Materialsynthese
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<strong>Materialsynthese</strong><br />
Prof. Klaus Ruhland<br />
Kunststoffe, W. Keim<br />
Makromolekulare Chemie, B. Tieke<br />
Polymerchemie kompakt, M. Brahm<br />
Makromolekulare Chemie, M. D. Lechner<br />
Hybrid Materials, G. Kickelbick<br />
Synthesis of Inorganic Materials, U. Schubert,<br />
Reactions and Characterization of Solids, S. E. Dann<br />
Inorganic Materials Synthesis and Fabrication, J. N. Lalena<br />
Principles of Inorganic Materials Design, J. N. Lalena<br />
Combinatorial Materials Synthesis, X.-D. Xiang<br />
Physics of Functional Materials, H. Frederiksson<br />
Inorganic and Organometallic Macromolecules, A. S. Abd-El-Aziz<br />
Technische Chemie, E. Fitzer<br />
1<br />
1
1. Einleitung<br />
<strong>Materialsynthese</strong> beschäftigt sich mit der gezielten und vorhersagbaren Veränderung der<br />
Zusammensetzung von Materialien, mit dem Ziel das Eigenschaftsprofil des Materials gezielt<br />
zu verbessern.<br />
Wir wollen die Materialien zunächst einmal in drei große Gruppen unterteilen.<br />
Organische<br />
Materialien<br />
Anorganische<br />
Materialien<br />
Polymere<br />
Materialien<br />
2<br />
Ein Großteil der Vorlesung wird sich mit rein anorganischen Materialien und deren Synthese<br />
beschäftigen. Unter ihnen wird es auch rein anorganische Polymere geben, die besprochen<br />
werden, genauso wie anorganisch-organische Hybridmaterialien, die sowohl aus<br />
anorganischen als auch aus organischen Bestandteilen zusammengesetzt sind und einen<br />
immer bedeutenderen Einfluß innerhalb der Materialwissenschaften einnehmen. Über<br />
niedermolekulare rein organische Materialien werden wir uns am Ende nur kurz im<br />
Zusammenhang mit chemischer Syntheseplanung beschäftigen, da dieses Gebiet recht speziell<br />
und eher für Diplom-Chemiker wichtig ist. Beginnen wollen wir mit der Synthese von rein<br />
organischen Polymeren (Hybridpolymere gibt es auch, und sie werden im Zusammenhang mit<br />
den anorganischen Polymeren angesprochen).<br />
2
Für jedes Material kann man ein weiteres Klassifizierungsdreieck einführen:<br />
Herstellung<br />
Synthese,<br />
Prozessierung<br />
Zusammensetzung,<br />
Struktur<br />
Charakterisierung<br />
Material<br />
Eigenschaften,<br />
Performance<br />
Anwendung<br />
Auf die Herstellung des Materials nimmt nicht nur die chemische Reaktion Einfluß sondern<br />
(manchmal zu einem viel erheblicheren Anteil) auch die Prozessführung, mit der wir uns<br />
deshalb zumindest grundlegend ebenfalls beschäftigen müssen. Stets einher mit der Planung<br />
einer Synthese sollte in den Gedanken eines Materialwissenschaftlers die geplante<br />
Anwendung des Materials und Möglichkeiten der Charakterisierung des Materials gehen,<br />
obwohl diese beiden Aspekte nicht im Vordergrund dieser Vorlesung stehen.<br />
3<br />
2. Organische Polymere<br />
2.1 Wichtigkeit organischer Polymere<br />
Organische Polymere nehmen einen breiten und großen Anwendungsbereich gerade in der<br />
Verpackungsindustrie (PE, PET) aber auch als Verbrauchsgegenstände (PP, PVC) oder in der<br />
Bauindustrie (PS) ein. Auch Hochleistungspolymere wie Carbonfasern, die als<br />
Polymerprecursoren PAN verwenden scheinen in einigen Bereichen (Transportindustrie) aus<br />
dem Schattendasein als Nischenprodukt herauszutreten.<br />
Der Verbrauch organischer Polymere im Vergleich zu anderen Materialen (Rohstahl:<br />
3%/Jahr; Papier und Pappe: 1%/Jahr) ist stärker wachsend (10%/Jahr), was die Wichtigkeit<br />
dieser Materialgruppe auch für die Zukunft unterstreicht. ¾ der Weltproduktion gehen auf PE<br />
3
(25%), PP (16%), PET (12%), PVC (11%) und PS (10%) zurück. Etwa 10% des Hausmülls<br />
ist auf Kunststoffe zurückzuführen.<br />
2.2 Einteilung organischer Polymere<br />
2.2.1 Nach Anwendung<br />
Bezüglich ihrer Anwendung unterscheidet man organische Polymer insbesondere funktional<br />
in Plastiken (Gebrauchsgegenstände, Verpackungen), Elastomere (Reifen, Gummistiefel,<br />
Lauf- und Förderbänder), Fasern (Kleidung, Carbonfaser), Folien (Beschichtungsmaterialien),<br />
Schäume (Polster- und Dämm-Marterialien) und Klebstoffe. Hier steht als ordnendes Element<br />
neben der Anwendung nicht zuletzt auch die Verarbeitung des Rohpolymers im Vordergrund<br />
(Plastiken: Pellets mit Formgebung durch Extrusion oder Injection Molding; Elastomere:<br />
Folien oder Filme durch Kalendrierung mit Vulkanisation zur permanenten Formgebung;<br />
Fasern: Faserbildung des Rohpolymers über Spinnerets; Folien: Blow-molding oder<br />
Kalendrierung). Zur Mülltrennung und –wiederverwertung findet man Recyclingsymbole auf<br />
den verschiedenen Gebrauchsgegenständen, die im täglichen Leben auftauchen. Diese geben<br />
Aufschluß über das verwendete Rohpolymer und stellen somit eine weitere Klassifizierung<br />
nach Anwendung dar.<br />
Die „1“ im Recyclierdreieck steht dabei für Polyethylenterephthalat (Getränkeverpackungen).<br />
Die „2“ steht für High-density-Polyethylen (hochschmelzende billige Gebrauchsgegenstände).<br />
“3“ weist auf Polyvinylchlorid hin, das immer noch weit verbreitet ist. „4“ markiert Lowdensity-Polyethylen,<br />
das einen niedrigeren Schmelzpunkt als HDPE aufweist und damit in<br />
4
seiner Anwendung eingeschränkt aber in der Herstellung billiger ist. „5“ ist das Label für<br />
Polypropylen, das wegen seines Schmelzpunktes oberhalb von 100°C im Unterschied zu PE<br />
und PVC für Anwendungen im Küchenbereich geeignet ist. Polystyrol (Dämm- und<br />
Verpackungsmaterial) hat mit der Nummer „6“ ebenfalls eine eigene Markierung erhalten.<br />
Die Einteilung nach Recycliersymbolen spiegelt die Häufigkeit des Auftretens dieser<br />
Materialien im täglichen Leben wieder.<br />
2.2.2 Nach thermischem Verhalten<br />
Eine weitere gebräuchliche Möglichkeit, organische Polymere zu ordnen, ist nach ihrem<br />
thermischen Verhalten.<br />
Chain fixation increases<br />
Fluidoplast<br />
viscous solid<br />
Thermoplast Elastoplast Elastomer Thermoset<br />
solid<br />
(amorphous or semicristalline)<br />
solid<br />
(cristalline block domains)<br />
solid<br />
solid<br />
Temperature increases<br />
T F<br />
fluid<br />
no melt transition<br />
fluid<br />
T g<br />
Viscous solid<br />
T m<br />
melt<br />
Tg<br />
T g<br />
no glass transition<br />
elastomer elastomer solid<br />
T m no melt transition no melt transition<br />
melt<br />
elastomer<br />
solid<br />
Room<br />
temp.<br />
T C<br />
T C<br />
T C<br />
T D<br />
T D<br />
T F : fluid temperature, T g : glass temperature, T m : melt temperature, T c :ceiling temperature, T D : decomposition temperature<br />
23<br />
Das obere Schaubild zeigt die unterschiedlichen Kategorien und den chemisch-physikalischen<br />
Ursprung für das Verhalten in Abhängigkeit der Temperatur.<br />
Fluidoplaste sind niedermolekulare unvernetzte viskose Öle, die im gesamten relevanten<br />
Temperaturbereich flüssig sind (bei sehr niedrigen Temperaturen werden diese natürlich auch<br />
5
irgendwann fest). Folgerichtig gibt es keinen Schmelzübergang für diese Gruppe von<br />
organischen Polymeren. Anstelle dessen weisen diese Materialien eine<br />
Fluidisiersungstemperatur auf, oberhalb derer sie Newtonsches Fließverhalten zeigen<br />
(Viskosität unabhängig von der Schergeschwindigkeit).<br />
Die anwendungstechnisch wichtigste Gruppe von organischen Polymeren bezüglich ihres<br />
thermischen Verhaltens sind die Thermoplaste. Dies sind hochmolekulare unvernetzte<br />
Polymere. Sie können insbesondere geschmolzen und im flüssigen Zustand verformt werden.<br />
Eine weitere entscheidende Temperatur ist der Glasübergang, oberhalb von dem<br />
intramolekulare Rotationen eingeschaltet werden (als Faustregel gilt, daß T g ≈ T m ). Bezüglich<br />
ihrer Verarbeitung ist diese charakteristische Temperatur aber noch wichtiger für Elastoplaste<br />
und Elastomere, da nur oberhalb der Glastemperatur die Entropie-elastischen Eigenschaften<br />
letzterer Materialen auftreten.<br />
Elastomere sind hochmolekulare schwach chemisch vernetzte Polymere mit einer<br />
Glastemperatur tiefer als Raumtemperatur.<br />
Radikalische Vernetzung. PE kann durch Zugabe von Radikalinitiatoren (werden unten noch<br />
genauer besprochen) über Rekombination vernetzt werden.<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
Init 2<br />
Wärme<br />
h ν<br />
2 Init<br />
2 Init-H<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
Vulkanisation. Die klassische Vernetzung von Polybutadien und Polyisopren geschieht durch<br />
Vulkanisation über Schwefelbrücken. Dies kann kalt mit S 2 Cl 2 oder warm mit elementarem<br />
Schwefel ablaufen. Letztere Methode ist die gebräuchlichere, weil erstere wegen der<br />
6
egrenzten Diffusion des Reaktanden bei tiefen Temperaturen nur auf dünne Werkstoffe<br />
beschränkt ist.<br />
Kaltvulkanisation<br />
Heißvulkanisation<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
HC<br />
H<br />
C CH 2<br />
S 2 Cl 2<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
S 8<br />
130°C<br />
S<br />
S<br />
Cl<br />
Cl<br />
CH CH CH 2<br />
S<br />
S<br />
H 2<br />
C CH CH<br />
Cl<br />
Cl<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
S x<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2 S<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
S<br />
H<br />
C<br />
-2 HCl<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
-H 2 S<br />
H H<br />
C C<br />
S x<br />
H 2<br />
C<br />
S<br />
H 2<br />
C<br />
CH<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H 2<br />
C<br />
H<br />
C<br />
H<br />
C<br />
CH<br />
H 2<br />
C<br />
Chloropren kann mittels MgO über die reaktiven vinylischen Chlorsubstituenten vulkanisiert<br />
werden.<br />
Comonomervernetzung. Eine weitere Möglichkeit, vernetztes PE herzustellen, ist durch die<br />
Copolymerisation von PE mit einem α,ω-Dien (z. B. 1,5-Hexadien; EPDM,<br />
Ethylen/Propylen/Dien/Monomere). Hier wird bereits während der Polymersynthese die<br />
Vernetzung mit eingebaut.<br />
Photovernetzung. Auch durch Bestrahlung kann über eine [2+2]-Cycloaddition eine<br />
Vernetzung chemisch herbeigeführt werden.<br />
7
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
h ν 1<br />
h ν 2<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
Durch Bestrahlung mit einer zweiten spezifischen Frequenz n2 kann die Vernetzung wieder<br />
gelöst werden (Photo-Schalter).<br />
Ionische Vernetzung. Durch Copolymerisation von Ethen mit Acrylsäure, gefolgt von<br />
Neutralisation der Säure, also z. B. Überführung der –COOH-Funktionalität in eine –COONa-<br />
Funktionalität, können Vernetzungen über ionische Wechselwirkungen erzeugt werden, die<br />
dann pH- und Lösemittel-abhängig ein- und ausgeschaltet werden können.<br />
COO - COO -<br />
H +<br />
Na + Na + Na + Na+<br />
COOH<br />
COOH<br />
COO - COO -<br />
OH -<br />
COOH COOH<br />
Physikalische Vernetzung. Eine weitere Möglichkeit der Vernetzung ist die über physikalische<br />
Van-der-Waals-Wechselwirkung. Dies gelingt in ausreichend starkem Maße meist nur über<br />
Kristiallisationsblöcke, wie unten bei den Elastoplasten näher beschreiben ist.<br />
Harzbildung. Harzbildung ist eine engmaschige chemische Vernetzung häufig mit<br />
Formaldehyd als vernetzendes Reagenz.<br />
N<br />
N<br />
OH<br />
H 2 C O N<br />
N<br />
OH<br />
N<br />
N<br />
OH<br />
OH H + N N<br />
-H 2 O<br />
N<br />
OH - N O<br />
N<br />
H 2 N<br />
NH 2<br />
NH 2<br />
N<br />
HO<br />
N<br />
N<br />
N<br />
OH<br />
HO<br />
OH<br />
8
Einer der bekanntesten Vertreter vernetzter organischer Polymere ist das durch Schwefel-<br />
Vulkanisation zu etwa 2% vernetzte Polybutadien, das als Copolymer mit Isopren, Styrol und<br />
Acrylnitril als Comonomere in der Reifenindustrie eingesetzt wird. Typisch für Elastomere ist<br />
ein Glasübergang niedriger als Raumtemperatur und das Fehlen eines Schmelzpunktes wegen<br />
der chemischen Vernetzung. Elastomere müssen also vor der Vulkanisation in ihre spätere<br />
Form gebracht werden, da durch die Vulkanisation die thermoplastischen Eigenschaften<br />
verloren gehen. Durch die geringe Vernetzung (ca. 3%) folgenden die Entropie-elastischen<br />
Eigenschaften.<br />
Elastoplaste stellen das Bindeglied zwischen Thermoplasten und Elastomeren dar. In diesen<br />
hochmolekularen Polymeren liegt ebenfalls eine geringfügige Vernetzung vor, allerdings<br />
nicht über chemische Bindungen sondern über physikalische Van-der-Waals- oder<br />
Wasserstoffbrückenbindung (wie oben bereits erwähnt), so daß es nur schwache<br />
Vernetzungspunkte sind, die thermisch überwunden werden können. Auch diese Materialien<br />
müssen einen Glasübergang niedriger als Raumtemperatur haben. Sie sind allerdings wie die<br />
Thermoplaste durch Schmelzen, Umformen und abkühlen thermoverformbar (verlieren bei<br />
den hohen Temperaturen aber natürlich auch ihre Entropie-elastischen Eigenschaften.<br />
Ataktisches Polypropylen mit isotaktischen Blöcken als Kristallisationsanker ist ein Beispiel<br />
für einen elastoplastischen Werkstoff. Wir werden uns noch ansehen, wie man diese recht<br />
spezielle Kettenstruktur synthetisch hinbekommt.<br />
Thermodure letztlich sind stark vernetzte hochmolekulare Verbindungen (siehe Harzbildung<br />
oben). Wegen der starken inneren chemischen Vernetzung besitzen diese Materialien weder<br />
Glas- noch Schmelztemperatur und sind daher besonders für Langzeit-stabile Anwendungen<br />
geeignet. Das in Zahnfüllungen verwendete Material (stark vernetztes PMMA) ist ein Beispiel<br />
für einen thermoduren Werkstoff. Über Formaldehyd stark vernetzte Harze wie UF (Harnstoff<br />
und Formaldehyd) oder PF (Phenol und Formaldehyd) sind weitere bekannte Vertreter. Eines<br />
der ersten kommerziellen Polymere, das Bakelit, gehört auch in diese Gruppe.<br />
Egal welche der vorherigen Gruppen wir betrachten: ab einer bestimmten Temperatur, der<br />
Ceiling-Temperatur, zeigen durch Polymerisation oder Polyaddition hergestellte Polymere<br />
(nicht aber durch Polykondensation hergestellte; die Reaktionstypen werden später noch<br />
erklärt) eine Depolymerisation in die Monomere (es gibt ganz wenige Ausnahmen von<br />
Monomeren/Polymeren, die ein Floor-Temperatur besitzen, also umgekehrt zur Ceiling-<br />
Temperatur bei Temperaturen niedriger als dieser Floor-Temperatur depolymerisieren (ein<br />
Beispiel ist 1,5,9-Cyclododeca-trien/1,4-Polybutadien), was man auch chemisch begründen<br />
kann, hier aber zu weit führen würde).<br />
9
Der chemische Grund für die im Allgemeinen gefundene Ceiling-Temperatur liegt im<br />
Entropieverlust bei der Polymerisation, die im Normalfall durch die stark exotherme<br />
Polymerisationsenthalpie überkompensiert wird. Wegen der Gibbs/Helmholtz-Gleichung gibt<br />
es aber eine Grenztemperatur (eben die Ceiling-Temperatur), oberhalb derer der Entropieterm<br />
dominant ist und nicht mehr durch den Enthalpieterm (der weitgehend temperaturunabhängig<br />
ist) überwunden werden kann.<br />
melt<br />
T c<br />
Depolymerization:<br />
COOMe COOMe COOMe<br />
∆H p , ∆S p<br />
COOMe COOMe COOMe<br />
T c = 60°C<br />
T c = ∆H p /∆S p<br />
Since ∆S p is negative, ∆H p must be exothermic for a polymerization,<br />
to be thermodynamically feasable (∆G p
Polyester sind eine weitere wichtige Gruppe. Sie werden repräsentiert durch die<br />
Esterfunktionalität, die die Kette zusammenhält.<br />
O<br />
R 1<br />
O R 2<br />
O<br />
Bei der Bildung der polymeren Kette reagieren Alkohole mit carboxylanalogen Gruppen<br />
(O=C−X; X=OH, Cl, OR) unter Abspaltung von HX.<br />
Polyethylenterephthalat (PET) ist einer der wichtigsten Vertreter dieser Gruppe.<br />
O<br />
O<br />
PET<br />
O<br />
H 2<br />
C<br />
C<br />
H 2<br />
n<br />
Polyamide (PA) sind eine dritte wichtige Gruppe. Sie zeichnen sich folgerichtig durch eine<br />
Amid-Funktionalität aus.<br />
O<br />
R 1<br />
HN R 2<br />
Bei der Bildung der polymeren Kette reagieren Amine mit carboxylanalogen Gruppen unter<br />
Abspaltung von HX.<br />
Sie finden besonders Anwendung als Kunstfaser in der Textilindustrie. Kevlar ist ein<br />
Spezialkunststoff, der durch seine Festigkeit hervorsticht und das Material für z. B.<br />
kugelsichere Westen stellt.<br />
O<br />
O<br />
H<br />
N<br />
H<br />
N<br />
n<br />
Kevlar<br />
11
Polycarbonate (PC) haben besonders deswegen an Wichtigkeit gewonnen, weil sie das<br />
Material sind, aus dem CD- und DVD-Rohlinge hergestellt werden. Dies liegt an ihrer<br />
mechanischen und thermischen Stabilität. Unten gezeigt ist die Carbonat-Funktion.<br />
O<br />
R 1<br />
O O<br />
R 2<br />
Bei der Bildung der polymeren Kette reagieren Alkohole mit Phosgen (Cl−C(=O)−Cl) unter<br />
Abspaltung von HCl oder mit einem Carbonatester (R–O–CO–O–R) unter Abspaltung von<br />
HO–R.<br />
Der bekannteste Vertreter ist das Makrolon.<br />
O<br />
O<br />
O<br />
Makrolon<br />
n<br />
Polyurethane (PUR), insbesondere als Schäume werden als Dämm- und Verpackungsmaterial<br />
eingesetzt (auch in der Möbelindustrie als Polster). Unten ist die Urethan-Funktionalität<br />
gezeigt.<br />
R 1<br />
N<br />
H<br />
O<br />
O<br />
R 2<br />
Bei der Bildung der polymeren Ketten reagieren Alkohole mit Isocyanat-Gruppen (-N=C=O).<br />
Ebenfalls vorhandenes Wasser in geringer Menge reagiert auch mit den Isocyanatgruppen,<br />
wobei zunächst eine –NH-COOH-Einheit gebildet wird, die aber nicht stabil ist und zu einem<br />
Amin und CO 2 zerfällt. Das Amin kann wiederum mit dem isocyanat zu einer Harnstoffanalogen<br />
R-NH-C=O-NH-R-Funkton weiterreagieren. Das gebildetet CO 2 dient gleichzeitig<br />
als schaumbildendes Gas.<br />
Damit eine polymere Kette bei den obigen Reaktionen entsteht, müssen jeweils mindestens<br />
zwei der genannten miteinander reagierenden Funktionalitäten in einem Molekül durch einen<br />
organischen Linker chemisch miteinander verknüpft sein (bei den Vinylpolymere stehen die<br />
12
eiden vorhandenen Elektronen der Doppelbindung formal als die zwei polymerisierbaren<br />
Funktionalitäten, die durch chemischen Linker (die Einfachbindung) verknüpft sind).<br />
2.3 Synthese organischer Polymere<br />
Die Synthese von Polymeren kann allgemein auf die folgende Formel gebracht werden:<br />
Synthese = Polyreaktion + Prozessführung + Reaktorwahl<br />
Alle drei Einzelfaktoren nehmen Einfluß auf die Synthesevariablen und damit auf die<br />
Eigenschaften des Produktes, die im folgenden dargestellt werden. Die Einzelfaktoren werden<br />
sodann in Unterkapiteln besprochen.<br />
2.3.1 Variablen bei der Synthese von Polymeren<br />
Durch eine gezielte Synthese von organischen Polymeren sollen bestimmte Eigenschaften im<br />
Material manifestiert werden. Dies geschieht durch möglichst geplante Einstellung<br />
verschiedener Parameter des polymeren Materials, die in diesem Unterkapitel kurz vorgestellt<br />
werden sollen.<br />
Isomerism<br />
(same stoichiometry, different structure)<br />
constitution isomers<br />
(different types of bonds)<br />
stereo isomers<br />
(same type of bonds, different orientation)<br />
polymerization<br />
isomers<br />
sequence<br />
isomers<br />
configurational isomers<br />
(superimposition only with bond cleavage)<br />
conformational isomers<br />
(superimposition by rotation about bond)<br />
(CH 2 ) 5 (CH 2 ) 6<br />
chiral isomers<br />
geometric<br />
isomers<br />
synperiplanar<br />
synclinal<br />
anticlinal<br />
antiperiplanar<br />
R R<br />
R<br />
R<br />
R<br />
R<br />
diastereomers<br />
enantiomers<br />
(mirror images)<br />
R<br />
R<br />
A<br />
A<br />
C<br />
D<br />
B B<br />
D C<br />
13
(<br />
(<br />
)<br />
)<br />
1,4-cis<br />
1,4-trans<br />
( )<br />
Diese unterschiedlichen isomeren Formen haben erhebliche Auswirkungen auf die<br />
Eigenschaften des Polymers, was im folgenden Eigenschaftsdreieck verdeutlicht wird.<br />
hochkristallin<br />
energie-elastisch<br />
thermostabil<br />
luftstabil<br />
1,4-trans<br />
BR<br />
Der scheinbar am einfachsten zu bewältigende und kontrolliert zu beherrschende Einfluß<br />
geschieht durch die Auswahl des Monomers, das für die Synthese und damit für die<br />
Erzeugung des angestrebten Eigenschaftsprofils herangezogen wird. Jedoch können bereits<br />
bei Einsatz nur eines einzigen Monomers schon zahlreiche Isomere im Produktgemisch<br />
entstehen, die natürlich entscheidend die Eigenschaften des polymeren Materials bestimmen.<br />
Nehmen wir als Beispiel 1,3-Butadien als Monomer für die Herstellung von Polybutadien, so<br />
müssen wir erkennen, daß aus nur einem Monomer zumindest einmal zwei<br />
Konstitutionsisomere (1,2-Polybutadien und 1,4-Polybutadien) entspringen und für das 1,4-<br />
Polybutadien noch einmal zusätzlich zwei geometrische Isomere (cis und trans) möglich<br />
werden.<br />
1,2-<br />
1,2-<br />
spröde<br />
amorph<br />
Luft- und Wärmeempfindlich<br />
1,4-cis<br />
gummiartig<br />
visko-elastisch<br />
thermostabil<br />
luftstabil<br />
14
Wählt man Propen als Monomer für die Herstellung von Polypropylen, dann tritt eine<br />
ähnliche Komplikation nur durch Isomerisierung bei der Polyreaktion auf. Hier hat man<br />
erneut mit zwei Konstitutionsisomeren zu kämpfen (head/head und head/tail) und zusätzlich<br />
mit mehreren zu unterscheidenden Stereoisomeren (isotaktisch/syndiotaktisch/ataktisch).<br />
head, head<br />
syndio-<br />
a-<br />
head, tail<br />
iso-<br />
Auch hier haben besonders die Stereoisomere entscheidenden Einfluß auf die Eigenschaften<br />
des Polymers.<br />
kristallisiert nur langsam<br />
Sp.: 155-160°C<br />
Dichte: 0.89 g/cm 3<br />
syndiotaktisch<br />
PP<br />
ataktisch<br />
amorph<br />
Sp.: 120-130<br />
geringe Dichte<br />
klebrig<br />
isotaktisch<br />
40-70% kristallin<br />
Sp.:165-175°C<br />
Dichte: 0.93 g/cm 3<br />
Selbst bei einem noch simpleren Monomer wie Ethen zur Herstellung von Polyethylen tritt<br />
durch mögliche Verzweigung eine Konstitutionsisomerie auf (die natürlich auch noch<br />
Stereozentren erzeugt), die eine Unterscheidung in LDPE, HDPE, LLDPE notwendig und<br />
sinnvoll macht.<br />
15
Konformere<br />
linear<br />
verzweigt<br />
kurzkettenverzweigt<br />
Sp.: 95-120°C<br />
Dichte: 0.93-0.94 g/cm 3<br />
LLDPE<br />
PE<br />
LDPE<br />
langkettenverweigt<br />
40-55% kristallin<br />
Sp.: 110°C<br />
Dichte:0.915-0.940<br />
HDPE<br />
kaum verzweigt<br />
55-75% kristallin<br />
Sp.:135°C<br />
Dichte: 0.940-0.965 g/cm 3<br />
16
Wir werden die einzelnen PE-Formen und deren Herstellung noch detaillierter besprechen.<br />
Zusätzlich kommt selbst bei ideal linearem PE noch eine Isomerisierung über die<br />
unterschiedlichen möglichen Konformere hinzu, die zu einer Verknäuelung der Kettenstruktur<br />
führt. Die Art der Verknäuelung kann vorhergesagt werden (abhängig von den<br />
intramolekularen Wechselwirkungen zwischen den Monomereinheiten und dem Lösemittel),<br />
was aber sehr komplex ist und über diese Vorlesung hinausgeht.<br />
Dies ist das Geschehen, solange nur ein Monomer zur Synthese zugelassen wird. Bereits beim<br />
Einsatz von zwei unterschiedlichen Comonomeren, die zu einem Copolymerisat umgesetzt<br />
werden sollen, wird die Situation nochmals komplizierter. Hier stellt sich die zusätzliche<br />
Frage, wieviele der beiden Comonomere eingebaut werden. Keineswegs muß dies der<br />
eingewogenen Menge an jeweiligem Comonomer entsprechen, wenn ein Monomer bevorzugt<br />
vor dem anderen reagiert, egal welches aktive Kettenende vorliegt. Gibt es hier keine<br />
Bevorzugung wird man eine rein statistische Verteilung erwarten dürfen. Reagiert ein<br />
Monomer als aktives Kettenende bevorzugt mit dem jeweils artfremden anderen Comonomer,<br />
so wird dies zu einer alternierend aufgebauten Kette führen. Reagiert ein Monomer als aktives<br />
Kettenende bevorzugt mit sich selbst, so wird dies zu blockartigen Sequenzen innerhalb der<br />
polymeren Kette führen.<br />
A<br />
A<br />
ABBAAABABBA<br />
statistisch<br />
B<br />
A<br />
A<br />
A<br />
AB<br />
ABABABABA<br />
alternierend<br />
B<br />
A<br />
B<br />
A<br />
A<br />
AAAAAAAAAB<br />
AAAAAAAAABAAAA<br />
A bevorzugt<br />
B<br />
A<br />
A<br />
B<br />
A<br />
AAAAAAAAAB<br />
AAAAAAAAABBBBBBB<br />
Block-bildend<br />
B<br />
B<br />
17
Bei allen Polymersynthesen sind zwei wichtige Parameter noch der mittlere<br />
Polymerisationsgrad des Materials und die Molmassenverteilung. Obwohl es im Realfall für<br />
letztere praktisch keine Einschränkungen gibt (von monomodal/monodispers bis polymodal<br />
(also mit mehreren Maxima in der Verteilung)), lassen sich viele Materialien durch eine von<br />
zwei Verteilungen recht gut beschreiben. Dies sind die Poisson-Verteilung und die Most<br />
probable distribution oder Schulz/Flory-Verteilung. Erstere erhält man bei lebender<br />
Polymerisation unter sehr kontrollierten Bedingungen. Letztere erhält man zumindest immer<br />
im Gleichgewichtszustand von Stufenreaktionen (Polykondensationen/Polyadditionen), die<br />
unten noch eingeführt werden.<br />
Polymerization „isomers“<br />
M n = Σ n i M i / Σ n i<br />
M w = Σ n i M i<br />
2<br />
/ Σ n i M i<br />
0.4<br />
0.35<br />
σ 2 = Σ n i (M i -M n ) 2 / Σ n i = M n (M w - M n ) σ: standard deviation of<br />
Most probable distribution (Schulz/Flory)<br />
M n<br />
M w<br />
Poisson distribution (living polymerization)<br />
0 .0 45<br />
0 .04<br />
M n M w<br />
Molecular Weight<br />
0.25<br />
0.2<br />
0.15<br />
M w<br />
M<br />
= 2 - 1<br />
n P n<br />
Molecular weight<br />
0 .03<br />
0 .0 25<br />
0 .02<br />
0 .0 15<br />
M w<br />
M = 1 + 1<br />
n P n<br />
0.3<br />
0 .0 35<br />
0.1<br />
0 .01<br />
0.05<br />
0 .0 05<br />
0<br />
0 100 200 300 400 500 600 700 800<br />
degree of polymerization<br />
0<br />
0 1 0 0 2 00 3 0 0 40 0 5 00 6 0 0 70 0 8 0 0<br />
d e g re e o f p o ly m e riza ti on<br />
Ein Maß für die Einheitlichkeit der Molmassenverteilung ist der Polydispersitätsindex<br />
M w /M n . Für Poisson-Verteilungen liegt dieser nahe bei 1, für Schulz/Flory-Verteilungen nahe<br />
bei 2.<br />
Schließlich ist auch die Partikelgröße und –form wichtig für das Einsatzgebiet des Materials.<br />
Diese wird weniger durch die chemische Reaktion (obwohl in manchen Fällen auch) als viel<br />
mehr durch die Prozeßführung determiniert, wie unten noch beschreiben wird. Auch die<br />
Einstellung der Porosität durch Schäumung des Materials ist in diesem Zusammenhang zu<br />
nennen.<br />
18
2.3.2 Einteilung der Polyreaktion<br />
Die chemische Reaktion, die zur Bildung des Polymers führt, wird als Polyreaktion<br />
bezeichnet.<br />
Klassifizierung von Polyreaktionen<br />
Polyreaktion<br />
bifunctional monomer<br />
monofunctional monomer<br />
Stufenwachstumsreaktion:<br />
Alle Komponenten im System reagieren simultan<br />
Kettenwachstumsreaktion:<br />
wachsende Kette reagiert nur mit Monomer<br />
Polykondensation<br />
Polyaddition<br />
Polyrekombination<br />
Vinyl-<br />
Polymerisation<br />
Ringöffnende<br />
Polymerisation<br />
Polyeliminierung<br />
anionisch radikalisch kationisch insertion grouptransfer<br />
anionisch Insertion kationisch<br />
Es gibt genau zwei große Gruppen derartiger Reaktionen, die unterschieden werden müssen,<br />
die Kettenwachstumsreaktion und die Stufenwachstumsreaktion. Beide können hinsichtlich<br />
der vier Elementarreaktion Initiation, Kettenwachstum, Kettenübertragung und Kettenabbruch<br />
klassifiziert und wie in der unterer Tabelle unterscheiden werden.<br />
5<br />
Elementarreaktion Einfluß Kettenwachstum<br />
Stufenwachstum<br />
Vinylpolymerisat. Ringöffnende Polymeris.<br />
Initiation<br />
mittlerer<br />
+ + -<br />
Polymerisationsgrad<br />
Wachstumsreaktion Mittlerer<br />
Polymerisationsgrad<br />
+<br />
nur aktivierte<br />
Kettenenden<br />
+<br />
nur aktivierte<br />
Kettenenden<br />
+<br />
alle Kettenenden<br />
wachstumsaktiv<br />
wachstumsaktiv wachstumsaktiv<br />
Kettenübertragung Molmassenverteilung,<br />
Vernetzung<br />
+<br />
gesamte Kette kann<br />
attackiert werden,<br />
Verzweigung möglich<br />
+<br />
nur funktionelle<br />
Verknüpfungspunkte<br />
können attackiert werden<br />
(keine Verzweigung)<br />
+<br />
nur funktionelle<br />
Verknüpfungspunkte können<br />
attackiert werden (keine<br />
Verzweigung)<br />
Kettenabbruch<br />
Mittlerer<br />
Polymerisationsgrad,<br />
Molmassenverteilung<br />
+ - -<br />
19
Bei der Kettenwachstumsreaktion werden zu Beginn der Polymerbildung einige wenige<br />
Monomere durch Initiatoren aktiviert. Nur diese wenigen aktivierten Monomere können mit<br />
weiteren Monomeren zu längeren Ketten weiterreagieren. Für das Kettenwachstum ist also<br />
nur die Reaktion zwischen den aktivierten Ketten und den Monomeren wirksam. Eine<br />
Reaktion zwischen zwei aktivierten Ketten (wenn diese überhaupt möglich ist) hingegen wirkt<br />
als Abbruchreaktion dieser Polyreaktion. Formal kann man bei den<br />
Kettenwachstumsreaktionen zwischen Vinylpolymerisation, ringöffnender Polymerisation<br />
und Polyeliminierung unterscheiden. Bei der Ringöffnenden Polymerisation ist die<br />
thermodynamische Triebkraft für die Polymerisation häufig Abbau von Ringspannung, so<br />
dass 5- und 6-Ringe als Monomere ausscheiden und im Allgemeinen 3-, 4-, 7- oder größere<br />
Ringe eingesetzt werden. Streng genommen kann auch die Vinylpolymerisation als<br />
Spezialfall einer ringöffnenden Polymerisation angesehen werden, wenn man die<br />
Doppelbindung in den Vinylmonomeren als 2-Ring auffasst.<br />
O<br />
H 2 C<br />
CHCl<br />
NH<br />
Vinylchlorid<br />
ε-Caprolactam<br />
Diese Betrachtungsweise ist aber eher unüblich.<br />
Die radikalische Vinylpolymerisation ist vermutlich die am häufigsten angewandte<br />
Polyreaktion. Die Inititation erfolgt durch Reaktion des Monomers mit Radikalen. Der<br />
Radikalstarter erzeugt die notwendigen Radikale für den Kettenstart. Dies kann thermisch,<br />
photo-induziert oder redox-induziert erfolgen.<br />
20
Thermisch:<br />
∆<br />
HO OH OH OH<br />
O<br />
O O<br />
O<br />
∆<br />
O<br />
O O<br />
O<br />
∆<br />
O<br />
C<br />
O<br />
O<br />
C<br />
O<br />
H 3 C<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
O<br />
O<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
∆<br />
CH 3<br />
H 3 C O<br />
CH 3 CH 3<br />
O<br />
CH 3 CH 3<br />
∆<br />
CH 3<br />
CH 3 O O<br />
CH 3 CH 3<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
NC<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
N<br />
N<br />
CH 3 CH 3<br />
∆<br />
CN<br />
NC N<br />
CH 3 CH 3<br />
N<br />
CH 3<br />
CN<br />
CH 3<br />
Photo-induziert:<br />
H 3 C<br />
O<br />
h ν<br />
CH 3<br />
O<br />
h ν<br />
CH 3<br />
C<br />
O<br />
H 3 C<br />
H 3 C<br />
CH 3<br />
RedOx-induziert:<br />
Fe 2+<br />
HO OH OH OH<br />
Fe 3+<br />
-e -<br />
R COO R COO R CO 2<br />
21
Die Anzahl der eingebrachten Radikale beeinflusst den zu erreichenden mittleren<br />
Polymerisationsgrad. Die Halbwertszeit der Radikalbildung nimmt Einfluß auf die<br />
Molmassenverteilung. Die Wachstumsreaktion findet dann zwischen der initiierten Kette und<br />
dem Monomeren statt.<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
Initiation<br />
O<br />
O<br />
Wachstum<br />
O<br />
O<br />
O<br />
Die Wachstumsreaktion verläuft bevorzugt in head/tail-Manier, wobei die Diskreminierung<br />
zu head/head-Isomerisierung geringer ausfällt als bei der ionischen Polymerisation und<br />
deshalb derartige Fehlstellen häufiger auftauchen als bei den ionischen Polymerisationen.<br />
O<br />
O<br />
head/tail<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
head/head<br />
O<br />
O<br />
Für Diene wird man bezüglich der trans/cis-Isomerisierung eine Gleichgewichtsverteilung<br />
(also 83% trans zu 17% cis bei RT) erwarten. Bezüglich der 1,2- zu 1,4-Isomerisierung<br />
besteht zumindest keine klare Bevorzugung, so dass beide Formen in erheblichem Maße<br />
statistisch im Polymer zu erwarten sind.<br />
22
1,2- 1,4-cis<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
1,2-<br />
1,4-trans<br />
Es kann weiterhin zum Kettenabbruch durch Rekombination oder Disproportinierung<br />
kommen. Die Rekombination als Abbruchreaktion ist einzigartig für die radikalische<br />
Polymerisation und kann bei der ionischen Polymerisation nicht auftreten.<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
Disproportionierung<br />
H<br />
H<br />
Übertragung<br />
H<br />
backbiting<br />
H<br />
H<br />
H H<br />
H<br />
H<br />
H H<br />
H<br />
H<br />
H H<br />
Recombination<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
Eine Übertragung des aktiven Zentrums kann entweder intramolekular durch back-biting<br />
erfolgen oder intermolekular zwischen zwei Ketten (sollte die Polymerisation in einem<br />
Lösemittel stattfinden, kann auch Übertragung auf das Lösemittel erfolgen). Tritt als<br />
Abbruchreaktion nur Disproportionierung auf, so wird man für die Molmassenverteilung eine<br />
23
Schulz-Flory-Verteilung mit M w /M n = 2 erwarten. Spielt die Rekombination als Abbruch eine<br />
entscheidende Rolle, so zeigen kinetische Betrachtungen, dass M w /M n in Richtung 1.5 kleiner<br />
wird.<br />
Schauen wir uns die Kinetik der radiaklischen Vinylpolymerisation etwas genauer an:<br />
Wir haben die Erzeugung der Radikale mit der Geschwindigkeit v i :<br />
v i = k i [I 2 ]<br />
Wir haben ferner die Wachstumsreaktion v w für die Polymerkette:<br />
v w = k w [M] [P . ]<br />
Wir gehen davon aus, daß jeder Initiator I . auch eine Polymerkette P . initiiert.<br />
Als letztes müssen wir noch die Abbruchreaktionen mit der Abbruchgeschwindigkeit v ab<br />
berücksichtigen:<br />
v ab = k ab [P . ] 2<br />
Wir nehmen jetzt an, daß die Bildung von Radikalen in der Initiation gleich schnell verläuft,<br />
wie das Verschwinden durch die Abbruchreaktion:<br />
v i = v ab<br />
Daraus ergibt sich für die Konzentration an wachsender Kette [P . ]<br />
[P . ] = (k i /k ab ) 1/2 [I 2 ] 1/2<br />
Mit dieser Gleichung können wir nun in die Wachstumsgleichung gehen und erhalten<br />
v w = k w [M] (k i /k ab ) 1/2 [I 2 ] t<br />
1/2<br />
woraus zu erkennen ist, daß das Kettenwachstum 1. Ordnung in der Monomerkonzentration<br />
ist. Gleichzeitig erkannt man die Abhängigkeit der Wachstumsgeschwindigkeit von der<br />
Initiatorkonzentration, die sich mit der Zeit verändert: [I 2 ] t =[I 2 ] 0 e -k i t<br />
24
Wir führen nun eine mittlere kinetische Kettenlänge x n ein, die sich daraus ergibt, daß wir die<br />
mittlere Menge eingebauter Monomere in eine Kette mit der Anzahl der vorhandenen Ketten<br />
jeweils pro Zeiteinheit miteinander ins Verhältnis setzen:<br />
x n = v w / v i<br />
x n = k w [M] (k i /k ab ) 1/2 [I 2 ] 1/2 / (k i [I 2 ])<br />
x n = k w /(k ab k i ) 1/2 [M] t / [I 2 ] t<br />
1/2<br />
Folglich erhöht sich die Kettenlänge mit Erhöhung der Monomerkonzentration und je<br />
schneller die Wachstumsreaktion im Vergleich zur Abbruchreaktion verläuft<br />
(Geschwindigkeitskonstanten), und sie erniedrigt sich mit Erhöhung der<br />
Initiatorkonzentration.<br />
Gegenüber der radikalischen Vinylpolymerisation verläuft die Wachstumsreaktion der<br />
anionische Vinylpolymerisation in mehrerlei Hinsicht kontrollierter. Sie ist beschränkt auf<br />
Monomere mit vinylischen Substituenten an der Doppelbindung, die negative Ladung<br />
stabilisieren kann.<br />
Z<br />
Z<br />
COOR<br />
CN<br />
CH=CH 2<br />
Typische Initiatoren sind metallorganische Verbindungen wie Butyllithium, die stark<br />
nukleophile Carbanionen enthalten.<br />
Head/head- bzw. tail/tail-Isomerie finden bei dieser Polyreaktion nicht statt, weil die für die<br />
eingebrachte anionische Ladung unabdingbare Mesomerie-Stabilisierung nur in der tail-<br />
Position erfolgen kann.<br />
COOR COOR COOR COOR COOR COOR<br />
COOR COOR COOR COOR COOR COOR<br />
Trivialerweise können Rekombinationsreaktionen bei der anionischen Polymerisation nicht<br />
auftreten, da die gleichnamigen Ladungen sich abstoßen. Auch Kettenübertragung<br />
(einschließlich zum Lösemittel) spielt bei der Anionischn Polymerisation keine Rolle. Dies<br />
liegt daran, daß höher substituierte Carbanionen weniger stabil sind (+I-Effekt der Alkyl-<br />
25
Gruppen) als weniger substituierte Carbanionen. Verzweigung wird deshalb bei der<br />
anionischen Vinylpolymerisation nicht auftreten.<br />
Da also keine wirkungsvollen Abbruch- oder Übertragungsreaktionen erfolgen, ist die<br />
Wachstumsreaktion neben der Initiation die einzige stattfindende Reaktion. Wenn die<br />
Initiation viel schneller erfolgt als die Wachstumsreaktion, kann man durch Wahl der<br />
anionischen Vinylpolymerisation als Polyreaktion daher sehr enge Molmassenverteilungen<br />
erzeugen, da alle Ketten in etwa dieselbe Kettenlänge aufweisen. Wenn das aktive anionische<br />
Zentrum stabil genug ist, daß es auch nach Umsetzung aller vorhandenen Monomere als<br />
solches bestehen bleibt (und man z. B. ein weiteres anderes Monomer nachdosieren kann)<br />
spricht man von lebender Polymerisation. Sie beinhaltet die Möglichkeit, Block-Copolymere<br />
zu synthetisieren.<br />
O<br />
Initiation:<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
head/tail<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
head/head<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
Um die vielen Nebenreaktionen bei der radikalischen Vinylpolymerisation einzudämmen<br />
wurde eibenfalls eine chemische Strategie entwickelt, die zur der Bezeichnung lebende<br />
radikalische Vinylpolymerisation geführt hat. Die chemische Strategie dabei ist, schwache<br />
Inhibitoren in das System einzubringen, die reversibel mit den aktiven radikalischen Zentren<br />
rekombinieren, bevor diese Abbruch reaktionen oder Übertragungsreaktionen eingehen<br />
können.<br />
26
Im schlafenden rekombinierten Zustand sind die reaktiven radikalischen Zentren daher etwas<br />
geschützt. Da die Initiation bei der radikaischen Vinylpolymerisation aber nicht schneller<br />
O<br />
O<br />
Wachtum<br />
O<br />
O<br />
Wachtum<br />
O<br />
O<br />
O<br />
Schutz durch<br />
temporäre<br />
Rekombination<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
N<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
N<br />
erfolgt als die Wachstumsreaktion und die Eindämmung der Nebenreaktionen trotz der<br />
erwähnten chemischen Schutzmaßnahme nicht perfekt ist, wird man bei dieser Art der<br />
Polymerisation zwar engere Molmassenverteilungen erzwingen als bei der nicht-lebenden<br />
radikalischen Vinylpolymersation jedoch nicht so eng wie bei der anionischen<br />
Vinylpolymerisation.<br />
Die einzige wirklich relevante Abbruchreaktion bei der anionischen Vinylpolymerisation ist<br />
die Reaktion des aktiven anionischen Zentrums mit Spuren an Wasser oder anderen<br />
protischen Quellen im Reaktionsmedium, so daß sehr hohe Anforderungen an die Reinheit der<br />
Lösemittel bei dieser Reaktionsführung gestellt werden (deutlich höher als bei der<br />
radikalischen Vinylpolymerisation).<br />
Bzüglich der 1,2- und 1,4-Isomerisierung sowie der cis/trans-Isomerisierung bei der<br />
anionischen Polymerisation von Butadien scheint sich zunächst kein Vorschritt gegenüber<br />
einer bevorzugten Bildung einer Form im Vergleich zur radikalischen Vinylpolymerisation<br />
anzudeuten, wenn man nur eine Monomereinheit berücksichtigt.<br />
1,2- 1,4-cis<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
1,2-<br />
1,4-trans<br />
27
Tatsächlich führt die anionische Vinylpolymerisation von Butadien bevorzugt zum 1,2-BR.<br />
Dies wird verständlich, wenn man die wachsende Polymerkette auf die beiden letzten<br />
Monomereinheiten ausdehnt und das zwangsläufig vorhandene Kation mit einbezieht<br />
(Nachbargruppeneffekt).<br />
Li<br />
Li<br />
Li<br />
Li<br />
1,4-<br />
1,4-<br />
1,2-<br />
1,2-<br />
Die kationische Vinylpolymerisation verläuft konsequenterweise mit inversem<br />
Elektronenbedarf gegenüber der anionischen Vinylpolymerisation ab.<br />
Z<br />
Z<br />
OR<br />
CH 3 (nur mit 2 Methylgruppen möglich)<br />
Als Initiatoren fungieren starke Säuren wie HBF 4 oder starke Lewissäuren wie BF 3 . Durch<br />
den Elektronenbedarf ist die Anzahl an möglichen Monomeren sehr beschränkt. Das mit<br />
Abstand wichtigste Monomere ist Isobutylen (H 2 C=C(CH 3 ) 2 ).<br />
28
F<br />
F<br />
B<br />
F<br />
tail/tail<br />
F<br />
F<br />
B<br />
Initiation<br />
F<br />
F<br />
B<br />
F<br />
F<br />
head/tail<br />
F<br />
F<br />
B<br />
F<br />
Eine Abweichung von der head/tail Struktur ist nicht nur aus elektronischen Gründen (höher<br />
substituierte Carbokationen sind stabiler als weniger substiutierte) sondern auch aus<br />
sterischen Gründen praktisch ausgeschlossen. Weil höher substituierte Carbokationen stabier<br />
sind als weniger substituierte (+-I-Effekt) sind auch Kettenübertragungsreaktionen wenig<br />
wichtig.<br />
C<br />
H<br />
H<br />
CH 2<br />
H<br />
Wiederum sind Reaktionen mit Spuren an Wasser im verwendeten Lösemittel die wichtigste<br />
Abbruchreaktion und Rekombination kann erneut trivialerweise ausgeschlossen werden, so<br />
daß auch für die kationische Vinylpolymerisation im besten Fall eine lebende Polmerisation<br />
erwartet werden kann. Allerdings ist im Allgemeinen eine zur Disoproprtionierung analoge<br />
Reaktion als wirksamer Abbruch aktiv.<br />
H<br />
29
Eine überaus wichtige Polyreaktion für die Herstellung von Polyolefinen ist die vinylische<br />
Insertionspolymerisation. Befassen wir uns kurz mit der Wechselwirkung von<br />
Doppelbindungen mit Übergangsmetall-Zentren, denn diese werden als Initiatoren und<br />
Steuerverbindungen verwendet.<br />
R<br />
M :<br />
d-Elektronendichte<br />
π-Elektronendichte<br />
Elektronendichte in<br />
anti-bindendes Orbital<br />
der Doppelbindung<br />
Verringerung der Bindungsordnung<br />
Aktivierung!<br />
Elektronendichte aus<br />
bindendem Orbital<br />
der Doppelbindung<br />
Verringerung der Bindungsordnung<br />
Aktivierung!<br />
Die Doppelbindung koordiniert an das Übergangsmetallzentrum. Elektronendichte wird vom<br />
Übergangsmetall in ein antibindendes Orbital der Doppelbindung verfrachtet. Die<br />
Bindungsordnung der Doppelbindung wird damit in Richtung 1 verringert. Gleichzeitig wird<br />
durch die Koordination der Doppelbindung Elektronendichte aus dem bindenden π-Orbital<br />
der Doppelbindung auf das Übergangsmetall verschoben, was ebenfalls die Bindungsordnung<br />
der Doppelbindung verringert und diese damit für die Polymerisation aktiviert. Damit die<br />
Wechselwirkung der Doppelbindung mit dem Übergangsmetallzentrum nicht zu stark wird<br />
und die Doppelbindung also weiterreagieren kann, werden im Allgemeinen kationische (im<br />
Periodensystem) frühe Übergangsmetallzentren mit wenigen d-Elektronen verwendet.<br />
R<br />
M :<br />
d-Elektronendichte<br />
π-Elektronendichte<br />
Elektronendichte in<br />
anti-bindendes Orbital<br />
der Doppelbindung<br />
Verringerung der Bindungsordnung<br />
Aktivierung!<br />
Elektronendichte aus<br />
bindendem Orbital<br />
der Doppelbindung<br />
Verringerung der Bindungsordnung<br />
Aktivierung!<br />
Dies schwächt die erste (im Allgemeinen dominante) Art der Wechselwirkung zwischen dem<br />
Übergangsmetallzentrum und der Doppelbindung.<br />
30
Um die Polymerisation zu initiieren, muß das Übergangsmetallzentrum als einen weiteren<br />
Liganden noch eine Alkylgruppe tragen (z. B. –CH 3 ).<br />
Ligandenhülle<br />
R<br />
Ligandenhülle<br />
Ligandenhülle<br />
R<br />
head/tail<br />
M<br />
Alk<br />
M<br />
Alk<br />
R<br />
M<br />
Alk<br />
Wachstum<br />
durch<br />
Insertion<br />
M<br />
Alk<br />
R<br />
Ligandenhülle<br />
tail/tail M Alk<br />
R<br />
Durch die zusätzlich im Übergangsmetallkomplex vorhandene Ligandenhülle (mit der wir uns<br />
noch vertieft beschäftigen werden) wird die Stereochemie der bei der Insertion stattfindenden<br />
Wahstumsreaktion erzeugten chiralen Zentren kontrolliert (was bei den bisherigen<br />
Polyreaktionen nicht möglich war).<br />
Ligandenhülle<br />
R<br />
Ligandenhülle<br />
R<br />
M<br />
*<br />
Alk<br />
M<br />
Alk<br />
Wachstum<br />
durch<br />
Insertion<br />
Ligandenhülle<br />
R<br />
M<br />
*<br />
Alk<br />
Man spricht bei der Abfolge der Stereozentren entlang der Kette von der Taktizität, und man<br />
unterscheidet verschiedene Formen von Taktizitäten, wie in der folgenden Abbildung<br />
verdeutlicht werden soll.<br />
31
Wir wollen nun verstehen, wie man durch geschickte Wahl der Ligandenumgebung des<br />
Übergangsmetallkomplexes die einzelnen Taktizitäten in die Polymerkette implementieren<br />
kann. Das Block-isotaktische PP etwa ist ja eines der wenigen Beispiele für ein<br />
elastoplastisches Material.<br />
Wir werden uns auf Metallocen-Initiatoren der Gruppe 14 (Ti, Zr, Hf) konzentrieren, weil<br />
diese am besten erforscht sind. Die Stereokontrolle wird hierbei rein sterisch erzwungen.<br />
Welche Stereochemie in der wachsenden Kette entsteht, wird durch die Symmetrie des<br />
Metallocen-Komplexes festgelegt.<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
C s C 2<br />
C 2v<br />
M<br />
M M M<br />
M<br />
32
Für ein C s -symmetrisches Ligandengerüst resultiert syndiotaktisches PP, einfach unter der<br />
Annahme, dass die Methylgruppe des koordinierenden Propylens vor der Insertion sich so<br />
ausrichtet, dass sie am meisten sterischen Platz hat (im unten dargestellten Fall also nach<br />
oben).<br />
M<br />
P<br />
1. Syndiotacitic PP by „C s “ symmetric Initiators<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
M<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
Da die Insertion immer als migratorische 1,2-Insertion erfolgt (das heißt, dass die<br />
Alkylgruppe jeweils wandert), verändert sich bei jedem Einbau die Richtung der<br />
Methylgruppe relativ zur letzten, so dass die syndiotaktische Beziehung zwischen den<br />
Methylgruppen daraus entspringt.<br />
Im Falle eines C 2 -symmetrischen Ligandengerüsts wechselt bei jedem Insertionsschritt zwar<br />
auch die Alkylgruppe ihren Platz, aber gleichzeitig wechselt auch die Ausrichtung der<br />
Methylgruppe des Propylens von oben nach unten, so dass insgesamt isotaktisches PP<br />
gebildet wird.<br />
33
M<br />
P<br />
2. Isotacitic PP by „C 2 “ symmetric Initiators<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
M<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
Gibt es in der Ligandenhülle keine sterische Vorzugsausrichtung für die Methylgruppe des<br />
Propylens (C 2v -symmetrisches Ligandengerüst), resultiert folgerichtig ataktisches PP:<br />
M<br />
P<br />
3. Atactic PP by „C 2v “ symmetric Initiators<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
M<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
Hemisotaktisches PP kann man synthetisch erzwingen, indem man nur auf einer Seite des<br />
Ligandengerüstes eine sterische Differenzierung zulässt. Wegen des migratorischen<br />
34
Charakters der Insertion, wird dann nur bei jedem zweiten Einbau eine Vorzugsrichtung<br />
gewährt, die immer in dieselbe Richtung weist.<br />
M<br />
P<br />
4. Hemisotactic PP by mixing case 2 and 3<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
M<br />
M<br />
P<br />
P<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
Besonders trickreich ist die chemische Strategie, um ein isotaktisch/ataktisches Block-<br />
Copolymer zu synthetisieren, das, wie oben schon angedeutet, elastoplastische Eigenschaften<br />
hat.<br />
5. Blockcopolymer it/at by temporarely switching between case 2 and 3<br />
C 2 symmetric<br />
C 2v symmetric<br />
M<br />
P<br />
M<br />
P<br />
isotactic block<br />
atactic block<br />
35
Dies geschieht dadurch, dass man eine Beweglichkeit innerhalb der Ligandenhülle erlaubt,<br />
indem die ansa-Verbrückung zwischen den beiden Cp-analogen Liganden weggelassen wird.<br />
Nun können diese Cp-Liganden um ihre Bindungsachse drehen (die Geschwindigkeit dieses<br />
Drehprozesses ist Temperatur-abhängig), so dass der Komplex zeitweilig C 2 -Symmetrie<br />
aufweist und während dieser Zeit die Kette isotaktisch wächst, und zeitweilig der Komplex<br />
C 2v -Symmetrie aufweist und in diesem Zeitinterval die(selbe) Kette ataktisch wächst. Wie<br />
lang die jeweiligen Blöcke werden, kann durch die relative Stabilität der beiden Symmetrien<br />
über Substituenten am Cp-Ring eingestellt werden und zusätzlich durch die<br />
Reaktionstemperatur gesteuert werden.<br />
Die Polymerisation von 1,3-Butadien durch Insertionspolymerisation erzielt hauptsächlich das<br />
in der Reifenindustrie erwünschte cis-1,4-BR. Dies kann chemisch durch die Wechselwirkung<br />
des Diens mit dem Übergangsmetall verstanden werden (ist aber schon nicht mehr ganz so<br />
trivial, weil die MO-Theorie dafür benötigt wird).<br />
d-Elektronendichte<br />
π-Elektronendichte<br />
Alk<br />
M :<br />
cis-1,4<br />
Alk<br />
M<br />
Elektronendichte in<br />
anti-bindendes Orbital<br />
der Doppelbindung<br />
Verringerung der Bindungsordnung<br />
Aktivierung!<br />
Elektronendichte aus<br />
bindendem Orbital<br />
der Doppelbindung<br />
Verringerung der Bindungsordnung<br />
Aktivierung!<br />
d-Elektronendichte<br />
π-Elektronendichte<br />
M :<br />
trans-1,4<br />
M<br />
Alk<br />
Keine symmetrisch<br />
passenden d-Orbitale am<br />
Metallzentrum<br />
Elektronendichte aus<br />
bindendem Orbital<br />
der Doppelbindung<br />
Verringerung der Bindungsordnung<br />
Aktivierung!<br />
In der s-cis-Konfiguration kann das 1,3-Butadien über zwei Elektronenpaare am stärksten mit<br />
dem Übergangsmetallzentrum wechselwirken. In der s-trans-Konfiguration ist die<br />
„Rückbindung“ vom Metall zum Dien aus Symmetriegründen nicht möglich. Bei der<br />
Koordination nur über eine Doppelbindung wird ensprechend nur ein Elektronenpaar zur<br />
36
Wechselwirkung eingesetzt (deshalb ist die 1,2-BR-Bildung im Vergleich zur cis-1,4-BR-<br />
Bildung benachteiligt.<br />
Vinylische Group-Transfer-Polymerisation. Eine spezielle und durchaus gewitzte vinylische<br />
Polymerisation ist die Group-Transfer-Polymerisation:<br />
SiMe 3<br />
SiMe 3<br />
O<br />
O<br />
Base, Me 3 SiCl<br />
O<br />
O<br />
O<br />
SiMe 3<br />
O O<br />
O<br />
Initiator<br />
O<br />
O<br />
SiMe 3<br />
O<br />
O<br />
initiation<br />
O<br />
O<br />
Me 3 Si<br />
O<br />
O<br />
O<br />
Me 3 Si<br />
O<br />
O<br />
Me 3 Si<br />
O<br />
O<br />
O<br />
R<br />
Wachstum<br />
O<br />
O<br />
SiMe 3<br />
O<br />
Me 3 Si<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
R<br />
R<br />
Die Group-Transfer-Polymerisation läßt von vornherein nur ein head/tail-Wachstum zu.<br />
Abbruch- und Kettenübertragungsreaktionen gibt es nicht, so daß diese Reaktion zu den<br />
lebenden Polymerisationen gehört. Sie ist bezüglich der einsetzbaren Funktionalitäten aber<br />
sehr eingeschränkt und auch die Stereochemie des erzeugten chiralen Zentrums kann bei<br />
dieser Reaktionsführung nicht kontrolliert werden.<br />
Die ringöffnende Polymerisation unterscheidet sich von der Vinylpolymerisation<br />
insbesondere in der Wahl der Monomeren. Die später in der polymeren Kette auftauchenden<br />
Funktionalitäten wie Ester oder Amide liegen im Monomer cyclisch gebunden vor. Triebkraft<br />
für die Polyreaktion (sie muß wegen des Entropieverlustes bei der Kettenbildung wieder<br />
exotherm sein: Gibbs/Helmholtz-Gleichung) ist das Aufheben von Ringspannung bei der<br />
Ringöffnung. Bezüglich der entstehenden polymeren Ketten stellt die ringöffnende<br />
Polymerisation den Brückenschlag zu den Stufenreaktionen dar, die über einen anderen<br />
37
Mechanismus dieselben Kettenverknüpfungen erzielen können, wobei in beiden Fällen<br />
Unterschiede in der Molmassenverteilung bei gleicher prinzipieller Kettenverknüpfung<br />
resultieren.<br />
Anionische ringöffnende Polymerisation. Ein typisches Beispiel für die anionische<br />
ringöffnende Polymerisation ist die Polymerisation von ε-Caprolactam.<br />
Initiation:<br />
O<br />
NH<br />
O CH 3<br />
O<br />
O<br />
NH<br />
Wachstum:<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
NH<br />
NH<br />
NH<br />
O<br />
NH<br />
Übertragung:<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
NH<br />
NH<br />
NH<br />
NH<br />
NH<br />
O<br />
NH<br />
O<br />
H<br />
N<br />
O<br />
NH<br />
O<br />
Ein back-biting ist ebenfalls möglich und kann als spezielle Form der Übertragungsreaktion<br />
aufgefasst werden, bei der die Übertragung nicht inter- sondern intra-molekular erfolgt.<br />
38
ack-biting:<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
NH<br />
NH<br />
O<br />
O<br />
NH<br />
NH<br />
Die Existenz der back-biting-Reaktion macht noch einmal deutlich, warum 5- und 6-Ringe als<br />
Monomere für die ringöffnende Polymerisation ungeeignet sind, da diese durch entropisch<br />
sehr günstiges ständiges back-biting rückgebildet würden, ohne dass polymere Kette<br />
entstehen könnten.<br />
Die einzige Abbruchreaktion ist eine Reprotonierung des aktiven anionischen Zentrums.<br />
Wegen der hohen Konkurrenz zwischen Wachstum und back-biting erhält man aber bei der<br />
anionischen ringöffnenden Polymerisation im Allgemeinen keine so enge<br />
Molmassenverteilung wie bei der anionischen Vinylpolymerisation, bei der kein back-biting<br />
auftritt. Man bekommt eine breite Verteilung mit polymeren Ketten und oligomeren Ringen.<br />
Insertionsunterstützte ringöffnende Polymerisation. Die insertionsunterstützte ringöffnende<br />
Polymerisation findet man insbesondere bei der Herstellung von Polyestern, bei denen Lewisacide<br />
Verbindungen wie Zinnalkoholate (M = Sn im unteren Schaubild) Einsatz finden.<br />
Die Steuerung der Stereochemie ist wegen des achiralen Charakters der Ester-Funktion<br />
sekundär und im Falle von weiter entfernten Stereozentren problematisch.<br />
Kationische ringöffnende Polymerisation. Die kationische ringöffnende Polymerisation<br />
gleicht in ihren Reaktionen und deren Konsequenzen auf die Produkteigenschaften der<br />
anionischen ringöffnenden Polymerisation mit entsprechend inversem Elektronenbedarf.<br />
39
Epoxide sind ein typisches Beispiel für die kationische ringöffnende Polymerisation mittels<br />
Protonen als Initiatoren zur Synthese von Polyethern.<br />
Initiation:<br />
H<br />
O<br />
H +<br />
O<br />
Wachstum:<br />
H<br />
O<br />
O<br />
H<br />
O<br />
O<br />
Ringöffnende Metathesepolymerisation (ROMP). Eine spezielle aber heute bereits sehr<br />
wichtige Reaktion ist die ringöffnende Metathesereaktion, die auf einer speziellen Reaktion<br />
einer Doppelbindung mit einem Übergangsmetallkomplex beruht.<br />
M M M<br />
Ausgehend von 1,5-cis,cis-Cyclooctadien kann über diese Methode 1,4-Polybutadien erhalten<br />
werden. Das cis/trans-Verhältnis wird dabei thermodynamisch gesteuert und erzielt daher<br />
immer recht hohe trans-Anteile. 1,2-BR-Einheiten können auf diese Weise verhindert werden.<br />
40
Ein weiteres wichtiges Monomer für die ringöffnende Metathesepolymerisation ist<br />
Norbornen. Dieses wird unter anderem im Bereich selbstheilender Materialien eingesetzt.<br />
Self-healing Materials<br />
Release of healing agent<br />
175<br />
Polyeliminierung. Die Polyeliminierung stellt eine eigenständige Kettenwachstumsreaktion<br />
dar, die mit der ringöffnenden Polymerisation eng verwandt ist. Es gibt nur wenige Beispiele<br />
für diesen Reaktionstyp. Technisch spielt diese Polyreaktion keine große Rolle.<br />
R<br />
HN<br />
O<br />
O<br />
+ OH<br />
Initiation<br />
HO<br />
R<br />
N<br />
H<br />
O<br />
O<br />
Eliminierung<br />
HO<br />
R<br />
O<br />
NH<br />
C<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
Wachstum<br />
R<br />
HN<br />
O<br />
O<br />
O<br />
R<br />
O<br />
R<br />
O<br />
HO<br />
O<br />
N<br />
H<br />
R<br />
NH<br />
O<br />
C<br />
O<br />
Eliminierung<br />
HO<br />
O<br />
N<br />
H<br />
R<br />
H<br />
N<br />
O<br />
O<br />
Stufenreaktionen. Die Stufenreaktion zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass alle im<br />
System vorhandenen Moleküle gleichzeitig wachtumsaktiv sind. Dies führt zu der breiten<br />
41
Molmassenverteilung, die als Schulz/Flory-Verteilung bezeichnet wird und für die der<br />
Polydispersionsgrad M w /M n = 2 ist. Polyaddition und Polykondensation sind mit Abstand die<br />
wichtigsten Vertreter dieser Gruppe.<br />
Polyaddition. Das klassische Beispiel für Polyadditionen bilden die Polyurethane, bei denen<br />
Diole an Bis-Isocyanate addiert werden.<br />
H O O<br />
H<br />
H O O H N N C O<br />
O<br />
C<br />
N<br />
N C O<br />
H O O H<br />
O<br />
C<br />
H<br />
O<br />
O<br />
H<br />
Eine häufige Nebenreaktion bei dieser Polyaddition ist die Reaktion des Isocyanat-Monomers<br />
mit Spuren an vorhandenem Wasser.<br />
H H<br />
H<br />
O H O<br />
N<br />
N<br />
C<br />
O<br />
C<br />
O<br />
N C O<br />
N C O<br />
freies<br />
Urethan<br />
O<br />
H O H<br />
H<br />
H<br />
O<br />
C<br />
N<br />
N<br />
H<br />
C O<br />
HN<br />
C<br />
O<br />
N<br />
N C O<br />
H<br />
O HN<br />
C<br />
O<br />
O<br />
NH C<br />
O<br />
H<br />
NH<br />
H<br />
Das dabei sich bildende freie unsubstituierte Urethan ist instabil gegenüber der Eliminierung<br />
von CO 2 , und das entstehende Amin reagiert seinerseits analog zum Alkohol mit den<br />
Isocyanat-Funktionen unter Ausbildung einer harnstoffanalogen Gruppierung. Das bei dieser<br />
Reaktion freigesetzte CO 2 wird häufig gleichzeitig als Schäumungsgas verwendet, wenn<br />
Polyurethanschäume das Zielprodukt sind.<br />
Polykondensation. Im Unterschied zur Polyaddition werden bei der Verknüpfungsreaktion im<br />
Falle der Polykondensation kleine Moleküle abgespalten. Dies wird auch zur Erzeugung<br />
hoher Polymerisationsgrade ausgenutzt, indem die kleinen Moleküle im Vakuum dem<br />
Gleichgewicht entzogen werden und dieses dann auf die Seite der polymeren Kette<br />
gezwungen wird.<br />
42
H O O H O O<br />
H<br />
H O O H OH HO<br />
O<br />
C<br />
C<br />
O<br />
H O O H<br />
O<br />
C<br />
H<br />
C<br />
O<br />
H O O H<br />
Polyamide (die in einigen Fällen auch über ringöffnende Polymerisation hergestellt werden<br />
können) sind eine typische Gruppe von Polymeren, die durch Polykondensation synthetisiert<br />
werden können.<br />
Bei der Polykondensation (wie auch bei der Polyaddition) gibt es allgemein zwei Typen von<br />
Reaktionen, abhängig davon, wie die zur Polymerisation notwendigen beiden Funktionalitäten<br />
A und B auf die Monomere verteilt sind. Typ I wird für die Benennung der Verteilung A-R-B<br />
in einem Monomer verwendet. Als Typ II bezeichnet man die Situation, bei der zwei<br />
unterschiedliche Monomere A-R-A und B-R-B (durch die Polyreaktion erzwungen) streng<br />
alternierend miteinander die Kette aufbauen.<br />
Typ I:<br />
n<br />
H<br />
H 2 N COOH N C<br />
H<br />
n<br />
OH<br />
+ (n-1) H 2 O<br />
Typ II:<br />
O<br />
n<br />
n<br />
HOOC<br />
COOH<br />
H 2 N NH 2<br />
HO<br />
H<br />
(<br />
(<br />
n<br />
C<br />
O<br />
HN<br />
C<br />
NH<br />
O<br />
+ (n-1) H 2 O<br />
Die Benennung der Polyamide erfolgt nach der Anzahl der die beiden Funktionalitäten<br />
verknüpfenden C-Atome innerhalb der Monomers, also für ein PA des Types I mit –<br />
NH(CH 2 ) 5 CO- Einheiten wird die Bezeichnung PA-6 verwendet. Für ein PA des Types II mit<br />
–NH(CH 2 ) 6 NHCO(CH 2 ) 4 CO- Einheiten wird der Name PA-6,6 gesetzt (die erste 6 für das<br />
eine Comonomer und die zweite 6 für das zweite Comonomer).<br />
Die Konnektivität innerhalb der polymeren Kette hat entscheidenden Einfluß auf die<br />
Eigenschaften des polymeren Produktes. Hierbei ist wichtig, wie effektiv sich intermolekulare<br />
Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Amid-Funktionalitäten ausbilden können. Je<br />
mehr dieser Bindungen möglich sind, desto fester und höher schmelzend wird das Polyamid<br />
sein.<br />
43
So beträgt der Schmelzpunkt von PA-6,6 265°C im Vergleich zu PA-6 mit 225°C.<br />
Andererseits ist die Wasser(Feuchtigkeits-)aufnahmefähigkeit von PA-6 wegen der<br />
vorhandenen freien Amid-Funktionalitäten deutlich größer als die von PA-6,6. Die<br />
Wasseraufnahmefähigkeit kann neben der Verringerung an freien Amid-Funktionen auch<br />
durch die erhöhung des hydrophilen Charakters durch Verlängerung der (-CH 2 -)-Einheiten<br />
erniedrigt werden.<br />
Eine Situation zwischen Typ I und Typ II stellt die acyclische Dienmetathese (ADMET) dar,<br />
weil hier die Funktionalität A gleich der Funktionalität B ist und somit keine Unterscheidung<br />
zwischen Typ I und Typ II möglich wird.<br />
n<br />
Übergangsmetall-<br />
Komplex<br />
n<br />
+ (n - 1) Ethen<br />
44
Polyrekombination.<br />
Eine weniger wichtige Form der Stufenreaktion ist die Polyrekombination. Der spezielle<br />
Elektronenbedarf lässt von vorn herein nur wenige Monomere als Kandidaten für diese<br />
Reaktion zu.<br />
Alle Stufenreaktionen können bezüglich ihres Umsatzes einheitlich und erträglich einfach<br />
quantitativ beschreiben werden, indem die Verknüpfungswahrscheinlichkeit, p eingeführt<br />
wird (Wahrscheinlichkeit, daß zwei funktionelle Gruppen unter Verknüpfung miteinander<br />
reagiert haben). Für die Wahrscheinlichkeit P(n), dass sich ein Polymerisationsgrad mit n<br />
eingebauten Monomeren ergibt, gilt dann:<br />
P(n) = p n-1 (1-p)<br />
Physikalisch bedeutet diese Gleichung, dass eine Verknüpfung (n-1)-mal stattgefunden hat<br />
und beim n-ten Mal nicht mehr. Der mittlere Polymerisationsgrad ist der Erwartungswert des<br />
Polymerisationsgrades.<br />
P n = Σ n=1<br />
n=∞<br />
p n-1 (1-p) n = (1-p) Σ n=1 n=∞ n p n-1<br />
= (1-p) δ/δn Σ n=1 n=∞ p n-1 = (1-p) δ/δn 1/(1-p) = 1/(1-p) = P n<br />
Dies zeigt, dass man bei Stufenreaktionen erst bei sehr hohen Umsätzen hohe<br />
Polymerisationsgrade erhalten kann (Umsatz U = 1/p; bei Umsatz 0 ist die<br />
Wahrscheinlichkeit, daß zwei funktionelle Gruppen miteinander reagiert haben, null und bei<br />
Umsatz 1 ist die Wahrscheinlichkeit, daß zwei funktionelle Gruppen miteinander reagiert<br />
haben, eins).<br />
45
Das oben stehende Diagramm vergleicht die Entwicklung des mittleren Polymerisationsgrad<br />
als Funktion des Umsatzes bei einer Stufenreaktion (a) mit den Verläufen bei einer<br />
anionischen Vinylpolymerisation (b) und einer radikalischen Vinylpolymerisation. Eine<br />
weitere gravierende Auswirkung auf den erreichbaren mittleren Polymerisationsgrad bei der<br />
Stufenreaktion eines Typ II-Systems ist ein (schon geringer) Unterschied an im System<br />
vorhandenen A- und B-Gruppen.<br />
q = N A /N B mit N A < N B<br />
P n = (1 + q) / [(2q (1-p) + 1-q)]<br />
(Herleitung in der Übung)<br />
Schon ein 1%iger Überschuß an B lässt mittlere Polymerisationsgrade nur noch von etwa 200<br />
erwarten.<br />
Bei der Polykondensation ist darüber hinaus das Entfernen der erzeugten niedermolekularen<br />
Nebenkomponente für das Erzielen von hohen Polymerisationsgraden wichtig:<br />
n AH + n BX → (-AB-) n + n HX<br />
K = [AB] [HX] / [AH] [BX]<br />
= p [HX] / (1-p) 2<br />
K/[HX] = p/(1-p) 2 = β<br />
p = 1/(2β) (1 + 2β - √(1 + 4β)<br />
P n = 2β / [√(1 + 4β) -1]<br />
P n ≈ √β für 2√β >> 1<br />
46
Geht man davon aus, daß die Gleichgewichtskonstante einen Wert um 10 besitzt, muß die<br />
Konzentration an niedermolekularer Komponente kleiner als 10 -5 mol/L sein, damit<br />
Polymerisationsgrade jenseits von 1000 erzielt werden können.<br />
Chemische und Physikalische Modifizierung von Polymeren. Weiterhin gibt es chemische<br />
Reaktionen und Physikalische Manipulationen, die nach Vollendung der Polyreaktion<br />
angewandt werden:<br />
• Polymeranaloge Reaktionen (Kohlefaser, Polyvinylalkohol)<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
HO<br />
HO HO HO<br />
O O O O<br />
H 2 O<br />
OH OH OH OH<br />
CN CN CN CN CN<br />
∆<br />
N N N N<br />
• Vernetzung (siehe oben)<br />
• Faser-verstärken (Glasfaser, Carbonfaser zumischen)<br />
• Legieren (Mischen verschiedener Polymere ⇒ Polymer Blends)<br />
• Zumischen von Additiven<br />
Additives<br />
Plasticizers Stabilizers Fillers Antistatic<br />
agents<br />
-act as "poor solvent" for<br />
the polymer<br />
-decrease the operating<br />
temperature for shaping<br />
Blowing<br />
agents<br />
thermal light mechanic atmosphere active inactive<br />
flame<br />
retardant<br />
heat<br />
UVabsorbers<br />
Fibers<br />
oxygen<br />
moisture<br />
color pigments<br />
anti-shrinking<br />
self-healing<br />
extenders:<br />
fill volume<br />
lower the price<br />
internal extinguishers:<br />
Al(OH) 3 H 2 O<br />
XBr n n Br<br />
XP n "PO" coating<br />
hydrophobics<br />
Leadorganyls<br />
absorbe heat by decomposing<br />
into lessreactive<br />
products<br />
Antioxidants<br />
47
Additive sollen die Eigenschaften des Kunststoffes verbessern. Weichmacher sind<br />
niedermolekulare aber immer noch recht hochsiedende Komponenten, die als mäßig gutes<br />
Lösemittel die intermolekularen Wechselwirkungen verringern. Stabilisatoren sollen den<br />
Kunststoff langlebiger machen. Gegenüber Entflammbarkeit schützen Additive, die im Falle<br />
eines Brandes entweder Wasser freisetzen, Sauerstoff binden oder Abfänger-Radikale<br />
erzeugen, die die Weiterreaktion des Brandes hemmen. Gegen Hitze schützen Additive, die<br />
selbst unter Wärmeeinfluß zerfallen und die Wärmeenergie dabei verbrauchen. Für<br />
mechanischen Schutz sorgen Fasern als Additive (Glasfasern oder Carbonfasern). Gegen UV-<br />
Licht schützen UV-absorbierende Additive, gegen Luftsauerstoff Antioxidantien und gegen<br />
Luftfeuchtigkeit Additive mit hydrophoben Eigenschaften. Bei Schäumen können Additive<br />
durch Freisetzung gasförmiger Bestandteile die Schaumbildung fördern oder überhaupt erst<br />
bewirken. Es gibt aber auch Additive, die einfach nur Volumen füllen und den Preis des<br />
Produktes senken.<br />
2.3.3 Prozeßführung<br />
Während die Polyreaktion den entscheidenden Einfluß auf die Mikrostruktur der polymeren<br />
Kette nimmt, ist die Prozessführung wichtig für die Reinheit des Produktes und dessen<br />
Isolierung, die Produktionsrate und die Leichtigkeit, mit der die Reaktionswärme abgeführt<br />
werden kann und die Viskosität ansteigt, sowie welche Partikelgröße entsteht.<br />
Polymer<br />
Reaktionsenthalpie in kJ/mol[Monomer]<br />
PP -89<br />
PE -108<br />
Polybut-1-en -106<br />
PS -73<br />
PVC -71<br />
Man unterscheidet insbesondere 5 verschiedene Prozessführungen, die im Folgenden<br />
dargestellt und verglichen werden.<br />
2.3.3.1 Substanzpolymerisation<br />
Die Substanzpolymerisation kann auch als eine spezielle Form der Lösungspolymerisation<br />
aufgefaßt werden, nämlich für den Fall, daß das Polymere im Monomeren löslich ist.<br />
Zusätzliche lösende Komponenten sind nicht anwesend, so daß man sehr reine Produkte<br />
48
erhält. Als Fremdkörper sind nur die Initiatoren oder Katalysatoren anwesend, die nicht selten<br />
in so geringer Menge eingesetzt werden können, daß eine Nachreinigung des polymeren<br />
Produktes nicht nötig ist. Wegen der hohen Konzentration an Monomerem ist die<br />
Reaktionsgeschwindigkeit sehr hoch. Dies führt zu Schwierigkeiten bei der Wärmeabfuhr der<br />
Reaktionswärme; nicht zuletzt weil die Viskosität des Reaktionsmediums mit steigendem<br />
Umsatz stark ansteigt, so daß für sehr effektive äußere Kühlung gesorgt werden muß (in<br />
einigen Fällen auch durch Verdampfungskühlung des Monomeren). Bei der radikalischen<br />
Polymerisation wird eine Reaktion mit dem Lösemittel durch dessen Nicht-Existenz<br />
ausgeschlossen. Mit dieser Prozessführung können sehr dickwandige Formteile hergestellt<br />
werden, da im gewünschten Falle ein riesiges Polymerpartikel gebildet werden kann.<br />
(Vorteil: Reines Polymerprodukt, keine Nachreinigung nötig, hohe<br />
Reaktionsgeschwindigkeit, dickwandige Werkstoffe können hergestellt werden<br />
Nachteil: Wärmeabfuhr schwierig; Viskosität steigt stark an)<br />
2.3.3.2 Lösungspolymerisation<br />
Die Bezeichnung Lösungspolymerisation wird im Allgemeinen nur verwendet, wenn ein<br />
fremdes Lösemittel (nicht das Monomere selbst) zum Reaktionsprozess beigefügt wird. Durch<br />
die Anwesenheit des Lösemittels wird eine Übertragung auf dieses als Nebenreaktion<br />
möglich. Auch sinkt durch die Verdünnung die Reaktionsgeschwindigkeit, was häufig gewollt<br />
ist, um die Reaktionswärme besser beherrschten zu können, die darüber hinaus durch<br />
Verdampfungskühlung des Lösemittels abgeführt werden kann. Dadurch, daß das gebildete<br />
Polymere in Lösung entsteht, ist der Anstieg der Viskosität des Reaktionsmediums auch<br />
moderater und gewährleistet eine recht unproblematische Reaktionsführung bis hin zu hohen<br />
Umsätzen. Ein Nachteil ist in vielen Fällen, daß das Lösemittel nach der Reaktion entfernt<br />
werden muß, was teuer ist. Einige Anwendungen (Lacke und Klebstoffe) erfordern allerdings<br />
Polymerlösungen als vermarktbares Endprodukt.<br />
(Vorteil: gute Wärmeabfuhr, Senkung der Viskosität, einige Anwendungen erfordern<br />
Polymerlösungen Nachteil: Abtrennung des Lösemittels kostspielig)<br />
2.3.3.3 Fällungspolymerisation<br />
Notwendige Bedingung für eine Fällungspolymerisation ist, daß das polymere Produkt als<br />
Feststoff ausfällt. Dies bringt zwei entscheidende Vorteile. Zum einen steigt die Viskosität<br />
des Reaktionsmediums wegen des Ausfallens des Polymers nicht. Zum anderen ist die<br />
Abtrennung und Isolierung des Produktes durch einfache Filtration möglich. Gleichzeitig ist<br />
49
die Abführung der Reaktionswärme durch Verdampfungskühlung des Fällungsmittels einfach<br />
realisierbar. Durch die Wahl des Fällungsmittels und der (geringen) Löslichkeit des<br />
Polymeren darin kann die Partikelgröße eingestellt werden.<br />
Beispiele: PVC-Synthese in VC; Isobutylen-Synthese in Methylenchlorid; PAN-Synthese in<br />
Wasser.<br />
(Vorteil: Leichte Abtrennung, keine Viskositätserhöhung im Laufe der Reaktion; möglicher<br />
Einfluß auf Partikelgröße<br />
Nachteil: Unlöslichkeit des Polymers im Monomer nur<br />
selten gegeben)<br />
2.3.3.4 Suspensionspolymerisation<br />
Der Name Suspensionspolymerisation beschreibt eigentlich die Endphase dieser<br />
Prozessführung (fest/flüssig-Mischung). Bei ihr werden Monomertröpfchen in einer<br />
Flüssigkeit (meist Wasser) dispergiert. Zur kinetischen Stabilisierung der Monomertröpfchen<br />
wird ein Dispergator (z. B. CaCO 3 oder BaSO 4 ; elektrostatische Abstoßung der<br />
Monomertröpfchen) gegeben. Zum Start der Polyreaktion wird ein im Monomertröpfchen<br />
(nicht aber in der Dispergierflüssigkeit) löslicher Initiator zugegeben (z. B.<br />
Peroxodibenzoesäure). Die Polymerisation findet dann in den Monomertröpfchen analog wie<br />
bei in Substanzpolymerisation statt. Nur kann die Reaktionswärme leichter durch<br />
Verdampfungskühlung der Dispergierflüssigkeit abgeführt werden und die Partikelgröße kann<br />
durch die Rührgeschwindigkeit und die Menge an zugesetztem Dispergator reguliert werden.<br />
Man erkauft sich diese Vorteile durch den Nachteil, daß der Dispergator als Verunreinigung<br />
aus dem Produkt gewaschen werden muß. Das als Dämm-Material bekannte, aus kleinen<br />
Kügelchen bestehende PS ist ein Beispiel, bei dem diese Prozessführung verwendet wird.<br />
(Vorteil: Partikelgröße kann eingestellt werden, Wärmeabfuhr günstig<br />
Nachteil:<br />
untere Grenze für Partikelgröße, Suspensionsmittel müssen aus dem Produkt entfernt werden)<br />
2.3.3.5 Emulsionspolymerisation<br />
Die Emulsionspolymerisation ähnelt in mehrerlei Hinsicht der Suspensionspolymerisation,<br />
weist aber auch deutliche Unterschiede zu letzterer auf.<br />
50
Wie bei der Suspensionspolymerisation wird das Monomere in einem Emulsionsmittel<br />
dispergiert. Und auch hier werden oberflächenaktive Auxiliare (Emulgatoren) zugegeben. Ein<br />
entscheidender Unterschied besteht in der Konzentration der oberflächenaktiven Auxiliare,<br />
dem Ort der Wachstumsreaktion und dem Aufenthaltsort der Initiatoren. Im Unterschied zur<br />
Suspensionspolymerisation werden Initiatoren eingesetzt, die im Emulsionsmittel (nicht aber<br />
im Monomertropfen) löslich sind. Der Emulgator wird in einer derartigen Menge in das<br />
System gegeben, daß die kritische Micellenkonzentration überschritten wird. Oberhalb dieser<br />
Konzentration finden sich mehrere Emulgatormolekule zu größeren Agglomeraten, den<br />
Micellen, zusammen und liegen nicht mehr molekulardispers vor. Die Oberflächenspannung<br />
des Systems sinkt oberhalb dieses Punktes. Obwohl die Monomertröpfchen um ein Vielfaches<br />
größer sind als die Micellen, liegen letztere in realen Fällen in um mehrere Größenordnungen<br />
(10 8 ) höheren Mengen vor, so daß der Hauptreaktionsweg nicht über die Monomertröpfchen<br />
erfolgt (die Initiatoren sind ja nicht in ihnen löslich), sondern nach Diffusion der Monomere<br />
von den Reservoirtröpfchen in die Micellen in letzteren stattfindet. Die Kinetik einer üblichen<br />
Emulsionspolymerisation kann in drei Phasen unterteilt werden, wie im unteren Diagramm<br />
veranschaulicht ist.<br />
In der ersten Phase steigt die Polymerisationsgeschwindigkeit, während die<br />
Oberflächenspannung der Mischung niedrig bleibt. Der physikalische Grund dafür ist, daß<br />
Monomere aus den Reservoirtröpfchen in die Micellen wandern. Dadurch steigt die<br />
Konzentration an Monomeren in den Micellen. Auf dem Weg von den Monomertröpfchen in<br />
die Micellen werden einige Monomere durch Reaktion mit dem Initiator aktiviert, und diese<br />
starten dann die Wachstumsreaktion in den Micellen.<br />
Die zweite Phase zeichnet sich dadurch aus, daß die Wachstumsgeschwindigkeit konstant<br />
bleibt, während die Oberflächenspannung des Systems sprunghaft ansteigt. Der Physikalische<br />
Grund: durch das Einwandern von Monomeren in die Micellen dehnen sich dies aus. Um als<br />
Micellen weiter existieren zu können, müssen zusätzliche Emulgator-Moleküle angelagert<br />
51
werden. Dadurch verringert sich die Konzentration an Emulgator im System, so daß die<br />
kritische Micellenkonzentration unterschritten wird, was zum Anstieg der<br />
Oberflächenspannung führt. Ein weiteres Wachstum der Micellen unter zusätzlichem<br />
Einlagern von Monomeren ist jetzt nicht mehr möglich. Gleichzeitig stellt sich ein stationärer<br />
Zustand von abreagierenden Monomeren in den Micellen und nachdiffundierenden<br />
Monomeren aus den Reservoirtröpfchen ein, so daß die Wachstumsgeschwindigkeit gleich<br />
bleibt.<br />
In der dritten Phase sinkt die Wachstumsgeschwindigkeit wieder gegen null bei<br />
gleichbleibender Oberflächenspannung des Systems. Dies liegt daran, daß die<br />
Reservoirtröpfchen aufgebraucht sind und die noch in den Micellen vorhandenen Monomere<br />
abreagieren. Die Konzentration an Monomeren in den Micellen sinkt daher stetig und mit ihr<br />
auch die Wachstumsreaktion. Durch genaue Abstimmung der Emulgatormenge und der<br />
Monomermenge kann gezielt Einfluß auf die Partikelgröße genommen werden. Die<br />
Molmassenverteilung und der mittlere Polymerisationsgrad wird, wie bereits unter der<br />
Polyreaktion erwähnt, entscheidend durch die Wahl und Menge des Initiators bestimmt. Ein<br />
großer Nachteil der Emulsionspolymerisation ist, daß die Emulgatoren selten vollständig<br />
entfernt werden können.<br />
(Vorteil: Partikelgröße kann beeinflusst werden, sehr kleine Partikel möglich, hohe<br />
Polymerisationsgrade mit hoher Reaktionsgeschwindigkeit<br />
Nachteil:<br />
Emulsionsmittel können im Allgemeinen nicht restlos entfernt werden; Reinheit des<br />
Produktes geringer als bei Suspensionspolymerisation)<br />
52
Das obige Diagramm vergleicht noch einmal, wie man durch die Prozessführung<br />
insbesondere die Partikelgröße entscheidend einstellen kann.<br />
2.3.4 Reaktorwahl (Reaktoren beschreiben und vergleichen)<br />
Man kann zunächst einmal drei generelle Reaktortypen voneinander unterscheiden, indem<br />
man sich die zeitliche und örtliche Entwicklung der reagierenden Komponente in diesen<br />
Reaktoren ansieht. Dies sind der diskontinuierliche ideale Rührkessel, das ideale<br />
Strömungsrohr und der kontinuierliche ideale Rührkessel.<br />
Im idealen diskontinuierlichen Rührkessel nimmt die reagierende Komponente (z. B. das<br />
Monomere) zeitlich ab, bleibt aber räumlich zu jedem Zeitpunkt isotrop gleichförmig verteilt.<br />
Im idealen Strömungsrohr liegen die Verhältnisse genau komplementär. An jedem Ort im<br />
Strömungsrohr ist die Konzentration der reagierenden Komponente konstant. Entlang des<br />
Rohres nimmt die Konzentration jedoch örtlich mehr und mehr ab.<br />
Im idealen kontinuierlichen Rührkessel ist die Konzentration an reagierender Komponente<br />
sowohl zeitlich als auch örtlich konstant.<br />
Kontinuierliche Reaktorführung ist, wo immer das verfahrenstechnisch möglich ist, aus<br />
wirtschaftlichen Gesichtspunkten immer erstrebenswerter, da Totzeiten zum Be- und<br />
Entfüllen entfallen.<br />
53
Bezüglich der Beeinflussung der Produkteigenschaften durch die Reaktorwahl ist<br />
insbesondere das Verweilzeitspektrum des Inhalts von Bedeutung, weil dieses bei Polymeren<br />
sich mit der Molmassenverteilung überlagert. Je breiter das Verweilzeitspektrum des Inhaltes<br />
desto breiter wird auch die Molmassenverteilung des polymeren Produktes (auch wenn die<br />
Polyreaktion eine lebende Polymerisation ist).<br />
Die obige Darstellung zeigt ein Beispiel für eine reale Verweilzeitverbreiterung. Verglichen<br />
wird eine Substanz (etwa eine mit roter Farbe eingefärbte Flüssigkeit), die zu einem Zeitpunkt<br />
0 in den Reaktor gegeben wird mit dem Bruchteil der roten Flüssigkeit, die den Reaktor nach<br />
der Zeit t wieder verlassen hat.<br />
In einem idealen Strömungsrohr kommt es zu keiner Verweilzeitverbreiterung. In einem<br />
diskontinuierlichen Rührkessel trivialerweise auch nicht. Anders ist dies beim kontinuierlich<br />
betriebenen Idealkessel. Für ihn gilt<br />
54
dc aus /dt = c ein /τ – c aus /τ mit τ: mittlere Verweilzeit<br />
dc aus /(c ein -c aus ) = dt/τ<br />
c aus = c ein (1 – e -t/τ )<br />
In einem idealen diskontinuierlich betriebenen Rührkessel wird man also eine deutliche<br />
Verbreiterung der Molmassenverteilung durch das Verweilzeitspektrum des Reaktors<br />
erwarten.<br />
Einen schrittweisen Übergang von diskontinuierlich betriebenen idealen Rührkessel zum<br />
idealen Strömungsrohr bekommt man durch Hintereinanderschaltung mehrerer<br />
diskontinuierlich betriebenen idealen Rührkessel zu einer Kaskade.<br />
Eine Form des Kompromisses zwischen einem diskontinuierlichem idealen Rühkessel und<br />
einem kontinuierlich betriebenen idealen Rühkessel stellt der Schleifenraktor dar.<br />
Bei ihm wird ein Hauptteil der Reaktionsmasse im ständig rückgeführt (in der Schleife<br />
gefahren) und nur ein geringer Anteil entnommen.<br />
2.3.5 Beispiele für die Herstellung wichtiger organischer Polymere<br />
Wenden wir nun unser bisher Gelerntes einmal auf des Beispiel der Synthese von Polyethylen<br />
an. Die Jahresproduktion an PE liegt bei etwa 60 Mt7a, wobei die Produktion seit Jahren<br />
steigend ist. PE macht etwa 25% der Weltproduktion bezogen auf alle Polymere aus und ist<br />
damit mengenmäßig das wichtigste organische Polymere. Wir hatten bereits angesprochen,<br />
55
daß es verschiedene Arten an PE gibt, die sich insbesondere in ihrer Dichte, letztendlich aber<br />
natürlich in ihrer Mikrostruktur unterscheiden.<br />
HDPE besitzt eine Dichte größer als 0.941 g/mL. Diese ist auf eine lineare Kette ohne jede<br />
Verzweigung zurückzuführen. LDPE hat eine Dichte von kleiner als 0.930 g/mL, bedingt<br />
durch zahlreiche Kurzkettenverweigungen mit Seitenkettenlänge 4 und 5 und einige<br />
Langkettenverzweigungen. LLDPE (linear low density PE) weist ebenfalls eine geringere<br />
Dichte als 0.930 g/mL auf, hat aber keinerlei Langkettenverzweigungen, lediglich Kurzketten<br />
verzweigungen, die nicht auf 4- und 5-Seitenketten beschränkt sind (im Allgemeinen werden<br />
es 8-Ketten sein, wie später noch erklärt wird).<br />
56
Neben der Mikrostruktur, die hauptsächlich durch die Wahl der Polyreaktion hervorgebracht<br />
wird, spielen natürlich auch die Molmassenverteilung und der mittlere Polymerisationsgrad<br />
eine entscheidende Rolle für das Eigenschaftsprofil. Diese werden vorwiegend durch die<br />
Prozessierungs- und Reaktorwahl bestimmt. Der MFR ist ein Schmelz/Fließ-Index, der<br />
Auskunft über die Viskosität und damit über die mittlere Molmasse des Polymers gibt (je<br />
kleiner dieser Wert ist, desto größer ist die Viskosität/Molmasse des Polymers).<br />
Die einzelnen oben vorgestellten PE-Arten entstehen nicht zufällig sondern durch unsere<br />
gezielte Wahl der Polyreaktion, der Prozeßführung und des Reaktors<br />
LD-PE. Low density PE wird in Substanz im Hochdruckverfahren (1500-3500 bar) bei 200°C<br />
bis 330°C insbesondere im Rohrreaktorverfahren durch radikalische Polymerisation<br />
hergestellt.<br />
Die vielen kurzkettigen Verzweigungen im Produkt werden durch die Back-biting Reaktion<br />
bewirkt. Wegen der Bevorzugung von 5- und 6-Ringen bei dieser Reaktion (wie unter dem<br />
Unterpunkt radikalische Vinylpolymerisation dargestellt) entstehen Übertragungen der<br />
reaktiven Zentren an Positionen, die bei weiterem Wachstum dann Seitenketten der Länge 4<br />
und 5 entstehen lassen. Die ebenfalls, aber weniger häufig auftretendende intermolekulare<br />
Übertragung des radikalischen Zentrums ins innere einer anderen Kette führt zu den<br />
Langkettenverzweigungen. Die große Anzahl an Seitengruppen wiederum bedingt die geringe<br />
Dichte des Materials. Es wird in Substanz gearbeitet, damit keine Übertragung auf das<br />
Lösemittel erfolgen kann. Die Schwierigkeit der Abführung der Reaktionswärme wird durch<br />
Vorkühlung des monomeren Gases eingedämmt. Durch die Polyreaktion wird eine<br />
monomodale Molmassenverteilung mit einem Polydispersionsindex zwischen 1.5 und 2<br />
erzeugt.<br />
57
Der Rohrreaktor verändert daran nur wenig. Für die weitere Verarbeitung (Schmelzpunkt)<br />
und die mechanischen Eigenschaften des Produktes ist diese recht breite<br />
Molmassenverteilung günstig und gewollt.<br />
HD-PE. High denstiy PE wird durch Insertionspolymerisation in Suspension, Lösung oder<br />
Substanz (Gasphasenreaktion) in Schleifenreaktoren oder Kesselkaskaden in<br />
Niederuckverfahren (zwischen 10 und 100 bar) durchgeführt.<br />
58
Durch die Polyreaktion sind Übertragungsreaktionen nicht möglich, genauso wenig wie backbiting.<br />
Es gibt deshalb keine Verzweigungen, woraus die hohe Dichte des Materials resultiert.<br />
Dies Suspensionspolymerisation erlaubt zu hohen Polymerisationsgraden zu gehen, da die<br />
Wärmeabfuhr über Siedewärme des Suspensionsmittels möglich ist und die Viskosität in<br />
geregelten Bahnen gehalten werden kann. Über den Kaskadenreaktor können multimodale<br />
Molmassenverteilungen gezielt erzeugt werden, indem in den einzelnen Kesseln Initiator<br />
nachdosiert wird. Auch der Comonomeranteil (kurzkettige 1-Olefine) kann von kessel zu<br />
kessel variiert werden.<br />
LLD-PE. Zwischen der Herstellung von HD-PE und LLD-PE gibt es im Prinzip keine<br />
Unterschiede. Die Unterschiede in den Eigenschaften der beiden Produkte entstehen dadurch,<br />
daß bei der Synthese von LLD-PE eine beachtliche Menge an Co-Monomeren (1-Octen)<br />
zugegeben wird. Dies führt zu künstlich in das Produkt eingeführte Seitengruppen, die die<br />
Dichte des Polymers erniedrigen. Dies kann durch die Menge an Co-Olefin und die Länge<br />
seiner Alkylkette gezielt gesteuert und eingestellt werden. Die Polyreaktion selbst erzeugt<br />
keine Verzweigungen. Indem α,ω-Diolefine beigemischt werden, erzeugt man Vernetzungen<br />
zwischen den Ketten. Das Produkt wird dann EPDM (Ethylen, Propylen, Dien monomer)<br />
Elastomer genannt.<br />
2.3.6 Wiederverwertung von organischen Polymermaterialien<br />
Es gibt drei Arten der Wiederverwertung von organischen Polymeren, die sich bezüglich ihrer<br />
Intensität der Wiederverwertung unterscheiden. Dies sind in abnehmender Intensität das<br />
komplette Werkstoffrecycling, das Rohstoffrecycling und die Energiegewinnung.<br />
2.3.6.1 Wiederverwertung durch Werkstoffrecycling<br />
Das Ideal der Wiederverwertung ist der erneute Einsatz des Gesamtwerkstoffes unter Einsatz<br />
möglichst geringer Energie. Dies sollte bei Thermoplasten theoretisch möglich sein. Jedoch<br />
geht die thermische Behandlung selbst dieser Stoffgruppe nicht spurlos an den Materialien<br />
vorbei, so dass ein erneutes Schmelzen und Umformen mit einem Qualitätsverlust verbunden<br />
ist. Im Allgemeinen lässt sich diese ideale Form der Wiederverwertung nur bei<br />
Überschußmaterial ein und desselben Types bei der Formbildung und Maßschneiderung<br />
innerhalb eines Produktionsprozesses anwenden. Gesammelte Polymere aus dem Hausmüll<br />
weisen praktisch nie die notwendige Reinheit für einen erneuten thermoplastischen Einsatz<br />
auf.<br />
59
2.3.6.2 Wiederverwertung durch Rohstoffrecycling<br />
Weniger reine Polymere können in einigen Fällen zumindest wieder in ihre Monomere zerlegt<br />
werden. Hierbei spielt die Ceiling-Temperatur von Polymerisaten eine wichtige Rolle,<br />
oberhalb von der thermisch Depolymerisation eintritt (Thermolyse). Im Falle der<br />
Polykondensation kann die Hydrolyse durch Zugabe der kleinen abgespaltenen Moleküle im<br />
Überschuß (im Allgemeinen Wasser) und Erwärmen wieder in die Monomere gespalten<br />
werden. Für Polyamide und Polyester wird dies praktiziert. Im Falle von Polylactiden wird die<br />
Hydrolysefähigkeit zur Bioabbaubarkeit des Polymers genutzt.<br />
(n+1)<br />
HO<br />
O<br />
OH<br />
- n H 2 O<br />
+ n H 2 O HO<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
H<br />
n<br />
2.3.6.3 Wiederverwertung durch Energiegewinnung<br />
Die niedrigste Form des Recyclierens ist das Nutzen des Energieinhaltes der organischen<br />
polymeren Materialien. Polyethylen etwa enthält praktisch so viel Energy wie Erdöl, aus dem<br />
es letztlich hervorging. Nicht nur im Hinblick auf den ungünstigen CO 2 -Haushalt bei der<br />
Verbrennung ist diese Form der Wiederverwertung kritisch zu sehen sondern auch durch das<br />
Entstehen giftiger Nebenprodukte insbesondere wenn Chlor in den Polymeren enthalten ist<br />
(PVC). Hierbei entsteht neben HCl, das teilweise wieder in Produktionsprozesse eingebracht<br />
werden kann, hoch chlorierte aromatische Verbindungen mit zum Teil außerordentlich hoher<br />
Toxizität.<br />
60
3. Metalle<br />
Metalle stellen wegen ihrer herausragenden elektrischen und wärmeleitfähigen Eigenschaften<br />
eine wichtige Materialgruppe dar. Weitere wichtige Eigenschaften sind der Glanz (also die<br />
Reflektivität gegenüber für den Menschen sichtbarem Licht) und die mechanische Festigkeit<br />
dieser Werkstoffe. Eingeteilt werden können Metalle nach verschiedenen Gesichtspunkten.<br />
Zwei gängige Kriterien sind die Dichte (Schwer/Leichtmetalle, größer oder kleiner als 5<br />
g/cm 3 ) und das Red/Ox-Standardpotential (Edele/unedele Metalle, größer oder kleiner als 0 V<br />
versus H 2 ).<br />
Die Synthese von Metallen kann allgemein in die drei Phasen Anreicherung, Reduktion und<br />
Raffination unterteilt werden. Wir werden uns in dieser Vorlesung vorwiegend auf die<br />
Reduktion als Metall-erzeugende chemische Reaktion konzentrieren.<br />
Anreicherung. Der Anreicherungsschritt dient zur Aufkonzentrieren der Metallatome in<br />
natürlich vorkommenden Lagerstätten. Zwei technisch wichtige Anreichuerngsmethoden sind<br />
die Cyanidlaugerei für Münzmetalle wie Silber und Gold und das Bayerverfahren bei<br />
Aluminium. Wir werden diese beiden Verfahren kurz ansprechen.<br />
Bei der Cyanidlaugerei wird das im Gestein verteilte gediegene Silber oder Gold durch<br />
Behandlung mit einer wässrigen mit Luft gesättigten Cyanidlösung herausgelöst. Chemisch<br />
funktioniert dies durch das Erzeugen eines sehr stabilen Bis(cyanido)metallat(I)-Komplex, der<br />
wasserlöslich ist. Wegen der sehr hohen Stabilität dieses Komplexes reicht Sauerstoff aus der<br />
Luft als Oxidationsmittel für die Edelmetalle aus!<br />
4 Ag + 8 CN - + O 2 + 2 H 2 O → 4 [Ag(CN) 2 ] - + 4 OH -<br />
Die so erhaltenen Lösungen werden sodann mit Zn-Pulver gemischt, wodurch die Edelmetalle<br />
wider reduziert werden und in konzentrierter metallischer Form aus der wässrigen Lösung<br />
ausscheiden, während gleichzeitig ein ebenfalls sehr stabiler wasserlöslicher<br />
Tetra(cyanido)zinkat(II)-Komplex entsteht.<br />
2 [Ag(CN) 2 ] - + Zn → 2 Ag + [Zn(CN) 4 ] 2-<br />
Beim Bayer-Verfahren wird Bauxit AlO(OH), ein natürliches Aluminiummineral, das aber<br />
große Mengen an Eisenoxiden enthält, mit Natronlauge angereichert.<br />
61
AlO(OH) + Fe 2 O 3(s) + H 2 O + OH - → [Al(OH) 4 ] - (aq) + Fe 2 O 3(s)<br />
Wegen der amphoteren Eigenschaften des Aluminiumions (kann sowohl als Lewis-Säure wie<br />
auch als Lewis-Base fungieren) löst sich das Aluminium als Tetra(hydroxo)aluminat(III) in<br />
der Natronlauge, während das Eisenoxid nicht in Lösung geht und durch Filtration abgetrennt<br />
werden kann. Durch Verdünnen der mit Aluminat angereicherten Natronlauge wird das<br />
Gleichgewicht in Richtung auf das schwer lösliche Al(OH) 3 verschoben, das wiederum durch<br />
Filtration gewonnen werden kann.<br />
[Al(OH) 4 ] - (aq) → Al(OH) 3(s) + OH -<br />
Nach Entwässern des Al(OH) 3 in der Hitze zu Al 2 O 3 kann durch Schmelzflußelektrolyse<br />
metallisches Aluminium hergestellt werden.<br />
Reduktion. Wir werden 8 verschiedene Arten der Reduktion vorstellen die untere Darstellung<br />
zeigt, welche Reduktionsart für welches elementare Metall verwendet wird.<br />
Group<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
13<br />
14<br />
15<br />
16<br />
17<br />
18<br />
Period<br />
1<br />
2<br />
3<br />
1<br />
H<br />
E<br />
3<br />
Li<br />
S<br />
11<br />
Na<br />
S<br />
4<br />
Be<br />
S<br />
12<br />
Mg<br />
S<br />
Metallherstellung<br />
S: Schmelzflußelektrolyse<br />
L: Cyanid-Laugerei<br />
E: wässrige Elektrolyse<br />
H: Reduktion mit Wasserstoff<br />
C: Reduktion mit Kohlenstoff<br />
Z: Zementation<br />
MT: Metallothermisch<br />
T: Teilröstung<br />
5<br />
B<br />
-<br />
13<br />
Al<br />
S<br />
6<br />
C<br />
-<br />
14<br />
Si<br />
C<br />
7<br />
N<br />
-<br />
15<br />
P<br />
-<br />
8<br />
O<br />
-<br />
16<br />
S<br />
-<br />
9<br />
F<br />
-<br />
17<br />
Cl<br />
-<br />
2<br />
He<br />
-<br />
10<br />
Ne<br />
-<br />
18<br />
Ar<br />
-<br />
4<br />
19<br />
Sr<br />
S<br />
20<br />
Ca<br />
S<br />
21<br />
Sc<br />
S<br />
22<br />
Ti<br />
MT<br />
23<br />
V<br />
MT<br />
24<br />
Cr<br />
MT<br />
25<br />
Mn<br />
MT<br />
26<br />
Fe<br />
C, H<br />
27<br />
Co<br />
C,<br />
MT<br />
28<br />
Ni<br />
C<br />
29<br />
Cu<br />
T<br />
30<br />
Zn<br />
C, E<br />
31<br />
Ga<br />
Z, C,<br />
H<br />
32<br />
Ge<br />
H<br />
33<br />
As<br />
H<br />
34<br />
Se<br />
-<br />
35<br />
Br<br />
-<br />
36<br />
Kr<br />
-<br />
5<br />
37<br />
Rb<br />
S<br />
38<br />
Sr<br />
S<br />
39<br />
Y<br />
MT<br />
40<br />
Zr<br />
MT<br />
41<br />
Nb<br />
C<br />
42<br />
Mo<br />
H<br />
43<br />
Tc<br />
-<br />
44<br />
Ru<br />
H<br />
45<br />
Rh<br />
H<br />
46<br />
Pd<br />
.<br />
47<br />
Ag<br />
L, Z<br />
48<br />
Cd<br />
E, Z,<br />
C<br />
49<br />
In<br />
Z, C,<br />
H<br />
50<br />
Sn<br />
C<br />
51<br />
Sb<br />
C, Z<br />
52<br />
Te<br />
-<br />
53<br />
I<br />
-<br />
54<br />
Xe<br />
-<br />
6<br />
55<br />
Cs<br />
S<br />
56<br />
Ba<br />
S<br />
*<br />
71<br />
Lu<br />
.<br />
72<br />
Hf<br />
MT<br />
73<br />
Ta<br />
MT<br />
74<br />
W<br />
H<br />
75<br />
Re<br />
H<br />
76<br />
Os<br />
H<br />
77<br />
Ir<br />
H<br />
78<br />
Pt<br />
.<br />
79<br />
Au<br />
L, Z<br />
80<br />
Hg<br />
T<br />
81<br />
Tl<br />
Z, C,<br />
H<br />
82<br />
Pb<br />
C, Z<br />
83<br />
Bi<br />
C, Z<br />
84<br />
Po<br />
-<br />
85<br />
At<br />
-<br />
86<br />
Rn<br />
-<br />
7<br />
87<br />
Fr<br />
S<br />
88<br />
Ra<br />
S<br />
*<br />
*<br />
103<br />
Lr<br />
-<br />
104<br />
Rf<br />
-<br />
105<br />
Db<br />
-<br />
106<br />
Sg<br />
-<br />
107<br />
Bh<br />
-<br />
108<br />
Hs<br />
-<br />
109<br />
Mt<br />
-<br />
110<br />
Ds<br />
-<br />
111<br />
Rg<br />
-<br />
112<br />
Uub<br />
-<br />
113<br />
Uut<br />
-<br />
114<br />
Uuq<br />
-<br />
115<br />
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-<br />
116<br />
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-<br />
117<br />
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-<br />
118<br />
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-<br />
*Lanthanoids<br />
*<br />
57<br />
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S<br />
58<br />
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.<br />
59<br />
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.<br />
60<br />
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.<br />
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62<br />
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.<br />
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.<br />
64<br />
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66<br />
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*<br />
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89<br />
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92<br />
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93<br />
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.<br />
98<br />
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.<br />
99<br />
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.<br />
101<br />
Md<br />
.<br />
102<br />
No<br />
.<br />
11<br />
62
Eine wichtige Modifizierung der Metallerze vor der Reduktion stellt das Rösten und das<br />
Calcinieren dar.<br />
Rösten: 2 MS + 3 O 2 → 2 MO + 2 SO 2<br />
z. B.: PbS + 3 O 2 → 2 PbO + 2 SO 2<br />
Calcinieren: MCO 3 → MO + CO 2<br />
z. B.: CaCO 3 → CaO + CO 2<br />
Die Erze werden dadurch in die besser handhabbaren Oxide überführt.<br />
Schmelzflußelektrolyse. Bei der Schmelzflußelektrolyse werden Salze der betreffenden<br />
Metalle (im Allgemeinen Halogenide oder Oxide) geschmolzen und in flüssiger Form der<br />
Elektrolyse unterworfen. Diese Methode wird für die sehr unedlen Metalle verwendet, die<br />
nicht in wäsriger Lösung elektrolysiert werden können, weil sie metallische mit dem Wasser<br />
unter Oxidation und Freisetzung von H 2 reagieren würden. Andererseits sind sie wegen ihres<br />
sehr unedlen Charakters durch andere Reduktionsmethoden nicht zugänglich. Zu dieser<br />
Gruppe gehören die Alkali- und Erdalkalimetalle sowie Aluminium.<br />
Bei der Schmelzflußelektrolyse von Al 2 O 3 wird metallisches Aluminium an der Kathode<br />
(⇒Reduktion) gebildet. An der Anode (⇒Oxidation) werden O 2- -Anionen oxidiert. Diese<br />
reagieren mit der aus Kohlenstoff bestehenden Anode zu CO, so dass die Anode sich<br />
verbraucht und kontinuierlich frische Kohleanoden nachgeliefert werden müssen.<br />
Wässrige Elektrolyse. Nicht zu unedle Metalle wie Co und Ni können durch Elektrolyse der<br />
wässrigen Lösungen der Salze erhalten werden, die das entstehende Metall nicht mit dem<br />
Wasser reagiert. Der Vorteil hierbei ist, dass Röstprozesse nicht vorgeschaltet werden<br />
63
müssen. Allerdings muß das sehr teuere Reduktionsmittel „elektrischer Strom“ eingesetzt<br />
werden.<br />
Reduktion mit Kohlenstoff. Die Reduktion von Metalloxiden mittels Kohlenstoff stellt (wo<br />
sie möglich ist) die billigste Reduktionsmethode dar. Die technisch wichtigste<br />
Metalldarstellung mittels Kohle ist der Hochofenprozess zur Synthese von Eisen.<br />
Der Hochofenprozess besteht aus einer mittelbaren Reduktion des Eisens durch CO, das<br />
seinerseits durch Reaktion des Kohlenstoffs mit Luftsauerstoff entsteht.<br />
Fe 2 O 3 + 3 CO → 2 Fe + 3 CO 2<br />
Gleichzeitig findet (temperaturabhängig) in anderen Bereichen des Hochofens auc die direkte<br />
Reduktion durch Kohlenstoff statt.<br />
2 Fe 2 O 3 + 3 C → 4 Fe + 3 CO 2<br />
Beide Prozesse stehen über das Boudouard-Gleichgewicht miteinander in Beziehung:<br />
C + CO 2 → 2 CO<br />
Reduktion mit Wasserstoff oder Hydriden. Einige Metalle, insbesondere Übergangsmetalle<br />
der Gruppe 14 bis 17 bilden sehr stabile Carbide, so dass die Reduktion mit Kohlenstoff (die<br />
denkbar billigste Methode) nicht angewendet werden kann. In diesem Fällen wird stdessen<br />
Wasserstoff als Reduktionsmittel eingesetzt oder Metallhydride (in letzterem Fall wird die<br />
Reaktion Salzmetathese genannt.<br />
z. B: TiO 2 + 2 CaH 2 → Ti + CaO + 2 H 2<br />
64
z. B.: WO 3 + 3 H 2 → W + 3 H 2 O<br />
Zementation. Zementation ist die Abscheidung eines Metalls aus wässriger Lösung unter<br />
Zugabe pulverförmiger unedlerer Metalle.<br />
Cu 2+ (aq) + Zn (s) → Cu (s) + Zn 2+ (aq)<br />
Die unten noch vorgestellte Niederschlagsarbeit und die oben bereits erwähnte<br />
Cyanidlaugerei sind zwei Spezialfälle für eine Zementation.<br />
Metallothermische Reaktion. Bei der metallothermischen Reduktion werden Oxide oder<br />
Halogenide des entsprechenden Metalls mit sehr elektropositiven elementaren Metallen (Ca,<br />
Mg, Al), die als Oxid- oder Halogenid-Akzeptor fungieren, zur Reaktion gebracht. Am<br />
wichtigsten ist die Alumothermie, die folgerichtig Al als reduzierendes Metall einsetzt.<br />
Cr 2 O 3 + Al → Cr + Al 2 O 3<br />
Oben ist die Verschweißung zweier Eisenbahnschienen mittels Fe 2 O 3 und Al gezeigt.<br />
Man verwendet diese Methode bei Metallen, die durch Kohlenstoff oder Wasserstoff noch<br />
nicht reduziert werden können, für die es aber andererseits schon Metalle gibt die noch<br />
elektropositiver sind als das zu synthetisierende Metall und damit als Oxid-Akzeptoren<br />
wirksam sein können.<br />
65
Teilröstung. Diese Spezielle Form der Reduktion findet man nur bei Kupfer und Quecksilber.<br />
Als Sulfid gebundener Schwefel fungiert hierbei als Reduktionsmittel. Das teilgeröstete Sulfid<br />
wird mit sich selbst zur Reaktion gebracht.<br />
CuS + 3 O 2 → CuO + SO 2<br />
2 CuO + CuS → 3 Cu + SO 2<br />
Fällungsarbeit. Einige Metalle (Pb, Co) können direkt mit elementarem Eisen aus ihren<br />
Sulfiden hergestellt werden.<br />
PbS + Fe → Pb + FeS<br />
Die Triebkraft für diese Reaktion ist das sehr stabile entstehende Eisensulfid.<br />
Raffination von Kupfer. Die Feinreinigung von Kupfer erfolgt, indem eine Rohkupferanode<br />
mit einer Reinstkupferkathode in einer wässrigen CuSO 4 -Lösung elektrolysiert wird. Das<br />
Rohkupfer löst sich dabei auf und schlägt sich als Rinstkupfer an der Kathode nieder. Edlere<br />
Verunreinigungen werden nicht oxidiert und sammeln sich im Anodenschlamm.<br />
66