Nicht-Mediziner
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1<br />
Röntgenstrahlung für <strong>Nicht</strong>mediziner<br />
Vorbereitung:<br />
Erzeugung von Röntgenstrahlen, Funktionsweise einer Röntgenröhre, spektrale Zusammensetzung von Röntgenstrahlung,<br />
Eigenschaften von Röntgenstrahlung, Wechselwirkung mit Materie (Bragg-Reflexion bzw. Beugung,<br />
Absorption und Streuung), Nachweis von Röntgenstrahlung, Funktionsweise eines Zählrohrs, Anwendungsmöglichkeiten<br />
von Röntgenstrahlung.<br />
1 Versuchsbeschreibung<br />
Abbildung 1: Einteilung elektromagnetischer Strahlung nach Frequenzen und Wellenlängen<br />
1.1 Verwendung von Röntgenstrahlung<br />
Neben der bekannten Anwendung der R. in der Medizin, gibt es viele Bereiche der Materialforschung die<br />
auf Röntgenstrahlung angewiesen sind. Zuvorderst ist hier die Aufklärung der Struktur von Kristallen<br />
aber auch von großen Molekülen (Proteinen, DNA, etc.) zu nennen. Darüberhinaus gibt es natürlich auch<br />
Anwendungen ähnlich der in der Medizin, bei der man sich die Absorption von Röntgenstrahlung zu<br />
Nutze macht, um in verschlossene Behälter Einblick zu erlangen (Sicherheitstechnik).<br />
Röntgenstrahlen sind elektromagnetische Wellen (wie Licht), die in einem Wellenlängenbereich von ca.<br />
10 −9 m bis 10 −11 m liegen, wie in der Tabelle zu ersehen ist befindet sich dieser Teil zwischen dem Bereich<br />
des ultravioletten Lichts und der Gammastrahlung (Abb. 1).<br />
Röntgenstrahlen gehören zu ionisierenden Strahlen“, was bedeutet, dass durch sie in Gasen aber auch<br />
biologischem Gewebe Ionen (Radikale) gebildet werden können. Auch sind Röntgenstrahlen in der Lage,<br />
Bindungen in Molekülen und damit auch das Erbgut zu zerstören. Daher gelten strenge Strahlenschutzvorschriften.<br />
Ist darf bei den Geräten, die im Praktikum verwendet werden, eine maximale Strahlungsbelastung<br />
ausserhalb nicht überschritten werden und es muss durch geeignete technische Maßnahmen<br />
(die man nicht umgehen darf) ausgeschlossen sein, dass Personen im Umfeld von der Röntgenstrahlung<br />
direkt getroffen werden.
2 Versuchsbeschreibung<br />
1.2 Erzeugung von Röntgenstrahlung<br />
Röntgenstrahlen werden in einer hochevakuierten Röhre erzeugt; dabei werden Elektronen aus der Glühkathode<br />
herausgelöst und mittels einer anliegenden Spannung zwischen Kathode und Anode in Richtung<br />
der positiven Elektrode beschleunigt (Abb. 2). Nach dem Durchlauf der angelegten Hochspannung<br />
U A (ca. 10 kV - 100 kV) besitzen die Elektronen am Ende eine kinetische Energie (Gl. 1).<br />
E kin = e·U (1)<br />
−e:<br />
E kin :<br />
U:<br />
Ladung eines Elektrons<br />
kinetische Energie<br />
Beschleunigungsspannung<br />
e = 1, 6·10 −19 C<br />
[E kin ] = eV; 1 eV = 1,6·10 −19 J<br />
[U] = V<br />
Abbildung 2: Schematischer Aufbau einer Röntgenröhre.<br />
Diese kinetische Energie wird beim Auftreffen auf die Anode hauptsächlich in Wärmeenergie (99%) umgewandelt<br />
und nur ein kleiner Rest wird als Röntgenstrahlung emittiert. Im Anodenmaterial verlieren<br />
die Elektronen Energie durch inelastische Stöße mit den Elektronen der Atome und durch Abstrahlung<br />
bei Ablenkung und Beschleunigung im Coulombfeld des Atomkerns. Bei diesem Vorgang entsteht ein<br />
kontinuierliches Spektrum, das Bremsspektrum.<br />
Dabei ist diese Röntgenstrahlung zusammengesetzt aus Röntgen-Bremsstrahlung und Charakteristischer<br />
Röntgenstrahlung, wobei die Entstehung der jeweiligen Art zur Namensgebung führte.<br />
1.2.1 Röntgen-Bremsstrahlung (kontinuierliches Bremsspektrum)<br />
Röntgen-Bremsstrahlung entsteht, wenn Elektronen im elektrischen Feld eines Atomkernes abgebremst<br />
werden. Dabei „verliert“ das Elektron durch den Abbremsvorgang Energie, die infolge des Energieerhaltungssatzes<br />
zum Großteil in Energie der entstehenden Photonen E Ph umgewandelt wird.<br />
Die Energieabgabe verläuft dabei in unterschiedlichen, kontinuierlichen Beträgen, wodurch ein kontinuierliches<br />
Spektrum entsteht.<br />
Die Photonenenergie E ph ist abhängig von der Wellenlänge bzw. der Frequenz der Strahlung.<br />
E Ph = h·ν = h·c<br />
λ<br />
(2)
3<br />
λ:<br />
h:<br />
c:<br />
ν:<br />
Wellenlänge der Röntgenstrahlung<br />
Plank’sches Wirkungsquantum<br />
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum<br />
Frequenz der Röntgenstrahlung<br />
Nützlich: hc = 1, 242·10 −6 eVm<br />
[λ] = m<br />
h = 6,626·10 −34 Js<br />
= 4, 14·10 −15 eVs<br />
c = 299 792 458 m/s<br />
[ν] = Hz<br />
= 1,242 eVµm<br />
Je größer also die Energie der Photonen, desto größer die Frequenz ν und desto kleiner die Wellenlänge<br />
λ der Röntgenstrahlung (vergl. Gl. 2).<br />
Die kürzeste Wellenlänge λ min (≡ höchste Energie) des Röntgenspektrums entsteht, wenn ein Elektron<br />
seine gesamte Energie in nur einem Prozeß beim Abbremsen abgibt (Gl. 3).<br />
λ min = h·c<br />
e·U<br />
(3)<br />
Die nachfolgende Abbildung zeigt verschiedene Bremsspektren in Abhängigkeit von den Beschleunigungsspannungen<br />
und dem Emissionsstrom.<br />
Abbildung 3: Links: Kontinuierliches Bremsspektrum für einen festen Emissionsstrom I 0 und verschiedene<br />
Beschleunigungsspannungen U A . Rechts: Kontinuierliches Bremsstrahlungsspektrum zweier<br />
Beschleunigungsspannungen, aber jeweils unterschiedlichen Emissionsstroms.<br />
1.2.2 Die charakteristische Röntgenstrahlung<br />
Die Physik der Atome wird nur von der Quantenmechanik richtig beschrieben, das im folgenden verwendete<br />
Schalenmodell (Bohr’sches Atommodell) der Elektronenhülle ermöglicht eine klassische Vorstellung<br />
davon, wie es im Atom zur Quantisierung von Energiewerten kommt. Allerdings darf man es nicht überstrapazieren:<br />
Elektronen sind keine Teilchen, die auf klassischen Kreisbahnen um den Atomkern kreisen!<br />
Nach dem Bohr’schen Atommodell kreisen eine Anzahl von Elektronen auf ihren jeweiligen Bahnen um<br />
den Atomkern. Die Anzahl der Elektronen entspricht der Ordungszahl (= Kernladungszahl = Anzahl der<br />
Protonen im Kern) des jeweiligen Elementes, so dass das Atom elektrisch neutral ist.<br />
Die Quantenmechanik erklärt, dass sich bestimmte Bahnen zu einzelnen Gruppen, zu sogenannten Schalen,<br />
zusammenfassen lassen. Diese werden von innen nach außen mit Elektronen aufgefüllt (Pauliprinzip)<br />
und dementsprechend in diese Richtung durch Großbuchstaben gekennzeichnet (K, L, M, N, . . .).<br />
Die K Schale kann mit 2, die L Schale mit 8 und die M Schale mit 18 Elektronen gefüllt werden.<br />
Die Schalen sind Energieniveaus, die die Energie der Elektronen der Schale charakterisieren. Die Energie<br />
der Niveaus nimmt von innen nach außen zu.
4 Versuchsbeschreibung<br />
Ist die kinetische Energie der beschleunigten Elektronen groß genug, um ein Elektron beim Auftreffen<br />
aus der Atomhülle zu schlagen (ionisieren) dann kann ein Elektron aus einer weiter außen befindlichen<br />
Schale in die entstandene Lücke springen. Dabei sind nicht alle Übergänge erlaubt, sondern nur solche,<br />
welche bestimmte Auswahlregeln der Quantenmechanik erfüllen (Abb. 4 links). Dies ist abhängig von<br />
der Energie der beteiligten Energieniveaus.<br />
Die Differenzenergie E aussen − E innen wird in Form elektromagnetischer Strahlung im Wellenlängenbereich<br />
der Röntgenstrahlung abgegeben (Gl. 4). Dieses Röntgenquant (= Photon) hat eine diskrete Energie:<br />
E Ph = E aussen − E innen = hν = h·c<br />
λ<br />
(4)<br />
Hierbei sind eine große Zahl von Übergängen möglich (Abb. 4 links). Es entsteht ein sogenanntes Linienspektrum,<br />
welches nur von der atomaren Zusammensetzung des Anodenmaterials abhängt. Die so<br />
entstandene Röntgenstrahlung wird deswegen Charakteristische Strahlung (Abb. 4 rechts) genannt.<br />
Abbildung 4: Links: Mögliche Übergänge beim Herrausschlagen eines Elektrons der inneren Schalen. Rechts:<br />
Charakteristische Röntgenstrahlung.<br />
Weitere Spezifikationen sind das Zusammenfassen der einzelnen Linien zu Serien. Übergänge von äußeren<br />
Schalen in die K- Schale werden als K-Serie bezeichnet, der Übergang L zu K bezeichnet man als<br />
K α -Strahlung, den Übergang von M zu K als K β usw. Für Molybdän als Beispiel liegen die Energien der<br />
charakteristischen Strahlung bei K α = 17, 4 keV bzw. K β = 19, 6 keV.<br />
1.3 Nachweis von Röntgenstrahlung<br />
Abbildung 5: Funktionsprinzip des Geiger-Müller-Zählrohrs
5<br />
Der Nachweis von Röntgenstrahlung erfolgt mit Hilfe des Geigerzählrohrs . Dies besteht im wesentlichen<br />
aus einem Metallrohr, in dessen Mitte sich ein dünner Draht befindet. Zwischen beiden liegt eine hohe<br />
Spannung an. Tritt nun durch das Fenster Röntgenstrahlung in das Zählrohr, so werden durch die<br />
Strahlung Ionen erzeugt, welche durch die anliegende Spannung zur jeweils gegenpoligen Elektrode beschleunigt<br />
werden. Die Spannung ist dabei so hoch, daß die entstandenen Ladungsträger soviel Energie<br />
gewinnen, um durch Stoßprozesse mit weiteren Gasmolekülen neue Ionen zu erzeugen (Elektronenlawine).<br />
Durch jeden so entstandenen Ladungsträger kommt es zu einem kurzen Stromstoß, der die anliegende<br />
Spannung zum Zusammenbruch bringt. Das Zusammenbrechen der Spannung (das Klicken des<br />
Zählrohrs bei einem akustischem Gerät) wird elektronisch gezählt.<br />
1.4 Absorption von Röntgenstrahlen<br />
1.4.1 Wechselwirkung von Röntgenstrahlen mit Materie<br />
Zwei Prozesse werden bei der Wechselwirkung von Röntgenstrahlen mit Materie unterschieden: Vollständige<br />
Absorption, d.h. die gesamte Energie des Photons wird von den beteiligten Atomen aufgenommen;<br />
Durch verschiedene Prozesse, auch z.B. die Ionisierung der Atome, wird die Energie zuletzt in<br />
Wärme umgewandelt. Streuung, d.h. die Richtung der Photonen ändert sich; eventuell geht ein Teil der<br />
Energie verloren.<br />
Die Wechselwirkung mit Materie umfaßt:<br />
• Klassische Streuung<br />
• Photo-Effekt<br />
• Compton-Effekt<br />
• Paarbildung<br />
Elastische Streuung bedeutet, dass das Röntgenphoton seine Energie beibehält, aber aus der ursprünglichen<br />
Richtung ausgelenkt wird. Insbesondere zur Strukturuntersuchung wird dies verwendet um die<br />
Anordnung der Gitterebenen zu bestimmen (siehe Bragg-Reflexion).<br />
Die Paarbildung, bei der aus dem Röntgenphoton ein Elektron und Positron (Antiteilchen des Elektrons)<br />
erzeugt wird (gemäß der Äquivalenz von Masse und Energie) kann nur bei Photonenenergien> 1.02MeV<br />
auftreten, die natürlich im Versuch nicht erreicht werden. (Warum ist das gut so?)<br />
Der Photo-Effekt bezeichnet die Absorption der Röntgenstrahlen, bei der die gesamte Energie der Röntgenphotonen<br />
auf die Elektronen übertragen wird. Es entsteht ein freies Elektron, wenn beim Energieübertrag<br />
ein gewisser Schwellenwert, die Bindungsenergie E B (Abb. 6(a)) des Elektrons im Atom überschritten<br />
wird. Zurück bleibt ein positiv geladenes Atom (Ion) und das freie Elektron mit der kinetischen<br />
Energie E kin = hν−E B .<br />
(a)<br />
(b)<br />
Abbildung 6: (a) Photo-Effekt, (b) Compton-Effekt<br />
Unter dem Compton-Effekt versteht man die Streuung eines Photons an den vergleichsweise schwach<br />
gebundenen Elektronen der äußeren Atomhülle (N, O, . . . Schale). Das Photon gibt dabei nur einen Teil<br />
seiner Energie (E γ = hν) an ein Elektron ab. Das Photon fliegt mit verringerter Energie (E ′ γ = hν ′ ) d.h. mit
6 Versuchsbeschreibung<br />
(a)<br />
(b)<br />
Abbildung 7: (a) Intensitätsverlauf in Abhängigkeit von der Dicke des Absorbermaterials; (b) Grafische<br />
Darstellung des Schwächungskoeffizienten aufgetragen über der Strahlungsenergie als Summe der einzelnen<br />
Prozesse<br />
größerer Wellenlänge und veränderter Richtung weiter (Abb. 6(b)). Das Elektron hat die Energiedifferenz<br />
E e = E γ − E ′ γ übernommen und wird mit der kinetischen Energie E kin = E γ − E ′ γ − E B emittiert. Zurück<br />
bleibt ein ionisiertes Atom.<br />
1.4.2 Das Schwächungsgesetz<br />
Alle vorher erwähnten Effekte führen zu einer Schwächung bzw. einer Absorption der ionisierenden elektromagnetischen<br />
Strahlung. Wird die Intensität vor dem Eintritt in die Materie gemessen (I 0 ) und nach<br />
dem Durchgang (I), so läßt sich die Schwächung durch das sogenannte Schwächungsgesetz beschreiben<br />
(Gl. 5). Die in der Materie verbleibende Energie wird in Wärme umgewandelt. Die (vereinfachte) Annahme<br />
hierfür ist, dass in einem homogenen Material der pro Schichtdicke dz absorbierte Anteil der Intensität<br />
dI konstant ist und proportional zur einfallenden Intensität I ist (dI = −const· I· dz) Die Intensität nimmt<br />
daher exponentiell mit der Dicke des durchstrahlten Materials ab (Abb. 7).<br />
I = I 0· e −κd (5)<br />
I:<br />
I 0 :<br />
κ:<br />
d:<br />
Intensität nach dem Materialdurchgang<br />
Intensität vor dem Materialdurchgang<br />
Schwächungs- (Extinktions-) koeffizient<br />
Dicke der absorbierenden Schicht<br />
[I] = W/cm −2<br />
[I 0 ] = W/cm −2<br />
[κ] = m −1<br />
[d] = m<br />
Der Extinktions- oder Schwächungskoeffizient κ beinhaltet streng genommen die Summe zweier Beiträge,<br />
nämlich der Streuung und der Absorption der Strahlung, was aber nicht vertieft werden soll. Bei der<br />
Absorption durch Photo- und Compton-Effekt werden Elektronen aus der Atomhülle gelöst. Die Energie<br />
des Röntgenquants wird dabei auf das Elektron übertragen. Der Absorptionskoeffizient τ hängt von der<br />
Wellenlänge λ der Röntgenstrahlung, der Ordnungszahl Z des Absorbermaterials und dessen Dichte ρ<br />
ab. Dieser Zusammenhang wird angenähert durch die empirisch ermittelte Beziehung:<br />
κ = cρZ 3 λ 3 (6)<br />
Bei Gleichung 7 ist der Faktor c eine dimensionsbehaftete Größe, die abschnittsweise konstant ist und bei<br />
einigen bestimmten Wellenlängen (= Absorptionskanten) springt, weil mit wachsender Energie plötzlich<br />
Elektronen einer tieferen Schale herausgeschlagen werden (Abb. 8).<br />
Für die Lage der kurzwelligsten dieser Kanten, der K-Kante, gilt:<br />
h·ν = h·c<br />
λ K<br />
= (13.6 eV)·Z 2 (7)<br />
Dies entspricht der Rydberg-Gleichung für ein Atom der Ordnungszahl Z (Wasserstoff: Z = 1!) und gibt<br />
die Bindungsenergie eines 1s-Elektrons an.
7<br />
Abbildung 8: Links: Dichtebezogener Schwächungskoeffizient in Abhängigkeit von der Ordnungszahl Z bei<br />
λ = konst. Rechts: Dichtebezogener Schwächungskoeffizient in Abhängigkeit von der Wellenlänge λ<br />
Diese Kanten sind ein Indiz für das Vorhandensein von diskreten Energiezuständen in der Atomhülle<br />
(Schalen gleicher Energie).<br />
1.5 Bragg-Reflexion<br />
Bei der „Bragg-Reflexion“ handelt es sich um die Beugung von Röntgenlicht an den Atomen, Molekülen<br />
bzw. Ionen von Kristallen und nachfolgender Interferenz der gebeugten Strahlung.<br />
H. Bragg und W. L. Bragg erkannten (1913), daß man die Beugung und Interferenz von Röntgenstrahlen<br />
auch als Reflexion an den Netzebenen von Kristallen deuten kann. Netzebenen sind gedachte, durch<br />
die Gitterbausteine gehende Ebenen. Der Abstand zweier benachbarter, zueinander paralleler Ebenen<br />
wird Netzabstand genannt. Um die sogenannte Bragg-Bedingung herzuleiten, wird eine Schar paralleler<br />
Abbildung 9: Herleitung der Bragg-Bedingung<br />
Netzebenen betrachtet, an denen das einfallende Röntgenlicht „reflektiert“ werden soll. Der Gangunterschied<br />
(B 1 A 2 + A 2 B 2 ) zweier an benachbarten Netzebenen reflektierter Wellen beträgt, wie die Geometrie<br />
zeigt, am Ort des Detektors 2d·sinθ. Damit dort ein Intensitätsmaximum wahrgenommen wird, muß<br />
der Gangunterschied nach dem Gesetz der Wellenmechanik ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge<br />
sein. Somit erhält man die Bragg-Bedingung:<br />
2d·sin θ = n·λ; n = 1, 2, 3, . . . (8)<br />
Dabei ist θ der Glanzwinkel, unter dem das Röntgenlicht mit der Wellenlänge λ auf die reflektierenden<br />
Netzebenen fällt und d der Abstand dieser Ebenen. Obige Gleichung besagt, daß bei gegebenem Netzab-
8 Aufgaben<br />
stand jede Wellenlänge λ der einfallenden Strahlung nur unter einem ganz bestimmten Winkel „reflektiert“<br />
wird. Beugung und Interferenz von Röntgenstrahlung nach der Bragg-Bedingung ermöglicht den<br />
Bau von Spektralapparaten.<br />
Bei den folgenden Versuchen wird die Bragg-Reflexion an Einkristallen verwendet.<br />
2 Aufgaben<br />
Bei der Untersuchung der Röntgenstrahlung mittels der Bragg-Reflexion wird der Kristall an der Aufnahme<br />
am Goniometer befestigt, danach wird am Bedienfeld der Scan-Modus COUPLED eingestellt. Bei<br />
dieser Einstellung wird der Arm des Goniometers im Verhältnis 2:1 betrieben, dies führt dazu, daß bei<br />
Drehung des Meßarmes und damit des auf ihm sitzenden Detektors um einen Winkel 2θ der Kristall genau<br />
um die Hälfte dieses Winkels mitgedreht wird. Dadurch ist die zum Nachweis der Bragg-Reflexion<br />
erforderliche Gleichheit des Ein- und Ausfallwinkels gewährleistet.<br />
Die vorliegende Röhre hat eine Molybdänanode und kann mit einer Anodenspannung U A zwischen 0<br />
und 30 kV betrieben werden. Der Emissionsstrom I A ist von 0-1 mA einstellbar.<br />
2.1 Untersuchung der spektralen Zusammensetzung der Röntgenstrahlung und Bestimmung<br />
der Gitterkonstante eines unbekannten Kristalls<br />
Mit Hilfe der Bragg-Reflexion soll zunächst die spektrale Zusammensetzung der in einer Röntgenröhre<br />
erzeugten Strahlung untersucht werden, sowie<br />
a) Nehmen Sie das Spektrum der Röntgenröhre (U = 30 kV; I = 1,0 mA) mit Hilfe der Bragg-Reflexion<br />
an einem LiF-Einkristall (d = 201 pm / gelb) auf. Der entsprechende Winkelbereich ist dabei zweckmäßig<br />
auf β Unten = 2,5 ◦ , β Oben = 30 ◦ und einen Bereich von ∆β = 0,1 ◦ einzustellen. Das Zeitintervall<br />
∆t ist auf 2 sec einzustellen. Bestimmen Sie hieraus mit Hilfe der Bragg-Beziehung die Wellenlänge<br />
der MoK α - Linie und der MoK β - Linie für alle Beugungsordnungen.<br />
b) Nehmen Sie nun das Spektrum für U = 25 kV auf und reduzieren den Winkelbereich auf 15 ◦ . Alle<br />
anderen Einstellungen bleiben wie bei der vorhergehenden Messung eingestellt. Bestimmen Sie aus<br />
dem kurzwelligen Ende des Spektrums das Planksche Wirkungsquantum h.<br />
c) Tauschen Sie den LiF-Kristall gegen den unbekannten Kristall aus und nehmen Sie nun das Spektrum<br />
der Röntgenröhre mit den gleichen Einstellungen wie in b) auf. Durch Vergleich können Sie<br />
den Netzebenenabstand des unbekannten Kristalls bestimmen. Mit Hilfe der unteren Tabelle 1 können<br />
Sie feststellen, um welchen Einkristall es sich handelt.<br />
Einkristall LiF KCl NaCl RbCl<br />
Netzebenenabstand d in pm 201 629 282 658<br />
Tabelle 4: Netzebenenabstände einiger ausgesuchter Einkristalle<br />
2.2 Absorption von Röntgenstrahlen<br />
Wie man aus obiger Aufgabe erkennen kann, entsteht in der Röntgenröhre sogenannte weiße Röntgenstrahlung,<br />
d.h. Röntgenstrahlung, die aus einem Kontinuum von Wellenlängen zusammengesetzt ist.<br />
Das Absorptionsgesetz ist aber nur für monochromatische Strahlung exakt erfüllt. Darum wird mit Hilfe<br />
der Bragg-Reflexion versucht nahezu monochromatische Strahlung zu erzeugen. Der gewählte Winkel<br />
bestimmt die Intensität I 0 und die Wellenlänge bzw. Energie der Strahlung, die auf den Absorber trifft.<br />
2.2.1 Bestimmung des Schwächungskoeffizienten κ<br />
a) Setzen Sie den LiF-Einkristall ein, wählen Sie 30 kV Röhrenspannung, und stellen Sie den Winkel<br />
der MoK α - Linie ein. Messen Sie die Intensität I dieser monochromatischen Strahlung nach Durchdringung<br />
von Aluminiumfolien unterschiedlicher Dicke (0,1; 0,2; 0,3; 0,4; 0,5 mm). Dazu wählt man<br />
einen Winkelbereich von ∆β = 0˚ und ein Zeitintervall von ∆t = 10 s. Durch Drücken von COU-<br />
PLED, SCAN und REPLAY erhält man schließlich die mittlere Zählrate pro Sekunde. Zur Auswertung<br />
trage man ln(I 0 /I) = f(d) graphisch auf und bestimme den Schwächungskoeffizienten κ aus<br />
der Steigung des Graphen.
9<br />
b) Die Absorption von Röntgenstrahlung nimmt mit der Dicke des durchstrahlten Elementes zu. Dies<br />
ist das Ergebnis aus der Teilaufgabe a). In der nächsten Aufgabe wird die Abhängigkeit des photoelektrischen<br />
Massenabsorptionskoeffizienten κ/ρ von der Ordnungszahl Z durch die Verwendung<br />
verschiedener Absorbermaterialien gezeigt.<br />
Bleiben Sie bei der Winkeleinstellung der MoK α - Linie. Bestimmen Sie die Intensität I der Strahlung<br />
nach dem Durchgang durch die verschiedenen Filter wie in Teilaufgabe a). Tragen Sie danach κ/ρ<br />
doppelt-logarithmisch gegen Z auf und überprüfen Sie, ob ein Potenzgesetz vorliegt.<br />
Element Ordnungszahl Z Dichte ρ in g/cm 3 Dicke in mm<br />
Fe 26 7.86 0.5<br />
Cu 29 8.94 0.07<br />
Zr 40 6.52 0.05<br />
Mo 42 10.2 0.1<br />
Ag 47 10.5 0.05<br />
In 49 7.28 0.3<br />
Tabelle 5: Dicken und Parameter der Absorber