<br />

In aktuellen Studien wird für Frauen die<br />

Wahrscheinlichkeit sich im Lauf des Lebens<br />

einer Operation unterziehen zu müssen mit<br />

11% angegeben, wobei ca. ein Drittel der<br />

operierten Patientinnen in den Folgejahren<br />

eine zweite Operation benötigt.<br />

2<br />

Pessare<br />

Bei der Pessartherapie werden ringförmige<br />

oder würfelähnliche Kunststoffprodukte in<br />

die Vagina eingeführt, die je nach Modell<br />

und Selbstständigkeit der Patientin unterschiedliche<br />

Liegedauer haben. Stundenweises<br />

Tragen (bei sportlicher Belastung)<br />

oder Verwendung während des Tages mit<br />

Entfernung in der Nacht setzen gute Beweglichkeit<br />

und Geschicklichkeit der Patientin<br />

voraus, beim Fehlen dieser Voraussetzungen<br />

gibt es auch die Möglichkeit einer langen<br />

Liegedauer (mehrere Wochen bis Monate) in<br />

Kombination mit regelmäßigen ärztlichen<br />

Kontrollen. Obwohl die Pessartherapie häufig<br />

und mit gutem Erfolg verwendet wird, gibt<br />

es wenige Langzeitstudien, weshalb der<br />

Evidenzlevel durch die ICS nur mit 2 eingestuft<br />

wird. Der Vergleich dieser Therapieoption<br />

mit anderen Interventionen ist zurzeit<br />

noch nicht vorhanden. Für die Auswahl<br />

des richtigen Pessartyps stehen zwar viele<br />

Studien, aber nur ein Randomised Controlled<br />

Trial als Unterstützung zur Verfügung.<br />

3<br />

Beckenbodentraining<br />

Diese Maßnahme ist aus Sicht der <strong>Physio</strong>therapie<br />

nach wie vor der wichtigste<br />

Beitrag – mit oder ohne Unterstützung durch<br />

Biofeedback oder Elektrotherapie. Nach<br />

erfolgter Sicherstellung einer korrekten<br />

Aktivierung ist neben der Kräftigung auch<br />

der beckenbodenschonende, ergonomische<br />

Umgang mit erhöhten intraabdominellen<br />

Kräften, z.B. beim Husten und Tragen,<br />

wesentlicher Teil der physiotherapeutischen<br />

Intervention. Das Ziel ist eine Erhöhung von<br />

Kraft, Ausdauer, Koordination und Funktion.<br />

Gerade für die Verkleinerung der Levatoröffnung<br />

(der Bereich zwischen den beiden<br />

Puborectalismuskeln) ist eine Hypertrophie<br />

des Muskels und die damit verbundene<br />

Raumforderung als wertvoller Bestandteil<br />

der Therapie zu sehen. Beckenbodentraining<br />

ist als Maßnahme effektiv, wobei Studien zu<br />

Langzeitergebnissen derzeit noch fehlen.<br />

Für die Bewertung der Evidenz wurde bereits<br />

2012 eine Änderung beschlossen, sodass<br />

ab <strong>2013</strong> ein Level of Evidence 1 und Grade<br />

of Recommendation A in den Richtlinien<br />

der ICS zu finden sein werden.<br />

4<br />

Lifestyle Interventionen<br />

Diese umfassen Reduktion des Bauchumfangs,<br />

Einschränkung von starker physischer<br />

Belastung und Behandlung einer ev. vorhandenen<br />

Obstipation, sind jedoch derzeit noch<br />

nicht mit Studien bezüglich ihrer Effektivität<br />

untersucht. Auch zur häufig erwähnten<br />

Verwendung von Hormonsalben finden sich<br />

keine Empfehlungen, die durch Studien<br />

belegt sind.<br />

Eine interessante Beobachtung ist, dass in<br />

Langzeitstudien bei Patientinnen mit Stage I<br />

auch ohne Therapie eine Verbesserung<br />

gemessen werden konnte, die je nach<br />

Lokalisation bei 22 – 48% lag. Bei den<br />

Ausprägungsgraden II und III konnte eine<br />

Reduktion nur mehr bei 0 – 9% der untersuchten<br />

Frauen beobachtet werden.<br />

Eine <strong>2013</strong> publizierte Studie, die jedoch<br />

nur an 37 Patientinnen durchgeführt wurde,<br />

untersucht die Auswirkung einer POP-Operation<br />

auf den Beckenboden. Drei Monate<br />

postoperativ zeigt sich eine Verbesserung<br />

der EMG-Aktivität der Muskulatur im<br />

Vergleich zur Aktivität vor der Operation.<br />

Gemessen wurden die Parameter der MVC<br />

(maximum voluntary contractrion) und kurze,<br />

schnelle Kontraktion über einen Zeitraum<br />

von 6 Sekunden. Die Patientinnen erhielten<br />

kein Beckenbodentraining und nahmen auch<br />

keine Veränderung der sportlichen Aktivitäten<br />

im Vergleich zum Status vor der Operation<br />

vor.<br />

Die naheliegende Fragestellung, ob sich<br />

äquivalent dazu auch eine Verbesserung<br />

der Muskelaktivität durch Verwendung eines<br />

Pessars erreichen ließe, bzw. ob das Training<br />

und der Einsatz der Beckenbodenmuskulatur<br />

durch dessen Verwendung im Alltag eine<br />

Steigerung erfahren können, ist aus heutiger<br />

Sicht nicht beantwortbar, da diesbezügliche<br />

Studien noch nicht vorliegen.<br />

8 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


SENKUNGSZUSTÄNDE<br />

Christine Stelzhammer, MEd<br />

© Helmut Wallner<br />

Zusammenfassung<br />

der »Levels of Evidence« und<br />

»Grades of Recommendation« für<br />

Therapeutische Interventionen<br />

gemäß ICS (basierend auf dem<br />

Oxford System)<br />

Evidence<br />

Es kann sowohl die Wirksamkeit<br />

als auch die Nicht-Wirksamkeit<br />

einer Therapie durch Evidenz<br />

bewertet werden<br />

LEVEL 1<br />

Metaanalysen randomisiertkontrollierten<br />

Studien (RCT)<br />

oder zumindest ein qualitativ<br />

hochwertiges RCT<br />

LEVEL 2<br />

Ein RCT von niedriger Qualität<br />

oder Metaanalysen prospektiver<br />

Kohortenstudien von hoher<br />

Qualität<br />

LEVEL 3<br />

Retrospektive Fall-Kontrollstudien<br />

von guter Qualität oder<br />

Fallserien von guter Qualität<br />

LEVEL 4<br />

Expertenmeinung<br />

Recommendation<br />

GRADE A<br />

Basiert meistens auf Level 1 Evidence,<br />

in klinischen Behandlungspfaden<br />

eingebaut mit starker Empfehlung<br />

diese Therapie zu wählen<br />

GRADE B<br />

Mehrheitlich liegen Level 2 Studien<br />

zugrunde, die Evidence ist vor allem<br />

auf Basis von RCT s gegeben<br />

GRADE C<br />

die Evidence begründet sich vor<br />

allem auf Studien mit Level 2 und 3<br />

oder Expertenmeinung<br />

GRADE D<br />

bedeutet, dass keine Empfehlung<br />

abgegeben werden kann.<br />

LITERATUR<br />

www.ics.org/Publications/ICI_4/book.pdf<br />

Braekken I., Majida M., Ellström Eng M.,<br />

Holme I., Bo K. (2009): Pelvic floor<br />

function is independently associated<br />

with pelvic organ prolapse. BJOG<br />

2009;(116):1706-1714;<br />

DeLancey J.O.L. (2005):<br />

The hidden epidemic of pelvic floor<br />

dysfunction: Achievable goals for<br />

improved prevention and treatment.<br />

Am J Obstet Gynecol(2005);(192):1488-95;<br />

Bugge D., Adams EJ., Gopinath D.,<br />

Reid F. (<strong>2013</strong>): Pessaries (mechanical<br />

devices) for pelvic organ prolapse in<br />

women (Review) (<strong>2013</strong>) The Cochrane<br />

Collaboration<br />

physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 9


Themenschwerpunkt Becken<br />

Der Beckenboden im Tanz –<br />

ein zuverlässiger Partner?<br />

Professionelle Tänzerinnen vereinen Kunst und<br />

Hochleistungssport in ihrem Beruf. Mit einem<br />

hohen täglichen Trainingspensum und einem<br />

großen Repertoire an Sprüngen zählt der Tanz<br />

zu den »High-Impact«-Sportarten und stellt<br />

eine hohe Belastung für den Beckenboden dar.<br />

Wissen um mögliche Prävention und gezielte Muskelarbeit,<br />

die ins tägliche Tanztraining inkludiert werden kann,<br />

sollten so früh wie möglich Anwendung finden, um<br />

Beckenbodenbeschwerden vorzubeugen und eine<br />

uneingeschränkte Tanzkarriere zu ermöglichen.<br />

Urinale Stressinkontinenz ist der Definition zufolge das<br />

unfreiwillige Harnlassen unter plötzlichem Druckanstieg<br />

im Becken wie im Falle von Husten, Niesen oder auch<br />

Lachen. Die Prävalenz liegt in der Normalbevölkerung<br />

zwischen 10 und 55% bei Frauen zwischen 15 und 64<br />

Jahren. Vor allem »High-Impact«-Sportarten weisen eine<br />

drastisch erhöhte Prävalenz auf. Es handelt sich dabei<br />

um Leistungssportarten wie Trampolinspringen (80%<br />

Prävalenz), diverse Tanz- und Gymnastikstile (40-56%),<br />

sowie manche Ballsportarten (17-30%). Der Harnverlust<br />

tritt bei annähernd allen Sportlerinnen während des<br />

Trainings auf, bei 50% der Betroffenen auch während<br />

Wettkämpfen oder Vorstellungen. Zwar zeigt sich die<br />

Harninkontinenz häufiger während der sportlichen Aktivität,<br />

sie kann aber auch den Alltag beeinträchtigen.<br />

Stressinkontinenz bei Sportlerinnen im Allgemeinen und<br />

Tänzerinnen hier im Besonderen bedeutet emotionalen<br />

und psychischen Stress. Sie beeinflusst nicht nur maßgeblich<br />

die sportliche Leistung sondern auch das<br />

körperliche Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl<br />

der typischerweise sehr jungen Sportlerinnen.<br />

Ursachen<br />

Den Einfluss der Trainingsintensität zeigten Vitton et al.<br />

(2011): Sportlerinnen, die mehr als acht Stunden trainieren,<br />

zeigen eine signifikant höhere Prävalenz urinaler und<br />

analer Inkontinenz als Sportlerinnen mit weniger als acht<br />

Trainingsstunden pro Woche (UI: 33.1% vs. 18.3%,<br />

p=0.001; AI: 14.8% vs. 4.9%, p=0.001). Anale Inkontinenz<br />

äußerte sich in ihrer Studie vor allem als Flatulenz (84%).<br />

Bestätigt wurde dies von Borin, Nunes und Guirro (2012).<br />

Ihre Untersuchungen zur physiologischen Funktion des<br />

Beckenbodens von gesunden Sportlerinnen zeigten<br />

einen deutlichen Zusammenhang zwischen perinealem<br />

Druck und der Trainingsintensität. Je höher die Trainingsintensität,<br />

desto weniger stark konnte der Beckenboden<br />

kontrahieren. Die Häufigkeit des unfreiwilligen Harnabganges<br />

während sportlicher Belastung stieg ebenso wie<br />

der nächtliche Harndrang und die Häufigkeit des Harndranges.<br />

Sport ist folglich zwar gesundheitsfördernd,<br />

im Hochleistungsbereich bringt er jedoch auch negative<br />

Auswirkungen auf den Beckenboden im Sinne einer<br />

Dysfunktion mit sich. Studien von Kruger, Dietz, Murphy<br />

und Heap zeigten 2005 und 2007 mittels MRT und Ultraschall<br />

bei Sportlerinnen eine stärkere Absenkung des<br />

Blasenhalses beim Valsalva Manöver, einen messbar<br />

größeren Hiatus-Bereich und eine Hyperthrophie des<br />

M. levator ani.<br />

Judith Elisa Kaufmann<br />

Direktorin Body, Art & Expression,<br />

Schule für darstellende Kunst & Akademie<br />

für Tanzpädagogik und Tanzmedizin,<br />

Leitung tamed Österreich. Ehemalige<br />

klassische Tänzerin und Schauspielerin;<br />

Regisseurin, Choreographin, Ballettmeisterin,<br />

Autorin und Dozentin für<br />

Tanzmedizin in D, GB, USA, Israel,<br />

Palästina und Ö.<br />

Anita Kiselka, MSc<br />

setzt sich als <strong>Physio</strong>therapeutin aktiv<br />

für die Gesundheitsförderung von<br />

TänzerInnen ein, seit 2012 auch in ihrer<br />

Funktion als Vorstand von tamed e. V.<br />

und seit <strong>2013</strong> als Junior Researcher<br />

an der FH St. Pölten.<br />

10 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


TANZMEDIZIN<br />

Judith Elisa Kaufmann, Anita Kiselka, MSc<br />

© Ingrid Kiselka<br />

physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 11


Themenschwerpunkt Becken<br />

© Ingrid Kiselka<br />

Es mag erstaunlich erscheinen, dass bei Sportlerinnen<br />

und gerade bei Tänzerinnen im Ballett und gymnastischen<br />

Leistungssport die Prävalenz von Beckenbodenbeschwerden<br />

und Stressinkontinenz sehr hoch ist. Nicht nur wird<br />

gerade diesen Frauen höchster Trainingsstatus zugeschrieben,<br />

sondern grundlegende muskuläre Prinzipien<br />

des Tanzes stehen in direktem Zusammenhang mit der<br />

Beckenbodenmuskulatur und müssten folglich beispielsweise<br />

über das En Dehors oder »Turn-ou«, der Außenrotation<br />

des Beines aus der Hüfte, täglich trainiert<br />

werden. Die dennoch erhöhte Rate der Stressinkontinenz<br />

resultiert unter anderem daraus, dass Leistungssportarten<br />

mit hohem Sprunganteil die Prävalenz von Beckenbodenbeschwerden<br />

stark erhöhen. Vergleicht man beispielweise<br />

die Prävalenz von 0% im Golfsport mit der<br />

Prävalenz urinaler Inkontinenz im Trampolinspringen<br />

von 80%, so ist der Anteil des Springens an der jeweiligen<br />

Sportart ein Wertungskriterium.<br />

Doch nicht allein das Springen ist Grund für die erhöhte<br />

Stressinkontinenz bei Tänzerinnen. Auch eine reduzierte<br />

Flexibilität des Fußes könnte aufgrund mangelnder<br />

Schock absorbierender Wirkung die Leistungsfähigkeit<br />

des Beckenbodens beeinträchtigen. Obwohl Tänzerinnen<br />

ihre Profession auf die Gesundheit ihrer Füße stützen,<br />

wird vielfach wenig dafür getan, die Füße bewusst zu<br />

trainieren und für die Anforderungen des Tanzes fit zu<br />

machen bzw. zu erhalten. Das typische Schuhwerk, das<br />

aus Tanzschuhen mit oft sehr hohen Absätzen, weichen<br />

Schläppchen oder Spitzenschuhen besteht und nicht die<br />

geringste Schockabsorption bietet, sowie für den Tanz<br />

zu harte und somit ungeeignete Böden, können die Belastung<br />

für den Beckenboden noch weiter erhöhen.<br />

Aufgrund der körperlichen Anforderungen werden im<br />

Rahmen der Eignungstests besonders häufig Tänzerinnen<br />

mit einer generalisierten Hypermobilität für diesen Beruf<br />

ausgewählt. Eine Untersuchung von Bø et al. (1994) liefert<br />

Hinweise darauf, dass im Falle ausreichend kräftiger Beckenbodenmuskulatur<br />

eine dennoch vorliegende Inkontinenz<br />

durch ein benignes Hypermobilitäts-Syndrom erklärt<br />

werden kann. Nicht wenige Tänzerinnen haben damit zu<br />

kämpfen, ihre Hypermobilität über muskuläre Stabilisation<br />

so weit auszugleichen, dass ihr Körper gesund<br />

und leistungsfähig bleiben kann. Während Beine, Füße<br />

und Rücken über das natürliche Maß hinaus flexibel<br />

gehalten werden, muss sich das Becken dieser Mobilität<br />

als stabiles Zentrum entgegensetzen. Seine elastisch-reaktive<br />

Funktionalität und Flexibilität zu erhalten<br />

ist eine Herausforderung.<br />

Conclusio<br />

Der Beckenboden einer Tänzerin ist gemäß ihres Trainingszustandes<br />

hoch trainiert, und die gesamte Muskulatur<br />

weist eine viel höhere Grundspannung auf. Der<br />

im MRT sichtbar als Kuppel in den Bauchraum hochgewölbte<br />

Beckenboden ist an der täglichen Atmung und<br />

Bewegung wie Gehen und Laufen beteiligt. Voraussetzung<br />

dafür, dass er die Organe des Bauches nach dem<br />

Einatmen wieder in ihre Lage zurückhebt, ist seine Fähigkeit<br />

zu schwingen, sich Bewegungen wie Atmen<br />

oder Gehen anzupassen und auch bei raschen Druckveränderungen<br />

einem Druckanstieg im Bauchraum<br />

vorab entgegenzuwirken. Diese Anpassungsfähigkeit<br />

resultiert nicht ausschließlich aus einem hohen Muskeltonus<br />

und trainierter Kontraktionsbereitschaft, sondern<br />

eben auch aus einer funktionalen Flexibilität. Ein<br />

durch das tägliche Training übertrainierter Beckenboden<br />

kann dafür jedoch einen zu hohen Muskeltonus<br />

aufweisen. Dieser »harte« oder »steife« Beckenboden<br />

erscheint aus diesem Blickwinkel betrachtet als Nachteil<br />

in einem an sich gesunden Sportlerleben. Kommt<br />

es zu raschen Druckveränderungen, wie beim Abspringen,<br />

Landen oder während einer Hebung, könnte die<br />

nötige zusätzliche Spannungserhöhung in der mehrschichtigen<br />

Muskelkuppel zu spät oder gar nicht mehr<br />

zum Einsatz kommen.<br />

12 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


Therapie & Prävention<br />

Gezieltes Beckenbodentraining ist auch bei Sportlerinnen<br />

eine effektive Präventions- und Rehabilitationsmaßnahme<br />

für Stressinkontinenz. Aufgrund der veränderten Morphologie<br />

und Funktion empfehlen sich bei Sportlerinnen oft<br />

jene Übungen, die die Flexibilität des Beckenbodens trainieren,<br />

sowie eine Kombination mit funktioneller Elektrostimulation<br />

und Biofeedback. Pessare und Vaginaltampons<br />

helfen außerdem, einem Harnverlust während des Springens<br />

und Laufens vorzubeugen. Im täglichen Tanztraining<br />

sollte deutlich mehr Wert auf eine bewusste Schulung der<br />

Atemtechnik im Bewegungsfluss gelegt werden, um dem<br />

Problem eines »zu steifen« Beckenbodens vorzubeugen<br />

und seine Flexibilität zu erhalten. Engagierte TrainerInnen<br />

und Ausübende von Gesundheitsberufen ermöglichen den<br />

Tänzerinnen in der Praxis, ihren Beckenboden durch den<br />

Einsatz von bewusstem Atemtraining gezielt flexibel zu<br />

halten, damit er auf hohe Anspannungen im Bauchraum<br />

reagieren kann und die hierbei so wichtige Stabilisation<br />

des Rumpfes unterstützen kann. Aufklärung und gezielte<br />

Initiativen für und durch Tanzschaffende und Gesundheitsberufe<br />

können dieses Tabuthema ans Licht und den betroffenen<br />

Tänzerinnen Hilfe bringen. Dafür setzt sich auch,<br />

tamed e. V. ein. Die größte deutschsprachige Organisation<br />

für Tanzmedizin fördert den interdisziplinären Austausch<br />

zwischen und die Vernetzung von Tanzschaffenden<br />

und Gesundheitsberufen. Im Rahmen des Projekts »tamed<br />

berät« werden Fragen zu tanzmedizinischen Themen<br />

beantwortet. Hier erhalten Tänzerinnen auch zum Thema<br />

Beckenboden, Schwangerschaft und Rückbildung im Tanz<br />

präventive und weiterführende Informationen.<br />

UPLEDGER<br />

INSTITUT<br />

ÖSTERREICH<br />

führend in den Ausbildungen:<br />

Upledger CranioSacral Therapie®<br />

Viszerale Manipulation nach Barral®<br />

Osteopathische Therapie und Heilkunde<br />

Ein Kursprogramm im Besonderen für die tägliche<br />

Praxis der <strong>Physio</strong>therapie.<br />

NEU im Programm: Die Osteopathieausbildung mit<br />

freier Modulwahl. Kostenlos anfordern unter:<br />

www.upledger.at<br />

LITERATUR<br />

Borin LC, Nunes FR, Guirro EC. Assessment of pelvic<br />

floor muscle pressure in female athletes.<br />

PM R. <strong>2013</strong>;5(3):189-93.<br />

Vitton V, Baumstarck-Barrau K, Brardjanian S, Caballe I,<br />

Bouvier M, Grimaud JC. Impact of high-level sport<br />

practice on anal incontinence in a healthy young female<br />

population. J Womens Health. 2011;20(5):757-63.<br />

Kruger JA, Dietz HP, Murphy BA. Pelvic floor function<br />

in elite nulliparous athletes. Ultrasound Obstet Gynecol.<br />

2007;30(1):81-5.<br />

Kruger JA, Murphy BA, Heap SW. Alterations in levator<br />

ani morphology in elite nulliparous athletes: a pilot study.<br />

Aust N Z J Obstet Gynaecol. 2005;45(1):42-7.<br />

Thyssen HH, Clevin L, Olesen S, Lose G. Urinary<br />

incontinence in elite female athletes and dancers.<br />

Int Urogynecol J Pelvic Floor Dysfunct. 2002;13(1):15-7.<br />

Bø K. Urinary incontinence, pelvic floor dysfunction,<br />

exercise and sport. Sports Med. 2004;34(7):451-64.<br />

Nygaard IE, Glowacki C, Saltzman CL. Relationship<br />

between foot flexibility and urinary incontinence in<br />

nulliparous varsity athletes. Obstet Gynecol.<br />

1996;87(6):1049-51.<br />

Bø K, Stien R, Kulseng-Hanssen S, Kristofferson M.<br />

Clinical and urodynamic assessment of nulliparous<br />

young women with and without stress incontinence<br />

symptoms: a case-control study. Obstet Gynecol.<br />

1994;84(6):1028-32.<br />

Da Roza T, de Araujo MP, Viana R, Viana S, Jorge RN,<br />

Bø K, Mascarenhas T. Pelvic floor muscle training to<br />

improve urinary incontinence in young, nulliparous<br />

sport students: a pilot study. Int Urogynecol J. 2012;<br />

23(8):1069-73.<br />

Rivalta M, Sighinolfi MC, Micali S, De Stefani S,<br />

Torcasio F, Bianchi G. Urinary incontinence and sport:<br />

first and preliminary experience with a combined pelvic<br />

floor rehabilitation program in three female athletes.<br />

Health Care Women Int. 2010;31(5):435-43.<br />

Upledger Institut Österreich<br />

Sparbersbachg. 63 | 8010 Graz<br />

Tel.: 0316/84 00 50-0<br />

E-Mail: office@upledger.at<br />

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physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 13<br />

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Themenschwerpunkt Becken<br />

SCHWANGERSCHAFT<br />

Maria Schwingenschlögl, MSc<br />

© Ilike - Fotolia.com<br />

Maria Schwingenschlögl, MSc<br />

ist freiberufliche <strong>Physio</strong>therapeutin<br />

mit Abschluss des Masterlehrgangs<br />

»evidenzbasiertes Arbeiten in der<br />

<strong>Physio</strong>therapie«. Sie leitet den Fachskype/Journal<br />

Club im fachlichen<br />

Netzwerk Uro-Prokto-Gynäkologie<br />

und Geburtshilfe.<br />

Beckenboden-Krafttraining<br />

während der Schwangerschaft?<br />

Evidenz am Beispiel der Studie: Salvesen KÅ, Mørkved<br />

S. Randomised controlled trial of pelvic floor muscle<br />

training during pregnancy. BMJ 2004;329:378-80<br />

Intensives Beckenbodentraining während<br />

der Schwangerschaft kann urinarer Inkontinenz<br />

während der Schwangerschaft und<br />

nach der Geburt vorbeugen. Unter GeburtshelferInnen<br />

ist jedoch das Gerücht verbreitet<br />

dass ein starker Beckenboden, wie z.B.<br />

bei Reiterinnen, die Geburt behindert.<br />

Ziel der Studie ist die Untersuchung des<br />

Effekts von Beckenboden-Krafttraining<br />

(Pelvic Floor Muscle Training=PFMT) auf<br />

die Geburt.<br />

Methodik<br />

In dem singlel-blinded RCT wurden 301<br />

gesunde Erstgebärende in eine Interventionsgruppe<br />

(n=148) und eine Kontrollgruppe<br />

(n=153) eingeteilt. Die Interventionsgruppe<br />

trainierte zwischen der 20. und 36. Schwangerschaftswoche<br />

12 Wochen lang einmal die<br />

Woche für 60 Minuten unter Anleitung einer<br />

<strong>Physio</strong>therapeutin . Zusätzlich wurden die<br />

Schwangeren angewiesen, zweimal täglich<br />

acht bis 12 intensive Beckenboden-Kontraktionen<br />

durchzuführen. Die Schwangeren in<br />

der Kontrollgruppe bekamen eine allgemeine<br />

Information und von der Durchführung eines<br />

PFMT wurde ihnen nicht abgeraten.<br />

Main outcome measures waren die Dauer<br />

der Austreibungsphase in Minuten und die<br />

Anzahl der Geburten, bei denen die Austreibungsphase<br />

länger als 60 Minuten dauerte,<br />

bei Spontangeburten ab der 38. Schwangerschaftswoche<br />

mit Schädellage und Schwangerschaft<br />

mit einem Kind.<br />

Ergebnisse<br />

Die Schwangeren in der Interventionsgruppe<br />

haben eine niedrigere Rate einer verlängerten<br />

Austreibungsphase (22 von 105 Frauen)<br />

als in der Kontrollgruppe (37 von 109<br />

Frauen). Es gab einen Unterschied in der<br />

Dauer der Austreibungsphase zwischen den<br />

zwei Gruppen (40 min vs. 45 min, P=0,06),<br />

allerdings ist dieser nicht statistisch<br />

signifikant.<br />

In der Interventionsgruppe kamen weniger<br />

Steißlagen vor (1 vs 9, P=0,01) und es traten<br />

weniger Episiotomien (51% vs 64%) auf.<br />

Vaginale operative Geburten unterschieden<br />

sich nicht.<br />

Diskussion<br />

PFMT während der Schwangerschaft führt<br />

zu einer verbesserten Muskelkontrolle und<br />

zu kräftiger, flexibler Muskulatur. Die Autorinnen<br />

meinen, dass diese Effekte in Zusammenhang<br />

mit dem zentralen Nervensystem<br />

und der Muskulatur stehen und Training eher<br />

zu erleichtern als zu behindern scheint.<br />

Der Unterschied bei den Steißlagen (1:9)<br />

wurde als möglicher Zufallsbefund interpretiert.<br />

Dies könnte damit zusammenhängen,<br />

dass die Schwangeren in unterschiedlichen<br />

Positionen trainiert haben.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Intensives Beckenbodentraining während<br />

der Schwangerschaft scheint die Geburt<br />

eher zu erleichtern als zu erschweren und<br />

könnte eine verlängerte Austreibungsphase<br />

bei einer von acht Frauen vorbeugen.<br />

Klinische Relevanz<br />

Einen wichtigen Stellenwert in der physiotherapeutischen<br />

Befunderhebung stellt die<br />

Untersuchung des (Spannungs-)Zustands<br />

und der Funktion des Beckenbodens dar:<br />

Z.B. mittels vaginaler Palpation nach dem<br />

PERFECT Schema mit Überprüfung der Entspannungsfähigkeit,<br />

um entsprechend individuelle<br />

Therapiemaßnahmen und Training zu<br />

planen. Die Studie zeigt dass PFMT während<br />

der Schwangerschaft zur Prävention und<br />

Behandlung von Urininkontinenz sinnvoll ist.<br />

Dies sollte unter Berücksichtigung der für die<br />

Geburt notwendigen Entspannungsfähigkeit<br />

des Beckenbodens erfolgen.<br />

LITERATUR<br />

Laycock J, Brown J, Cusack C, et al.<br />

Pelvic floor reeducation for stress incontinence:<br />

comparing three methods.<br />

Br J Community Nurs.<br />

2001;6(5):230-237.<br />

14 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


FACHLICHES NETZWERK<br />

Elisabeth Udier, MSc<br />

Das fachliche Netzwerk UroProktoGynäkologie<br />

und Geburtshilfe stellt sich vor<br />

Etwa 50 <strong>Physio</strong>therapeutInnen in allen Bundesländern<br />

engagieren sich im Rahmen des fachlichen Netzwerks<br />

Uro- Prokto- Gynäkologie und Geburtshilfe.<br />

Das fachliche Netzwerk »UroProktoGyn« hat Mitglieder –<br />

mit Ausnahme des Burgenlandes – in allen Bundesländern.<br />

Wir sind mittlerweile ca. 50 <strong>Physio</strong>therapeutInnen.<br />

Das Aufgabengebiet in diesem Bereich ist vielfältig und<br />

streckt sich von Inkontinenz über Senkung und Prostatabeschwerden<br />

bis zum Beckenschmerz und Dysfunktionen<br />

in der Sexualität. Auch Information und Aufklärung<br />

der Bevölkerung hat immer noch einen sehr hohen<br />

Stellenwert, um auf die Problematik, die durch diese<br />

Krankheitsbilder entstehen, aufmerksam zu machen.<br />

Es gibt allerdings immer mehr ÄrztInnen, die bereits<br />

sehr sensibel in diesem Bereich untersuchen und mit uns<br />

zusammenarbeiten. <strong>Physio</strong>therapie ist bei Belastungsinkontinenz<br />

first-line Therapie, auch bei Senkung ist sie<br />

auf 1A-Empfehlung »gestiegen«. Bei Beckenschmerz und<br />

Vulvadynie ist individuell zu befunden, in welchen Bereichen<br />

<strong>Physio</strong>therapie die Beschwerden verbessern kann.<br />

Aktuell werden bei weitem nicht allen PatientInnen in<br />

diesen Bereichen die Möglichkeiten der <strong>Physio</strong>therapie<br />

angeboten. Hier Aufklärungsarbeit zu leisten ist uns als<br />

Netzwerk sehr wichtig.<br />

Der Beckenboden spielt in unserem Bereich eine große<br />

Rolle als beeinflussbare Muskulatur, die - besonders<br />

bei Frauen durch die Geburt - oft schon einiges an<br />

Belastung erlebt hat.<br />

Zu den wichtigsten Faktoren, die eine beeinflussende<br />

Rolle spielen, zählen:<br />

Neurogene und vaskuläre Einflüsse<br />

°<br />

Umliegende Gelenke<br />

°<br />

Sowie Atmung und der Gesamtspannungszustand<br />

des<br />

°<br />

Körpers.<br />

Eine ganzheitliche Sichtweise in Kombination mit<br />

spezifischen Befundungskenntnissen macht die Basis<br />

des Therapieerfolges aus. Dieses Ganze, genauso<br />

wie bei anderen körperlichen Schmerzen oder Beschwerden,<br />

zu sehen und zu behandeln und auch zu<br />

artikulieren ist uns wichtig, damit das veraltete Bild<br />

vom Beckenbodentraining erweitert wird zu dem, was<br />

wir in der <strong>Physio</strong>therapie an Therapiemöglichkeiten<br />

nutzen können.<br />

In »Fachskypes« besprechen wir im Netzwerk regelmäßig<br />

Fallbeispiele oder Studien. Hier möchte ich<br />

Maria Schwingenschlögel ganz herzlich für die professionelle<br />

Aufbereitung der Skypeinhalte danken. Unser<br />

neuer Folder ist unter Kathi Meller im Fertigwerden<br />

und auf Kongressen sind wir sowohl aktiv als ReferentInnen<br />

als auch mit Fragen aus dem Publikum und im<br />

interdisziplinären Austausch aktiv.<br />

Laufend werden Artikel in Fachzeitschriften, wie<br />

Clinicum Urologie, Spektrum Urologie und Ärzteblatt<br />

veröffentlicht. Das Netzwerk ist ein tolles Team, wo<br />

jede und jeder, der möchte, kleine oder größere<br />

Aufgaben übernimmt und so erscheinen Artikel,<br />

entstehen Folder, Listen wer genau in welchem<br />

Bereich arbeitet, fachlicher Austausch, etc.<br />

Ich möchte mich bei allen Mitgliedern des fachlichen<br />

Netzwerkes für ihren Einsatz, die Präsenz bei<br />

Kongressen, etc. bedanken und freue mich schon<br />

auf unsere Tagung am 7. – 8. März 2014!<br />

© Fachliches Netzwerk UPG<br />

physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 15


Themenschwerpunkt Becken<br />

Neuerwerbungen<br />

der Bibliothek<br />

Literatur zum<br />

Schwerpunkt Becken<br />

R. Schliermann/V. Anneken/<br />

Th. Abel/T. Scheuer/<br />

I. Froböse (2014)<br />

Sport von Menschen<br />

mit Behinderung. Grundlagen,<br />

Zielgruppen, Anwendungsfelder.<br />

München: Urban & Fischer<br />

Verlag.<br />

J. Johnson (<strong>2013</strong>)<br />

Haltungsanalyse.<br />

Schritt für Schritt in Wort<br />

und Bild. 1. Auflage. München:<br />

Urban & Fischer Verlag.<br />

R. Tanzberger/A. Kuhn/G. Möbs/U. Baumgartner (<strong>2013</strong>):<br />

Der Beckenboden – Funktion, Anpassung<br />

und Therapie. 3. Auflage. München: Urban & Fischer Verlag.<br />

B. Carrière et al. (Hrsg.) (2012)<br />

Beckenboden. <strong>Physio</strong>therapie und Training.<br />

Stuttgart: Thieme Verlag.<br />

B. Carrière/C. M. Feldt (2006)<br />

The Pelvic Floor. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.<br />

U. Michaelis (2003)<br />

Beckenbodentraining für Männer.<br />

Harninkontinenz und Errektionsstörungen<br />

mindern und überwinden. München: Urban &Fischer.<br />

A. Heller (2002) Nach der Geburt. Wochenbett und<br />

Rückbildung. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.<br />

M. Nolan (2001)<br />

Professionelle Geburtsvorbereitung.<br />

Geburtsvorbereitungskurse erfolgreich planen,<br />

durchführen und bewerten. Bern: Verlag Hans Huber.<br />

R. Day/J. Fox/G. Paul-Taylor<br />

(<strong>2013</strong>)<br />

Neuromuskuloskelettale<br />

Tests. Ein Handbuch für<br />

<strong>Physio</strong>therapeuten. 1. Auflage.<br />

München: Urban & Fischer<br />

Verlag.<br />

A. Gottlob (<strong>2013</strong>)<br />

Differenziertes Krafttraining<br />

mit Schwerpunkt Wirbelsäule.<br />

4. Auflage. München:<br />

Urban & Fischer Verlag.<br />

R. Tanzberger/ A. Kuhn/<br />

G. Möbs/ U. Baumgartner<br />

(<strong>2013</strong>)<br />

Der Beckenboden –<br />

Funktion, Anpassung<br />

und Therapie. 3. Auflage.<br />

München: Urban & Fischer<br />

Verlag.<br />

S. Paoletti (2011)<br />

Faszien. Anatomie,<br />

Strukturen, Techniken,<br />

Spezielle Osteopathie.<br />

2. Auflage. München:<br />

Urban & Fischer Verlag.<br />

Kurse zum Schwerpunkt<br />

Viszerale Manipulation III, Urogenitaltrakt (2),<br />

Rektum und Becken, Hormonsystem<br />

1. Teil: 11. – 12.01.2014, 2. Teil: 25. – 26.01.2014<br />

Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Die weibliche Inkontinenz. Palpation als Grundlage für einen<br />

befundspezifischen Behandlungsaufbau bei weiblicher Inkontinenz<br />

und Senkungsbeschwerden.<br />

31.01. – 01.02.2014, Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Schwangerschaft und Geburtsvorbereitung.<br />

26. – 27.04.2014, Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Beckenboden. Grundlagenkurs.<br />

19. – 20.05.2014, Salzburg, FH Salzburg<br />

Wochenbett und Rückbildung.<br />

Das Heller-Konzept nach der Geburt.<br />

19. – 20.09.2014, Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Beckenbodenfunktionen/dysfunktionen/dysbalancen<br />

bei Frau und Mann. Das Heller-Konzept.<br />

20. – 23.10.2014, Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Apparateunterstütztes Feedback in der <strong>Physio</strong>therapie.<br />

Inkontinenz beim Mann: erkennen – behandeln –<br />

dokumentieren.<br />

24. – 25.10.2014, Graz, FH Joanneum<br />

Der anale Verschlussmechanismus.<br />

Funktion und Dysfunktion.<br />

21. – 22.11.2014, Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Viszerale Manipulation II, Bauchorgane + Urogenitaltrakt<br />

24. – 28.11.2014, Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Kursanmeldungen bitte schriftlich an<br />

bildungsreferat@physioaustria.at<br />

16 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


BERUFSSCHUTZ<br />

Mag. Patricia Otuka-Karner, Mag. Nicole Muzar<br />

Vor Gericht erkämpft:<br />

Mehr Sicherheit für PatientInnen<br />

§<br />

In einem von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, dem Bundesverband der <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />

Österreichs, angestrengten Prozess hat das Oberlandesgericht<br />

Wien vor wenigen Wochen eine Entscheidung getroffen und<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Recht gegeben. In der Rechtssache ging es darum,<br />

dass der Beklagte, ein Heilmasseur mit zahlreichen östlichen und<br />

westlichen Massageausbildungen, der sich selbst als »Wirbelsäulenspezialist«<br />

bezeichnete – mit einer von ihm entwickelten »Transformations-Wirbelsäulen-Therapie«<br />

die Soforthilfe bei Rückenschmerzen aller<br />

Art ermöglichen sollte –, warb. Dabei bot der Beklagte u.a. die Diagnose<br />

von Beckenschiefständen und therapeutischen Behandlungen<br />

wie z.B. Atemübungen und passiver Bewegungsübungen bei Wirbelsäulenproblemen<br />

an. Aufmerksam auf den Sachverhalt wurde <strong>Physio</strong><br />

<strong>Austria</strong> zum einen durch ehemalige PatientInnen des Beklagten, zum<br />

anderen auch durch <strong>Physio</strong>therapeutInnen, welche die Rechtmäßigkeit<br />

des Angebotes hinterfragten sowie durch Inserate des Beklagten in<br />

diversen Medien.<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> vertritt den Standpunkt, dass derartige Therapieangebote<br />

durch dazu rechtlich nicht befugte Personen für PatientInnen ein<br />

erhebliches Gesundheitsrisiko bedeuten können und zumindest zu<br />

einem Teil in den Vorbehaltstätigkeitsbereich der <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />

eingreifen und hat daher im Sinne des PatientInnen – und Berufsschutzes<br />

Klage beim Handelsgericht Wien eingebracht. Inhalt der<br />

Klage war, dass der Beklagte es zu unterlassen habe, »im geschäftlichen<br />

Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Leistungen, die Ärzten<br />

oder <strong>Physio</strong>therapeutInnen vorbehalten sind, insbesondere die Diagnose<br />

eines Beckenschiefstandes, das Ausfindigmachen der Ursachen<br />

chronischer Krankheiten, die Diagnoseerstellung und therapeutische<br />

Behandlungen bei Wirbelsäulenproblemen (z.B. Rückenschmerzen,<br />

Bandscheibenvorfall, Skoliose) sowie die Anordnung spezieller Atemübungen<br />

und passiver Bewegungsübungen gegenüber kranken oder<br />

krankheitsverdächtigen Personen anzukündigen oder anzubieten, sofern<br />

er nicht über die hierfür erforderliche Ausbildung des physiotherapeutischen<br />

Dienstes oder eine gleichwertige Ausbildung verfügt«.<br />

Gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien, das dem Klagsbegehren<br />

vollinhaltlich stattgab, hat der Beklagte Berufung erhoben. Mit Urteil<br />

vom 29.07.<strong>2013</strong> hat das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht<br />

das erstinstanzliche Urteil aber bestätigt. Dieses Urteil blieb unangefochten.<br />

Damit ist die Rechtssache rechtskräftig entschieden. Um auch<br />

den betroffenen Personenkreis über das Urteil <strong>inform</strong>ieren zu können,<br />

war die Veröffentlichung in Diversen Medien ebenfalls Teil des Klagsbegehrens.<br />

Es wurde festgehalten, dass der Beklagte gegenüber der<br />

klagenden Partei schuldig ist, den dem Unterlassungsbegehren stattgebenden<br />

Urteilsspruch für die Dauer von zwei Monaten auf seiner Webseite<br />

zu veröffentlichen. <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> wurde zudem ermächtigt, einen<br />

Teil des Urteilsspruchs auf Kosten des Beklagten in jeweils einer Ausgabe<br />

der Zeitschrift »Medizin Heute« (mittlerweile »Vorsorge«) – eine<br />

Beilage der Kronen Zeitung – (siehe Ausgabe Oktober <strong>2013</strong>), in einer<br />

Ausgabe von »Österreich« (siehe Ausgabe von 30. Oktober), sowie<br />

dem »<strong>inform</strong>« (siehe unten) auf Kosten des Beklagten veröffentlichen zu<br />

lassen. Die Übernahme der Verfahrenskosten durch den Beklagten versteht<br />

sich von selbst.<br />

Fest steht: Nicht nur für die PatientInnen, auch für die in Österreich<br />

tätigen <strong>Physio</strong>therapeutInnen ist dieses Urteil wesentlich, da ihnen<br />

durch derartige Therapieangebote von Unbefugten Schaden<br />

entstehen kann.<br />

GZ: 41 Cg 93/10z-52<br />

Im Namen der Republik<br />

Das Handelsgericht Wien erkennt durch die Richterin MMag. Liselotte Eckl in der Rechtssache<br />

der klagenden Partei P h y s i o A u s t r i a , Bundesverband der <strong>Physio</strong>therapeutinnen<br />

Österreichs, Linke Wienzeile 8/28, 1060 Wien, vertreten durch Ferner,<br />

Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH, Hellbrunner Straße 11, 5020 Salzburg, wider die<br />

beklagte Partei W a l t e r S a g a n , Heilmasseur, Hirschstettner Straße 19-21, C/2, 1220<br />

Wien, vertreten durch (zuletzt) Mag. Dr. Martin Dercsaly, Rechtsanwalt, Oppenheimgasse<br />

37/17/3, 1100 Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (EUR 41.000,--), nach<br />

durchgeführter mündlicher Streitverhandlung zu Recht:<br />

1. Der Beklagte ist gegenüber der klagenden Partei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu<br />

Zwecken des Wettbewerbes zu unterlassen, Leistungen, die Ärzten oder <strong>Physio</strong>therapeutinnen<br />

vorbehalten sind, insbesondere die Diagnose eines Beckenschiefstandes, das Ausfindigmachen<br />

der Ursachen chronischer Krankheiten, die Diagnoseerstellung und therapeutische<br />

Behandlung bei Wirbelsäulenproblemen (z.B. Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfall,<br />

Skoliose) sowie die Anordnung spezieller Atemübungen und passiver Bewegungsübungen<br />

gegenüber Kranken oder krankheitsverdächtigen Personen anzukündigen oder anzubieten,<br />

sofern er nicht über die hiefür erforderliche Ausbildung des physiotherapeutischen Dienstes<br />

oder eine gleichwertige Ausbildung verfügt und nicht zur freiberuflichen Ausübung nach dem<br />

Gesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz),<br />

BGBl. Nr. 460/1992 i.d.g.F., oder zur Ausübung des Arztberufes beruft ist, oder darauf hinweist,<br />

dass diese Leistungen nur von dazu befugten dritten Personen erbracht werden.<br />

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physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 17


Themenschwerpunkt Becken<br />

Der kleine Unterschied!<br />

Beckenbodenprävention für den Mann?<br />

Beckenbodentraining ist im Allgemeinen weiblich konnotiert.<br />

Zu Unrecht, wie die <strong>Physio</strong>therapie zeigt.<br />

Die Beschäftigung mit dem Becken und seiner Funktion<br />

von Ausscheidung und Sexualität ist nach wie vor in weiten<br />

Kreisen ein Tabuthema. Dies betrifft aber nicht nur<br />

die Masse der Bevölkerung, sondern auch die medizinische<br />

Welt. Die <strong>Physio</strong>therapie hat mittlerweile einen wissenschaftlich<br />

gesicherten Stand auf dem Gebiet der<br />

Arbeit im kleinen Becken: bei Belastungsinkontinenz ist<br />

sie in den Leitlinien von Fachverbänden als Methode mit<br />

Empfehlungsgrad A und Evidenzklasse 1A Standard<br />

verankert. Heuer wurde der <strong>Physio</strong>therapie von der International<br />

Incontinence Society das gleiche Level in der<br />

Behandlung von Organsenkungen im kleinen Becken<br />

zugesprochen. Für GynäkologInnen, ProktologInnen und<br />

UrologInnen heißt das, dass jede Maßnahme ohne 1A-<br />

Level, die bei Inkontinenz oder Senkungsbeschwerden<br />

vorgeschlagen wird, ohne vorherigen Versuch einer<br />

physiotherapeutischen Intervention, entgegen der evidenzbasierten<br />

Leitlinien vorgenommen wird.<br />

Der weibliche Beckenboden in der Prävention<br />

Es ist bekannt, dass es diverse Risikofaktoren gibt,<br />

die bei der Frau zur Entstehung von Symptomen im<br />

Beckenbereich führen können. Gesichert sind: Geburten,<br />

Adipositas, Alterungsprozesse – sie erhöhen die Gefahr<br />

im Laufe des Lebens Kontinenz- und Senkungsbeschwerden<br />

oder Schmerzsyndrome zu entwickeln.<br />

Aufgrund der weiblichen Anatomie – die im Unterschied<br />

zum Mann die Möglichkeit eröffnen muss, ein Baby durch<br />

das Becken hindurch in die Außenwelt zu entlassen –<br />

ist ein gehöriges Maß an Flexibilität gefordert. Im Laufe<br />

des Lebens kann es zu flexibel werden – mit allen entsprechenden<br />

Beschwerden. Präventives Training während<br />

und nach der Schwangerschaft hat gezeigt, dass<br />

es wirksam solchen Spätfolgen entgegenwirken kann.<br />

Und beim Mann?<br />

Die Gefahr eine Belastungsinkontinenz zu entwickeln hat<br />

der Mann nur in Folge eines Traumas: bei Riss-, Schnitt-,<br />

Stichverletzungen oder auch in Folge von Beckenringfrakturen<br />

kann es zu Störungen des Schließmuskelsystems<br />

kommen. Das häufigste Trauma, das zu einer<br />

Belastungsinkontinenz des Mannes führt, ist jedoch iatrogen:<br />

Die Verletzung des Harnröhrensphinkters aufgrund<br />

von Prostataoperationen oder –bestrahlungen.<br />

Deshalb ist präventives Beckenbodenmuskel-Training zur<br />

Vermeidung von Schließmuskeldefiziten beim Mann nicht<br />

wirklich sinnvoll. Es wäre vergleichbar mit der Empfehlung<br />

eines präventiven Quadricepstrainings, da man in<br />

ungewisser Zukunft unter Umständen einmal eine Meniscus-OP<br />

haben könnte.<br />

Ganz anders allerdings stellt sich die Lage in Bezug auf<br />

ein präoperatives Trainings bei geplanter Prostataentfernung<br />

dar: hier im Vorfeld aktiv zu sein, bringt dem Mann<br />

sehr viel. Schon allein das Kennenlernen und gezielte Ansteuern<br />

der Beckenbodenmuskeln hilft den Betroffenen<br />

in der postoperativen Situation. Allerdings handelt es<br />

sich hierbei natürlich nicht um Prävention, sondern ist<br />

Teil eines – noch viel zu wenig etablierten - interdisziplinären<br />

Behandlungskonzeptes um postoperativ schneller<br />

und effektiver das Training aufnehmen zu können.<br />

Andere Gründe für eine Beckenboden-Prävention<br />

des Mannes?<br />

Neben der Belastungsinkontinenz, die auf Trauma zurückgeht,<br />

kann der, vorwiegend ältere, Mann auch eine überaktive<br />

Blase entwickeln. Auch hier kann es zu Inkontinenz<br />

kommen, wenn es nicht gelingt, den »zu stürmischen«<br />

Blasenmuskel zu bändigen. Dies ist mögliche Folge einer<br />

neurologischen Erkrankung (wie bei MS, M. Parkinson<br />

u.v.m.). Aber auch die Prostata kann Ursache sein: eine<br />

gutartige Vergrößerung, die zu einem Engpass in der<br />

Urethra und daraufhin langfristig zu einem überaktiven<br />

Blasenmuskel führt. Ein Krafttraining der Beckenbodenmuskulatur<br />

hilft hier nicht und kann der Symptomatik<br />

auch nicht vorbeugen. Wobei natürlich Muskeltraining<br />

immer zur Verbesserung der Zirkulation (Blut und Lymphe)<br />

und damit auch zur Optimierung des allgemeinen<br />

Gewebezustands in der Region führt. Ob dies einer<br />

möglichen benignen Prostatahypertrophie entgegenwirkt,<br />

ist jedoch nicht bekannt.<br />

18 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


PRÄVENTION<br />

Markus Martin<br />

Markus Martin<br />

ist seit 1982 <strong>Physio</strong>therapeut,<br />

seit 1996 in eigener Praxis.<br />

Seit 2006 in Wien Entwickler<br />

der Methode »BM Balance -<br />

Moderne Prävention und Rehabilitation<br />

für Blase, Beckenboden<br />

und Prostata«.<br />

Seit 1994 Lehrtätigkeit in<br />

verschiedenen Fortbildungskursen.<br />

Mitglied der Fachgruppe<br />

Uro-, Prokto-,<br />

Gynäkologie und Geburtshilfe<br />

bei <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>.<br />

© Markus Bormann - Fotolia.com<br />

Prävention der erektilen Dysfunktion<br />

Studienmäßig belegt ist jedoch die positive Wirkung von<br />

Beckenboden-Training bei erektiler Dysfunktion (Sommer<br />

2004, van Kampen 2003). Welche Mechanismen hier<br />

wirken ist noch nicht bekannt; Claes und Baert hatten<br />

das Beckenbodenmuskel-Training 1993 bei Männern mit<br />

erektiler Dysfunktion und venösen Störungen untersucht<br />

und gute Erfolge erzielt. Aber auch eine verbesserte arterielle<br />

Versorgung mag die Erfolge begründen (die Erfolgsgeschichte<br />

der PDE5-Hemmer – »Viagra & Co.« – spricht<br />

für sich!). Auch die Spannkraft der Mm. bulbocavernosi<br />

und Mm. ischiocavernosi wird einen Teil dazu beitragen<br />

können, da sie zu einer intracavernösen Druckerhöhung<br />

führen dürfte. Regelmäßiges Training bewirkt bekanntlich<br />

nicht nur Spannungszunahme sondern damit einhergehend<br />

auch eine höhere Sensitivität in der Region.<br />

Schließlich dürfte der eine oder andere Mann die rhythmischen<br />

Kontraktionen bei der Ejakulation auch lustvoller<br />

empfinden, wenn diese Muskeln stärker ausgebildet sind.<br />

physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 19


Themenschwerpunkt Becken<br />

Quelle: Wikicommons<br />

Was jedoch die Evidenz der Prävention von erektiler<br />

Dysfunktion betrifft, so gibt es keine verlässlichen Untersuchungsergebnisse.<br />

Dass das Muskeltraining hier auch<br />

hilfreich sein könnte, ist insofern anzunehmen, als dessen<br />

Präventionswirksamkeit bei anderen Erkrankungen<br />

sowohl in der Phlebologie, Angiologie und natürlich<br />

Sportwissenschaft nachgewiesen ist. Angesichts der<br />

Tatsache, dass jeder 3. Mann ab dem 60. Lebensjahr<br />

von einer erektilen Dysfunktion betroffen ist, scheint ein<br />

präventives Training sinnvoll. Auch wenn diese Empfehlung,<br />

statistisch gesehen, schnell relativiert sein mag:<br />

Bei einer Prävalenz der erektilen Dysfunktion von ca. 20%<br />

der über 30-Jährigen empfindet dies nur ein Drittel der<br />

Betroffenen – und damit also ca. 7% aller Männer - auch<br />

als Leiden, dass sie therapeutisch angehen wollen (Braun<br />

2000). Diese Untersuchungsergebnisse könnten in ein<br />

paar Jahren aber ganz anders aussehen, wenn ein entsprechendes<br />

Präventionstraining einem breitem Publikum<br />

nahegebracht wird – denn wie viel Resignation und<br />

Beziehungswandlung aufgrund von »weichen« Tatsachen<br />

dürfte hier schon in die mittels Fragebogen erhobenen<br />

Zahlen mit eingeflossen sein?<br />

Wechseljahre des Mannes?<br />

Schlagworte, die seit einigen Jahren die Runde machen –<br />

das »Klimakterium virile« oder »Andropause« - lassen einen<br />

speziellen Lebensabschnitt des Mannes erscheinen, der<br />

mit hormoneller Umstellung analog zum Klimakterium der<br />

Frau beschrieben wird. Allerdings sollte sehr vorsichtig<br />

damit umgegangen werden, denn die Studienlage zeigt<br />

keine Verbindung zwischen Testosteron-Spiegel einerseits<br />

und Erektionsfähigkeit, Libido, allgemeiner Kraft und Gewebesituation<br />

auf der anderen Seite. So wird jetzt immer<br />

häufiger Testosteroneinsatz empfohlen (und auch verlangt),<br />

der sehr an die obligatorische Östrogen-Substitution bei<br />

der Frau der 90er Jahre erinnert und in dessen Folge die<br />

Brustkrebsrate deutlich anstieg. Bezüglich des Prostatakarzinoms<br />

ist Ähnliches zu befürchten. Daher sollten wir von<br />

Seiten der <strong>Physio</strong>therapie eher zurückhaltend sein, einer<br />

physiologischen Veränderung im Leben einen behandlungsbedürftigen<br />

Anstrich zu geben. Es sind keine Wechseljahre<br />

sondern Alterungsprozesse (beider Geschlechter!), die mit<br />

Hilfe präventiver oder begleitender physiotherapeutischer<br />

Maßnahmen ohne Einschränkung der Lebensqualität erlebt<br />

werden können. Hier ist unsere berufliche Stärke, mit<br />

einem zentralen Pluspunkt im Vergleich zu vermeintlich<br />

schnellen Lösungen mittels Pharmazie: <strong>Physio</strong>therapie<br />

von der Fachkraft ist (fast immer) nebenwirkungsfrei!<br />

20 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


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Themenschwerpunkt Becken<br />

Erregung als Störfaktor<br />

Unwissenheit, Unverständnis und Scham prägen<br />

oft die Reaktion gegenüber Patientinnen, die unter<br />

dem persistierenden sexuellen Erregungssyndrom<br />

leiden. Die <strong>Physio</strong>therapie kann bei dieser noch<br />

nahezu unbekannten Erkrankung, die die Lebensqualität<br />

massiv stört, helfen.<br />

Laut einer Studie von Thubert et al (2012), leiden 1% der<br />

Frauen an »Persistent Genital Arousal Disorder« (PGAD).<br />

Die Dunkelziffer ist vermutlich höher, weil Patientinnen<br />

nicht wissen, wer ihnen helfen kann – selbst viele UrologInnenen/GynäkologInnen<br />

haben noch nie von diesem<br />

Syndrom gehört. Diese Erkrankung ist auch bekannt als<br />

»persistierendes sexuelles Erregungssyndrom« (Resistent<br />

Sexual Arousal Syndrome=PSAS), oder »Female Sexual<br />

Arousal Disorder (FSAD)«. Das durchschnittliche Alter<br />

der Betroffenen liegt zwischen 35 und 54 Jahren. Das<br />

von Leiblum und Nathan (2001) erstmalig beschriebene<br />

Syndrom zeigt sich in einer ungewollten, persistierenden<br />

Erregung in der Genitalregion. Thubert et al (2012) fanden<br />

in einer systematischen Durchsuchung von 300 Artikeln<br />

37, die sich mit PGAD befassten. 67 Prozent der<br />

Betroffenen litten gleichzeitig an einer überaktiven Blase,<br />

bei 67% bestand ein Restless Legs Syndrom und 55%<br />

hatten Varizen im Becken.<br />

Die Patienteinnenwurden vor allem mit Medikamenten<br />

behandelt, allerdings oft erfolglos, manche erhielten<br />

zusätzlich psychologische oder kognitive Verhaltensbehandlung<br />

(Brotto et al 2010, Carvalho J., Verissimo A.,<br />

Nobre P.J. <strong>2013</strong>). In einer Studie von Leiblum S.R. und<br />

Seehuus M. (2009) gab es keine Beweise, dass die Betroffenen<br />

hypersexuell waren. Die Ursache für PGAD ist<br />

bisher unbekannt. <strong>Physio</strong>therapeutische Behandlung wird<br />

selten verordnet. Es gibt keine evidenzbasierten Studien,<br />

alle Behandlungen von ÄrztInnen beruhen auf empirischem<br />

Wissen.<br />

Im Folgenden wird die physiotherapeutische Behandlung<br />

einer 23jährigen Studentin beschrieben, die von der<br />

schwersten Form des PGAD (Leiblum und Chivers 2007)<br />

betroffen war und drei Monate lang erfolglos von einer<br />

Expertin für sexuelle Störungen und einem Neurologen<br />

behandelt worden war. Sie litt seit November 2012 unter<br />

ständiger ungewollter intensiver genitaler Erregung, sobald<br />

sich ihre Oberschenkel berührten. Sie konnte im<br />

Auto sitzend keine Vibration des Autos vertragen, ohne<br />

starkes Pulsieren in der Scheide zu haben und sie hatte<br />

Mühe sich beim Studium zu konzentrieren. Die Patientin<br />

war unglücklich über diese anhaltenden Symptome, sie<br />

konnte nicht auf der Seite schlafen und nur breitbeinig<br />

sitzen und gehen.<br />

Nach Angabe der Patientin wurden ihr folgende Medikamente<br />

ärztlich verordnet: Prozac, Sudafed, Skellaxin,<br />

Voltaren gel, Flector patches, Lyrica, Neurontin (gabapentin),<br />

Medrol Dosepack-zweimal und schließlich Botox<br />

Injektionen in die Musculi Piriformis, Obturator Internus<br />

Muskeln, und ins Impar Ganglion (oder Ganglion Impar).<br />

Sie bekam drei Injektionen in das rechte und zwei in<br />

das linke Gesäß, leider ohne Erfolg (danach Cipro,<br />

Naproxen, und Valtrex).<br />

<strong>Physio</strong>therapeutische Behandlung<br />

ANAMNESE<br />

Die Patientin erzählte, dass sie schon als Kind übersensibel<br />

war und sich nicht gerne anfassen ließ. Sie hatte<br />

manchmal Angstattacken, im Frühjahr 2012 einen genitalen<br />

Herpes, der geheilt war, sonst war sie gesund. Sie<br />

wurde nie missbraucht. Es war ihr peinlich, über das<br />

Problem zu sprechen, von dem sie betroffen war und<br />

das so unbekannt war.<br />

ZIEL DER BEHANDLUNG<br />

Alle betroffenen Systeme des Körpers in einen bestmöglichen<br />

Zustand zu bringen und der Patientin zu<br />

zeigen, wie sie sich selbst helfen kann (»empower«).<br />

BETROFFENE SYSTEME DER PATIENTIN<br />

°<br />

°<br />

°<br />

°<br />

Limbisches System<br />

Furcht und Frustration, Angst<br />

Autonomes Nervensystem (ANS)<br />

Sympathisch getrieben, dysreguliert.<br />

Die Patientin konnte nicht gut schlafen,<br />

hatte Schmerzen, hatte Verspannungen,<br />

einschließlich in der Beckenbodenmuskulatur.<br />

Sensorisches System<br />

Hyperaktiv, stark berührungsempfindlich,<br />

die Berührung ihre Oberschenkel löste unangenehme<br />

Erregung und Pochen in der Scheide aus.<br />

Vibrationen (beim Autofahren) waren besonders<br />

unangenehm.<br />

22 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


PGAD<br />

Beate Carrière<br />

Beate Carrière<br />

ist <strong>Physio</strong>therapeutin in den USA<br />

und Deutschland. Sie ist Certified<br />

Instructor Functional Kinetics (FBL),<br />

Certified Achievement Pelvic Pain<br />

sowie Autorin von Fachbüchern<br />

(»Beckenboden«, »Fitness für den<br />

Beckenboden« und »Der grosse Ball<br />

in der <strong>Physio</strong>therapie« und vielen<br />

Fachartikeln auf diversen Gebieten<br />

der <strong>Physio</strong>therapie.<br />

°<br />

°<br />

°<br />

°<br />

Zentralnervensystem<br />

Probleme mit Innervation der Muskeln (möglicherweise<br />

durch Botox), verkürzte Strukturen durch<br />

schlechte Haltung beim Gehen, Sitzen und Liegen.<br />

Beim Versuch ein Bein in Bauchlage anzuheben,<br />

spürte man deutlich Zucken im Musculus Glutaeus,<br />

aber keine richtige Anspannung der Muskulatur.<br />

Muskel/Skelettsystem<br />

Verspannte und verkürzte Muskeln, funktionelle<br />

Kontrakturen der Gelenke, besonders Hüften<br />

und Wirbelsäule.<br />

Kardio/Pulmonales System<br />

Fehlatmung, vermeidet Bauchatmung.<br />

Lymphsystem<br />

Neigt zu Schwellungen, vermutlich auch<br />

durch Medikamentennebenwirkungen ausgelöst.<br />

physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 23


Themenschwerpunkt Becken<br />

© Beate Carrière<br />

Die Patientin zeigte zu<br />

Beginn massive Reaktion<br />

auf Bindegewebsmassagen<br />

(li). Nach<br />

drei Wochen waren<br />

die Reaktionen bereits<br />

deutlich schwächer<br />

(re).<br />

Behandlungsschritte<br />

Die Patientin hatte die Medikamente reduziert,<br />

weil sie ihr nicht halfen. Sie nahm weiterhin<br />

Prozac und Gabapentin und wurde im<br />

März dreimal in der Woche behandelt, mit<br />

einer Woche Pause. Jede Behandlung wurde<br />

mit der Patientin besprochen und mit ihrer<br />

Zustimmung durchgeführt. Bindegewebsmassage<br />

löste eine starke Reaktion aus,<br />

sorgte aber bald für besseren Schlaf.<br />

Eine vorsichtige Mobilisation der Hüftgelenke<br />

und Wirbelsäule wurde durchgeführt.<br />

Atemübungen, um Entspannung des Körpers<br />

und Muskulatur zu erreichen, auch als Hausaufgabe.<br />

Die Patientin berichtete von besserem<br />

Schlaf, weniger Pochen in der Scheide,<br />

aber immer noch starker Übersensibilität.<br />

Sie berichtete, dass sie morgens in Seitenlage<br />

mit den Oberschenkeln aufeinander aufwachte,<br />

was erträglich war. Hin und wieder<br />

hatte sie Rückschläge, wenn zu viele oder zu<br />

lange Übungen vereinbart wurden oder<br />

Wahrnehmungstraining oder Dehnungen gemacht<br />

wurde. Jedesmal wurde besprochen,<br />

welche Übungen gut vertragen wurden und<br />

die Behandlung abgestimmt. Die Patientin<br />

lernte Selbstentspannung und sich selber an<br />

den Oberschenkeln zu berühren. Abgleichen<br />

der Berührung rechter und linker Oberschenkel<br />

wurde mit der Patientin geübt.<br />

Die Patientin fühlte sich innerhalb von ca.<br />

vier Wochen nach eigener Angabe um 25-<br />

30% gebessert. Sie begriff, dass die Heilung<br />

lange Zeit brauchte, weil ihre Muskeln im Beckenbereich<br />

noch Mühe hatten sich zu rekrutieren<br />

und sie immer noch stark<br />

berührungsempfindlich an den Oberschenkeln<br />

und am Becken war, sie konnte aber auf<br />

der Seite schlafen. Insbesondere nach der<br />

Bindegewebsmassage verbesserte sich ihr<br />

Schlaf, die Hautreaktion war deutlich vermindert.<br />

Die Patientin wurde zusätzlich psychotherapeutisch<br />

behandelt und die Krankenkasse<br />

genehmigte monatelang weitere physiotherapeutische<br />

Behandlungen. Inzwischen kann die<br />

Patientin normal gehen und sitzen, fühlt sich<br />

etwa 80% gebessert und kann zur Behandlung<br />

von Triggerpunkten in der verspannten Beckenbodenmuskulatur<br />

sogar intravaginale<br />

Behandlung vertragen. Die Patientin benötigt<br />

nur noch zwei Medikamente (Prozac und Neurontin)<br />

und ist zuversichtlich, auch diese in<br />

Kürze absetzen zu können.<br />

LITERATUR<br />

Carvalho J, Verissimo A, Nobre PJ.<br />

Cognitive and emotional determinants<br />

characterizing women with persistent genital<br />

arousal disorder. J.Sex Med. <strong>2013</strong> Jun;<br />

10 (6): 1549-58<br />

Brotto, LA, Bitzer J, Laan E, Leiblum S,<br />

Luria M. Women’s sexual desire and<br />

arousal disorders<br />

J Sex Med. 2010. Feb; 7: 856-614<br />

Leiblum SR, Nathan SG. Persistent sexual<br />

arousal syndrome: a newly discovered<br />

Pattern of female sexuality. J of Sex/<br />

Marital Therapy 2001 27; (4) 365-380<br />

Leiblum SR, Chivers ML. Normal and<br />

persistent genital arousal in women:<br />

new perspectives. J Sex Marital Ther.<br />

2007 Jul-Sep; 33 (4):357-73<br />

Leiblum SR, Seehuus M. FSFI scores of<br />

women with persistent genital arousl<br />

disorder compared with published scores<br />

of women with female sexual arousal<br />

disorder and healthy controls. J of Sex<br />

Med. 2009 FebÖ 6 (2):469-73<br />

ThubertT, Brondel M, Jousse M et al.<br />

Persistent genital arousal disorder: a<br />

systematic review.<br />

Prog Urol. 2012 Dec; 22 (17): 1043-50<br />

24 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


MTD-AUSTRIA<br />

Mag. Gabriele Jaksch<br />

Chance oder Risiko<br />

für MTD-Berufe?<br />

Gesundheitsreform, Gesundheitsziele,<br />

Primary Health Care – viele Schlagworte<br />

in der Gesundheitslandschaft!<br />

Mag. Gabriele Jaksch<br />

Präsidentin von MTD-<strong>Austria</strong>,<br />

formuliert grundlegende<br />

Vorschläge an die kommende<br />

Bundesregierung.<br />

Die Gesundheits- und Krankenbehandlung der österreichischen<br />

Bevölkerung steht unter anderem im Fokus der<br />

Reformen der kommenden Legislaturperiode. Je besser<br />

unser Informationsstand und je rascher unsere gemeinsamen<br />

Veränderungsvorschläge positioniert werden,<br />

umso positiver wird der zukünftige Diskurs für unsere<br />

Berufsgruppen.<br />

Der internationale Ansatz der WHO (Gesundheit 2020)<br />

und die nationalen Reformen sprechen sich für eine<br />

»erhebliche Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden<br />

der Bevölkerung, Abbau von Benachteiligungen<br />

im Gesundheitsbereich, Stärkung der öffentlichen<br />

Gesundheit und Gewährleistung bürgernaher Gesundheitssysteme,<br />

die flächendeckend sind und Chancengleichheit<br />

sowie qualitativ hochwertige Leistungen<br />

bieten« aus. Dafür ist eine Neuorientierung und Reorganisation<br />

notwendig, in der die Zuständigkeiten von ärztlichem<br />

und nicht-ärztlichem Bereich neu zu regeln und<br />

Ressourcen neu zu verteilen sind. Gesundheitsberufe<br />

haben ihr Qualifikationsprofil auf zukünftige Qualifikationserfordernisse<br />

hin zu überprüfen, anzupassen und unbedingt<br />

multiprofessionell und interdisziplinär anzulegen.<br />

Im Rahmen der Gesundheitsreform haben Bund,<br />

Länder und Sozialversicherung fixe Ziele vereinbart und<br />

verpflichten sich zu einem laufenden Monitoring mit<br />

klar festgelegten Messgrößen und Zielwerten.<br />

Im sogenannten Bundes-Zielsteuerungsvertrag<br />

(www.bmg.gv.at/home/Startseite/aktuelle_Meldungen/Gesundheitsreform_<strong>2013</strong>_Erster_Bundes_Zielsteuerungsvertrag)<br />

und den darauf aufbauenden<br />

Landeszielsteuerungsverträgen wurden erste zeitnahe<br />

Ziele festgelegt. Auf Bundes- und Landesebene wurden<br />

dafür Gremien eingerichtet – derzeit ausnahmslos ohne<br />

Beteiligung von Gesundheitsberufen. In den folgenden<br />

Phasen, so wird von höchsten Stellen versichert, werden<br />

die wichtigen PartnerInnen (z.B. Gesundheitsberufe)<br />

zum Thema Gesundheit und Krankheit mit eingebunden.<br />

Die österreichischen Rahmengesundheitsziele<br />

(www.gesundheitsziele-oesterreich.at) sind ein essentielles<br />

und eng mit der Gesundheitsreform verknüpftes<br />

Modul. Die Rahmen-Gesundheitsziele für Österreich<br />

wurden von der Bundesgesundheitskommission auf Basis<br />

eines fachlichen Entwurfs beschlossen, der von einem<br />

eigens dafür geschaffenen Expertengremium erarbeitet<br />

wurde. Das Plenum dieses Expertengremiums umfasst<br />

35 Personen. VertreterInnen verschiedener Ministerien,<br />

LändervertreterInnen, Sozialpartner, Hauptverband, Gesundheitsberufe<br />

(u.a. auch MTD-<strong>Austria</strong>), haben in vielen<br />

mehrstündigen Sitzungen zehn sogenannte Rahmen-<br />

Gesundheitsziele definiert. Einige dieser zehn Gesundheitsziele<br />

wurden bereits vertiefend weiterbearbeitet und<br />

werden unter der Schirmherrschaft von mindestens zwei<br />

verschiedenen Ministerien (das ist sehr wichtig, da das<br />

Thema Gesundheit keineswegs nur das Gesundheitsministerium<br />

betrifft) mit Pilotprojekten auf den Weg geschickt. Auch<br />

dabei konnte MTD-<strong>Austria</strong> alle gehobenen medizinisch-technischen<br />

Berufe gut positionieren. Es liegt nun an uns allen, für<br />

die nächsten Schritte der Gesundheitsreform<br />

gerüstet zu sein. Präventionscharta und Primary Health Care<br />

sind zwei von vielen Begriffen, welche wiederum eng mit der<br />

Gesundheitsreform verknüpft sind.<br />

Seit vielen Jahren finden in Alpbach in Tirol unter anderem die<br />

Gesundheitsgespräche statt. Diese Möglichkeit des nationalen<br />

und internationalen Austausches von Wissen und Erfahrungen<br />

wird natürlich auch von MTD-<strong>Austria</strong> genutzt, sich in der<br />

Gesundheitswelt für unsere MTD-Berufsangehörigen einzusetzen.<br />

Neben den, bereits im vorangegangenen Teil, angesprochenen<br />

Themen wurde das Thema Prävention auf neue,<br />

stabile Beine gestellt. Auf Einladung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt<br />

(AUVA) haben dort die wichtigsten<br />

Stakeholder in der Gesundheitslandschaft eine »Präventions-<br />

Charta Österreich« verfasst und in einer Pressekonferenz<br />

präsentiert. Doch es soll nicht bei Begrifflichkeiten bleiben:<br />

Nun kann ein Ist-Stand erhoben werden und alle relevanten<br />

Organisationen werden ihre Präventionsaktivitäten bekannt<br />

geben. Diese werden dann in einer Präventionslandkarte zusammengefasst,<br />

damit eine umfassende Übersicht über alle<br />

Präventionsaktivitäten in Österreich entsteht. Nachfolgend<br />

sollten Best-Practice Modelle ausgewählt und bestimmt werden,<br />

die dann im Sinne der Gesundheitsreform in ganz Österreich<br />

zum Einsatz kommen. Dies ist ein weiterer Schritt für<br />

mehr gesunde Lebensjahre für alle Österreicherinnen und<br />

Österreicher. Eng verknüpft mit der Gesundheitsreform – wie<br />

bereits erwähnt – ist das Thema Primary Health Care (PHC).<br />

Primärversorgung (also PHC) bezeichnet demnach die<br />

»allgemeine und direkt zugängliche erste Kontaktstelle für alle<br />

Menschen mit gesundheitlichen Problemen im Sinne einer<br />

umfassenden Grundversorgung. Sie soll den Versorgungsprozess<br />

koordinieren und gewährleistet ganzheitliche und kontinuierliche<br />

Betreuung«. Anhand internationaler, bewährter<br />

Modelle der Primärversorgung wird nun in naher Zukunft auch<br />

in Österreich einiges verändert werden. Ein sehr wesentliches<br />

Merkmal der PHC werden neue Primärversorgungs-Einheiten<br />

darstellen. Kennzeichnend dafür (unabhängig von rechtlicher<br />

und organisatorischer Ausgestaltung) ist eine verpflichtende<br />

Zusammenarbeit der Berufsgruppen im Sinne von Multiprofessionalität<br />

– auch mit möglichen neuen Rollenverteilungen<br />

der Gesundheitsberufe. Neue Rahmenbedingungen müssen<br />

ermöglichen, dass die Gesundheitsberufe die Veränderungen<br />

selbst bewältigen können. Viele Erneuerungen und Umgestaltungen<br />

werden die Gesundheitslandschaft positiv erschüttern.<br />

Ich bedanke mich für ihr Vertrauen, ihre Unterstützung und<br />

ihren persönlichen Einsatz. Die sieben Berufsverbände und<br />

MTD-<strong>Austria</strong> setzen sich weiterhin gerne dafür ein, dass die<br />

MTD-Welt in Zukunft noch etwas spezieller wird – im Sinne<br />

eines international bereits üblichen Standards.<br />

Wir werden sie regelmäßig <strong>inform</strong>ieren.<br />

physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 25


Thema Gesundheitspolitik<br />

Die Umsetzungsarbeiten zu<br />

den Rahmen-Gesundheitszielen<br />

für Österreich<br />

Die Strategie »Health in All Policies«<br />

soll alle Gesundheitsbereiche durchdringen.<br />

Die Gesundheit der Bevölkerung wird durch eine Vielzahl<br />

von individuellen, sozialen, sozioökonomischen wie gesellschaftlichen<br />

Faktoren beeinflusst und kann daher<br />

insbesondere durch gebündelte Anstrengungen in allen<br />

Politikfeldern wirksam und nachhaltig gefördert werden.<br />

Aufbauend auf dieser Erkenntnis wurde die Strategie<br />

»Health in All Policies« (dt. »Gesundheit in allen Politikfeldern«)<br />

entwickelt, die auf eine gesundheitsfördernde<br />

Gesamtpolitik durch die verstärkte Berücksichtigung<br />

des Themas Gesundheit in allen politischen Sektoren mit<br />

ihren jeweils spezifischen Zielen und Prioritäten abzielt.<br />

Auf diesem umfassenden und alle Politikbereiche einschließenden<br />

Konzept basierte die Erarbeitung der ersten<br />

österreichischen Rahmen-Gesundheitsziele, welche am<br />

14. August 2012 vom Ministerrat beschlossen wurden<br />

(durch das BMG veröffentlicht unter www.gesundheitsziele-oesterreich.at/).<br />

Sie sollen nun – als von der<br />

WHO empfohlenes Steuerungsinstrument für das Gesundheitswesen<br />

– auch für die österreichische (Gesundheits-)politik<br />

eine Orientierung und Ausrichtung der<br />

Handlungsschwerpunkte für die nächsten 20 Jahre<br />

geben. Es gibt in Europa viele erfolgreiche Beispiele für<br />

die Implementierung von Gesundheitszielen (s. Literatur).<br />

»Gesundheitsziele integrieren verschiedene gesundheitspolitische<br />

Aspekte: Sie bilden einen gemeinsamen Handlungsrahmen<br />

und unterstützen planmäßiges Handeln und<br />

Transparenz. Erarbeitet werden Gesundheitsziele im<br />

breiten Konsens von VertreterInnen der Poltik, Kostenträgern,<br />

Leistungserbringern, Selbsthilfe- und Patientenorganisationen,<br />

Wissenschaft und Forschung.«<br />

Quelle: www.gesundheitsziele.de<br />

Bereits diese Beschreibung des Zustandekommens und<br />

der Zielsetzung nationaler Gesundheitsziele lässt unschwer<br />

erkennen, dass es wie so häufig, von der konkreten<br />

Umsetzung und nicht zuletzt auch vom konsensualen<br />

Entstehungsweg und dem vielbeschworenen Commitment<br />

der beteiligten Entscheidungsträger (insbesondere<br />

Finanzzuständigen), sprich dem politischen Willen zur<br />

Umsetzung und Budgetierung abhängen wird, wie konkret<br />

die Auswirkungen eines auf einzelne Ziele richtungsgelenkten<br />

Vorgehens spürbar werden oder auch nicht.<br />

Gesundheitsziele benötigen daher zu ihrer Erarbeitung<br />

und Umsetzung eine breite Beteiligung sowohl der<br />

Länder und Sozialversicherungsträger unbedingt auch<br />

der gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe, deren<br />

Aufgaben in der Gesundheitsförderung und Prävention<br />

sehr wesentlich und viel-schichtig sind.<br />

Dementsprechend setzen sich <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> und<br />

MTD-<strong>Austria</strong> seit Beginn des Gesundheitsziele-Prozesses<br />

welcher im Jahre 2011 mit der Erarbeitung der Gesundheitsziele<br />

begann, sodann die Beschlussfassung im<br />

Nationalrat vorbereitete und nunmehr im Rahmen der<br />

Erarbeitung konkreter Umsetzungsmaßnahmen mündet,<br />

kontinuierlich mit der Gestaltung dieser Ziele und die<br />

adäquate Einbindung in deren Umsetzung auseinander.<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> hat – im Wege der Vertretung durch<br />

MTD-<strong>Austria</strong> als eine der offiziell ins Plenum und alle<br />

Arbeitsgruppen eingeladene, maßgebliche Berufsvertretung<br />

– einen wertvollen Beitrag geleistet, um den Einsatz<br />

und die Umsetzung des Fachwissens der Gesundheitsberufe<br />

in den nationalen Gesundheitsziele-Prozess zu<br />

optimieren und gestalten.<br />

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26 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


GESUNDHEITSZIELE<br />

Mag.iur. Agnes Görny<br />

www.gesundheit.gv.<br />

at/Portal.Node/ghp<br />

/public/content/<br />

gesundheitsfoerderung-gesundelebenswelten.html<br />

1<br />

Gesundheitsförderliche<br />

Lebens- und Arbeitsbedingungen<br />

2<br />

Gesundheitliche Chancengleichheit<br />

3<br />

Gesundheitskompetenz<br />

der Bevölkerung stärken<br />

4<br />

Die naturlichen Lebensgrundlagen<br />

und Lebensräume sichern<br />

5<br />

Sozialer Zusammenhalt<br />

stärkt Gesundheit<br />

6<br />

Gesundes Aufwachsen fur alle Kinder<br />

und Jugendlichen unterstützen<br />

7<br />

Gesunde Ernährung für alle<br />

zugänglich machen<br />

8<br />

Gesunde und sichere Bewegung<br />

im Alltag fördern<br />

9<br />

Psychosoziale Gesundheit fördern<br />

10<br />

Qualitativ hochstehende und<br />

effiziente Gesundheitsversorgung<br />

für alle sichern<br />

Die Gesundheitsziele geben über die in den vielen<br />

Arbeitsgruppen erarbeiteten Unterzielen und messbar<br />

gemachten Zielgrößen natürlich nicht unwesentliche<br />

Zielvorgaben für unterschiedliche mehr oder weniger<br />

konkrete Maßnahmen, Strategien und Projekte vor.<br />

Maßnahmen der Gesundheitsförderung werden sich in<br />

den kommenden Jahren ebenso an diesen Gesundheitszielen<br />

orientieren, wie die noch in Ausarbeitung befindliche<br />

Präventionsstrategie.<br />

Ein sehr stark gegliedertes wenn nicht gar zerklüftetes<br />

Gesundheitswesen, wie es das österreichische zweifellos<br />

ist – unter anderem aufgrund der geteilten Finanzierungszuständigkeiten<br />

(intra-/extramural, Gesundheits-<br />

/Sozialleistungen, Kassen-Sozialbereich-Privat), aufgrund<br />

der Trennlinien zwischen mehreren in-/direkt für den<br />

Gesundheitsbereich zuständigen Politikressorts wie insbesondere<br />

den Ministerien und Politikbereichen Gesundheit/Soziales/Bildung,<br />

aufgrund der verfassungsrechtlich<br />

verankerten bundesstaatlichen Aufteilung der gesetzlichen<br />

Zuständigkeiten insbesondere für die Krankenanstalten<br />

(Bund-Länder) aber auch aufgrund der<br />

Position der gesetzlichen Sozialversicherungsträger als<br />

weitgehend unabhängige, meist örtlich zuständige Gebietskörperschaften<br />

– in einem solch pluralistischen und<br />

stark gegliederten Gesundheitswesen wäre eine gemeinsame<br />

Zielorientierung wie sie die WHO durch Gesundheitsziele<br />

empfiehlt durchaus sinnvoll und angebracht.<br />

Bereits in den ersten Arbeitssitzungen des Gesundheitsziele-Plenums,<br />

welche vor allem der Sammlung und<br />

Darstellung bereits bestehender Initiativen und Programme<br />

als auch länderspezifischer Gesundheitsziele<br />

dienten, war unschwer erkennbar, dass Vieles geschieht,<br />

meist jedoch relativ unkoordiniert und regional in sehr<br />

unterschiedlicher Ausprägung und mit unterschiedlicher<br />

Zielsetzung und auch nur einzelnen Einheiten bekannt ist.<br />

Best Practice Beispiele, erfolgreiche Projekte und wertvolle<br />

Erfahrungen sollten geteilt werden. Vorarbeiten,<br />

Irrwege und Lehrstücke sollten ebenfalls allen Beteiligten<br />

zugänglich gemacht werden. Der Gesundheitszieleprozess<br />

hat sich in diesem Sinne der Schaffung von gemeinsam<br />

erarbeiteten (und damit hoffentlich auch getragenen)<br />

Zieldefinitionen, Handlungsfeldern und Umsetzungsstrategien<br />

gewidmet.<br />

physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 27


Thema Gesundheitspolitik<br />

Gesundheit der Bevölkerung –<br />

Ausgangslage<br />

Evaluation der Zielerreichung<br />

Auswahl und Definition<br />

von Gesundheitszielen<br />

Modell eines Aktionszyklus<br />

im Bezug auf den<br />

Umgang mit Nationalen<br />

Gesundheitszielen<br />

Umsetzung durch die Akteure<br />

in Selbstverpflichtung,<br />

Iniitierung von<br />

Modellprojekten<br />

QUELLE:<br />

www.gesundheitsziele.de<br />

Aktionszyklus von<br />

gesundheitsziele.de<br />

Die österreichischen Rahmengesundheitsziele befassen<br />

sich primär mit der Gesundheitsvorsorge und der entsprechenden<br />

Gestaltung der Lebensbereiche der Bevölkerung<br />

und Beeinflussung der Politikfelder mit spezifischem<br />

Gesundheitsbezug – im Sinne des Health Impact<br />

Assessment.<br />

Aufgrund dieser Ausrichtung ist allerdings nur eines der<br />

10 Gesundheitsziele - das Ziel 10 »Qualitativ hochstehende<br />

und effiziente Gesundheitsversorgung für alle<br />

nachhaltig sicherstellen« - ein dezidiertes »Versorgungsziel«<br />

in welchem die Thematik der Verbesserung und<br />

Budgetierung der Versorgung mit Gesundheitsleistungen<br />

wie physiotherapeutischen Leistungen der Krankenbehandlung<br />

in den Aspekten Budgetierung und<br />

Verbesserung der Struktur thematisiert wird.<br />

Eben dieses Ziel konnte zwar im Rahmen des Plenums<br />

gemeinsam bearbeitet und formuliert werden um in der<br />

Folge durch das Parlament beschlossen zu werden, in der<br />

Folge wurde es jedoch <strong>2013</strong> im Zusammenhang mit der<br />

Gesundheitsreform und den damit verbundenen Verträgen<br />

auf Bundes- und Landesebene über die Versorgung<br />

und Finanzierung aus der weiteren Bearbeitung durch das<br />

Plenum entfernt und in die Verhandlungen dieser Verträge<br />

unter der Feder der Bundespolitik implantiert.<br />

Insofern darf man sich von den Gesundheitszielen leider<br />

nicht unmittelbar die Verbesserung bzw. Lösung von<br />

Bedarfsplanung, Versorgungsengpässen und Finanzierungsproblemen<br />

erwarten – wie sie u.a. im Bezug auf<br />

Versorgung von Kindern mit Kassenleistungen und die<br />

Kassenpolitik im Zusammenhang mit der Vertragsvergabe<br />

an <strong>Physio</strong>therapeutInnen als auch im Bezug auf die<br />

ressortübergreifende Finanzierung und Koordinierung von<br />

Sozialleistungen und Gesundheitsleistungen auftreten.<br />

Nach der Beschlussfassung im Parlament befindet sich<br />

der Rahmen-Gesundheitsziele-Prozess seit <strong>2013</strong> in Phase<br />

2, im Rahmen derer ein konkretes Strategie- und Maßnahmenkonzept<br />

zur Umsetzung der Rahmen-Gesundheitsziele<br />

erarbeitet sowie Schwerpunktsetzungen und<br />

Indikatoren festgelegt werden sollen. In der Phase 3 gilt<br />

es dann, die durch Plenum und Arbeitsgruppen für<br />

die Ziele definierten Umsetzungs-Maßnahmen, begleitet<br />

durch ein Monitoring, auch nachvollziehbar umzusetzen.<br />

Zentral für die Erarbeitung der Gesundheitsziele als auch<br />

für die momentane Arbeit an den Maßnahmenkonzepten<br />

zu den einzelnen Gesundheitszielen ist die intensive intersektorale<br />

Zusammenarbeit von AkteurInnen aus Politik<br />

und Verwaltung von Bundes- und Länderebene gemeinsam<br />

mit Organisationen der Zivilgesellschaft – damit<br />

selbstverständlich auch der Berufsvertretungen der<br />

maßgeblichen gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe<br />

wie <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> vertreten durch MTD-<strong>Austria</strong>.<br />

Über das Jahr <strong>2013</strong> hinweg wurde – unter anderem in<br />

einem mehrtägigen, intensiven Workshops im Sommer -<br />

an der Strategie- und Maßnahmenerarbeitung für die<br />

Rahmen-Gesundheitsziele »Die Gesundheitskompetenz<br />

der Bevölkerung stärken« (Ziel 3), »Gesundes Aufwachsen<br />

für alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich gestalten<br />

und unterstützen« (Ziel 6) und »Gesundheitsförderliche<br />

Lebens und Arbeitsbedingungen für alle Bevölkerungsgruppen<br />

durch Kooperation aller Politik und Gesellschaftsbereiche<br />

schaffen« (Ziel 1), an der Formulierung<br />

der Ziele, Subziele und nunmehr auch an den Maßnahmenpaketen<br />

gearbeitet.<br />

Die Plenumssitzung am 3. Juni <strong>2013</strong> diente vor allem<br />

zur Präsentation der ersten Zwischenergebnisse aus den<br />

Arbeitsgruppen und den Erfahrungen aus der Arbeitsgruppenarbeit.<br />

Dabei wurde beschlossen, dass im Herbst<br />

<strong>2013</strong> noch eine weitere Arbeitsgruppe zum Rahmen-<br />

Gesundheitsziel »Für gesundheitliche Chancengerechtigkeit<br />

zwischen den Geschlechtern und sozioökonomischen<br />

Gruppen, unabhängig von der Herkunft, für alle Altersgruppen<br />

sorgen« (Ziel 2) mit der Formulierung von Wirkungszielen<br />

und Maßnahmen beginnen wird. 2014 sollen<br />

die Arbeitsgruppen zu den Rahmen-Gesundheitszielen<br />

»Gesunde und sichere Bewegung im Alltag durch die<br />

entsprechende Gestaltung der Lebenswelten fördern«<br />

(Ziel 8) Bewegung und »Psychosoziale Gesundheit bei<br />

allen Bevölkerungsgruppen fördern« (Ziel 9) starten.<br />

28 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


Literatur und Hintergrund<strong>inform</strong>ationen zu Gesundheitszielen<br />

Informationen zum aktuellen Stand der Umsetzung als auch interessante Inhalte<br />

zu den Hintergründen und internationalen und Erfahrungen mit Gesundheitszielen<br />

finden Sie unter folgenden Links: www.gesundheitsziele-oesterreich.at/<br />

<strong>inform</strong>ation/<br />

Zur Implementierung des Gesundheitsbezuges in allen Politik,- und Gesellschaftsfeldern<br />

»Health Impact Assessment« bieten sich viele Unterlagen der Gesundheit<br />

Österreich GmbH (GÖG) an: http://hia.goeg.at/<br />

Publikation der durch das Parlament beschlossenen nationalen Rahmen-<br />

Gesundheitsziele, den beteiligten Plenumsmitgliedern und der Hintergründe:<br />

http://www.gesundheitsziele-oesterreich.at/publikationen/<br />

http://issuu.com/bmgoesterreich/docs/kickbusch_wien_<br />

hiap_2011/1?e=3074137/3378272<br />

Anschauliche wissenschaftliche Grund<strong>inform</strong>ation zum Konzept der Gesundheitsziele:<br />

www.ilonakickbusch.com/kickbusch/gesundheitsgesellschaft/index.php<br />

Zum deutschen Bundes-Gesundheitsziel »Gesund aufwachsen: Lebenskompetenz,<br />

Bewegung, Ernährung« www.gesundheitsziele.de/cgi-bin/render.cgi?_<br />

cms_page=nationale_gz/gesund_aufwachsen<br />

Zum Hintergrund des österreichischen Rahmen-Gesundheitszieles Nr. 3<br />

»Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken«:<br />

www.euro.who.int/de/health-topics/environment-and-health/<br />

urban-health/publications/<strong>2013</strong>/health-literacy.-the-solid-facts<br />

Dank der weit fortgeschrittenen Arbeit an den deutschen Bundes-Gesundheitszielen<br />

kann man unter dem folgenden Link einzelne Ziele aber auch bereits deren<br />

detaillierte Umsetzungsmaßnahmen samt Evaluierung einsehen:<br />

www.gesundheitsziele.de<br />

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physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 29


Thema Gesundheitsförderung<br />

Bilanz Rückenfit<br />

Das Projekt »Rückenfit – der Kinderhit« zur Vorbeugung<br />

von Haltungsschäden im Volksschulalter durch<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen geht in seiner bisherigen Form<br />

nach 12 Projektjahren zu Ende.<br />

Am Anfang stand ein Alarmruf: Das Badener<br />

Projekt »Rückenfit – der Kinderhit« zur<br />

Vorbeugung von Haltungsschäden an allen<br />

öffentlichen Volksschulen der Stadt wurde<br />

von der Initiative der Badener Turn- und<br />

Sportvereine, einer Partnerschaft von DirektorInnen,<br />

LehrerInnen, Elternvertretern und<br />

SchulärztInnen aller fünf Badener Volksschulen<br />

mit den in Baden tätigen Turnvereinen<br />

sowie der Stadtgemeinde mit dem<br />

Ziel der Gesundheitsförderung der Badener<br />

Volksschulkinder aufgrund von alarmierenden<br />

Schularztbefunden im November 2000<br />

beschlossen. Auf Vorschlag der <strong>Physio</strong>therapeutin<br />

Doris Necker, die auch seit Beginn<br />

des Projektes die therapeutische Projektleitung<br />

inne hatte, wurde die Idee eines auf<br />

auf drei Säulen basierenden Modells der Kinderrückenschule<br />

angenommen und während<br />

des Projektes laufend weiterentwickelt.<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen sehen in der Praxis<br />

täglich die Folgen von Fehlhaltung und<br />

mangelnder Bewegung und sind daher<br />

prädestiniert bereits in der Vorbeugung<br />

tätig zu werden.<br />

Dank des rührigen, ehrenamtlichen organisatorischen<br />

Projektleiters, Rolf-Dieter<br />

Lackinger konnten neben der Stadtgemeinde<br />

Baden noch andere Sponsoren, u. a.<br />

die Sparkasse Baden und die Volksbank zur<br />

Finanzierung des Projektes gefunden werden.<br />

Ein geringer Beitrag von dzt. 8 Euro<br />

pro Kind wird auch von den Eltern getragen.<br />

Die ersten vier Projektjahre wurden nach<br />

einem aufwendigen Einreichungsverfahren<br />

vom Fonds Gesundes Österreich unterstützt.<br />

Ziel des Projektes waren und sind die Sensibilisierung<br />

für und die Schulung von Rücken<br />

schonendem, ergonomischem Alltagsverhalten<br />

sowie Vermittlung der Wichtigkeit von<br />

ausreichend Bewegung für die SchülerInnen<br />

und deren Umfeld. Kinder, Eltern und Lehrpersonal<br />

werden hinsichtlich Eigenverantwortlichkeit<br />

für ihre Gesundheit im Hinblick<br />

auf Vorbeugung von Schäden am Haltungsund<br />

Bewegungsapparat geschult.<br />

Der aufwendigste und wichtigste Schwerpunkt<br />

des 3-Säulenmodells von »Rückenfit –<br />

der Kinderhit« ist die 6-stündige Kinderrückenschule<br />

im Schulunterricht, gehalten von<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen unter Anwesenheit<br />

und Mitarbeit der jeweiligen Klassenlehrperson<br />

sowohl in der Klasse als auch im Turnsaal.<br />

Bei dieser Form der Betreuung werden<br />

im Unterschied zu nachmittäglicher Kinderrückenschule<br />

alle Kinder erfasst und Kinder<br />

mit Bewegungs- und Haltungsbeeinträchtigungen<br />

nicht diskriminiert. Die LehrerInnen<br />

können anschließend an die Kinderrückenschule<br />

das gelernte Rücken schonende Verhalten,<br />

wie zum Beispiel die ergonomisch<br />

richtige Sitzhaltung beim Schreiben oder das<br />

Rücken-freundliche Hochheben der Schultasche<br />

und Bewegungsübungen wie z. B.<br />

zur Stärkung der Rumpfmuskulatur in den<br />

Schulalltag einbauen.<br />

Beim zweiten Projektschwerpunkt handelt<br />

es sich um die Fortbildung der LehrerInnen<br />

durch <strong>Physio</strong>therapeutInnen. Diese werden<br />

regelmäßig im Rahmen der Bezirkslehrerfortbildung<br />

der Pädagogischen Fachhochschule<br />

durch Doris Necker und Martina Flachberger<br />

gehalten. Die dritte Projektsäule ist die<br />

Eltern<strong>inform</strong>ation. Die Eltern wurden regelmäßig<br />

zu Eltern<strong>inform</strong>ationsabenden über<br />

Vorbeugung von Haltungsschäden bei ihren<br />

Kindern eingeladen.<br />

Der Erfolg des Projektes wurde regelmäßig<br />

mittels Fragebögen, Stellungnahmen der<br />

Schuldirektionen, Kinderquizen und Schularztbefunden<br />

evaluiert. So gaben bereits am<br />

Ende des ersten Projektjahres 65 Prozent<br />

der befragten LehrerInnen an, dass nur noch<br />

kleine Impulse genügten, damit die Kinder<br />

ihre Haltung korrigierten und dass 15 Prozent<br />

der Kinder bereits eine leichtere Schultasche<br />

hatten. Besonders erfreulich ist, dass<br />

die Auswertung der Schularztbefunde des<br />

Schuljahres 2012/13 ergab, dass nur noch<br />

12 Prozent der Badener Volksschulkinder<br />

Haltungsstörungen aufwiesen, während es<br />

zu Projektbeginn noch 25 Prozent waren.<br />

Mit Beendigung des Schuljahres 2012/13<br />

beenden Herr D.I. Rolf-Dieter Lackinger und<br />

Frau Doris Necker ihre Tätigkeit als Projektleiter.<br />

Sie bedanken sich für die durchwegs<br />

gute Zusammenarbeit mit den Schuldirektionen<br />

und LehrerInnen sowie den Vertretern<br />

der Stadtgemeinde Baden. Damit Badens<br />

Kinder auch in der Zukunft bereits in der<br />

Volksschule lernen, was man für die Gesunderhaltung<br />

der Wirbelsäule tun kann, wird die<br />

Kinderrückenschule ab dem Schuljahr<br />

<strong>2013</strong>/14 von den Schulen selbst organisiert.<br />

Da die meisten Lehrkräfte nun bereits seit<br />

vielen Jahren die Kinderrückenschulen durch<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen miterlebt haben und<br />

an entsprechenden Fortbildungen teilgenommen<br />

haben, werden nur noch drei<br />

Schulunterrichtsstunden von <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />

(Frau Martina Flachberger und<br />

Frau Birgit Syrch) gehalten. Die restlichen<br />

Kinderrückenschulstunden werden von den<br />

LehrerInnen selbst gestaltet.<br />

30 physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


SCHULE Doris Necker BERICHT Beate Carrière<br />

Doris Necker<br />

ist langjährige <strong>Physio</strong>therapeutin<br />

mit freier Praxis in Baden bei Wien.<br />

Sie initiierte das hocherfolgreiche Projekt<br />

»Rückenfit - der Kinderhit«.<br />

© Doris Neckar<br />

Kongress<br />

zu Inkontinenz<br />

Das heurige 43. jährliches Treffen der internationalen<br />

Kontinenz Gesellschaft (ICS), eine<br />

wichtige Veranstaltung für <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />

(PTs), ÄrztInnen und andere medizinische<br />

Berufe, die mit der Beckenregion (BB) zu tun<br />

haben, fand vom 26. bis 30. August <strong>2013</strong> in<br />

Barcelona statt. Ein halber Tag diente dem<br />

Treffen der BB-<strong>Physio</strong>therapeutInnen aus<br />

aller Welt. Drei Vorträge von PTs wurden<br />

über wissenschaftliche Themen gehalten.<br />

Grace Dorey betrachtete kritisch die Behandlung<br />

nach radikaler Prostatektomie (RP) und<br />

erektile Dysfunktion. Die Empfehlung von Dorey<br />

für die Zukunft ist: bereits vor der Operation<br />

(OP) Instruktionen von Übungen, wöchentlich<br />

1x Behandlungen durch eine TherapeutIn mit<br />

BB Training, bis der Patient trocken ist.<br />

Untersuchungen von schwerer erektiler Dysfunktion<br />

nach RP OP von Lin et al (2012) und<br />

Patel et al (2012) zeigte deutliche Besserung<br />

mit physiotherapeutischen Übungen direkt<br />

nachdem der Katheter entfernt wurde. Nach<br />

6 und 12 Monaten war eine signifikante Verbesserung<br />

bei den behandelten Patienten<br />

(47 Prozent hatten wieder Erektionen, versus<br />

12 Prozent in der Kontrollgruppe).<br />

Caroline Walker präsentierte eine wichtige<br />

Studie über alternativen Geburtenmodus<br />

(Walker et al 2012). Frauen, die sich in der<br />

2. Phase der Geburt bewegen konnten und in<br />

Seitenlage mit dem oberen Bein in Abduktion<br />

und Innenrotation positioniert waren, hatten in<br />

einer randomisierten Studie signifikant weniger<br />

Espiotomien (nur 21 Prozent vs. 51,4 Prozent)<br />

und eine intaktes Perineum im Vergleich zu traditioneller<br />

Geburt im Rückenlage (40,3 Prozent<br />

vs. 12,2 Prozent). Epidurale Anästhesie hindert<br />

aktive Mithilfe und hat ein größeres Risiko für<br />

vaginale und perineale Verletzungen bei der<br />

Geburt. Kari Bø berichtete über Übungsprogramme<br />

und dass die Evidenz zeigt, das <strong>Physio</strong>therapeutischen<br />

Übungen Level A, also am<br />

besten sind im Vergleich zu Übungen in Kombinationen<br />

mit Konen, Elektrotherapie oder<br />

Biofeedback. Die Teilnehmer diskutierten die<br />

Vorträge in kleinen Gruppen und mit Experten.<br />

Anschließend gab es die Möglichkeit an verschiedenen<br />

Workshops von erfahrenen PTs<br />

teilzunehmen. Der Kongress <strong>inform</strong>ierte in den<br />

folgenden Tagen über neue wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse zu allen Themen des Beckenbodens,<br />

es gab Workshops um sein Wissen aus<br />

Spezialgebieten zu erweitern, eine Fachausstellung<br />

von modernen Hilfsmitteln bei der Behandlung<br />

und 300 Postern. mit neuen Ideen und<br />

immer wieder die Gelegenheit sich mit anderen<br />

Kollegen und Fachkräften auszutauschen. Ein<br />

festlicher Abend vereinte viele der über 2000<br />

Teilnehmer bevor sie wieder in alle Richtungen<br />

der Welt verschwanden.<br />

physioaustria <strong>inform</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> 31


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