23.05.2014 Aufrufe

Was ist die Brownsche Bewegung - Institut für Physik

Was ist die Brownsche Bewegung - Institut für Physik

Was ist die Brownsche Bewegung - Institut für Physik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Brownsche</strong> Molekularbewegung -<br />

<strong>Was</strong> hat Einstein<br />

daraus gemacht?<br />

Wolfgang Paul<br />

<strong>Institut</strong> für <strong>Physik</strong><br />

Johannes Gutenberg-Universität


<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>die</strong> <strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> ?<br />

Robert Brown:<br />

geb. 21.12.1773 in Montrose<br />

gest. 10.06.1858 in London<br />

war ein schottischer Botaniker<br />

Entdecker des Zellkerns<br />

hier: Orchidee<br />

Fettklümpchen in<br />

Milch beobachtet<br />

durch einen Nachbau<br />

des originalen<br />

Mikroskops von<br />

Robert Brown<br />

Bild des Mikroskops und Beobachtungen von Brian J. Ford


Weitere Experimente<br />

Moderne Realisierung: Kolloidphysik<br />

z.B. vernetzte Kunststoffkügelchen<br />

von 1 µm Durchmesser<br />

Streuung an Schwebeteilchen<br />

im Zigarettenrauch<br />

www.deutsches-museum.de<br />

Prof. T. Palberg, <strong>Institut</strong> für <strong>Physik</strong>


Wodurch entsteht <strong>die</strong> <strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong>?<br />

Es gab „Beobachtungen der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong>“ vor Brown. Da <strong>die</strong>se<br />

me<strong>ist</strong> an Pollen gemacht wurden, war eine verbreitete Schlussfolgerung:<br />

Hier sehen wir eine Manifestation einer Kraft,<br />

<strong>die</strong> allem Lebendigen innewohnt!<br />

Brown publizierte 1828 sorgfältige und systematische Experimente<br />

● an Pollen<br />

● an alten, gelagerten (toten) Pollen<br />

● an Staub von allen möglichen Felsen<br />

● an Staub von einem Stück Stein der Sphinx...?<br />

● um Effekte von Strömung oder Verdampfung auszuschließen<br />

Schlussfolgerung: Es <strong>ist</strong> ein allgemeines Phänomen, das bei kleinen in einer<br />

Flüssigkeit gelösten Teilchen auftritt.<br />

moderne Erklärung: Diese <strong>Bewegung</strong> wird hervorgerufen durch Kollisionen<br />

mit den Molekülen der Flüssigkeit, <strong>die</strong> auf Grund ihrer thermischen Energie<br />

in dauernder <strong>Bewegung</strong> sind.


Molekulartheorie der Wärme – Kinetische Gastheorie - Stat<strong>ist</strong>ische Mechanik<br />

Ludwig Boltzmann<br />

geb. 20.02.1844 in Wien<br />

gest. 5.10.1906 bei Trieste<br />

James Clerk Maxwell<br />

geb. 13.06.1831 in Edinburgh<br />

gest. 5.11.1879 in Cambridge


Molekulartheorie der Wärme<br />

Materie besteht aus Atomen oder Molekülen. <strong>Was</strong> wir als Temperatur oder<br />

Wärme wahrnehmen, <strong>ist</strong> <strong>die</strong> andauernde, ungeordnete <strong>Bewegung</strong> <strong>die</strong>ser<br />

Atome oder Moleküle.<br />

Die Moleküle folgen in ihren <strong>Bewegung</strong>en den Newtonschen Gleichungen<br />

der klassischen Mechanik, aber durch <strong>die</strong> andauernden Stöße untereinander<br />

wird eine Art molekulares Chaos erzeugt, über das man nur noch<br />

Wahrscheinlichkeitsaussagen machen kann.<br />

p(<br />

v)<br />

1<br />

⎛<br />

exp<br />

⎜ −<br />

⎝<br />

v<br />

=<br />

2 2<br />

2π<br />

v 2v<br />

T<br />

T<br />

2<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

1<br />

mv<br />

2 T<br />

=<br />

2<br />

1<br />

2<br />

k<br />

B<br />

T


Die Hypothese der Ex<strong>ist</strong>enz von Atomen<br />

● Elektronentheorie des Ladungstransports in Metallen (H. Lorentz)<br />

● Theorie der Lösungen (Van’t Hoft) in Analogie zu idealen Gasen<br />

● Stöchiometrie von chemischen Reaktionen<br />

● Begründung von makroskopisch irreversiblem Verhalten trotz<br />

reversibler Newtonschen Dynamik durch Boltzmann<br />

Wenn man mittels der kinetischen Gastheorie <strong>die</strong> mittlere Geschwindigkeit<br />

des suspen<strong>die</strong>rten Teilchens ausrechnet, so erhält man einen Wert, der um<br />

Größenordnungen kleiner <strong>ist</strong>, als man aus Beobachtungen abschätzt!<br />

1<br />

Mv<br />

2 T<br />

≠<br />

2<br />

1<br />

2<br />

k<br />

B<br />

T


Die Opposition<br />

Ernst Mach<br />

geb. 18. 2. 1838 Turas (Czechien)<br />

gest. 19. 2. 1916 Vaterstetten<br />

Eine Theorie sollte nur Objekte<br />

enthalten, <strong>die</strong> der direkten<br />

Sinneserfahrung zugänglich sind.<br />

Wilhelm Ostwald<br />

geb. 2.9.1853 Riga, Litauen<br />

gest. 4.4.1932 nahe Leipzig<br />

Das zentrale Konzept in der<br />

<strong>Physik</strong> <strong>ist</strong> das der Energie.


Einsteins Arbeiten vor 1905<br />

● Kinetische Theorie des Wärmegleichgewichtes<br />

und des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik<br />

Annalen der <strong>Physik</strong>, 9, S. 417, 1902<br />

● Eine Theorie der Grundlagen der Thermodynamik<br />

Annalen der <strong>Physik</strong>, 11, S. 170, 1903<br />

● Zur allgemeinen molekularen Theorie der Wärme<br />

Annalen der <strong>Physik</strong>, 14, S. 354, 1904<br />

● Eine neue Bestimmung der Moleküldimensionen<br />

Dissertation ETH Zürich, 30.04.1905<br />

In <strong>die</strong>sen Arbeiten hat Einstein einen theoretischen Zugang zur<br />

Beschreibung von Phänomenen entwickelt, <strong>die</strong> weder mikroskopisch<br />

(klassische Mechanik) noch makroskopisch (Thermodynamik) sondern<br />

mesoskopisch sind.


Annalen der <strong>Physik</strong>, 17 (1905), Seiten 549-560<br />

Über <strong>die</strong> von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte<br />

<strong>Bewegung</strong> von in ruhenden Flüssigkeiten suspen<strong>die</strong>rten Teilchen<br />

als Patentamtsangestellter<br />

oder: „ehrwürdiger<br />

eidgenössischer Tintenscheisser<br />

mit ordentlichem Gehalt“<br />

In <strong>die</strong>ser Arbeit soll gezeigt werden, daß nach der<br />

molekularkinetischen Theorie der Wärme in<br />

Flüssigkeiten suspen<strong>die</strong>rte Körper von mikroskopisch<br />

sichtbarer Größe infolge der Molekularbewegung<br />

der Wärme <strong>Bewegung</strong>en von solcher Größe<br />

ausführen müssen, daß <strong>die</strong>se <strong>Bewegung</strong>en leicht<br />

mit dem Mikroskop nachgewiesen werden können.<br />

Es <strong>ist</strong> möglich, daß <strong>die</strong> hier zu behandelnden<br />

<strong>Bewegung</strong>en mit der so genannten „<strong>Brownsche</strong>n<br />

Molekularbewegung“ identisch sind; <strong>die</strong> mir<br />

erreichbaren Angaben über letztere sind jedoch so<br />

ungenau, daß ich mir hierüber kein Urteil bilden<br />

konnte.


Annalen der <strong>Physik</strong>, 19 (1906), Seiten 371-381<br />

Zur Theorie der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

im Patentamt<br />

Kurz nach dem Erscheinen meiner Arbeit über <strong>die</strong><br />

durch <strong>die</strong> Molekulartheorie der Wärme geforderte<br />

<strong>Bewegung</strong> von in Flüssigkeiten suspen<strong>die</strong>rten<br />

Teilchen teilte mir Herr Siedentopf (Jena) mit, daß er<br />

und andere <strong>Physik</strong>er – zuerst wohl Herr Prof. Gouy<br />

(Lyon) – durch direkte Beobachtung zu der Überzeugung<br />

gelangt seien, daß <strong>die</strong> so genannte<br />

<strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> durch durch <strong>die</strong> ungeordnete<br />

Wärmebewegung der Flüssigkeitsmoleküle verursacht<br />

sei. Nicht nur <strong>die</strong> qualitativen Eigenschaften der<br />

<strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong>, sondern auch <strong>die</strong> Größenordnung<br />

der von den Teilchen zurückgelegten Wege<br />

entspricht durchaus den Resultaten der Theorie.<br />

M. Gouy, Journ. de Phys. (2) 7, S. 561. 1888


Einsteins Behandlung der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

Über den suspen<strong>die</strong>rten Teilchen zuzuschreibenden osmotischen Druck<br />

Gesamtvolumen V, z Gramm gelöste Moleküle<br />

Semipermeable Membran<br />

Osmotischer Druck<br />

RT RT<br />

P = z = n =<br />

* *<br />

V V N<br />

RT<br />

N<br />

c<br />

V *<br />

N <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Anzahl der Moleküle pro Gramm<br />

n <strong>die</strong> Gesamtanzahl gelöster Moleküle<br />

c = n/V * <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Konzentration<br />

Weshalb soll das nur für Moleküle gelten und<br />

nicht auch für suspen<strong>die</strong>rte Teilchen ?<br />

Einsteins Theorie der Fluktuationen basierend auf der molekularkinetischen<br />

Theorie der Wärme liefert das gleiche Ergebnis.


Einsteins Behandlung der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

Theorie der Diffusion kleiner suspen<strong>die</strong>rter Kugeln<br />

L<br />

Sedimentationsgleichgewicht: c = c(z)<br />

Virtuelle Verrückung δz aller Teilchen<br />

Gleichgewicht: δF = δE - TδS = 0<br />

K<br />

Energieänderung<br />

δ E<br />

L<br />

= −∫<br />

Kc( z)<br />

δz<br />

dz<br />

Entropieänderung<br />

δ S<br />

= −<br />

0<br />

R<br />

N<br />

L<br />

∫<br />

0<br />

dc(<br />

z)<br />

δz<br />

dz<br />

dz<br />

0<br />

z<br />

Kraftgleichgewicht<br />

RT dc<br />

K c(<br />

z)<br />

= =<br />

N dz<br />

dp<br />

dz


Einsteins Behandlung der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

Theorie der Diffusion kleiner suspen<strong>die</strong>rter Kugeln<br />

Mechanik makroskopischer Körper:<br />

Wenn man Fallschirm springt, fällt man nach einiger Zeit mit konstanter<br />

Geschwindigkeit. Schwerkraft und Reibungskraft kompensieren sich.<br />

K = 6πηr v B B<br />

Hierin sind: η <strong>die</strong> Viskosität des Lösungsmittels<br />

r B der Radius des <strong>Brownsche</strong>n Teilchens<br />

v B <strong>die</strong> Geschwindigkeit des <strong>Brownsche</strong>n Teilchens<br />

K<br />

Also:<br />

v<br />

B<br />

=<br />

6πη<br />

r<br />

B


Einsteins Behandlung der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

Theorie der Diffusion kleiner suspen<strong>die</strong>rter Kugeln<br />

Makroskopisches Ficksches Diffusionsgesetz<br />

j(z,t) <strong>ist</strong> der Teilchenstrom auf Grund<br />

der Diffusion<br />

Gleichgewicht der Ströme:<br />

∂ c(<br />

z,<br />

t)<br />

∂ j(<br />

z,<br />

t<br />

= −<br />

)<br />

∂t<br />

∂z<br />

j(<br />

z,<br />

t)<br />

∂c(<br />

z,<br />

t)<br />

= − D<br />

∂z<br />

c(<br />

z,<br />

t)<br />

K ∂c(<br />

z,<br />

t)<br />

c( z,<br />

t)<br />

vB<br />

+ j(<br />

z,<br />

t)<br />

= 0 ⇒ − D =<br />

6πη<br />

r ∂z<br />

B<br />

0<br />

Aus dem Gleichgewicht der Kräfte:<br />

∂c ( z,<br />

t)<br />

NKc(<br />

z,<br />

t)<br />

=<br />

∂z<br />

RT<br />

Stokes-Einstein-Gesetz<br />

D<br />

=<br />

RT<br />

N<br />

1<br />

6πη<br />

r B


Einsteins Behandlung der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

Über <strong>die</strong> ungeordnete <strong>Bewegung</strong> von in einer Flüssigkeit suspen<strong>die</strong>rten<br />

Teilchen und deren Beziehung zur Diffusion.<br />

Es werden (auch) <strong>die</strong> <strong>Bewegung</strong>en eines und desselben Teilchens in<br />

verschiedenen Zeitintervallen als voneinander unabhängige Vorgänge<br />

aufzufassen sein, solange wir <strong>die</strong>se Zeitintervalle nicht zu klein gewählt denken.<br />

In einem Zeitintervall τ werden sich <strong>die</strong> X-Koordinaten der einzelnen Teilchen<br />

um W vergrößern, wobei W für jedes Teilchen einen anderen (positiven oder<br />

negativen) Wert hat.<br />

Wahrscheinlichkeitsverteilung für W:<br />

ϕ( W ) = ϕ(<br />

−W<br />

)<br />

∞<br />

∫<br />

−∞<br />

ϕ( W ) dW<br />

=1<br />

Wie hängt der Diffusionskoeffizient von ϕ ab?


Einsteins Behandlung der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

Über <strong>die</strong> ungeordnete <strong>Bewegung</strong> von in einer Flüssigkeit suspen<strong>die</strong>rten<br />

Teilchen und deren Beziehung zur Diffusion.<br />

f(x,t): Anzahl der Teilchen pro Volumeneinheit<br />

f(x,t)<br />

t<br />

x<br />

x+dx<br />

t+τ<br />

∞<br />

∫<br />

−∞<br />

f ( x,<br />

t + τ ) dx = dx f ( x + W , t)<br />

ϕ(<br />

W ) dW<br />

τ <strong>ist</strong> klein und nur kleine W haben eine signifikant<br />

von 0 verschiedene Wahrscheinlichkeit<br />

f<br />

∂ f<br />

( x,<br />

t + τ ) = f ( x,<br />

t)<br />

+ τ ( x,<br />

t)<br />

∂t<br />

2 2<br />

∂ f W ∂ f<br />

f ( x + W , t)<br />

= f ( x,<br />

t)<br />

+ W ( x,<br />

t)<br />

+<br />

2<br />

∂x<br />

2 ∂x<br />

( x,<br />

t)


Einsteins Behandlung der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

Über <strong>die</strong> ungeordnete <strong>Bewegung</strong> von in einer Flüssigkeit suspen<strong>die</strong>rten<br />

Teilchen und deren Beziehung zur Diffusion.<br />

∞<br />

−∞<br />

∞<br />

2 2<br />

∂ f<br />

∂ f<br />

∂ f W<br />

f + τ = f ∫ϕ(<br />

W ) dW + ∫Wϕ(<br />

W ) dW + ∫ ϕ(<br />

W ) dW<br />

2<br />

∂t<br />

∂x<br />

∂x<br />

2<br />

⎬<br />

−∞<br />

⎬<br />

=1 =0<br />

∞<br />

−∞<br />

Definiere:<br />

∞ 2<br />

1 W<br />

D = ϕ(<br />

W ) dW<br />

τ ∫ 2<br />

−∞<br />

∂<br />

f<br />

∂<br />

2<br />

f<br />

Ficksches Diffusionsgesetz<br />

∂t<br />

=<br />

D<br />

∂<br />

x<br />

2


Einsteins Behandlung der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

Über <strong>die</strong> ungeordnete <strong>Bewegung</strong> von in einer Flüssigkeit suspen<strong>die</strong>rten<br />

Teilchen und deren Beziehung zur Diffusion.<br />

• denken wir uns den Ursprung des Koordinatensystems in <strong>die</strong> Position eines<br />

Teilchens zur Zeit t=0 gelegt<br />

• alle Teilchen bewegen sich unabhängig<br />

Es folgt: f(x,t) <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen in der Zeit t eine<br />

D<strong>ist</strong>anz zwischen x und x+dx zurückgelegt hat.<br />

Bedingungen:<br />

Lösung:<br />

f<br />

f ( x,0)<br />

= 0 für x ≠ 0 und f ( x,<br />

t)<br />

dx = 1<br />

( x,<br />

t)<br />

2<br />

1 ⎛ x<br />

= exp<br />

⎜ −<br />

4π<br />

Dt ⎝ 4Dt<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

∞<br />

∫<br />

−∞<br />

Damit:<br />

|<br />

∞<br />

∫<br />

−∞<br />

2<br />

2<br />

∆x | ( t)<br />

= x ( t)<br />

= x f ( x,<br />

t)<br />

dx = 2Dt


Einsteins Behandlung der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

Formel für <strong>die</strong> mittlere Verschiebung suspen<strong>die</strong>rter Teilchen. Eine neue<br />

Methode zur Bestimmung der wahren Größe der Atome.<br />

Wenn man das Stokes-Einstein-Gesetz in <strong>die</strong> Gleichung für <strong>die</strong> mittlere<br />

quadratische Verschiebung einsetzt, erhält man:<br />

D<br />

=<br />

RT<br />

N<br />

1<br />

6πη<br />

r B<br />

⇒<br />

| ∆x<br />

| ( t)<br />

=<br />

t<br />

RT<br />

N<br />

1<br />

3πη<br />

Abschätzung für ein Teilchen von 1 µm Radius in <strong>Was</strong>ser von 17°C:<br />

ca. 1 µm pro Sekunde<br />

r B<br />

Messung der Anzahl der Atome pro Gramm des Stoffes mittels der<br />

mittleren Verschiebung<br />

Keine Messung der Geschwindigkeit des <strong>Brownsche</strong>n Teilchens möglich!


Experimentelle Bestätigung der Ex<strong>ist</strong>enz von Atomen<br />

Jean Perrin<br />

geb. 30.09.1870 in Lille<br />

gest. 17.04.1942 in New York<br />

11.11.1909 Einstein an Perrin<br />

Ich hätte es für unmöglich gehalten, <strong>die</strong><br />

<strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> so präzis zu untersuchen;<br />

es <strong>ist</strong> ein Glück für <strong>die</strong>se Materie, daß Sie sich<br />

ihrer angenommen haben.<br />

Diese Arbeiten wurden 1926 mit dem Nobelpreis für <strong>Physik</strong> ausgezeichnet.


Alternative Beschreibung<br />

Marian von Smoluchowski<br />

geb. 28.05.1872 in Wien<br />

gest. 05.08.1917 in Krakau<br />

Zur kinetischen Theorie der<br />

<strong>Brownsche</strong>n Molekularbewegung<br />

und der Suspensionen,<br />

Annalen der <strong>Physik</strong> 756-779 (1906)<br />

Seine Arbeit beinhaltet eine detaillierte Analyse der vorhandenen<br />

Literatur zur <strong>Brownsche</strong>n Molekularbewegung und der Versuche, <strong>die</strong>se<br />

mittels der kinetischen Gastheorie zu verstehen. Ausgehend von einer<br />

stat<strong>ist</strong>ischen Beschreibung der Stoßprozesse leitet er dann das gleiche<br />

Resultat wie Einstein ab.


Eine kleine Zahlenspielerei<br />

Der menschliche Körper enthält ca. 40 Kg <strong>Was</strong>ser<br />

⎬<br />

Die gesamte <strong>Was</strong>sermenge auf der Erde <strong>ist</strong> ca. 1.4 10 21 Kg<br />

Avogadro Zahl: 6.022 10 23 Teilchen / Mol<br />

⎬<br />

1 Mol <strong>Was</strong>ser wiegen 18 g<br />

2.86 10 -20<br />

1.34 10 27<br />

Wieviele <strong>Was</strong>sermoleküle aus dem Körper von Jesus Chr<strong>ist</strong>us sind in uns?<br />

Wenn man an <strong>die</strong> „Auferstehung des Fleisches“ glaubt: 0<br />

Wenn man an <strong>die</strong> „Auferstehung der Seele“ glaubt oder kein Chr<strong>ist</strong> <strong>ist</strong>:<br />

ca. 4 10 7<br />

Zur Beruhigung: das gilt genau so für Buddha oder Mohammed<br />

oder Jack the Ripper oder …<br />

(vernachlässigt <strong>ist</strong> hier <strong>die</strong> Tatsache, dass der Mensch trinken muss)


Eine Einschätzung<br />

Wenn in einem Kataklysmus alles<br />

wissenschaftliche Wissen vernichtet<br />

würde und nur ein Satz könnte an <strong>die</strong><br />

nächste Generation von Kreaturen<br />

weitergegeben werden, welche<br />

Aussage enthielte dann <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>e<br />

Information in den wenigsten<br />

Worten?<br />

Richard P. Feynman<br />

geb. 11.05.1918 in New York City<br />

gest. 15.02.1988<br />

1954: Albert Einstein award<br />

Alle Dinge bestehen aus Atomen –<br />

kleinen Teilchen, <strong>die</strong> in beständiger<br />

<strong>Bewegung</strong> sind, <strong>die</strong> sich anziehen, wenn<br />

sie eine gewisse D<strong>ist</strong>anz voneinander<br />

entfernt sind und sich abstoßen, wenn<br />

man sie ineinander presst.<br />

MEHR BROWNSCHE BEWEGUNG NACH DER PAUSE


Die seltsamen Pfade der <strong>Brownsche</strong>n Teilchen<br />

Newtonsche Mechanik<br />

<strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong><br />

dx = v dt dx = σ dW(t); dW(t) ~ (dt) 1/2<br />

dv = (K / m) dt<br />

v ex<strong>ist</strong>iert nicht!<br />

konservativ (Energie erhaltend) dissipativ<br />

Einstein: physikalisch muss <strong>die</strong> Annahme, dass <strong>die</strong> Verschiebungen eines<br />

Teilchens zu zwei Zeiten t und t+dt unabhängig sind für kleine<br />

dt ungültig werden.<br />

Neue mathematische Disziplin: Theorie stochastischer Prozesse<br />

Die <strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> <strong>ist</strong> ein stochastischer Prozess mit stetigen<br />

aber nicht differenzierbaren Pfaden.<br />

Wie kann man sich das veranschaulichen?


Der random walk wird geboren<br />

Letter to Nature, 1905<br />

A man starts from a point 0 and walks l<br />

yards in a straight line: he then turns<br />

through any angle whatever and walks<br />

another l yards in a straight line. He<br />

repeats this process n times.<br />

I require the probability that after these n<br />

stretches he is at a d<strong>ist</strong>ance between r and<br />

r+∆r from his starting point 0.<br />

Karl Pearson<br />

geb. 27.03.1857 in London<br />

gest. 27.04.1936 in Coldharbour<br />

2<br />

2r<br />

⎛ r<br />

p = n<br />

( r)<br />

exp<br />

⎜ −<br />

n ⎝ n<br />

⎞<br />

⎟<br />


Der random walk wird geboren<br />

Der random walk geht in diskreten Schritten in der Zeit.<br />

usw.<br />

Die <strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> <strong>ist</strong> selbstähnlich (fraktal). Sie <strong>ist</strong> der<br />

Grenzwert eines random walks, bei der <strong>die</strong> Schrittweite gegen Null<br />

geht und das Zeitintervall zwischen zwei Schritten auch, aber so<br />

daß gilt:<br />

2<br />

l<br />

D = =<br />

2 τ<br />

const.


Anwendungen der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

‣ Transportprozesse<br />

<strong>Physik</strong>: Wärmeleitung, Ladungstransport, Diffusion in Flüssigkeiten<br />

Chemie: Lösungen, Reaktionskinetik<br />

Biologie: Transport in Zellen: Molekulare Motoren<br />

Gesellschaft: Verkehr<br />

‣ Finanzmarkt<br />

‣ Quantenmechanik


Molekulare Motoren<br />

Eine molekulare Pumpe, <strong>die</strong> für<br />

Transport durch <strong>die</strong> Zellmembran<br />

sorgt. Der Rotor dreht sich in<br />

120° Sprüngen.<br />

Die Moleküle sind dauernden<br />

thermischen Schwankungen<br />

ausgesetzt, erzeugen aber trotzdem<br />

gerichteten Transport unter<br />

Verbrennung von ATP<br />

Direct Observation of the<br />

Rotation of F1-ATPase<br />

H. Noji, R. Yasuda, M. Yoshida,<br />

K. Kinosita Jr., Nature 386, 299<br />

(1997).


Molekulare Motoren<br />

Ein molekularer Pickup-Truck: Kinesin<br />

Kinesin <strong>ist</strong> ein Motor-Protein, das eine gerichtete <strong>Bewegung</strong> längs in<br />

der Zelle vorhandener Faserbündel, so genannter Microtubulen<br />

ausführt. Es „läuft“ auf 2 Beinen <strong>die</strong> Faser entlang.<br />

Figuren von Prof. Steven Block,<br />

Department of Applied Physics and<br />

Biological Sciences<br />

Stanford University<br />

www.stanford.edu/group/blocklab


<strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> im Finanzmarkt<br />

Louis Bachelier<br />

geb. 11.03.1870 in Le Havre<br />

gest. 28.04.1946 in St-Servan-Sur-Mer<br />

Doktorarbeit am 19.03.1900<br />

Theorie de la Spéculation<br />

Doktorvater: Henri Poincaré<br />

Eine bemerkenswerte Arbeit!<br />

Die Arbeit enthielt alle mathematischen Ideen für eine Theorie der<br />

<strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong>, wie sie später systematisiert wurden.<br />

Sie wurde vollkommen ignoriert.<br />

Selbst Poincaré hat nicht bemerkt, dass sein Doktorand das Problem der<br />

<strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong> gelöst hatte.


<strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> im Finanzmarkt<br />

Der S&P 500 <strong>ist</strong> ein Aktienindex aus den 500 größten Firmen in den USA.<br />

Geometrische <strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> [H. Itô (Mathematiker)<br />

M.F. Osborne (<strong>Physik</strong>er), P. Samuelson (Ökonom)]<br />

dS<br />

)[ µ dt + σ dW ( )]<br />

( t)<br />

= S(<br />

t<br />

t


<strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> und Quantenmechanik<br />

In der Quantenmechanik kann ich nur noch Wahrscheinlichkeitsaussagen zu<br />

Ort und Impuls eines Teilchens machen.<br />

Ein Quantenobjekt wird beschrieben durch eine Wellenfunktion Ψ(x,t), <strong>die</strong><br />

eine Lösung der Schrödingergleichung <strong>ist</strong>.<br />

Max Born postulierte:<br />

Die Wahrscheinlichkeit ein Teilchen im Intervall [x,x+∆x] zu finden <strong>ist</strong><br />

gegeben durch | Ψ(x,t)| 2 ∆x.<br />

Einstein in einem Brief an Max Born: „Der (liebe Gott) würfelt nicht!“<br />

Einstein hat natürlich nicht daran gezweifelt, daß <strong>die</strong> Quantenmechanik<br />

richtige Vorhersagen ausrechnet. Seine Kritik richtete sich gegen <strong>die</strong><br />

philosophische Interpretation der Kopenhagener Schule, <strong>die</strong> man so<br />

formulieren könnte: „Du sollst dir kein Bildnis machen!“


<strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> und Quantenmechanik<br />

h<br />

∆x∆p<br />

≥<br />

2<br />

Ein berühmtes Gedankenexperiment zur<br />

Unschärferelation, das γ-Strahlen Mikroskop:<br />

Werner Heisenberg<br />

geb. 5.12.1901 in Würzburg<br />

gest. 1.02.1976 in München<br />

Aber: Das <strong>ist</strong> nicht nur richtig, wenn ich<br />

absichtlich mit dem Elektron wechselwirke.<br />

Kein Quantenteilchen <strong>ist</strong> jemals von seiner<br />

Umgebung isoliert; nur dass wir <strong>die</strong> genauen<br />

Einflüsse nicht kennen!


<strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> und Quantenmechanik<br />

Edward Nelson<br />

geb. 4.5.1932 in Georgien<br />

Professor für Mathematik in<br />

Princeton<br />

60 Jahre nach Einsteins berühmter Arbeit über <strong>die</strong> <strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong>:<br />

Physical Review 150, 1179 (1966):<br />

Herleitung der Schrödingergleichung aus der Newtonschen Mechanik


<strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> und Quantenmechanik<br />

Die <strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> <strong>ist</strong> nicht notwendig dissipativ, man kann eine<br />

konservative <strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> konstruieren. Hierzu folgt man im<br />

Wesentlichen Newtons Ableitung der klassischen Mechanik.<br />

Newton: Die Krümmung der Teilchenbahn (zweite Ableitung des Ortes<br />

nach der Zeit, erste Ableitng der Geschwindigkeit nach der Zeit) <strong>ist</strong> durch<br />

<strong>die</strong> äußere Kraft gegeben.<br />

Nelson: Der Erwartungswert der Krümmung der Teilchenbahn <strong>ist</strong> durch <strong>die</strong><br />

äußere Kraft gegeben.<br />

K<br />

K<br />

=−<br />

dV ( x)<br />

dx<br />

x(t)


<strong>Bewegung</strong>sgleichung:<br />

<strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong> und Quantenmechanik<br />

[ v(<br />

x,<br />

t)<br />

+ u(<br />

x,<br />

t)<br />

] dt + h dW ( )<br />

dx( t)<br />

=<br />

t<br />

m<br />

Hierin <strong>ist</strong><br />

v( x,<br />

t)<br />

=<br />

1<br />

m<br />

dS(<br />

x,<br />

t)<br />

dx<br />

u(<br />

x,<br />

t)<br />

=<br />

h<br />

m<br />

dR(<br />

x,<br />

t)<br />

dx<br />

Um <strong>die</strong> Teilchenbahnen berechnen zu können, brauche ich R(x,t) und S(x,t),<br />

aber für <strong>die</strong>se Funktionen gilt:<br />

⎛ i ⎞<br />

Ψ ( x,<br />

t)<br />

= exp⎜<br />

R(<br />

x,<br />

t)<br />

+ S(<br />

x,<br />

t)<br />

⎟<br />

⎝ h ⎠<br />

erfüllt <strong>die</strong> Schrödinger-Gleichung<br />

∂Ψ(<br />

x,<br />

t)<br />

ih<br />

∂t<br />

=−<br />

2<br />

h<br />

2m<br />

∂<br />

2<br />

Ψ(<br />

x,<br />

t)<br />

2<br />

∂x<br />

+ V<br />

( x)<br />

Ψ(<br />

x,<br />

t)


Einstein und <strong>die</strong> <strong>Brownsche</strong> <strong>Bewegung</strong><br />

Auf der Suche nach einer vereinheitlichten<br />

Feldtheorie hat Einstein in seinen späten<br />

Lebensjahren seine Theorie der<br />

<strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong> als nicht so wichtig<br />

angesehen. Da irrte er aus verschiedenen<br />

Gründen, wie <strong>die</strong>ser Vortrag zeigen wollte.<br />

• Dank seiner Arbeit wurde <strong>die</strong> Ex<strong>ist</strong>enz<br />

von Atomen allgemein akzeptiert.<br />

•Die Theorie der <strong>Brownsche</strong>n <strong>Bewegung</strong><br />

<strong>ist</strong> in fast allen Wissenschaftsbereichen<br />

anwendbar.<br />

•Daher <strong>ist</strong> seine Arbeit über <strong>die</strong> <strong>Brownsche</strong><br />

<strong>Bewegung</strong> auch <strong>die</strong> am me<strong>ist</strong>en zitierte<br />

seiner Arbeiten aus dem Jahr 1905.<br />

•Eine weitere Beschäftigung mit <strong>die</strong>ser<br />

Theorie hätte auch seinem (und unserem)<br />

Verständnis der Quantenmechanik gut<br />

getan.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!