C N O F

C N O F C N O F

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1. Einführung Organische Chemie beschäftigt sich mit Verbindungen, die hauptsächlich aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff aufgebaut sind. Die Vielfalt an Verbindungen, die so erzeugt werden können, ergibt sich aus den verschiedene Bindungsmodi der Elemente C, N, O und H, das als Valenzfüller fungiert. Während die Valenz von N und O richtig vorhergesagt wird auf der Basis ihrer Elektronenkonfiguration, würde Kohlenstoff als nur zweiwertig eingestuft werden, im Widerspruch zu seinem wahren Verhalten, bei dem es zuverlässig vier Bindungen anstrebt. E "bivalent" trivalent bivalent monovalent p s p p p s s s C N O F Dies kann durch das Hybridisierungsmodell erklärt werden, bei dem angenommen wird, daß die 2s und 2p elektronischen Zustände der Atome der zweiten Reihe des Periodensystems nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können, sondern miteinander vermischen. Dies führt insbesondere zu vier Mischungszuständen sp, sp 2 and sp 3 in Abhängigkeit der Substituentenumgebung des Kohlenstoffatoms. Diese gemischten Zustände erklären das sterische und elektronische Verhalten von Kohlenstoff (und darüber hinaus auch von N und O) in organischen Verbindungen sehr zuverlässig. Im sp-hybridisierten Zustand mischt der 2s Zustand mit einem der 2p Zustände zu zwei neuen sp Zuständen, die energetisch etwas höher liegen als der 2s Zustand aber niedriger als der 2p Zustand. Die verbleibenden zwei 2p Orbitale erhalten ihren reinen 2p Charakter. Im sp 2 -hybridisierten Zustand mischt der 2s Zustand mit zwei der drei 2p Orbitale zu drei neuen Zuständen, während das dritte 2p Orbital unberührt bleibt. Im sp 3 -hybridisierten Zustand mischen alle vier Orbitale zusammen und formen vier neue Orbitale gleicher Energie und Gestalt. 1

1. Einführung<br />

Organische Chemie beschäftigt sich mit Verbindungen, die hauptsächlich aus Kohlenstoff,<br />

Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff aufgebaut sind. Die Vielfalt an Verbindungen, die so<br />

erzeugt werden können, ergibt sich aus den verschiedene Bindungsmodi der Elemente C, N,<br />

O und H, das als Valenzfüller fungiert. Während die Valenz von N und O richtig vorhergesagt<br />

wird auf der Basis ihrer Elektronenkonfiguration, würde Kohlenstoff als nur zweiwertig<br />

eingestuft werden, im Widerspruch zu seinem wahren Verhalten, bei dem es zuverlässig vier<br />

Bindungen anstrebt.<br />

E<br />

"bivalent" trivalent bivalent monovalent<br />

p<br />

s<br />

p<br />

p<br />

p<br />

s<br />

s<br />

s<br />

C N O F<br />

Dies kann durch das Hybridisierungsmodell erklärt werden, bei dem angenommen wird, daß<br />

die 2s und 2p elektronischen Zustände der Atome der zweiten Reihe des Periodensystems<br />

nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können, sondern miteinander vermischen.<br />

Dies führt insbesondere zu vier Mischungszuständen sp, sp 2 and sp 3 in Abhängigkeit der<br />

Substituentenumgebung des Kohlenstoffatoms. Diese gemischten Zustände erklären das<br />

sterische und elektronische Verhalten von Kohlenstoff (und darüber hinaus auch von N und<br />

O) in organischen Verbindungen sehr zuverlässig. Im sp-hybridisierten Zustand mischt der 2s<br />

Zustand mit einem der 2p Zustände zu zwei neuen sp Zuständen, die energetisch etwas höher<br />

liegen als der 2s Zustand aber niedriger als der 2p Zustand. Die verbleibenden zwei 2p<br />

Orbitale erhalten ihren reinen 2p Charakter. Im sp 2 -hybridisierten Zustand mischt der 2s<br />

Zustand mit zwei der drei 2p Orbitale zu drei neuen Zuständen, während das dritte 2p Orbital<br />

unberührt bleibt. Im sp 3 -hybridisierten Zustand mischen alle vier Orbitale zusammen und<br />

formen vier neue Orbitale gleicher Energie und Gestalt.<br />

1


E<br />

Hybrid orbitals<br />

sp sp 2 sp 3<br />

p<br />

p<br />

p<br />

s<br />

sp<br />

sp 2 sp 3<br />

L<br />

L<br />

L<br />

L<br />

L L<br />

L<br />

L L<br />

L<br />

L<br />

L<br />

90 0 180 0 120 0 109 0<br />

Bonding angle<br />

In allen Fällen der Hybridisierung wird das Kohlenstoffatom vierbindig einschließlich der<br />

Mehrfachbindungen, die durch Wechselwirkung der verbleibenden reinen 2p Orbitale (zwei<br />

Substituenten: sp-Hybridisierung mit zwei weiteren Bindungen über reine 2p Orbitale; drei<br />

Substituenten: sp 2 -Hybridisierung mit einer weiteren Bindung über das eine reine 2p Orbital;<br />

vier Substituenten: sp 3 -Hybridisierung). Aus diesen Mischungszuständen resultieren<br />

spezifische Bindungswinkel für die Substituenten, die die hybridisierten Orbitale für ihre<br />

Bindung verwenden (sp: 180°; sp 2 : 120°; sp 3 : 109°). Daher sind in Ethin die<br />

Kohlenstoffatome sp-hybridisiert mit einer Dreifachbindung zwischen den Kohlenstoffatomen<br />

und einem linearen Bindungswinkel. In Ethen sind die Kohlenstoffatome sp 2 -hybridisiert mit<br />

einer Doppelbindung zwischen den Kohlenstoffatomen, so dass das Molekül planar ist mit<br />

einer Rotationsbarriere (elektronsich bedingt) für die C-C Achse und 120° Bindungswinkel<br />

bezüglich HCC. Und in Ethan sind die Koghlenstoffatome sp 3 -hybridisiert mit einer<br />

Einfachbindung zwischen den Kohlenstoffen ohne größere Rotationsbarriere (nur sterisch<br />

bedingt) um die C-C Achse und 109° Bidnungswinkel bezüglich des HCC Fragments.<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

C C H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

C<br />

C<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

C<br />

H<br />

H<br />

C<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

2


In Allen (H 2 C=C=CH 2 ) sind die zwei CH 2 -C-Atome sp 2 -hybridisiert und das zentrale C-Atom<br />

ist sp-hybridisiert, wodurch das Gesamtmolekül nicht planar ist im Unterschied zu Ethen.<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

C<br />

C<br />

C<br />

H<br />

H<br />

H<br />

3


2. Elektronegativität<br />

Die Elektronegativität ist das Potential eines Atoms, in einer Verbindung Bindungselektronen<br />

anzuziehen. Es kann mathematisch wie folgt definiert werden:<br />

(dE i /dq i ) q=0 = χ i<br />

In der organischen Chemie ist die Elektronegativität χ i wichtig, um die Polarität von<br />

Einfachbindungen in organischen Molekülen richtig einzuschätzen und damit induktive<br />

Effekte auf Struktur und Reaktitvität dieser Verbindungen zu verstehen. Die für die<br />

organische Chemie wichtigen Werte der Pauling-Skala (es gibt unterschiedliche<br />

Elektronegativitäts-Skalen, die aber prinzipiell zu sehr ähnlichen Rangfolgen kommen) sind<br />

in der unteren Tabelle aufgezeigt. Insbesondere steigen in der ersten 8er-Periode die Werte<br />

der Elektronegativität regelmäßig um 0.5 von Element zu Element, so daß diese recht einfach<br />

gemerkt werden können.<br />

Group<br />

Period<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

1<br />

1<br />

H<br />

2.1<br />

3<br />

Li<br />

11<br />

Na<br />

19<br />

K<br />

37<br />

Rb<br />

55<br />

Cs<br />

87<br />

Fr<br />

2<br />

4<br />

Be<br />

12<br />

Mg<br />

20<br />

Ca<br />

38<br />

Sr<br />

56<br />

Ba<br />

88<br />

Ra<br />

*<br />

*<br />

*<br />

3<br />

χ<br />

A<br />

+ (nach Pauling)<br />

(g) A<br />

a - χ b = ∆<br />

(g) A<br />

-<br />

χ F = 4.0 (g)<br />

21<br />

Sc<br />

39<br />

Y<br />

71<br />

Lu<br />

103<br />

Lr<br />

4<br />

22<br />

Ti<br />

40<br />

Zr<br />

72<br />

Hf<br />

104<br />

Rf<br />

5<br />

23<br />

V<br />

41<br />

Nb<br />

73<br />

Ta<br />

105<br />

Db<br />

6<br />

24<br />

Cr<br />

42<br />

Mo<br />

74<br />

W<br />

106<br />

Sg<br />

7<br />

Elektronegativität<br />

25<br />

Mn<br />

43<br />

Tc<br />

75<br />

Re<br />

107<br />

Bh<br />

8<br />

1. Ionisierungsenergie Elektronenaffinität<br />

Vergleich: A B mit<br />

26<br />

Fe<br />

44<br />

Ru<br />

76<br />

Os<br />

108<br />

Hs<br />

9<br />

27<br />

Co<br />

45<br />

Rh<br />

77<br />

Ir<br />

109<br />

Mt<br />

10<br />

28<br />

Ni<br />

46<br />

Pd<br />

78<br />

Pt<br />

110<br />

Ds<br />

11<br />

29<br />

Cu<br />

47<br />

Ag<br />

79<br />

Au<br />

111<br />

Rg<br />

12<br />

30<br />

Zn<br />

48<br />

Cd<br />

80<br />

Hg<br />

112<br />

Uub<br />

13<br />

5<br />

B<br />

13<br />

Al<br />

31<br />

Ga<br />

49<br />

In<br />

81<br />

Tl<br />

113<br />

Uut<br />

14<br />

6<br />

C<br />

14<br />

Si<br />

32<br />

Ge<br />

50<br />

Sn<br />

82<br />

Pb<br />

114<br />

Uuq<br />

15<br />

D 0 (A-B) = (D 0 (A-A) * D 0 (B-B)) + ∆<br />

1.0 1.5 A A B B 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0<br />

0.9 1.3 1.6 1.9 2.2 2.6 3.2<br />

7<br />

N<br />

15<br />

P<br />

33<br />

As<br />

51<br />

Sb<br />

83<br />

Bi<br />

115<br />

Uup<br />

16<br />

8<br />

O<br />

16<br />

S<br />

34<br />

Se<br />

52<br />

Te<br />

84<br />

Po<br />

116<br />

Uuh<br />

17<br />

9<br />

F<br />

17<br />

Cl<br />

35<br />

Br<br />

3.0<br />

53<br />

I<br />

2.7<br />

85<br />

At<br />

117<br />

Uus<br />

18<br />

2<br />

He<br />

10<br />

Ne<br />

18<br />

Ar<br />

36<br />

Kr<br />

54<br />

Xe<br />

86<br />

Rn<br />

118<br />

Uuo<br />

*Lanthanoids<br />

*<br />

57<br />

La<br />

58<br />

Ce<br />

59<br />

Pr<br />

60<br />

Nd<br />

61<br />

Pm<br />

62<br />

Sm<br />

63<br />

Eu<br />

64<br />

Gd<br />

65<br />

Tb<br />

66<br />

Dy<br />

67<br />

Ho<br />

68<br />

Er<br />

69<br />

Tm<br />

70<br />

Yb<br />

**Actinoids<br />

*<br />

*<br />

89<br />

Ac<br />

90<br />

Th<br />

91<br />

Pa<br />

92<br />

U<br />

93<br />

Np<br />

94<br />

Pu<br />

95<br />

Am<br />

+ e - + e - 102<br />

96<br />

Cm<br />

97<br />

Bk<br />

98<br />

Cf<br />

99<br />

Es<br />

100<br />

Fm<br />

101<br />

Md<br />

No<br />

Die obige Definition der Elektronegativität erlaubt, tiefergehend zu verstehen, was bei der<br />

Ausbildung einer polaren Atombindung geschieht. Hierzu schauen wir uns die Funktion E i (q)<br />

an, also wie sich die Energie eines Atoms mit der Ladung an diesem Atom verändert. Wenn q<br />

4


= 0 ist, definieren wir die Energie des neutralen Atoms als Ausgangspunkt gleich 0. Wenn q =<br />

+1 ist, entspricht das der ersten Ionisierungsenergie relativ zum Ausgangspunkt. Wenn q = -1<br />

ist, spiegelt dies die Elektronenaffinität des Atoms wider. Für den Fall einer Bindung<br />

zwischen Na und Cl ist diese Situation unten dargestellt.<br />

Die Elektronegativität χ, ist das Potential eines Atoms,<br />

in einer Verbindung Bindungselektronen an sich zu ziehen.<br />

A<br />

+ - e -<br />

(g) A + e -<br />

(g) A<br />

-<br />

(g)<br />

1. Ionisierungsenergie Elektronenaffinität<br />

δE<br />

δq<br />

( ) q = 0<br />

= χ<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

Na 0 Cl 0<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

relative Energie E<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

relative Energie E<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

-200<br />

-200<br />

-400<br />

-400<br />

-600<br />

-1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5<br />

Ladung q<br />

-600<br />

-1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5<br />

Ladung q<br />

Die Steigung der Funktion E i (q) im Punkt q = 0 ist die Elektronegativität des jeweiligen<br />

Elements. Sie ist für Cl erwartungsgemäß größer als für Na. Daher wird Cl die<br />

Bindungselektronen stärker anziehen als Na. Die Folge ist, daß das Cl-Atom negativiert wird,<br />

während sich am Na eine positive Partialladung ausbildet. Da die Elektronegativität aber<br />

abhängig von der Ladung am Atom ist, verändert sich durch die Ladungspolarisierung der<br />

beiden Atome auch ihre Elektronegativität. Die Elektronegativität von Na steigt durch die<br />

Positivierung. Die Elektronegativität von Cl sinkt durch die negaative Partialladung. Die<br />

Polarisieurng der Bindung zwischen Na und Cl wird genau auf dem Level stehen bleiben, bei<br />

dem die Elektronegativitäten beider Atome (inklusive ihrer Partialladungen) genau gleich<br />

groß ist.<br />

5


Die Elektronegativität χ, ist das Potential eines Atoms,<br />

in einer Verbindung Bindungselektronen an sich zu ziehen.<br />

- e - + e -<br />

A (g)<br />

+<br />

A (g) A (g)<br />

-<br />

1. Ionisierungsenergie Elektronenaffinität<br />

δE<br />

= χ Na = η Na δq + χ 0 Na<br />

δq Na<br />

relative Energie E<br />

=<br />

1400<br />

Na +0.4 Cl -0.4<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

-1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5<br />

-200<br />

-400<br />

-600<br />

Ladung q<br />

δE<br />

= χ Cl = η Cl δq + χ 0 Cl<br />

δq Cl<br />

Für die Bindung C(sp 3 )—H ergibt sich dann eine leicht positive Ladung am Wasserstoff und<br />

eine leicht negative Ladung am Kohlenstoffatom.<br />

Die Elektronegativität χ, ist das Potential eines Atoms,<br />

in einer Verbindung Bindungselektronen an sich zu ziehen.<br />

- e - + e -<br />

A (g)<br />

+<br />

A (g) A (g)<br />

-<br />

1. Ionisierungsenergie Elektronenaffinität<br />

δE<br />

= χ H = η H δq + χ 0 H<br />

δq H<br />

relative Energie E<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

-200<br />

H +0.1 C sp3<br />

-0.1<br />

relative Energie E<br />

δE<br />

= χ C = η C δq + χ 0<br />

δq C<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

-400<br />

-600<br />

-1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5<br />

Ladung δq<br />

-200<br />

-400<br />

-1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5<br />

Ladung δq<br />

6


3. Alkane<br />

Die einfachste organische Verbindungsklasse stellen die Alkane dar. Sie bestehen<br />

ausschließlich aus sp 3 -hybridiserten Kohlenstoffatomen, die durch Wasserstoffatome<br />

abgesättigt werden. Daraus ergibt sich die allgemeine Summenformel C n H 2n+2 für die<br />

Vertreter dieser Stoffgruppe. Sie enthalten ausschließlich C(sp 3 )―C(sp 3 )-Einfachbindungen<br />

(Bindungslänge: 1.54 Å) und C(sp 3 )―H-Bindungen (Bindungslänge: 1.09 Å). Die<br />

Bindungswinkel in diesen Molekülen sind wegen der sp 3 -Hybridisierung alle nahe bei 109°.<br />

Unten abgebildet ist die homologe Reihe der n-Alkane, bei denen keine Verzweigung<br />

innerhalb der Kohlenstoffkette auftritt. Es ist wichtig, sich die Namen der einzelnen<br />

Verbindungen einzuprägen, weil diese immer wieder in ähnlicher Form auftauchen werden.<br />

Wegen der geringen Elektronegativitätsdifferenz von 0.4 zwischen Wasserstoff und<br />

Kohlenstoff, sind die Alkane nur sehr schwach mit permanenten Dipolen ausgestattet. Die<br />

intermolekulare Wchselwirkung wird daher weitgehend durch temporäre Dipolinduktion über<br />

Van der Waals-Wechselwirkungen bewerkstelligt.<br />

Die Siedepunkte steigen innerhalb der n-Alkane mit steigender Kettenlänge an, weil die<br />

polarisierbare Moleküloberfläche steigt. Das erste bei Normaldruck flüssige n-Alkan ist n-<br />

7


Pentan. Das voluminösere Isomer Neopentan ist hingegen wegen seiner kleineren Oberfläche<br />

weiterhin gasförmig bei Normaldruck.<br />

Der Anstieg der Siedepunkte ist nicht linear weil von n-Alkan zu n-Alkan die relative<br />

Zunahme der Moleküloberfläche immer kleiner wird. Die Schmelzpunkte steigen ebenfalls<br />

von n-Alkan zu n-Alkan, wobei die Schmelzpunkte für die n-Alkane mit ungeradem n<br />

8


weniger stark ansteigen als für solche mit geradem n. Man erklärt dies dadurch, daß die<br />

geraden n-Alkane sich besser in ein Kristallgitter einfügen lassen als die ungeraden.<br />

Für die Darstellung der Moleküle der Alkane können unterschiedliche Graphen verwendet<br />

werden. Drei übliche Darstellungsformen sind unten aufgeführt.<br />

Insbesondere ist es bei komplexeren Molekülen gebräuchlich, Wasserstoff ganz weg zu lassen<br />

und nur das Bindungsgerüst zwischen den Kohlenstoffatomen durch Striche darzustellen.<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

C<br />

H<br />

C<br />

C<br />

H<br />

H<br />

H<br />

Wenn Moleküle die gleiche Zusammensetzung besitzen, aber in ihrer Gestalt unterscheiden,<br />

bezeichnet man sie als Isomere. Unten dargestellt ist der chemische Stammbaum der<br />

Isomerie.<br />

Isomerism<br />

(same stoichiometry, different structure)<br />

constitution isomers<br />

(different types of bonds)<br />

stereo isomers<br />

(same type of bonds, different orientation)<br />

polymerization<br />

isomers<br />

sequence<br />

isomers<br />

configurational isomers<br />

(superimposition only with bond cleavage)<br />

conformational isomers<br />

(superimposition by rotation about bond)<br />

(CH 2 ) 5 (CH 2 ) 6<br />

chiral isomers<br />

geometric<br />

isomers<br />

synperiplanar<br />

synclinal<br />

anticlinal<br />

antiperiplanar<br />

R R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

diastereomers<br />

enantiomers<br />

(mirror images)<br />

R<br />

R<br />

A<br />

A<br />

C<br />

D<br />

B B<br />

D C<br />

9


Für Methan gibt es keine Isomere. Für Ethan und Propan gibt es wegen der (weitgehend)<br />

freien Drehbarkeit um eine C(sp 3 )―C(sp 3 )-Einfachbindung erstmals Konformere (also<br />

Rotationsisomere) aber keine Konstitutionsisomere.<br />

R R<br />

H<br />

H<br />

H R<br />

H<br />

H<br />

H<br />

R<br />

H<br />

H<br />

H R<br />

H<br />

H<br />

R<br />

H<br />

R R<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

R<br />

H<br />

R<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

R<br />

R<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

R<br />

H<br />

R<br />

H<br />

Die sterisch bedingten Rotationsbarrieren liegen bei etwa 10 kJ/mol und können durch die<br />

thermische Energie bei Raumtemperatur überwunden werden.<br />

Im Falle von Butan tritt das erste mal auch ein Konstitutionsisomeres auf.<br />

n-Butan<br />

iso-Butan<br />

Iso-Butan wird wegen seiner kompakteren Bauweise einen kleineren Siedepunkt aufweisen<br />

als n-Butan. Für Pentan tauchen bereits drei Konstitutionsisomere auf.<br />

primäres<br />

Kohlenstoff<br />

sekundäres<br />

Kohlenstoff<br />

tertiäres<br />

Kohlenstoff<br />

quarternäres<br />

Kohlenstoff<br />

n-Pentan iso-Pentan neo-Pentan<br />

10


Die drei Isomere des Pentans können verwendet werden, um eine Bezeichnungsform des<br />

Kohlenstoffs nach Substitutionsgrad einzuführen. Trägt ein Kohlenstoffatom drei<br />

Wasserstoffatome und nur einen anderen Substituenten, so nennt man dies ein primäres<br />

Kohlenstoffatom. Bindet das Kohlenstoffatom zwei Wasserstoffe und zwei weitere<br />

Substituenten, dann wählt man die Bezeichnung sekundäres Kohlenstoffatom. Bei einem<br />

Wasserstoff mit drei anderen Substituenten heißt dies tertiäres Kohlenstoffatom und mit vier<br />

Nicht-Wasserstoff-Substituenten wird das Kohlenstoff quarternär genannt.<br />

Ab Heptan kommen neben Konformeren und Konstitutionsisomeren auch noch Stereoisomere<br />

in Form von Enantiomeren (Spiegelbildisomeren) hinzu.<br />

Sie unterscheiden sich nur in der räumlichen Ausrichtung der Bindungen nicht in Art und<br />

Anzahl.<br />

Um die unterschiedlichen Konstitutionsisomere, benennen zu können, müssen wir uns mit<br />

Nomenklaturregeln beschäftigen. Für die reinen Alkane sind die folgenden wichtig:<br />

1. Man suche die längste Kohlenstoffkette, und zwar so, dass dabei möglichst<br />

unverzweigte Seitenketten entstehen.<br />

nicht<br />

2. Die Nummerierung der längsten Kohlenstoffkette wird so durchgeführt, dass die<br />

Summe der verzweigten Kohlenstoffatomnummern möglichst kein ist.<br />

11


5<br />

1<br />

6 1<br />

2<br />

4 3<br />

nicht<br />

2<br />

3 4<br />

5<br />

6<br />

3. Die Substituentennamen werden je nach Länge von den Stammalkanen abgeleitet,<br />

wobei die Endung –an durch die Endung –yl ersetzt wird.<br />

Methyl<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Methyl<br />

Ethyl<br />

4. Der Name wird so zusammengesetzt, dass die Substituenten alphabetisch aufsteigend<br />

genannt werden, wobei die Zahl des substituierten Kohlenstoffatoms der Hauptkette<br />

mit Bindestrich vorgeschoben wird. Tauchen Substituenten der gleichen Art mehrmals<br />

im Molekül auf, so wird dies vor dem Namen des Substitutenten durch das Prefix di,<br />

tri, tetra, penta ohne Bindestrich vermerkt. Das Prefix wird bei der alphabetischen<br />

Sortierung ignoriert. Am Ende steht direkt und nicht durch Bindestrich abgetrennt der<br />

Name der Hauptkette:<br />

3-Ethyl-2,4-dimethylhexan<br />

Einige Seitenkette haben Trivialnamen erhalten, die während der Vorlesung auch in anderem<br />

zusammenhang wiederholt auftauchen werden. Diese sind in der nachfolgenden Graphik<br />

zusammengefasst.<br />

12


Alkane kommen in der Natur insbesondere als Erdgas (Methan 80%, Ethan 10%) und Erdöl<br />

(Isomerengemisch unterschiedlichster Alkane) vor.<br />

Erdgas<br />

Methan 80%<br />

Ethan 10%<br />

Erdöl<br />

C 5 -C 12<br />

Benzin, Laborlösemittel<br />

C 12 -C 15<br />

Kerosin<br />

C 15 - C 18<br />

Heizöl, Dieselkraftstoff<br />

>C 18 Schmieröl, Parrafinwachs, Asphalt<br />

3.1 Cycloalkane<br />

Eine spezielle Gruppe von Alkanen bilden die Cycloalkane, bei denen sich die<br />

Kohlenstoffatome zu einem Ring zusammenschließen. Die allgemeine Summenformel für sie<br />

ist C n H 2n . Es ist dieselbe Summenformel, die wir später auch für die Alkene kennenlernen<br />

werden.<br />

13


Tatsächlich kann Ethen C 2 H 4 als kleinstes Cycloalkan aufgefaßt werden (Zweiring), obwohl<br />

diese Betrachtung eher unüblich ist. Besonders die kleinen Cycloalkane Cyclopropan und<br />

Cyclobutan weisen strukturelle und reaktive Besonderheiten auf, die sich daraus ergeben, daß<br />

sich wegendes Ringschlusses nicht mehr die idealen geometrischen Parameter (insbesondere<br />

Bindungswinkel einstellen können, die ein sp 3 -hybridisiertes C-Atom erfordern würde). Die<br />

durch den Ringschluß bedingte Abweichung von den idealen Parametern nennt man<br />

Ringspannung. So weist Cyclopropan einen C-C-C-Bindungswinkel von 60° und einen H-C-<br />

H Winkel von etwa 120° auf anstelle der erwarteten 109°. Aus diesen und auch anderen<br />

experimentellen Ergebnissen beschreibt man die C-Atome in Cycloprpan besser als sp2-<br />

hybridisiert, woraus sich dann die Besonderheiten recht zwanglos erklären lassen.<br />

Die Bindung in Cyclopropan kann dann über die reinen p-Orbitale beschreiben werden, die<br />

im Zentrum durch Überlappung der drei in den Ring gerichteten sp 2 -Orbitale unterstützt wird.<br />

Drei Zentren wie im Cyclopropan müssen immer planar sein. Ab dem Cyclobutan tritt die<br />

zusätzliche Möglichkeit der Konformeren auf. Cyclobutan weist mit etwa 90° C-C-C-<br />

Bindungswinkel immer noch erhebliche Ringspannung auf, ist aber nicht planar sondern<br />

räumlich gewinkelt.<br />

Der Grund für die Abwinkelung ist uns bereits bekannt. In der planaren Anordnung wären die<br />

CH 2 -Einheiten eclipsed zueinander, während in der räumlich gewinkelten Anordnung eine<br />

teilweise gestaffelte Anordnung der Substitutenten gewährleistet wird.<br />

14


HH<br />

HH<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

HH<br />

HH<br />

H<br />

H<br />

H<br />

Aus demselben Grund weicht Cyclopentan der planaren Geometrie aus und winkelt mit einer<br />

CH 2 -Einheit ab. In Cyclopentan sind die Bindungsparameter trotz des Ringschlusses derart<br />

nahe an den idealen sp 3 -Parameteren, daß man diesen Ring nicht mehr als gespannt ansehen<br />

kann. Das gilt noch viel mehr für Sechsringe. Diese sind ebenfalls nicht planar (im<br />

Unterschied zu den später zu behandelnden aromatischen Sechsringen aus sp 2 -hybridisierten<br />

C-Atomen) sondern liegen in einer Sesselkonformation vor. Diese ist wiederum wegen der<br />

gestaffelten Lage der Substituenten viel stabiler als die ebenfalls denkbare wannenförmige<br />

Konformation, bei der darüber hinaus auch noch zwei Wasserstoffatome sich sehr nahe<br />

kommen und abstoßen.<br />

In der Sesselkonfomration gibt es äquatoriale (e) und axiale (a) Ausrichtungsmöglichkeiten<br />

für die zwei Substituenten an jedem Kohlenstoffatom. Daraus entspringt die Möglichkeit der<br />

e/a-Isomerie, die bei n-Alkanen nicht gegeben war. Wegen der 1,3-diaxialen Abstoßung der<br />

Substituenten in a-Position ist die e-Ausrichtung immer stabiler wie etwa im unteren Beispiel<br />

gezeigt.<br />

15


Zusätzlich zu den e/a-Isomeren gibt es eine weitere neue Art der Isomere, die erstmals bei den<br />

Cycloalkanen auftritt. Wegen des Ringschlusses ist die sonst freie Rotation um die C-C-<br />

Einfachbindung eingefroren, so daß geometrische cis/trans-Isomere entstehen können.<br />

cis-1,2-Dimethylcyclohexan<br />

trans-1,2-Dimethylcyclohexan<br />

Die Nomenklatur von Cycloalkanen ist nahe an die der n-Alkane angelehnt. Man nimmt die<br />

Ringgröße als Namenspräger und benutzt die Vorsilbe Cyclo- mit der Zahlenbezeichnung, die<br />

bereits für die n-Alkane eingeführt wurde. Ein vorhandener Substitutent wird einfach mit<br />

16


seinem Namen vorangestellt. Sind mehrere Substituenten vorhanden, dann bekommt der<br />

alphabetische Vorstehende die kleinere Nummer im Ring.<br />

3.2 Reaktivität von Alkanen<br />

Alkane sind ausgesprochen unreaktiv. Dies liegt insbesondere an der geringen<br />

Elektronegativitätsdifferenz zwischen C und H (0.4), so daß polare Reaktionsmechanismen<br />

von vorn herein ausgeschlossen werden können. Die wichtigste Reaktion von Alkanen ist die<br />

radikalische Substitution, mit der wir uns jetzt etwas eingehender beschäftigen wollen.<br />

Die Bruttoreaktion ist unten dargestellt.<br />

R-CH 3 + X 2 → R-CH 2 -X + HX<br />

Dabei ist X ein Halogen, und zwar Br oder Cl. X wird auch im späteren Verlauf des Skriptes<br />

häufiger als Abkürzung für ein Halogen stehen. Der mechanistische Ablauf der Reaktion ist<br />

etwas komplizierter. Tatsächlich handelt es sich bei der radikalischen Substitution an Alkanen<br />

um eine Kettenreaktion. Diese startet mit einer Initiierung des Halogens.<br />

1. Initiierung:<br />

X 2<br />

Licht<br />

2 X<br />

2. Kettenstart:<br />

H<br />

Alk CH 2 + X Alk CH 2 + HX<br />

3. Kettenwachstum:<br />

Alk CH 2 + X X Alk CH 2 + X<br />

X<br />

17


Das zuletzt erzeugte Halogenradikal setzt dann die Kettenreaktion wie im Kettenstart fort.<br />

Wir wollen uns etwas mit der Regioselektivität dieser Reaktion beschäftigen. Dies ist die<br />

Frage danach, ob der Angriff des Halogenradikals statistisch gleichberechtigt an allen C-H-<br />

Bindungen erfolgt oder ob es bevorzugte Angriffsstellen gibt und, wenn ja, warum.<br />

Die obigen Versuchsergebnisse belegen, daß der Angriff nicht rein statistisch erfolgt. Je höher<br />

substitutiert das Kohlenstoffatom ist (primär < sekundär < tertiär) desto bevorzugter findet die<br />

Substitution an ihm statt. Der chemische Grund dafür ist die Stabilität der intermediär<br />

erzeugten Alkylradikale. Je höher substitutiert das Alkylradikal ist desto stabiler ist es.<br />

H<br />

H CH < H 2 -Alk CH < H 2 -Alk <<br />

H<br />

H<br />

CH 2 -Alk<br />

Alk-H2 C<br />

CH 2 -Alk<br />

CH 2 -Alk<br />

Stabilität steigt<br />

Diese Stabilitätsreihe wiederum kann man mit dem Konzept der Hyperkonjugation verstehen.<br />

Hierbei wird davon ausgegangen, daß das reine p-Orbital mit dem Radikalelektron am sp2-<br />

hybridisierten Kohlenstoffatom mit benachbarten sp 3 -CH-Bindungen partiell überlappen<br />

kann, was eine teilweise Delokalisation von Elektronendichte bewirkt, die wir im Folgenden<br />

noch häufiger als Erklärung benutzen werden..<br />

18


Man kann diese Art der Delokalisation auch durch Grenzstrukturen darstellen, die die<br />

elektronische Grenzsituation, in der sich das Molekül wirklich befindet, widerspiegeln sollen.<br />

H<br />

H<br />

H<br />

CH-Alk<br />

H<br />

H<br />

CH-Alk<br />

H<br />

Diese Art der Darstellung wird als Mesomerie (Grenzdarstellung) bezeichnet, und sie wird im<br />

weiteren Verlauf der Vorlesung sehr wichtig sein.<br />

4. Halogenalkane<br />

Durch die radikalische Substitution von Alkanen wird uns also eine neue Stoffgruppe<br />

zugänglich, mit der wir uns als nächstes beschäftigen wollen, und zwar die Halogenalkane.<br />

Die Nomenklatur leitet sich von den Alkanen ab. Das Halogen bekommt einfach den Namen<br />

Fluor, Chlor, Brom oder Iod und reiht sich dann in die normale Nomenklatur der Alkane ein.<br />

Bei mehreren Halgenen entscheidet das Alphabet über die Priorität wie schon bei den<br />

Alkanen.<br />

Bindungslängen und Van-der-Waals-Radien der Halogenalkane sind in den folgenden<br />

Tabellen dargestellt.<br />

Die Halogenalkane besitzen durch den Elektronegativitätsunterschied zwischen C und dem<br />

Halogen ein erhebliches Dipolmoment, das sich auf die physikalischen Eigenschaften und die<br />

Reaktivität dieser Stoffgruppe auswirkt.<br />

19


Bezüglich der Siedepunkte im Vergleich zu den Alkanen machen sich der permanente Dipol<br />

der C-X-Bindung und die Polarisierbarkeit des Halogens geltend. Die Siedepunkte der<br />

Alkane, der Chloralkane und der Fluoralkane sind vergleichbar. Bei den Fluoralkanen ist das<br />

Fluor zwar wengier polarisierbar als eine Methylgruppe, dafür ist aber der permanente C-X-<br />

Dipol stärker ausgeprägt. Bei den Chloralkanen ist das permanente Dipolmonent etwas<br />

kleiner, dafür ist das Chlor stärker polarisierbar als Fluor.<br />

Bei den Brom- und Iod-Alkanen sind die Siedepunkte wegen der erheblich größeren<br />

Polarisierbarkeit der Haolgenen im Vergleich zu einer Methylgruppe eutlich höher als bei<br />

vergleichbaren n-Alkanen.<br />

In Halogenalkanen sind alle Kohlenstoffatome sp3-hybridisiert. Trotzdem gibt es markante<br />

und vorhersagbare Abweichungen von den idealen 109°-Bindungswinkeln, verursacht durch<br />

die Elektronegativität der Halogene.<br />

Diese finden ihre Formulierung in der Bent’schen Regel:<br />

20


„Elektronegative Substituenten ziehen p-Charakter in einer Hybrid-Bindung an sich und<br />

erhöhen den p-Anteil innerhalb dieser Bindung!“<br />

Die H-C-Halogen-Bindungswinkel sind daher immer etwas kleiner als 109° und entsprechen<br />

damit einer sp3+x -Hybridisierung, während die H-C-H-Bindungswinkel immer etwas größer als<br />

109° sind du einer sp 3-x -Hybrdidisierung entsprechen.<br />

4.1 Reaktivität der Halogenalkane<br />

Die Reaktivität der Halogenalkane ergibt sich aus der Polarität der C-X-Bindung wegen der<br />

erheblichen Elektronegativitätsdifferenz zwischen Kohlenstoff und dem Halogenid. Diese<br />

wirkt sich nicht nur auf das direkt gebundene α-Kohlenstoffatom aus sondern auch auf das β-<br />

Kohlenstoffatom und an dieses gebundene Wasserstoffe.<br />

δ+<br />

H<br />

C<br />

δ−<br />

X<br />

C<br />

δ+<br />

Ein Angriff auf dieses Strukturfragment kann insbesondere durch ein Nukleophil (ein<br />

Reagenz, das besonders schnell mit partiell positiven Stellen innerhalb eines Moleküls<br />

reagiert) erfolgen. Notwendige Bedingung für ein Nukleophil ist, dass dieses Reagenz ein<br />

freies Elektronenpaar besitzt. Damit ist aber ein Nukleophil auch immer eine Base (nach<br />

Brönstedt: Protonenakzeptor). Daher ergeben sich zwei Angriffspunkte in Halogenalkanen:<br />

21


Reagenz fungiert als Base =><br />

Eliminierung<br />

B<br />

δ+ δ−<br />

H X<br />

β<br />

C<br />

α<br />

C<br />

δ+<br />

Reagenz fungiert als Nukleophil =><br />

Substitution<br />

Eliminierung E<br />

nukleophileSubstitution S N<br />

E1<br />

S N1<br />

E2<br />

S N2<br />

-zweistufiger Mechanismus<br />

-Kinetik unabhängig vom Eintrittsreagenz<br />

-Keine Kontrolle der Stereochemie<br />

-Carbokationen als Zwischenstufe<br />

-polare Lösemittel beschleunigen diese Reaktion<br />

-hohe Substitution des C α beschleunigen die Reaktion<br />

-einstufiger Mechanismus<br />

-Kinetik abhängig vom Eintrittsreagenz<br />

-Kontrolle der Stereochemie<br />

-keine Carbokationen als Zwischenstufe<br />

-niedrige Substitution des C α beschleunigen die<br />

Reaktion<br />

Beim S N2 -Mechanismus reagiert ein starkes Nukleophil, das geringe basische Eigenschaften<br />

hat und in dem das Freie Elektronenpaar sterisch leicht zugänglich ist mit dem positiv<br />

polarisierten sterisch leicht zugänglichen C α -Atom. Es bildet sich ein fünffach substituierter<br />

Übergangszustand aus, bei dem die Bindung des angreifenden Nukleophils zum C α -Atom<br />

beginnt, sich auszubilden, und gleichzeitig die Bindung des Halogenids X zum C α -Atom sich<br />

beginnt, zu lösen. Das Ca-Atom selbst ist im Übergangszustand nicht mehr sp 3 sondern sp 2<br />

hybridisiert.<br />

Während des Gesamtprozesses erfolgt zu 100% eine Inversion der Substituenten am C α -<br />

Atom. Der energetische Verlauf der Reaktion ist im nächsten Schaubild verdeutlicht und<br />

unterstreicht die Einstufigkeit des Mechanismus’.<br />

22


Ist das angreifende Reagenz kein überaus starkes Nukleophil und keine überaus starke Base<br />

und ist das C α -Atom hoch substituiert, dann verläuft die Substitution eher nach einem<br />

zweistufigen S N1 -Mechanismus.<br />

Als Zwischenstufe wird im geschwindigkeitsbestimmenden Schritt unter Austritt des<br />

Halogenids ein sp 2 -hybridisiertes dreifach-substituiertes Carbokation gebildet. Dieses wird<br />

dann vom Nukleophil in einem zweiten Schritt angegriffen. Da beide Angriffspositionen im<br />

Carbokation gleichberechtigt sind, erfolgt der zweite Schritt von beiden Seiten mit der<br />

gleichen Wahrscheinlichkeit, so dass die beiden möglichen Stereoisomere jeweils zu 50%<br />

gebildet werden. Man nennt eine solche Reaktion Racemisierung.<br />

23


Oben abgebildet ist das zweistufige Energieprofil der S N1 -Reaktion. Der erste Schritt (Bildung<br />

des Carbokations) ist mit der größten Aktivierungsenergie verbunden. Ein solcher Schritt ist<br />

immer der geschwindigkeitsbestimmende Schritt.<br />

Ist das angreifende Reagenz eher basisch als nukleophil oder das freie Elektronenpaar sterisch<br />

abgeschirmt, so daß ein Angriff am C α -Atom gegenüber einem Angriff an dem<br />

zugänglicherem β-Wasserstoff erschwert ist, dann erfolgt eine Eliminierung anstelle einer<br />

nukleophilen Substitution. Wenn das C α -Atom wenig substituiert ist und das Lösemittel<br />

unpolar gewählt wird, dann verläuft die Eliminierung nach einem E2-Mechanismus einstufig.<br />

B<br />

B<br />

B δ+<br />

B<br />

H<br />

A<br />

B<br />

H<br />

X<br />

D<br />

C<br />

C<br />

A<br />

H<br />

X<br />

D<br />

B<br />

A<br />

B<br />

H<br />

D<br />

X<br />

δ−<br />

C<br />

A<br />

B<br />

X<br />

D<br />

C<br />

Die E2-Eliminierung erfolgt aus der anticlinaren Konformation heraus, wodurch nur eines der<br />

beiden möglichen geometrischen cis/trans-Isomere entstehen kann.<br />

Ist das C α -Atom hoch substituiert und das Lösemittel polar, dann verläuft die Eliminierung<br />

ähnlich wie die S N1 -Reaktion und wird folglich als E1-Eliminierung bezeichnet.<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

H<br />

B<br />

H<br />

A<br />

B<br />

H<br />

X<br />

D<br />

C<br />

A<br />

B<br />

H<br />

X<br />

D<br />

C<br />

A<br />

B<br />

H<br />

X<br />

C<br />

D<br />

A<br />

B<br />

X<br />

D<br />

C<br />

A<br />

B<br />

X<br />

C<br />

D<br />

Im Falle der zweistufigen E1-Eliminierung wird eine Mischung aus geometrischen Isomeren<br />

erwartet (nicht notwendigerweise 50/50), weil in dem intermediären Carbokation die C-C-<br />

Bindung zwischen C α und C β frei drehbar ist.<br />

24


4.2 Basizität und Nukleophilie<br />

Für die Differenzierung zwischen den Angriffspunkten an ein Halogenalkan erfordert es, eine<br />

Einschätzung zu treffen, ob das angreifende Reagenz eher eine starke Base ist (=> Angriff am<br />

β-Wasserstoff, Eliminierung) oder ein starkes Nukleophil ist (=>Angriff am α-<br />

Kohlenstoffatom, Substitution).<br />

Während erstere Eigenschaft eine thermodynamische Eigenschaft (wie stabil sind die<br />

Grundzustände relativ zueinander?) ist und am besten über das Brönstedt-Säure/Base-Konzept<br />

beschreiben wird, ist zweitere eine kinetische Eigenschaft (wie schnell erfolgt der Angriff,<br />

wie stabil ist der geschwindigkeitsbestimmende Übergangszustand?), die am besten über das<br />

Lewis-Säure/Base-Konzept erklärt werden kann.<br />

Nach Brönstedt sind Säuren Protonendonoren und Basen sind Protonenakzeptoren.<br />

K = [A- ] [HB + ]<br />

[HA] [B]<br />

H A + B A + H B<br />

Säure Base korrespondierende<br />

Base zu HA<br />

korrespondierende<br />

Säure zu B<br />

Die Reaktion zwischen einer Säure und einer Base ist eine Gleichgewichtsreaktion. Sie kann<br />

durch das Massenwirkungsgesetz beschreiben werden. Aus einer Säure wird durch<br />

Protonenabgabe ihre korrespondierende Base. Gleichzeitig wird durch die Protonenaufnahme<br />

aus einer Base ihre korrespondierende Säure. Um die Basizität, von Verbindungen<br />

vergleichen zu können, nimmt man (im Allgemeinen) Wasser als Lösemittel und<br />

Reaktionspartner. Damit gewinnt man eine standartisierte Säure als Reaktionspartner. Da<br />

Wasser als Lösemittel im Überschuß vorliegt, verschwindet es im Massenwirkungsgesetz<br />

(genau genommen wird seine Aktivität gleich 1, vereinfacht kann man sich vorstellen, daß die<br />

konstante Konzentration an Wasser mit in die Gleichgewichtskonstante einbezogen wird).<br />

25


K B = [OH- ] [HB + ]<br />

[B]<br />

H OH + B OH + H B<br />

Base<br />

korrespondierende<br />

Säure zu B<br />

Je größer K B ist, desto stärker ist die Base B. Je stärker die Base B ist, desto schwächer ist<br />

immer auch die korrespondiernde Säure HB + . Das Umgekehrte gilt genauso. Je schwächer die<br />

Säure HA ist, desto stärker ist die korrespondierende Base A - . So ist etwa Ethanol CH 3 CH 2 O-<br />

H eine schwache Säure. Wir können dann logisch schließen, daß die korrespondierende Base<br />

Ethanolat CH 3 CH 2 O - eine starke Säure ist. H-Cl ist andererseits eine sehr starke Säure. Daher<br />

muß Cl - eine sehr schwache Base sein.<br />

Nach Lewis sind Säuren Elektronenpaarakzeptoren und Basen sind Elektronenpaardonoren.<br />

Man kann mit diesem Konzept Säure/Base-Reaktionen ausdehnen auf Verbindungen, die<br />

keine Protonen enthalten (Zum Beispiel auf das α-C-Atom in Halogenalkanen).<br />

A + B A B<br />

Eine Base nach Lewis ist also auch immer eine Base nach Brönstedt. Dies Säuren<br />

unterscheiden sich jedoch in beiden Konzepten. Bezüglich der Effektivität der<br />

Wechselwirkung zwischen einer Lewissäure und der Lewisbase (übrigens auch übertragbar<br />

auf Brönstedtsäuren und –basen) ist das HSAB-Prinzip (HardSoftAcidBase) wichtig. Es<br />

besagt, daß harte Teilchen gerne mit harten wechselwirken und weiche Teilchen gerne mit<br />

weichen. Chemische Härte bedeutet dabei, daß die Elektronenhülle nur schwer deformierbar<br />

ist (kleine, elektronegative, möglichst positiv (oder möglichst wenig negativ) geladene<br />

Teilchen). Chemische Weichheit bedeutet folgerichtig, daß die Elektronenhülle leicht<br />

deformierbar (polarisierbar) ist. Dies trifft zu für große, voluminöse, wenig elektronegative<br />

Teilchen mit hoher negativer Ladung. Das Proton H + ist somit ein chemisch hartes Teilchen<br />

(eine harte Lewissäure), während das Hydridanion H - ein chemsich weiches Teilchen ist (eine<br />

weiche Lewisbase). Kohlenstoffzentren (ob positiv oder negativ polarisiert) stellen praktisch<br />

immer weiche Zentren dar. Deshalb wird das α-C-Atom in Halogenalkanen als weiche<br />

Lewissäure besonders effektiv mit ebenfalls weichen Lewisbasen wechselwirken. Dies macht<br />

26


sich bereits bei der Bindungsbildung im Übergangszustand bemerkbar, der energetisch<br />

abgesenkt wird (Verringerung der Aktivierungsenergie).<br />

weich-hart<br />

hart-weich<br />

hart-hart<br />

weich-weich<br />

δ− δ+<br />

A + B A B<br />

A B<br />

Bezüglich des weichen α-C-Atom in Halogenalkanen ist somit ein ebenfalls weiches<br />

Angriffsreagenz ein starkes Nukleophil.<br />

Somit ist etwa OH - eine recht starke Base (da Wasser als korrespondierende Säure recht<br />

schwach ist) und im Vergleich zu HS - ein eher schwaches Nukleophil (da OH - kompakter ist<br />

und O eine höhere Elektronegativität hat als S). Hingegen ist HS - eher eine schwache Base, da<br />

Schwefelwasserstoff H 2 S eine mäßig starke Säure darstellt. Daß H 2 S relativ zu H 2 O eine<br />

stärkere Säure ist, kann übrigens wiederum durch das HSAB-Prinzip erklärt werden, da hier<br />

H+ als harte Lewissäure besser mit dem ebenfalls harten OH - wechselwirkt als mit dem eher<br />

weichen SH - .<br />

5. Alkene<br />

Alkene können genau wie Cycloalkane durch die allgemeine Summenformel C n H 2n<br />

beschreiben werden. Ihre funktionelle Einheit ist die C=C-Doppelbindung. Sie besitzen daher<br />

zwei mteinander verknüpfte C(sp 2 )-Atome. Die C=C-Doppelbindung ist mit 1.33 Å kürzer als<br />

eine C(sp 3 )-C(sp 3 )-Einfachbindung mit 1.54 Å. Darüber hinaus enthalten Alkene ab n=3 auch<br />

eine C(sp 2 )-C(sp 3 )-Einfachbindung. Diese ist mit 1.51 Å wiederum etwas kürzer als die<br />

Einfachbindung zwischen zwei sp 3 -hybridisierten Kohlenstoffatomen. Dies liegt daran, daß<br />

ein Hybridorbital mit weniger p-Charakter stärker kontrahiert ist als ein solches mit mehr p-<br />

Charakter (die s-Orbitale liegen näher zum Kern als die p-Orbitale). Die C-H-Bindungslängen<br />

verändern sich entsprechend aber weniger stark ausgeprägt. Die C(sp 3 )-H-Bindung ist 1.09 Å<br />

im Vergleich zu einer C(sp 2 )-H-Bindung mit 1.08 Å.<br />

27


H 1.33 1.51<br />

1.08<br />

1.09<br />

H<br />

1.54<br />

Die Bindung zwischen den beiden sp 2 -hybridisierten C-Atomen erfolgt durch Überlappung<br />

von zwei sp 2 -Hybridorbtialen (σ-Bindung) und durch Überlappung der beiden<br />

nichthybridisierten reinen p-Orbitale (π-Bindung).<br />

Diese Bindungskonstellation hat zwei Folgen. Zum einen liegen die sechs an der<br />

Doppelbindungsfunktionalität beteiligten Atome alle in einer Ebene und zum anderen ist die<br />

C=C-Doppelbindung im Unterschied zur C-C-Einfachbindung nicht mehr frei drehbar.<br />

Letzteres führt dazu, daß es bei C=C-Doppelbindungen wie bei den Cycloalkanen<br />

geometrische Isomere gibt.<br />

trans<br />

E (entgegen)<br />

cis<br />

Z (zusammen)<br />

28


Pent-E-2-en<br />

oder<br />

E-2-Penten<br />

Pent-Z-2-en<br />

oder<br />

Z-2-Penten<br />

Zwei Trivialnamen für Molekülfragemnte mit eDoppelbindungen sind wichtig:<br />

X<br />

X<br />

Vinyl-<br />

Trans-Alkene sind im Allgemeinen etwas stabiler als vergleichbare cis-Alkene (etwa 4<br />

kJ/mol). Dies liegt an der geringeren sterischen Abstossung der Substituenten in der trans-<br />

Geometrie.<br />

Die Nomenklatur der Alkene erfolgt analog zu den Alkanen. Anstelle der Endung –an wird<br />

einfach die Endung –en gesetzt. Die Lage der Doppelbindung innerhalb der Kette wird dabei<br />

durch die Zahl des ersten sp 2 -hybridisierten Kohlenstoffatoms bestimmt. Diese wird so<br />

gewählt, daß sie möglichst klein ausfällt. Zusätzlich muß im Namen auch die geometrische<br />

Isomerie durch den Buchstaben E oder Z angegeben werden. Häufig wird anstelle von E und<br />

Z auch die Bezeichnung trans und cis verwendet.<br />

Allyl-<br />

5.1 Reaktivität von Alkenen<br />

Die wichtigste chemische Reaktion, die Alkene eingehen, ist die Addition an die<br />

Doppelbindung. Für symmetrische angreifende Reagentien A 2 spielt hierbei die<br />

Stereoselektivität eine entscheidende Rolle. Für unsymmetrische Reagenzien A-B kommt<br />

auch noch die Regioselektivität hinzu.<br />

Wir konzentrieren uns zunächst auf die elektrophile Addition von Br 2 und HBr an die<br />

Doppelbindung. Beides sind zweistufige Reaktionen, die über eine Zwischenstufe verlaufen.<br />

Bei der elektrophilen Addition von Br 2 an eine Doppelbindung handelt es sich um eine direkte<br />

und einfache Nachweisreaktion auf Doppelbindungen. Unter Lichtausschluß und ohne<br />

Erwärmung erfolgt die Reaktion schnell unter Entfärbung des Broms, ohne daß<br />

Nebenprodukte (insbesondere HBr) zu beobachten wären. Das Additionsprodukt ist farblos.<br />

Alkine mit Dreifachbindung, die wir noch vorstellen werden, reagieren unter diesen<br />

29


Bedingungen nicht. Bei der Annäherung an die Doppelbindung wird das weiche Br―Br<br />

polarisiert.<br />

Br<br />

H<br />

A E S N2<br />

Br<br />

H<br />

Br<br />

Brδ+<br />

Br δ−<br />

Br<br />

Br<br />

H<br />

Br<br />

H<br />

Br<br />

H<br />

A E S N2<br />

Br<br />

Br<br />

H<br />

Brδ+<br />

Br δ−<br />

Br<br />

Br<br />

H<br />

Br<br />

H<br />

Das positivierte Bromatom tritt in Wechselwirkung mit der Doppelbindung und addiert an sie<br />

unter Hererolyse der Br 2 -Bindung. Die Elektronenhülle des positiven Broms ist derart groß,<br />

daß beide Zentren der Doppelbindung für die Wechselwirkung herangezogen werden. Damit<br />

ist die Oberseite der ehemaligen Doppelbindung durch das Bromoniumion abgedeckt. Der<br />

Angriff des Bromidanions muß deshalb von der Rückseite im Sinne einer S N2 -Reaktion<br />

erfolgen. Dadurch wird bei dieser Reaktion eine 100%ige Stereoselektivität ausgeübt.<br />

Die Addition von HBr erfolgt ebenfalls elektrophil. Im ersten Schritt wird die Doppelbindung<br />

protoniert.<br />

H<br />

H<br />

A E S N1<br />

Br<br />

H<br />

Br<br />

Hδ+<br />

Br δ−<br />

H<br />

Br<br />

H<br />

H<br />

Br<br />

H<br />

Brδ+<br />

Br δ−<br />

H<br />

H<br />

A E S N1<br />

H<br />

Br<br />

H<br />

H<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

H<br />

H<br />

Das Proton ist im Unterschied zum Bromoniumion nicht groß genug, um über beide Zentren<br />

der Doppelbindung zu binden. Es resultiert ein sp 2 -hybridisiertes Carbokation und eine frei<br />

30


drehbare σ-Bindung um die vormalige Doppelbindung. Die Stereokontrolle geht damit<br />

verloren.<br />

Die Stabilität des Carbokations entscheidet an welche Stelle das Proton addiert und ist damit<br />

entscheidend für die Regioselektivität bei dieser Reaktion.<br />

Carbokationen sind umso stabiler, je höher sie substituiert sind (genau wie Alkylradikale):<br />

Stabilität des Carbokations steigt<br />

CH 3<br />

H 2 C CH 3 HC CH 3 H 3 C C CH 3<br />

CH 3 CH 3<br />

Es können zwei chemische Gründe für diese Tendenz geltend gemacht werden. Zum einen<br />

stabilisiert Hyperkonjugation genau wie bei den Alkylradikalen die positive Ladung umso<br />

effektiver je mehr CH-Bindung in Nachbarschaft zum kationischen Zentrum liegen.<br />

H<br />

H<br />

CH-Alk<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

CH-Alk<br />

H<br />

H<br />

CH-Alk<br />

H<br />

Zusätzlich üben die Alkylsubstituenten auch über die s-Bindung einen Elektronenschub in<br />

Richtung des positiven Zentrums aus. Dies liegt an der höheren Elektronegativität des<br />

Kohlenstoffs im Vergleich zu Wasserstoff. Dadurch wird der Kohlenstoff negativ polarisiert.<br />

Diese Polarisierung kann über das s-Bindungsgerüst weitergeleitet werden.<br />

H<br />

CH 3<br />

H 2 C C<br />

H<br />

HC C<br />

H<br />

H<br />

C<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

C<br />

H<br />

H<br />

C<br />

C<br />

C<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

31


Diese Art von Einfluß wird +I-Effekt (positiver induktiver Effekt) genannt. Es sollte klar<br />

werden, daß beide Effekte (+I und hyperkonjugativ) nah verwandt sind.<br />

Dieser chemische Sachverhalt ist der Hintergrund der Markovnikovschen Regel für die<br />

Addition von unsymmetrischen Reagentien an Doppelbindungen, die zunächst rein<br />

experimentell gefunden wurde:<br />

„Bei der Addition eines unsymmetrischen Reagenzes A-B an eine Doppelbindung endet der<br />

negativ polarisierte Teil in A-B am stärker substituierten Kohlenstoffatom der<br />

Doppelbindung.“<br />

1-Alkene ergeben damit bei der Addition von HBr immer 2-Bromalkane. Die Stabilität der<br />

Carbokationen ist so mächtig, daß es sogar zu Umlagerungen im Alkylgerüst kommen kann,<br />

wenn dadurch stabilere Carbokationen erzielt werden können.<br />

H 3 C<br />

H<br />

+ HBr<br />

H<br />

H<br />

Br -<br />

Diese Art von Umlagerung wird Wagner-Meerwein-Umlagerung bezeichnet. Auch<br />

Wasserstoffe können hydridisch (also formal als H - ) verschoben werden. Die Triebkraft ist<br />

immer die Erzeugung eines stabileren Carbokations. Die gleiche Art der Wagner-Meerwein-<br />

Umlagerung kann auch bei der E1-Eliminierung und der S N1 -Reaktion beobachtet werden, da<br />

diese über die gleichen Zwischenstufen verlaufen. Alkylradikale zeigen eine derartige<br />

Neigung zur Umlagerung mit dem Ziel, ein stabileres Radikal zu erzeugen, nicht.<br />

Br-<br />

Br<br />

H<br />

H<br />

Br<br />

32


Die Hydrierung einer Doppelbindung mittels H 2 verläuft nach einem gänzlich anderen<br />

Mechanismus. Man benötigt für den Ablauf dieser Reaktion einen Katalysator, der den<br />

Wasserstoff voraktiviert. Die Reaktion verläuft dann konzertiert, also in einem Schritt und<br />

ohne Zwischenstufe.<br />

H<br />

H<br />

H H H H<br />

H<br />

H<br />

H H H H<br />

Beide H-Atome greifen damit von derselben Seite an im Unterschied zur Br 2 -Addition.<br />

Will man erreichen, daß die Addition einer HX-Verbindung das anti-Markovnikov-Produkt<br />

ergibt (also mit dem Wasserstoff an der höher substituierten Stelle), dann muß man für X ein<br />

Element wählen, daß das Wasserstoffatom zum negativ polarisierten Teil macht. Dies ist mit<br />

Bor aufgrund seiner kleiner Elektronegativität gegenüber Wasserstoff möglich.<br />

R<br />

H<br />

Br<br />

H<br />

B<br />

H<br />

O<br />

R<br />

H<br />

Die Addition der H-BR 2 -Bindung erfolgt dann formal anti-Markovnikov, aber im Sinne des<br />

stabileren Carbokations, obwohl die Reaktion nicht zweistufig sondern wie bei Wasserstoff<br />

konzertiert verläuft.<br />

H BR 2 H BR2 H BR 2<br />

Eine technisch sehr wichtige Reaktion der Alkene ist die radikalische Polymerisation von<br />

Ethen zu Polyethylen (PE).<br />

33


Diese verläuft (wie bereits bei der radikalischen Substitution) in drei Stufen als<br />

Kettenreaktion.<br />

1. Initiation:<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

C<br />

O<br />

O<br />

C<br />

O<br />

2. Kettenstart:<br />

3. Kettenwachstum:<br />

Während der Polymerisationsreaktion können Abbruchreaktionen stattfinden.<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

Übertragung<br />

H<br />

backbiting<br />

H<br />

H<br />

H H<br />

H<br />

H<br />

H H<br />

H<br />

H<br />

H H<br />

Disproportionierung<br />

Recombination<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

34


Im Falle der radikalischen Polymerisation sind dies die Rekombination zweier Ketten und die<br />

Disproportionierung<br />

Weiterhin finden Radikalübertragungsreaktionen statt. Diese können intramolekular verlaufen<br />

(backbiting), was zu kurzen Verzweigungen führt, oder intermolekular, was zu<br />

Langkettenverzweigungen führt. Da die intramolekulare Reaktion schneller verläuft<br />

(räumliche Nähe) als die intermolekulare, bestehen die radikalisch erzeugten PE-Ketten aus<br />

vielen Kurzenkettenverzweigungen und einigen Langkettenverzweigungen.<br />

Diese Art der Struktur bewirkt eine recht niedrige Dichte des Polymers, da die<br />

Verzweigungen viel freies Volumen erzwingen. Radikalisch polymerisiertes Ethen wird daher<br />

Low-Density-Polyethylen (LPPE) genannt.<br />

5.2 Diene<br />

Zwei Doppelbindungen innerhalb eines Moleküls können in drei Konstellationen auftreten<br />

1.33<br />

1.33<br />

(CH 2 )n 1.37<br />

1.46<br />

1.31 1.31<br />

1.37<br />

R 2 C C CR 2<br />

isoliert konjugiert kumuliert<br />

Wenn mindestens eine CH 2 -Gruppe zwischen den beiden Doppelbindungen steht, nennt man<br />

sie isoliert. Stehen die sp 2 -hybridisierten C-Atome der Doppelbindungen in direktem Kontakt<br />

35


über eine Einfachbindung, spricht man von konjugierten Doppelbindungen. Treffen die<br />

beiden Doppelbindungen an einem Kohlenstoffatom zusammen, das dann sp- und nicht sp 2 -<br />

hybridisiert ist, wird diese Konstellation kumulierte Doppelbindung genannt. Die<br />

Konstellation der konjugierten Doppelbindung zeigt eine strukturelle Besonderheit, wie oben<br />

gezeigt. Die beiden Doppelbindungen wechselwirken miteinander und können nicht mehr<br />

unabhängig voneinander betrachtet werden. Die Doppelbindungen werden dabei etwas länger<br />

als die isolierten Doppelbindungen, während die verbindende Einfachbindung etwas kürzer<br />

wird als normale C(sp 2 )-C(sp 2 )-Einfachbindungen. Die wahre Bindungssituation in<br />

konjugierten Doppelbindungen kann daher besser durch folgende mesomere Grenzformeln<br />

dargestellt werden.<br />

Dies drückt sich auch in der Regioselektivität bei der elektrophilen Addition von HBr aus.<br />

H +<br />

H<br />

H<br />

H<br />

Br -<br />

H<br />

Br<br />

H<br />

Br<br />

H<br />

+ Br<br />

36


Es gibt von Butadien zwei geometrische Isomere, die wegen der mesomeren Grenzsituation<br />

der p-Orbitale durch eine kleine Aktivierungsenergie voneinander getrennt sind.<br />

s-cis<br />

s-trans<br />

(<br />

(<br />

)<br />

)<br />

1,4-cis<br />

1,4-trans<br />

( )<br />

Das „s“ steht für „single“ und deutet an, dass es eigentlich für Einfachbindungen keine<br />

cis/trans-Isomere gibt und dass die Barriere zwischen beiden Formen deutlich niedriger liegt<br />

als bei Doppelbindungen.<br />

Die Aktivierungsbarriere im Falle von Butadien beträgt etwa 15 kJ/mol und kann durch die<br />

thermische Energie bei Raumtemperatur bereits überwunden werden. Die s-trans-<br />

Kongifuration ist wegen der geringeren sterischen Abstoßung der Wasserstoffe etwa 15<br />

kJ/mol stabiler als die s-cis-Konfiguration.<br />

Butadien ist ein wichtiges Monomer für die Synthese von Polybutadien. Der Einbau des<br />

Butadiens kann dabei in der polymeren Kette in drei verschiedenen isomeren Formen<br />

erfolgen.<br />

1,2-<br />

Erfolgt der Einbau in die polymere Kette über die Positionen 1 und 4, so können zwei<br />

geometrische Isomere (1,4-cis und 1,4-trans) gebildet werden. Geschieht der Einbau über die<br />

Positionen 1 und 2, da entsteht das 1,2-Konstitutionsisomere. Die Eigenschaften des<br />

Polybutadiens sind entscheidend von der Zusammensetzung aus diesen drei isomeren<br />

Einheiten abhängig.<br />

37


hochkristallin<br />

energie-elastisch<br />

thermostabil<br />

luftstabil<br />

1,4-trans<br />

BR<br />

1,2-<br />

1,4-cis<br />

gummiartig<br />

visko-elastisch<br />

thermostabil<br />

luftstabil<br />

Nur hoch cis-1,4-Polybutadien hat die für die Industrie wertvollen gummiartigen<br />

Eigenschaften. Butadien kann wie Ethylen radikalisch polymerisiert werden. Durch unser<br />

Wissen über konjugierte Diene können wir aber bereits vorhersagen, dass diese<br />

Polymerisationsart nicht das gewünschte hoch cis-1,4-Polybutadien erzeugt, sondern eine<br />

Mischung aus den drei möglichen isomeren Formen ergibt.<br />

1,2- 1,4-cis<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

spröde<br />

amorph<br />

Luft- und Wärmeempfindlich<br />

1,2-<br />

1,4-trans<br />

Ein naheliegender Gedanke wäre, die Polymerisation anionisch durchzuführen, da dann<br />

zumindest auf den ersten Blick der 1,4-Einbau gegenüber dem 1,2-Einbau bevorzugt ablaufen<br />

sollte, da (im Unterschied zu Radikalen und Carbokationen) weniger substituierte<br />

Carbanionen stabiler sind als höher substituierte (+I-Effekt der Alkylgruppen, keine<br />

Möglichkeit der Hyperkonjugation bei Carbanionen).<br />

38


1,2- 1,4-cis<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

1,4-trans<br />

Polybutadien, was auf einen Nachbargruppeneffekt und die damit in Zusammenhang stehende<br />

Koordination des Gegenkations zurückzuführen ist.<br />

Li<br />

Li<br />

Li<br />

Li<br />

Tatsächlich erhält man über anionische Polymerisation von Butadien fast ausschließlich 1,2-<br />

1,2-<br />

1,4-<br />

1,4-<br />

1,2-<br />

1,2-<br />

39


6. Alkine<br />

Alkine sind Moleküle, die eine C≡C-Dreifachbindung als funktionales Element enthalten. Die<br />

allgemeine Summenformel ist C n H 2n-2 .<br />

H<br />

1.07<br />

1.21<br />

1.47<br />

1.54<br />

Die beiden C-Atome der Dreifachbindung sind sp-hybridisiert. Die Dreifachbindung baut sich<br />

damit aus einer σ-Bindung, bestehend aus der Überlappung zweier sp-Hybridorbitale, und<br />

zwei π-Bindungen, bestehend aus überlappenden reinen p-Orbitalen, auf.<br />

Orbitalbild Dreifachbindung<br />

Die Nomenklatur erfolgt analog zu den Regeln der Alkene. Ist sowohl eine Doppelbindung<br />

als auch eine Dreifachbindung im Molekül vorhanden, dann handelt es sich um ein –enin.<br />

Dabei wird die Nummerierung der Hauptkette so gewählt, dass die Doppelbindung die kleinst<br />

mögliche Nummer erhält.<br />

Eine hervorzuhebende Eigenschaft von 1-Alkinen ist ihre beachtliche CH-Acidität im<br />

Vergleich zu Alkanen und Alkenen. Die Acidität einer Verbindung kann durch folgendes<br />

Gleichgewicht beschrieben werden:<br />

H A A - + H +<br />

K s = [A- ] [H + ]<br />

[HA]<br />

pK s = -log(K s )<br />

Einige typische pK s -Werte sind in der nächsten Tabelle aufgelistet:<br />

Säure<br />

pK s<br />

HCl -6<br />

H 2 SO 4 -2<br />

40


Wasser 15.76<br />

Ethanol 16<br />

Ammoniak 35<br />

Für Ethan, Ethen und Ethin ergeben sich folgende Gleichgewichte und pK s -Werte:<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

sp 3 sp 3<br />

H<br />

C C<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

C<br />

C<br />

H<br />

H<br />

+ H +<br />

pK s = 50<br />

H<br />

H<br />

sp 2 sp 2<br />

C C<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

C<br />

C<br />

H<br />

+ H +<br />

pK s = 44<br />

sp sp<br />

H C C H H C C + H +<br />

pK s = 25<br />

Danach können 1-Alkine im Unterschied zu Alkanen und Alkenen durch NaNH 2 vollständig<br />

deprotoniert werden. Der Grund liegt darin, dass die Elektronegativität eine Funktion des<br />

Hybridisierungsgrades ist. Für sp 3 -hybrdisierte Kohlenstoffe ist die Elektronegativität 2.5. Für<br />

sp 2 -hybridisierte Kohlenstoffatome ist die Elektronegativität bereits 2.75 und für sphybridisierte<br />

Kohlenstoffatome muß eine Elektronegativität von 3.29 (vergleichbar mit Cl!)<br />

veranschlaget werden. Daher ist die C-H-Bindung in 1-Alkinen deutlich stärker polarisiert als<br />

in Alkenen und Alkanen.<br />

6.1 Reaktivität von Alkinen<br />

Alkine zeigen ähnliche Reaktionen wie Alkene, und vieles, was wir über Alkene bereits<br />

gelernt haben, kann auf Alkine übertragen werden. Jedoch sind Alkine reaktionsträger als<br />

Alkene, was zunächst verwundern mag, da ja in Alkinen die versammelte Elektronendichte<br />

höher sein sollte als in Alkenen und daher die Tendenz eine elektrophile Addition einzugehen<br />

auch höher sein sollte. Dies findet man experimentell jedoch nicht. So reagiert etwa das unten<br />

dargestellte Enin mit Brom selektiv an der Doppelbindung (daher kann diese Reaktion<br />

wirklich als Nachweisreaktion für Doppelbindungen herangezogen werden), wenn keine<br />

41


zusätzlichen Maßnahmen wie Beigabe eines Katalysators oder erhöhte Temperaturen<br />

getroffen werden.<br />

+ Br 2<br />

Br<br />

Br<br />

Br 2 kann an eine Dreifachbindung elektrophil addieren, aber dafür ist eine Lewissäure wie<br />

etwa FeBr 3 erforderlich, die das Brom aktiviert.<br />

R<br />

Br<br />

Br Br Fe<br />

Br<br />

R<br />

Br<br />

δ+ δ−<br />

Br Br Fe<br />

Br<br />

R<br />

Br<br />

Br Br Fe<br />

Br<br />

R<br />

Br<br />

R<br />

Br<br />

R<br />

Br<br />

Br<br />

R<br />

Br<br />

Br<br />

R<br />

Br<br />

R<br />

Br<br />

Br<br />

R<br />

Br<br />

Br 2<br />

R<br />

Br<br />

Fe<br />

Br<br />

Br<br />

Br Br Fe<br />

R<br />

Br<br />

Br<br />

Die Reaktion mit HBr verläuft analog zu den Alkenen gemäß der Markovnikovschen Regel<br />

ohne zusätzlichen Katalysator.<br />

H<br />

R<br />

H<br />

Br<br />

H<br />

R<br />

H<br />

Br - H H<br />

R<br />

Br<br />

HBr<br />

H<br />

R<br />

H<br />

H<br />

Br<br />

Br<br />

Führt man die Reaktion in saurer wässriger Lösung mit Hg 2+ als Kaalysator durch, so wird<br />

Wasser anstelle der korrespondierenden Base (oben Br - ) addiert.<br />

H<br />

H<br />

Keto-Enol-Tautomerie<br />

H H<br />

H H H H<br />

H H<br />

Hg 2+ -H + H<br />

OH 2<br />

R<br />

R<br />

R<br />

OH 2<br />

R<br />

Enol<br />

OH<br />

R<br />

Keton<br />

O<br />

42


Dabei entsteht zunächst ein Enol, das unter den sauren Bedingungen aber quantitativ zum<br />

Keton umlagert. Diese Umlagerung wird Keto-Enol-Tautomerie genannt. Ihre Triebkraft ist,<br />

dass eine C=O-Doppelbindung und zwei C-C-Einfachbindungen energetisch günstiger sind<br />

als eine C=C-Doppelbindung und zwei Einfachbindungen am Sauerstoff.<br />

Genau wie Alkene können auch Alkine mit einem Katalysator hydriert werden, wobei selektiv<br />

cis-Alkene entstehen.<br />

H<br />

H<br />

H H H H<br />

Will man gezielt das trans-Alken erzeugen, so muß man die Reaktion mit Natrium in<br />

flüssigem Ammoniak durchführen.<br />

2 Na<br />

Na<br />

H<br />

+ 2 NaNH 2<br />

2 NH 3<br />

H<br />

Na<br />

7. Cycloalkene und Cycloalkine<br />

Cycloalkene weisen die allgemeine Summenformel C n H 2n-2 auf. Der kleinste Vertreter ist also<br />

formal Ethin, das mit seiner Dreifachbindung als „Zweiring“ aufgefasst werden kann. In den<br />

kleinen Ringen mit n=3 und 4 herrscht starke Ringspannung an den Alken-<br />

Kohlenstoffatomen, die eine sp 2 -Hybridisierung anstreben. Beide Ringe sind planar.<br />

H<br />

C<br />

C<br />

C H<br />

H<br />

H<br />

Wie beim Cyclopropan kann das Cyclopropen eher aufgebaut aus Ethin, das in<br />

Wechselwirkung mit einem sp 2 -hybridiserten CH 2 -Carben steht, beschrieben werden. Wie<br />

43


eim Cyclopropan sinkt dabei der Hybridisierungsgrad der beteiligten Kohlenstoffatome um<br />

eins. Cyclopentan und Cyclohexan können als weitgehend spannungsfrei angesehen werden.<br />

Ab n=8 sind bei Raumtemperatur cis/trans-Isomere möglich. Die Ringgröße n=8 ist auch die<br />

kleinste, ab der bei Raumtemperatur Cycloalkine existieren können.<br />

7.1 Reaktivität von Cycloalkenen<br />

Wir wollen im Speziellen die Reaktivität der folgenden vier Cycloalkene vergleichen.<br />

1.51 1.54<br />

1.51<br />

1.47<br />

1.39<br />

1.33<br />

1.33<br />

1.37<br />

1.39<br />

1.51<br />

Br 2<br />

Br 2 Br 2 Br 2<br />

Br<br />

keine Reaktion<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Cyclohexen und 1,4-Cyclohexadien zeigen die erwartete elektrophile Addition wie bei den<br />

nicht cyclischen Alkenen. 1,3-Cyclohexen verhält sich auch wie ein nicht cyclisches<br />

konjugiertes Alken. 1,3,5-Cyclohexatrien hingegen verhält sich sonderbar, da es mit Brom<br />

direkt keine Reaktion zeigt, obwohl drei Doppelbindungen im Molekül enthalten sind. Auch<br />

strukturell weist dieses Molekül eine Besonderheit auf, da alle C-C-Bindungen gleich lang<br />

1.39 Å und damit länger als eine isolierte Doppelbindung aber kürzer als eine C(sp 2 )-C(sp 2 )-<br />

44


Einfachbindung (1.49 Å) sind. Benzol kann damit besser durch Mesomerie wie folgt<br />

beschreiben werden:<br />

E<br />

Diese cyclische Konjugation geht einher mit einer erheblichen Stabilisierung, wie aus<br />

Hydrierungsexperimenten der obigen vier Cyclohexene geschlossen werden kann.<br />

1.51 1.54<br />

1.51<br />

1.47<br />

1.39<br />

1.33<br />

1.33<br />

1.37<br />

1.39<br />

1.51<br />

H 2<br />

2 H 2 2 H 2 3 H 2<br />

∆H = -120 kJ/mol ∆H = -240 kJ/mol ∆H = -232 kJ/mol ∆H = -209 kJ/mol<br />

nicht: -240 kJ/mol nicht: -360 kJ/mol<br />

=> -8 kJ/mol => -151 kJ/mol<br />

Stabilisierung durch Stabilisierung durch<br />

Konjugation Konjugation<br />

Cyclische Konjugation scheint nicht die einzige Bedingung für diese Stabilisierung zu sein,<br />

wenn man Cyclobutadien, Cyclohexatrien (Benzol) und Cyclooctatetraen vergleicht.<br />

45


1.33<br />

1.51<br />

1.39<br />

1.49<br />

1.33<br />

Br 2<br />

Br 2<br />

Br 2<br />

Br<br />

keine Reaktion<br />

Br<br />

Br<br />

br<br />

Cyclobutadien ist zwar planar, aber die Struktur und die Reaktivität weist darauf hin, dass die<br />

beiden Doppelbindungen dennoch als isoliert betrachtet werden müssen. Cyclooctatetraen ist<br />

nicht einmal planar sondern liegt in einer Sessel- oder Wannenform vor, wobei sich die<br />

einzelnen Doppelbindungen orthogonal zueinander einstellen und sich wie isolierte<br />

Doppelbindungen verhalten. Man könnte beim Cyclooctatetraen annehmen, dass<br />

Ringspannung der Grund für das Ausweichen gegenüber der Planarität ist, wie man es ja bei<br />

Cyclohexan auch findet. Wenn man aber Cyclooctatetraen mit Kalium reduziert und das<br />

Dianion erzeugt, so zeigt sich dass dieses Teilchen planar ist mit acht gleichen C-C-<br />

Bindungslängen.<br />

1.49<br />

1.33<br />

+ 2 K 2e - 1.39<br />

Wir können folgende notwendige und hinreichende Bedingung für die Stabilisierung<br />

formulieren:<br />

„4N+2 Elektronen müssen cyclisch miteinander in Konjugation stehen, dann wird ein hohes<br />

Maß an Stabilisierung gewonnen!“<br />

Diese Regel wird als Hückelregel bezeichnet. Verbindungen, die ihr gehorchen, werden<br />

Aromaten genannt. Ihr Verhalten nennt man aromatisch. In der Chemie ist also Aromatizität<br />

verbunden mit einer bestimmten elektronischen Konstellation und nicht mit einem<br />

bestimmten Duft.<br />

46


8. Benzol und seine mono-substituierten Derivate<br />

Wir hatten festgestellt, dass Benzol mit Brom nicht reagiert. Fügt man hingegen wie bei den<br />

Alkinen FeBr 3 als Katalysator hinzu, so kommt es zu einer Entfärbung der<br />

Reaktionsmischung. Das Brom wird folglich umgesetzt, allerdings nicht in einer elektrophilen<br />

Additionsreaktion sondern in einer elektrophilen Substitutionsreaktion!<br />

+ Br 2<br />

FeBr 3<br />

Br<br />

+ HBr<br />

Wir können dies verstehen, indem wir schrittweise verfolgen, was geschieht.<br />

Br<br />

Br Br Fe Br<br />

Br<br />

δ+ δ−<br />

Br Br Fe Br<br />

Br<br />

Br Br Fe Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

H<br />

H<br />

H<br />

Br Fe Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br<br />

H<br />

H<br />

Br<br />

H<br />

H<br />

H<br />

Br Fe Br<br />

Br<br />

Die Addition im zweiten Reaktionsschritt kann mit der Substitution nicht konkurrieren, weil<br />

bei der Substitution die Rearomatisierung erreicht wird mit erheblichem Energiegewinn. Dies<br />

ist der Grund, warum aromatische System unter elektrophilen Bedingungen eine Substitution<br />

und keine Addition eingehen.<br />

Ähnlich wie die Halogene reagieren Halogenalkane mit Benzol unter Katalyse von<br />

Lewissäuren.<br />

47


Br<br />

Br<br />

Br<br />

Br Fe Br<br />

δ+ δ−<br />

Br Fe Br<br />

Br Fe Br<br />

H 3 C<br />

Br<br />

H 3 C<br />

Br<br />

CH 3<br />

Br<br />

Br<br />

H<br />

H<br />

H<br />

Br Fe Br<br />

Br<br />

Br<br />

H<br />

Br Fe Br<br />

Br<br />

Diese Reaktion wird Friedel-Crafts-Alkylierung genannt. Es gibt einige synthetische<br />

Schwierigkeiten mit dieser Reaktion. Die Hauptschwierigkeit ist das Auftreten von<br />

Carbokationen als Intermediate. Dies führt unweigerlich dazu, dass man bei längeren<br />

Alkylketten Isomerisierungen durch Wagner-Meerwein-Umlagerung erhält.<br />

Cl<br />

+<br />

Cl<br />

Cl<br />

Insbesondere n-Alkylbenzole kann man auf diese Weise also nur sehr schwer herstellen. Der<br />

übliche Weg, n-Alkylbenzol gezielt zu erhalten, ist daher über die verwandte Friedel-Crafts-<br />

Acylierung.<br />

48


O<br />

Br<br />

O<br />

O<br />

Cl Fe Br<br />

δ+<br />

Br<br />

Br<br />

δ−<br />

Fe Br<br />

H 3 C<br />

Br<br />

H 3 C<br />

Br<br />

CH 3<br />

O<br />

CH 3<br />

Br<br />

Br Fe Br<br />

Br<br />

O<br />

O<br />

O<br />

Br<br />

H<br />

H<br />

H<br />

Br Fe Br<br />

Br<br />

O<br />

Br<br />

H<br />

Br Fe Br<br />

Br<br />

Das intermediäre Acyliumkation ist Mesomerie-stabilisiert und lagert nicht um. Das so<br />

erhaltene Phenylketon (der Trivialname des Benzolrestes C 6 H 5 - ist phenyl) kann dann mit<br />

Hydrazin H 2 N-NH 2 , oder mit einer Zn/Hg-Legierung zum Alkylbenzol reduziert werden.<br />

O<br />

+Hydrazin<br />

-H 2 O, -N 2<br />

Den Mechanismus dieser Reaktion können wir im Moment noch nicht verstehen und wir<br />

werden ihn vielleicht im Rahmen der Carbonylgruppenbesprechung näher erläutern.<br />

Eine weitere typische Funktionalisierung von Benzol ist die Nitrierung. Sie wird mit<br />

Nitriersäure, einer Mischung aus Salpetersäure und Schwefelsäure, durchgeführt. In der<br />

Nitriersäure läuft folgende Reaktion ab:<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

N<br />

O<br />

S<br />

OH<br />

O<br />

N<br />

O<br />

S<br />

OH<br />

O<br />

N<br />

O<br />

S<br />

OH<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

N<br />

O<br />

S<br />

OH<br />

O<br />

O<br />

49


Das so erzeugte Nitroniumkation ist das Elektrophil, das mit Benzol reagiert.<br />

O<br />

O<br />

O<br />

N<br />

O<br />

O<br />

S<br />

OH<br />

N<br />

H<br />

O<br />

O<br />

N<br />

H<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

S<br />

OH<br />

O<br />

S<br />

OH<br />

O<br />

O<br />

Auf die Ähnlichkeit zwischen dem Acyliumkation bei der Friedel-Crafts-Acylierung und dem<br />

Nitroniumkation sei auf dieser Stelle zumindest hingewiesen.<br />

Nitrobenzol kann mittels Eisen oder Zn zum Amin reduziert werden.<br />

O<br />

N<br />

O<br />

Fe<br />

NH 2<br />

Aminobenzol hat den Trivialnamen Anilin erhalten, den man lernen sollte.<br />

Analog kann Benzol durch rauchende Schwefelsäure sulfoniert werden.<br />

O<br />

O<br />

S<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

S<br />

O<br />

OH<br />

O<br />

O<br />

S<br />

H<br />

O<br />

O<br />

S<br />

O<br />

H<br />

O S OH<br />

O O<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O S<br />

O<br />

OH<br />

Benzolsulfonsäure<br />

O<br />

S<br />

O<br />

O<br />

HO<br />

H<br />

O<br />

S<br />

O<br />

OH<br />

O<br />

S<br />

H<br />

O<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

S<br />

O<br />

OH<br />

Das Produkt wird Benzolsulfonsäure genannt.<br />

9. Zweitsubstitution am Benzolkern<br />

Ein bereits am Benzolkern vorhandener Substituent beeinflußt die Zweitsubstitution des<br />

Benzolkerns, sowohl was die Chemoselektivität angeht als auch die Regioselektivität.<br />

50


Vergleichen wir die relative Reaktionsgeschwindigkeit für die Nitrierung verschiedener<br />

Benzolderivate als repräsentative Reaktion, so finden wir die unten abgebildete Rangfolge.<br />

Beide Befunde, die relative Reaktionsgeschwindigkeit und die Regioselektivität bei der<br />

Reaktion, können durch die elektronische Wirkung des Erstsubstituenten verstanden werden.<br />

Wir müssen dabei die möglichen mesomeren Grenzstrukturen berücksichtigen.<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

+M-Effekt<br />

δ-<br />

O<br />

H<br />

δ- H<br />

δ-<br />

O<br />

O<br />

H<br />

δ-<br />

O<br />

H<br />

δ- O<br />

H<br />

δ+<br />

δ+<br />

δ+<br />

δ+<br />

-I-Effekt<br />

δ+<br />

Wichtigkeit steigt<br />

Phenol kann durch Konjugation des freien Elektronenpaars am Sauerstoff zusätzliche<br />

Elektronendichte in den Benzolkern verfrachten. Diesen Effekt nennt man +M-Effekt.<br />

Zusätzlich übt der elektronegative Sauerstoff einen –I-Effekt auf den Benzolkern aus, der aber<br />

schwächer ist als der +M-Effekt.<br />

H<br />

H<br />

H<br />

δ+ H<br />

δ+ H<br />

δ+ H<br />

H H H H H H<br />

H<br />

H<br />

δ+<br />

H<br />

δ− δ− δ−<br />

δ−<br />

+I-Effekt<br />

δ−<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H H H H H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

+M-Effekt<br />

51


Toluol kann die Elektronendichte im Benzolkern durch den +I-Effekt der Methylgruppe<br />

erhöhen. Durch Hyperkonjugation wirkt die Methylgruppe ebenfalls mit einem schwachen<br />

+M-Effekt.<br />

O<br />

N<br />

O<br />

O<br />

N<br />

O<br />

O<br />

N<br />

O<br />

O<br />

N<br />

O<br />

O<br />

N<br />

O<br />

-M-Effekt<br />

O<br />

δ-<br />

N<br />

O<br />

O<br />

δ-<br />

N<br />

O<br />

O<br />

δ-<br />

N<br />

O<br />

O<br />

δ-<br />

N<br />

O<br />

O<br />

δ-<br />

N<br />

O<br />

δ+<br />

δ+ δ+<br />

δ+<br />

-I-Effekt<br />

δ+<br />

Die Nitrogruppe in Nitrobenzol hingegen zieht durch Konjugation mit dem Benzolkern<br />

Elektronendichte aus diesem heraus. Diesen Effekt nennt man –M-Effekt. Zusätzlich wirkt die<br />

Nitrogruppe über das positivierte elektronegative Stickstoff über einen –I-Effekt<br />

elektronenziehend.<br />

R<br />

R<br />

δ- N<br />

R<br />

R<br />

R<br />

δ- N<br />

R<br />

R<br />

δ-N<br />

R<br />

R<br />

R<br />

δ-N<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

δ- N<br />

R<br />

δ+<br />

δ+<br />

δ+<br />

δ+<br />

-I-Effekt<br />

δ+<br />

Beim Anilinium-Kation wirkt kein M-Effekt, aber der –I-Effekt der NR 3 + -Gruppe zeiht<br />

Elektronendichte aus dem Benzolring und desaktiviert diesen.<br />

δ-<br />

X X X X X<br />

δ-<br />

δ-<br />

δ-<br />

δ-<br />

δ+<br />

δ+<br />

δ+<br />

δ+<br />

-I-Effekt<br />

δ+<br />

X<br />

X X X<br />

X<br />

+M-Effekt<br />

52


Bei Halogenaromaten wirkt der –I-Effekt der Halogenatome stärker als der +M-Effekt dieses<br />

Substituenten. Insgesamt wird die Elektronendichte im Kern von Halogensubstituenten<br />

erniedrigt und damit der Kern bezüglich einer elektrophilen Substitution desaktiviert.<br />

Neben der relativen Geschwindigkeit der Zweitsubstitution am Benzolkern ist auch die<br />

Regioselektivität (Bevorzugung des Substitutionsortes) wichtig und kann in drei Gruppen<br />

unterteilt und vorhergesagt werden. Die Regioselektivität ist ein kinetischer Effekt und kann<br />

durch die Stabilisierung des Übergangszustandes, der dem intermediären σ-Komplex ähnlich<br />

ist, verstanden werden.<br />

1. Gruppe: aktivierend und o/p-dirigierend<br />

Zu dieser Gruppe gehören alle Substituenten, bei denen die +I/+M-Effekte die –I/-M-Effekte<br />

überwiegen. Dieses sind –NR 2 , –NH 2 , –OR, –OH, –Alkyl (in abnehmender Stärke, R steht für<br />

einen Alkylrest)<br />

D: Elektronendonor<br />

E: Elektrophil<br />

ortho-Angriff<br />

D<br />

E<br />

para-Angriff<br />

D<br />

meta-Angriff<br />

D<br />

H<br />

H<br />

E<br />

H<br />

E<br />

D<br />

E<br />

D<br />

D<br />

H<br />

H<br />

E<br />

H<br />

E<br />

D<br />

E<br />

D<br />

D<br />

H<br />

H<br />

E<br />

H<br />

E<br />

D<br />

E<br />

H<br />

D<br />

Höhere Stabilisierung<br />

der positiven Ladung<br />

durch eine zusätzliche<br />

mesomere Grenzstruktur<br />

E<br />

H<br />

53


2. Gruppe: desaktivierend und m-dirigierend<br />

Zu dieser Gruppe gehören alle Substituenten, bei denen nur -I/-M-Effekte wirken. Dieses sind<br />

–NO 2 , –SO 3 H, –C=O, –CF 3 , –NR 3 + (in abnehmender Stärke, R steht für einen Alkylrest)<br />

A: Elektronenakzeptor<br />

E: Elektrophil<br />

ortho-Angriff<br />

A δ−<br />

E<br />

δ+<br />

H<br />

para-Angriff<br />

A δ−<br />

δ+<br />

meta-Angriff<br />

A δ−<br />

δ+<br />

H<br />

E<br />

H<br />

E<br />

A δ−<br />

δ+<br />

E<br />

A δ−<br />

δ+<br />

A δ−<br />

δ+<br />

H<br />

H<br />

E<br />

H<br />

E<br />

A δ−<br />

δ+<br />

E<br />

A δ−<br />

δ+<br />

A δ−<br />

δ+<br />

H<br />

H<br />

E<br />

H<br />

E<br />

In den grau dargestellten mesomeren Grenzstrukturen stehen zwei positive Ladungen direkt am selbe Zentrum.<br />

Derartige mesomere Grenzstrukturen steuern praktisch keinen Beitrag zur elektronischen Struktur.<br />

In dieser Gruppe ist also der Angriff in meta-Position am wenigsten desaktivierend.<br />

3. Gruppe: desaktivierend und o/p-dirigierend<br />

Zu dieser Gruppe gehören alle Substituenten, bei denen die –I-Effekte überwiegen, aber +M-<br />

Effekte auch wirksam sind. Dieses sind –X, –NO (X sind die Halogene F, Cl, Br, I).<br />

54


N: Substituent mit starkem -I- und schwächerem +M-Effekt<br />

E: Elektrophil<br />

ortho-Angriff<br />

N δ−<br />

E<br />

δ+<br />

H<br />

para-Angriff<br />

N δ−<br />

δ+<br />

meta-Angriff<br />

N δ−<br />

δ+<br />

H<br />

E<br />

H<br />

E<br />

N δ−<br />

δ+<br />

E<br />

H<br />

N δ−<br />

δ+<br />

N δ−<br />

δ+<br />

H<br />

E<br />

H<br />

E<br />

N δ−<br />

δ+<br />

E<br />

N δ−<br />

δ+<br />

N δ−<br />

δ+<br />

H<br />

H<br />

E<br />

H<br />

E<br />

N δ−<br />

δ+<br />

E<br />

H<br />

N δ−<br />

δ+<br />

E<br />

H<br />

10. Drittsubstitution am Benzolkern<br />

Bei der Drittsubstitution am Benzolkern wirken die Effekte der ersten beiden Substitutenten<br />

additiv. Dies führt zu der einfachen Regel, daß der am stärksten aktivierende Substituent die<br />

Regioselektivität bestimmt. AM stärkten aktivierend bezüglich einer elektrophilen<br />

Substitution wirken Substituenten mit starkem +M-Effekt wie –NR 2 oder –OR, gefolgt von<br />

solchen mit starken +I-Effekten wie –Alkyl, gefolgt von Substituenten der Gruppe 3, gefolgt<br />

von Substituenten der Gruppe 2.<br />

NR 2<br />

NR 2<br />

NO 2<br />

Alkyl<br />

NR 2<br />

NO 2<br />

NO 2 SO 3 H<br />

55


Als Zusatzregel ist zu bemerken, daß bei einer meta-Vorsubstitution die Position zwischen<br />

den beiden Substituenten aus sterischen Gründen nicht substituiert wird.<br />

11. Die Sandmeyer-Reaktion<br />

Schwierigkeiten bereitet es, -F oder –OH Substituenten durch elektrophile Substitution an den<br />

Benzolkern einzubringen. Dies liegt daran, daß man dazu „F + “ oder „OH + “ Elektrophile<br />

anbieten müßte, die wegen der hohen Elektronegativität von Fluor und Sauerstoff nicht oder<br />

nur sehr schwer zu generieren sind. Um dennoch diese Substituenten einführen zu können<br />

muß ein Trick angewandt werden, der als Sandmeyer-Reaktion bekannt geworden ist.<br />

Ausgangspunkt dabei ist ein Anilinderivat, das mittels salpetriger Säure diazotiert wird.<br />

N<br />

O<br />

N<br />

O<br />

NH 2<br />

+ HO-N=O + H 2 SO 4<br />

NH 2<br />

+ H 2 O + N=O + + HSO 4<br />

-<br />

H 2 N<br />

-H + HN<br />

F<br />

N<br />

N<br />

N<br />

N<br />

N<br />

N OH 2<br />

N<br />

N<br />

OH<br />

+F -<br />

-H 2 O<br />

+H +<br />

Phenyl-Kation<br />

Diazoniumkation<br />

Dabei wird im Diazoniumkation mit N 2 ein derart gute Abgangsgruppe generiert, daß das<br />

sonst sehr energiereiche Phenyl-Kation im Gleichgewicht gebildet wird.<br />

12. Nukleophile Substitution am Benzolkern<br />

Neben der weitaus wichtigeren elektrophilen Substitution kann am Benzolkern unter<br />

bestimmten Substituentenbedingungen auf nukleophil substituiert werden. Hier sind dann<br />

naturgemäß alle elektronischen Bedingungen und Schlußfolgerungen invers zu dem bisher<br />

56


Gesagten. Insbesondere benötigt man Substituenten aus der Gruppe 2 in möglichst hoher<br />

Anzahl am Benzolkern.<br />

O<br />

N<br />

O<br />

F<br />

+ OH - N<br />

O<br />

O<br />

F<br />

OH<br />

O<br />

N<br />

O<br />

F<br />

OH<br />

O<br />

N<br />

O<br />

OH<br />

+ F -<br />

In diesem Falle dirigieren die Substituenten der Gruppe 2 in o/p-Position und nicht in meta-<br />

Position. Wichtig ist auch die Abgangsgruppe bei dieser Reaktion. Da das Hydrid-Anion H -<br />

eine sehr schlechte Abgangsgruppe darstellt, wird eine mit Wasserstoff substituierte Stelle<br />

weniger bereitwillig, wenn überhaupt, substituiert als eine mit einem Halogen substituierte<br />

Position.<br />

13. Kern versus Seitengruppe; die KKK- und SSS-Regel<br />

Eine Form von Regioselektivität wurde bisher ausgespart, und zwar diejenige zwischen<br />

Benzolkern und Seitengruppe. Dieser wollen wir uns jetzt kurz zuwenden. Betrachten wir<br />

etwa die Halogenierung von Toluol, so kann diese entweder an der Methylgruppe stattfinden<br />

oder am Benzolkern. Wir wissen aber bereits, daß die Halogenierung von Alkanen radikalisch<br />

verläuft, während die Halogenierung des Benzolkerns nach einem elektrophilen Mechanismus<br />

geschieht. Es gilt daher die allgemeine Regel, daß Reaktionen an der Seitengruppe durch<br />

(Sonnen)licht und Siedehitze gefördert wird (Radikale werden bevorzugt gebildet), während<br />

eine Reaktion am Benzolkern durch Kälte und Katalysatoren bevorzugt wird (ionische<br />

Verbindungen werden bevorzugt gebildet).<br />

Cl<br />

Cl 2 , Licht, Hitze<br />

+ HCl<br />

Cl<br />

Cl 2 ,Kat., Kälte<br />

+ HCl<br />

Cl<br />

57


14. Elektrophile Substitution an annelierten Aromaten<br />

Annelierte Ringe sind Ringe, die miteinander über zwei Bindungen verknüpft sind. Die<br />

einfachsten annelierten aromatischen Systeme sind unten abgebildet.<br />

Naphthalin Anthrazen Phenanthren<br />

Wir wollen uns wieder mit der Erst- und Zweisubstitution dieser Systeme beschäftigen, und<br />

insbesondere mit deren Regioselektivität. Wir konzentrieren uns zunächst auf Naphthalin. Die<br />

Erstsubstitution von Naphthalin erfolgt immer in 1-Position.<br />

Der Grund für diese Regioselektivität kann wiederum aus den mesomeren Grunzstrukturen<br />

für den σ-Komplex ermittelt werden.<br />

H E H E<br />

E<br />

H<br />

In 1-Position sind zwei mesomere Grenzstrukturen möglich, in 2-Position nur eine, wenn man<br />

den zweiten Benzolring unberührt läßt.<br />

Wie sieht es mit der Zweitsubstitution dieser Systeme aus? Hier müssen wir unterscheiden, ob<br />

der Erstsubstituent zur Gruppe 1 oder zur Gruppe 2 und 3 gehört, also aktivierend bezüglich<br />

der elektrophilen Substitution oder desaktivierend wirkt.<br />

58


Erstsubstituenten der Gruppe 1 in 1-Position dirigieren den Zweitsubstituenten in para-<br />

Position zu sich in denselben Ring. Die ortho-Position ist wegen der oben dargestellten<br />

Benachteiligung der 2-Position benachteiligt. Erstsubstituenten der Gruppe 1 in 2-Position<br />

dirigieren den Zweitsubstituenten in 1-Position zu sich in denselben Ring. Die andere ortho-<br />

Position ist, wie oben dargestellt benachteiligt.<br />

Erstsubstituenten der Gruppe 2 und 3, sowohl in 1- als auch in 2-Position, dirigieren den<br />

Zweitsubstituenten in den zweiten Ring und dort in die beiden 1-Positionen. Der Grund ist,<br />

daß der zweite Ring elektronenreicher und damit reaktiver ist als der bereits substitutierte.<br />

D<br />

A,N<br />

D<br />

15. Chiralität<br />

Isomerism<br />

(same stoichiometry, different structure)<br />

constitution isomers<br />

(different types of bonds)<br />

stereo isomers<br />

(same type of bonds, different orientation)<br />

polymerization<br />

isomers<br />

sequence<br />

isomers<br />

configurational isomers<br />

(superimposition only with bond cleavage)<br />

conformational isomers<br />

(superimposition by rotation about bond)<br />

(CH 2 ) 5 (CH 2 ) 6<br />

chiral isomers<br />

geometric<br />

isomers<br />

synperiplanar<br />

synclinal<br />

anticlinal<br />

antiperiplanar<br />

R R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

diastereomers<br />

enantiomers<br />

(mirror images)<br />

R<br />

R<br />

A<br />

A<br />

C<br />

D<br />

B B<br />

D C<br />

Wir müssen uns noch mit dem letzten Ast unseres Isomerenbaumes beschäftigen, mit den<br />

chiralen Isomeren. Im Unterschied zu den bisherigen Isomerie-Arten, die direkt an der<br />

59


Molekülstruktur erkennbar sind, ist das Vorliegen chiraler Isomere nicht immer sofort<br />

offensichtlich. Deshalb wollen wir beginnen, eine möglichst einfache und allgemeingültige<br />

Definition für das Auftreten von Chiralität (Händigkeit) in Molekülen zu finde. Dafür müssen<br />

wir uns etwas mit Symmetrie beschäftigen.<br />

1. Koordinatentransformation<br />

Eine Koordinatientransformation ist eine einheitliche mathematische Operation, die an allen<br />

kartesischen Koordinaten eines Objektes durchgeführt wird.<br />

(x, y, z) → (x‘, y‘, z‘)<br />

2. Symmetrieoperation<br />

Eine Symmetrieoperation ist eine Koordinatentransformation, bei der die Gestalt und<br />

räumliche Lage des Moleküls vor und nach der Transformation gleich ist.<br />

Drehe um 90° um die<br />

eingezeichnete Schwerpunktachse<br />

Keine Symmetrieoperation!<br />

Drehe um 180° um die<br />

eingezeichnete Schwerpunktachse<br />

Symmetrieoperation!<br />

H<br />

Cl<br />

Cl C Cl<br />

H<br />

Drehe um 90° um die<br />

eingezeichnete Schwerpunktachse<br />

H<br />

C<br />

Cl<br />

H<br />

Keine Symmetrieoperation!<br />

H<br />

Cl C Cl<br />

H<br />

Drehe um 180° um die<br />

eingezeichnete Schwerpunktachse<br />

H<br />

Cl C Cl<br />

H<br />

Symmetrieoperation!<br />

60


3. Symmetrieelement<br />

Ein Symmetrieelement ist eine Entität (Punkt, Achse, Ebene) innerhalb eines Moleküls, an der<br />

eine Symmetrieoperation durchgeführt werden kann. Dies kann ein Inversionszentrum, eine<br />

Drehachse oder eine Spiegelebene sein.<br />

C n -Achse: Drehe um 360/n°<br />

C 3 -Achse<br />

σ-Ebene<br />

σ-Ebene<br />

H<br />

N<br />

H<br />

H<br />

H<br />

N<br />

H<br />

H<br />

H<br />

N<br />

H<br />

H<br />

Um Chiralität definieren zu können, müssen wir die Kombination aus Rotation und<br />

Spiegelung senkrecht zur Rotationsachse einführen.<br />

C n -Achse<br />

Drehspiegelachse S n<br />

C n -Achse<br />

+<br />

σ-Ebene<br />

σ-Ebene<br />

C 4<br />

S 4<br />

C 4<br />

σ<br />

Diese heißt Drehspiegelachse und wird mit S n abgekürzt. Mit dieser Symmetrieoperation in<br />

Händen kann man Chiralität sehr einfach definieren:<br />

Ein Molekül ist dann und genau dann chiral, wenn es keine Drehspiegelachse S n enthält.<br />

61


Eine S 1 -Achse ist eine Spiegelebene und eine S 2 -Achse ist ein Inversionszentrum. Da höhere<br />

Drehspiegelachsen als n = 2 für Moleküle sehr selten sind, kann man manchmal auch die<br />

vereinfachte Regel finden, daß solche Moleküle chiral sind, die keine Spiegelebene und kein<br />

Inversionszentrum besitzen. In mit Abstand den meisten Fällen liegt man damit richtig.<br />

In Molekülen unterscheidet man 4 Arten von Chiralität<br />

1. zentrale Chiralität (0-dimensional)<br />

2. axiale Chiralität (1-dimensional)<br />

3. planare Chiralität (2-dimensional)<br />

4. helicale Chiralität (3-dimensional)<br />

Es wird im Folgenden darum gehen, die Chiralität in der Benennung der Verbindungen zu<br />

berücksichtigen.<br />

Betrachten wir zunächst ein Molekül mit genau einem Chiralitätszentrum. Dies ist bei einem<br />

Tetraeder genau dann der Fall, wenn die vier Substituenten an diesem Zentrum<br />

unterschiedlich sind. Es gibt dann zwei chirale Isomere, die als Enantiomere bezeichnet<br />

werden.<br />

Enantiomere<br />

D<br />

D<br />

A<br />

C<br />

B<br />

C<br />

B<br />

A<br />

Wie kann man nun solche Verbindungen eindeutig benennen? Im Fall der zentralen Chiralität<br />

wird dafür das R/S-System verwendet. Dies funktioniert so:<br />

1. den vier Substituenten werden Prioritäten zugeordnet.<br />

D 2<br />

A 1<br />

B 3<br />

C 4<br />

62


2. das Molekül wird so orientiert, daß der Substituent mit der geringsten Priorität nach hinten<br />

weist.<br />

D 2<br />

D 2<br />

C 4<br />

A 1<br />

B 3<br />

B 3 C 4<br />

3. Wenn nun die Priorität drei verbleibenden Substituenten im Uhrzeigersinn abnimmt, nennt<br />

man die Konfiguration R. Nimmt die Priorität entgegengesetzt zum Uhrzeigersinn ab,<br />

dann heißt die Konfiguration S.<br />

D 2<br />

D 2 D 2<br />

C 4<br />

A 1<br />

B 3<br />

B 3 C 4<br />

B 3 C 4<br />

R<br />

Wir müssen nun nur noch wissen, wie man die Priorität eines Substituenten bestimmt. Dies ist<br />

allerdings recht einfach:<br />

1. Man geht vom chiralen Zentrum entlang der vier Bindungen zum nächsten Atomzentrum.<br />

2. Man schaut sich die Ordnungszahl des Atoms an, auf das man so trifft.<br />

3. Je höher die Ordnungszahl des Atoms, desto höher die Priorität des Atoms. Bei<br />

unterschiedlichen Isotopen hat dasjenige Atom mit der höheren Atommasse die höhere<br />

Priorität.<br />

4. Wenn man so zu einer eindeutigen Reihenfolge kommt, bricht man hier ab, und die<br />

einzelnen Substituenten bekommen die Priorität ihres ersten Atoms.<br />

5. Kommt man nicht zu einer eindeutigen Zuordnung, dann wandert man entlang der<br />

nächsten Bindung zum Atom mit der höchsten Priorität. Mehrfachbindungen werden<br />

dabei zu n Einfachbindungen aufgefächert.<br />

1<br />

1<br />

H 3 C<br />

C<br />

H 2<br />

CH 3<br />

CH 2<br />

nicht eindeutig<br />

6<br />

H<br />

CH<br />

6<br />

1<br />

6<br />

6<br />

6<br />

6<br />

1<br />

6<br />

6<br />

nicht eindeutig<br />

6<br />

6<br />

1<br />

6<br />

1<br />

6<br />

6<br />

eindeutig!<br />

6<br />

3<br />

63<br />

2<br />

R<br />

1<br />

4


6. Kommt man immer noch nicht zu einer eindeutigen Reihenfolge, so nimmt man nun<br />

jeweils die Bindung zum Atom mit 2. Priorität. Wieder werden Mehrfachbindungen zu n<br />

Einfachbindungen aufgefächert.<br />

7. Sind alle Bindungen am ersten Atom auf diese Weise überprüft worden, ohne, daß eine<br />

eindeutige Reihenfolge ermittelt werden konnte, geht man entlang der Bindungen zum<br />

dritten Atom und verfährt gemäß der Punkte 5. Und 6., bis eine Reihenfolge eindeutig<br />

gefunden wurde.<br />

Es sei in diesem Zusammenhang auf die häufig in Lehrbüchern verwendete Fischerprojektion<br />

hingewiesen, diese wurde eingeführt, um die chirale Information zweidimensional darstellen<br />

zu können:<br />

C<br />

B<br />

B<br />

A<br />

D<br />

B<br />

A<br />

C<br />

D<br />

A<br />

C<br />

D<br />

Fischerprojektion<br />

Schauen wir uns für einen Moment Verbindungen mit mehr als einem chiralen Zentrum an.<br />

Diese können genauso behandelt und benannt werden, wie bisher geschildert.<br />

Diastereomere<br />

COOH<br />

COOH<br />

COOH<br />

COOH<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

OH<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

OH<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

OH<br />

H<br />

OH<br />

HO<br />

H<br />

CH 3<br />

CH 3<br />

CH 3<br />

CH 3<br />

Enantiomere<br />

Enantiomere<br />

Allgemein gibt es bei n chiralen Zentren 2 n chirale Isomere. Nur wenn die chiralen Isomere in<br />

allen chiralen Zentren komplementäre Konfigurationen aufweisen, sind sie Enantiomere.<br />

Besitzen sie in mindestens einem chiralen Zentrum die gleiche Konfiguration, so nennt man<br />

sie Diastereomere.<br />

Für Verbindungen mit axialer und planarer Chiralität müssen wir unser Benennungssystem<br />

erweitern. Solche Verbindungen besitzen kein Chiralitätszentrum sondern nur eine<br />

Chiralitätsachse oder eine Chiralitätsebene. Mit diesen wollen wir uns jetzt kurz beschäftigen.<br />

64


H 3 C<br />

H<br />

C C C<br />

Cl<br />

H<br />

Chiralitätsachse<br />

Chiralitätsebene<br />

Axialchirale Verbindungen können noch nach dem schon eingeführten R/S-System benannt<br />

werden. Dabei geht man folgendermaßen vor:<br />

1. Den jeweils zwei Substituenten an den beiden Enden der Chiralitätsachse werden nach<br />

den altbekannten Regeln Prioritäten zugeordnet.<br />

H 3 C<br />

H<br />

C C C<br />

Cl<br />

H<br />

2<br />

Chiralitätsachse C C C<br />

1<br />

2'<br />

1'<br />

Nur die relative Priorität der Substituenten, die an einem Zentrum zusammenlaufen, ist<br />

entscheidend.<br />

2. Nun dreht man das Molekül so, daß man entlang der Chiralitätsachse schaut. Welches<br />

Ende nach vorne ragt, ist egal.<br />

H 3 C<br />

H<br />

C C C<br />

Cl<br />

H<br />

2<br />

Chiralitätsachse C C C<br />

1<br />

2'<br />

1'<br />

2'<br />

2<br />

1 2 '1 2'<br />

1'<br />

1<br />

3. Wenn die Drehung [Vorderer Substituent mit höherer Priorität], [Vorder Substituent mit<br />

geringerer Priorität], [Hinterer Substituent mit höherer Priorität] im Uhrzeigersinn erfolgt,<br />

besitzt das Molekül die R-Konfiguration. Bei Drehung im Gegenuhrzeigersinn ist es die S-<br />

Konfiguration.<br />

H 3 C<br />

H<br />

C C C<br />

Cl<br />

H<br />

2<br />

Chiralitätsachse C C C<br />

1<br />

2'<br />

1'<br />

2'<br />

2<br />

1 2 '1 2'<br />

1'<br />

1<br />

S<br />

Für axial und planar chirale Moleküle wurde zusätzlich eine neue P/M-Nomenklatur<br />

eingeführt. Diese funktioniert so:<br />

65


1. Man schaut entlang der Chiralitätsachse oder der Chiralitätsebene so, daß der Substituent<br />

mit der höchsten Priorität nach vorne und oben ragt.<br />

H 3 C<br />

H<br />

C C C<br />

Cl<br />

H<br />

Chiralitätsachse<br />

Chiralitätsebene<br />

Cl<br />

H<br />

CH 3<br />

H<br />

P<br />

M<br />

2. Jetzt verbindet man in einer Zick/Zack-Linie den Substituenten mit höchster Priorität mit<br />

dem Substituenten hinten mit höherer Priorität. Verläuft diese Zick/Zack-Linie nach<br />

rechts, nennt man die Konfiguration P. Verläuft sie nach links, nennt man sie M.<br />

Unsere Prioritätenregeln können im Übrigen auch angewendet werden, um bei geometrischen<br />

Isomeren zwischen E und Z zu unterscheiden.<br />

Cl<br />

H 3 C<br />

F<br />

H<br />

2<br />

1<br />

2'<br />

1'<br />

Cl<br />

H 3 C<br />

H<br />

CH 3<br />

2<br />

1<br />

1'<br />

2'<br />

Z<br />

E<br />

Es sei abschließend darauf hingewiesen, daß sich enantiomere Isomere in einer nicht chiralen<br />

Umgebung chemisch identisch verhalten. In einer chiralen Umgebung, wie sie in unserem<br />

Körper und in der Natur herrscht (Zucker, Aminosäuren, Eiweiße, Enzyme, DNA sind<br />

allesamt chirale Moleküle), verhalten sich Enantiomere wie komplett unterschiedliche<br />

Verbindungen.<br />

66


16. Alkohole und Thiole<br />

Kohlenwasserstoff, die anstelle eines H-Atoms eine –OH oder –SH Gruppe aufweisen werden<br />

Alkanole (-OH) bzw. Alkohole oder Alkanthiole (-SH) bzw. Alkylmercaptane genannt.<br />

Bezüglich der Namensgebung haben Alkanole und Alkanthiole eine höhere Priorität als alle<br />

andern bisher behandelten Stoffgruppen. Verbindungen, die neben der Alkoholfunktion noch<br />

eine Doppelbindung beinhalten werden etwa –enole genannt. Einige wichtige Alkohole sind<br />

unten abgebildet.<br />

OH<br />

OH<br />

OH<br />

OH<br />

OH<br />

Ethanol/<br />

Ethylalkohol<br />

Isopropanol/<br />

Isopropylalkohol<br />

tert.-Butanol<br />

tert.-Butylalkoholl Cyclohexanol Phenol<br />

SH<br />

SH<br />

SH<br />

Ethanthiol/<br />

Ethylmercaptan Cyclohexanthiol Thiophenol,<br />

nicht Phenthiol!<br />

16.1 Physikalische Eigenschaften, Wasserstoffbrückenbindungen<br />

Die nachstehende Tabelle enthält Siedepunkte veschiedener Halogenalkane, Alkohole und<br />

Thiole.<br />

Siedepunkt bei Normaldruck<br />

Methylmercaptan<br />

6.2°C<br />

Methylchlorid<br />

-24.2°C<br />

Methylbromid<br />

3.6°C<br />

Methylalkohol 65°C<br />

Ethylmercaptan 37°C<br />

Ethylchlorid<br />

12.3°C<br />

Ethylbromid<br />

38.4°C<br />

Ethylalkohol<br />

78.5°C<br />

67


Man erkennt deutlich, dass die vergleichbaren Alkohole trotz ihrer kleineren Molmasse<br />

deutlich die höchsten Siedepunkte aufweisen. Mercaptane verhalten sich in etwa wie die<br />

Alkylbromide. Der Grund für dieses Verhalten ist die Ausbildung von<br />

Wasserstoffbrückenbindungen im Falle der Alkohole. Die Stärke dieser Bindungsart liegt in<br />

der Größenordnung von 20 kJ/mol (chemische Bindungen liegen in der Größenordnung 400<br />

kJ/mol) eine Größenordnung höher als reine Van-der-Waals-Wechselwirkungen. In<br />

Mercaptanenn können sich wegen der deutlich geringeren Elektronegativität des Schwefels<br />

im Vergleich zum Sauerstoff keine Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden.<br />

O H O<br />

H<br />

S H S<br />

H<br />

Dieser Unterschied kann auch über das HSAB-Prinzip verstanden werden. Die hart/hart-<br />

Wechselwirkung zwischen Sauerstoff und dem positiv polarisierten Wasserstoff ist effektiver<br />

als die weich/hart-Wechselwirkung zwischen Schwefel und dem Wasserstoff.<br />

16.2 Acidität/Basizität<br />

Ein weitere Unterschied zwischen Alkoholen und Mercaptanen zeigt sich sowohl in ihrer<br />

Acidität (Potential, Protonen abzugeben) als auch in ihrer Basizität (Potential, Protonen<br />

aufzunehmen).<br />

Basizität<br />

Acidität<br />

pK s =-2<br />

H<br />

O H<br />

Ethoxonium-Ion<br />

+H + -H +<br />

O H<br />

O<br />

pK s =16<br />

Ethanolat<br />

-H +<br />

S H<br />

S<br />

Ethanthiolat<br />

pK s =10<br />

Alkohole verhalten sich dabei amphoter (können sowohl als Säure als auch aus Base<br />

fungieren), während Mercaptane deutlich sauerer sind als Alkohole und praktisch keine<br />

basischen Eigenschaften aufweisen. Wieder hilft das HSAB-Prinzip, diesen Sachverhalt zu<br />

verstehen. Die S-H-Bindung (weich/hart) ist einfach weniger stabil als die O-H-Bindung<br />

68


(hart/hart). Phenole hingegen zeigen in etwa dieselbe Acidität wie Mercaptane (pK s = 10).<br />

Dies liegt daran, dass in Phenolen die negative Ladung des entstehenden Anions Mesomeriestabilisiert<br />

ist.<br />

OH<br />

O<br />

pK s =10<br />

+ H +<br />

O O O<br />

16.3 Red/Ox-Verhalten<br />

Auch in ihrem RedOx-Verhalten unterscheiden sich Alkohole und Mercaptane beträchtlich.<br />

Bei der Oxidation der Alkohole muß zwischen primären (-CH 2 -OH), sekundären (-CRH-OH)<br />

und tertiären (-CR 2 -OH) Alkoholen unterschieden werden.<br />

H<br />

R<br />

H<br />

OH<br />

Dehydrierung<br />

-2H+, -2e -<br />

R<br />

H<br />

O<br />

[O]<br />

HO<br />

R<br />

O<br />

primärer Alkohol<br />

Aldehyd<br />

(Alcoholus Dehydrogenatus)<br />

Carbonsäure<br />

R<br />

R<br />

H<br />

OH<br />

Dehydrierung<br />

-2H+, -2e -<br />

R<br />

R<br />

O<br />

sekundärer Alkohol<br />

Keton)<br />

R<br />

R<br />

R<br />

OH<br />

keine Reaktion<br />

tertiärer Alkohol<br />

Hingegen verhalten sich Mercaptane bei der Oxidation anders.<br />

69


(R)H<br />

H(R)<br />

H<br />

R<br />

H<br />

SH<br />

Dehydrierung<br />

-2H+, -2e -<br />

R<br />

R<br />

(R)H<br />

S<br />

S<br />

H(R)<br />

[O]<br />

(R)H<br />

R<br />

H(R)<br />

O<br />

S<br />

O<br />

OH<br />

Disulfid<br />

Alkansulfonsäure<br />

Der Grund für den Unterschied kann in der Doppelbindungsregel gefunden werden. Die<br />

Umhybridisierung zu sp 2 -ist für höhere Vertreter als die der ersten Achter-Periode ungünstig<br />

(in der Sulfonsäure werden für die S=O-Doppelbindung d-Orbitale herangezogen (die s- und<br />

p-Orbitale sind schon für die vier Einfachbindungen „verbraucht“), so dass dies kein<br />

Widerspruch zu der eben formulierten Erklärung ist).<br />

16.4 Herstellung<br />

Alkohole können aus Alkenen formal durch Addition von Wasser erhalten werden. Geschieht<br />

dies in saurer wäßriger Lösung, so erhält man die internen Markovnikov Produkte. Diese<br />

Methode nennt man Hydratisierung von Alkenen.<br />

H<br />

O<br />

H<br />

H<br />

O<br />

R<br />

H + /H 2 O<br />

R<br />

H<br />

R<br />

H<br />

-H +<br />

R<br />

H<br />

Will man die entsprechenden terminalen Alkohole herstellen, dann muß man auf die<br />

Hydroborierung zurückgreifen.<br />

R<br />

H-BR 2<br />

R<br />

δ−<br />

H<br />

δ+<br />

BR 2<br />

R<br />

δ+<br />

δ−<br />

H<br />

BR 2<br />

R<br />

H<br />

BR 2<br />

H 2 O 2<br />

R<br />

OH<br />

HO-BR 2<br />

Eine dritte Methode bedient sich der S N 2-Reaktion von Halogenalkanen mit OH - -Ionen.<br />

Hierbei tritt die bereits erwähnte Schwierigkeit der Eliminierung als Seitenreaktion auf.<br />

R<br />

Cl OH - R<br />

OH<br />

+ Cl -<br />

Daher ist diese Methode auf primäre und bestenfalls sekundäre Alkohole beschränkt. Die<br />

analoge Reaktion kann auch für die Synthese von Thiolen verwendet werden (SH - anstatt von<br />

OH - ). Wegen der geringer ausgeprägten Basizität des HS — Ions sind hier<br />

Eliminierungsreaktionen weniger wahrscheinlich.<br />

70


16.5 Weitere Reaktionen<br />

Durch Protonierung kann die an sich schlechte OH-Abgangsgruppe in eine gute<br />

Abgangsgruppe verwandelt werden. Da die Basizität der Alkohole sehr gering ausgeprägt ist,<br />

benötigt man dafür sehr starke Säuren wie die Halogenwasserstoffsäuren. Für sekundäre und<br />

tertiäre Alkohole führt diese Reaktion zur Dehydratisierung (Umkehrung der Hydratisierung).<br />

Für primäre Alkohole erhält man die entsprechenden primären Halogenalkane durch S N 2-<br />

Reaktion.<br />

R<br />

OH H + R<br />

OH 2<br />

+<br />

+ Cl - R<br />

Cl<br />

+ H 2 O<br />

R<br />

H +<br />

R<br />

R<br />

-H +<br />

R<br />

OH<br />

OH 2<br />

+<br />

OH 2<br />

Ein weitere wichtige Reaktion von Alkoholen ist die Veresterung. Die Veresterung ist die<br />

Reaktion eines Alkohols mit einer Säure unter Abspaltung von Wasser.<br />

Säure + Alkohol → Ester + H 2 O<br />

Formal ist also die oben angeführte Reaktion von Halogenwasserstoffsäuren mit primären<br />

Alkoholen eine Veresterung. Typischer ist die Bildung von Estern mit Sauerstoff enthaltenden<br />

Säuren.<br />

R<br />

H<br />

OH<br />

O<br />

O<br />

N<br />

O<br />

H<br />

H<br />

O<br />

O<br />

N<br />

O<br />

O<br />

H 2 O<br />

O<br />

N<br />

O<br />

O<br />

Nitroglycerin ist etwa der Triester zwischen Glycerin und Salpetersäure.<br />

H 2 C<br />

O<br />

NO 2<br />

HC<br />

O<br />

NO 2<br />

H 2 C<br />

O<br />

NO 2<br />

71


Alkoholate, die Basen der Alkohole, stellen wichtige Reagenzien als Nukleophile und Basen<br />

dar. Sie werden durch Umsetzung mit NaH oder einfach Na erhalten.<br />

R<br />

OH<br />

+ NaH<br />

R<br />

O - Na + + H 2<br />

R<br />

OH<br />

+ Na<br />

R<br />

O - Na + + 0.5 H 2<br />

16.6 Diole<br />

Diole, bei denen die beiden Alkohol-Funktionen mindestens durch eine CH 2 -Gruppe getrennt<br />

sind, verhalten weitgehend wie einfache Alkohole. Sie zeichnen sich nur durch eine hohe<br />

Viskosität aus, die durch die Wasserstoffbrückenbindungen hervorgerufen wird. Eine<br />

Sonderstellung nehmen geminale und vicinale Diole ein.<br />

O<br />

+ H 2 O<br />

R<br />

R<br />

HO<br />

OH<br />

HO<br />

OH<br />

HO<br />

OH<br />

C<br />

R<br />

R<br />

geminales Diol<br />

cis-vicinal<br />

trans-vicinal<br />

Geminale Diole sind nur in wenigen Fällen stabil oder gar isolierbar. Fast immer ist die<br />

dehydratisierte Keto- oder Aldehydform stabiler. Wir werden dies bei den<br />

Carbonylverbindungen erklären und verstehen. Vicinale (benachbarte) Diole können in cisund<br />

trans-Konfiguration auftreten. Sie bilden intramolekulare Wasserstoffbrücken aus, bei<br />

denen günstige 5-Ringe gebildet werden. Daher sind die sonst energiereichen gauche-<br />

Konformationen in Diolen bevorzugt.<br />

Cl<br />

Cl<br />

Cl<br />

OH<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

Cl<br />

OH<br />

72


16.7 Herstellung vicinaler Diole<br />

Vicinale Diole werden aus Alkenen hergestellt. Die cis-Konfiguration wird über eine<br />

konzertierte Reaktion mit dem starken Oxidationsmittel OsO 4 erreicht.<br />

O<br />

Os<br />

O<br />

O<br />

Os<br />

O<br />

O<br />

Os<br />

O<br />

2 H 2 O<br />

OH<br />

(HO) 2 OsO 2<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

OH<br />

Die trans-Diole werden über Epoxide zugänglich:<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

CF 3<br />

O<br />

CF 3<br />

O<br />

CF 3<br />

O OH - S N 2<br />

OH<br />

H 2 O<br />

OH<br />

O -<br />

OH<br />

Ein bezüglich der Stereochemie unselektive Synthese kann über Carbonylverbindungen<br />

reduktiv mittels Magnesium erfolgen.<br />

Mg<br />

Mg<br />

Mg<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

2 H 2 O<br />

HO<br />

OH<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

+ Mg(OH) 2<br />

O<br />

O<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

16.8 Reaktionen vicinaler Diole<br />

Vicinale Dioel zeigen gegenüber anderen Diolen besondere Reaktivitäten. Zwei Reaktionen<br />

seien im Speziellen genannt.<br />

Die erste Reaktion ist die Diolspaltung. Es handelt sich dabei um die Rückreaktion der<br />

letztgenannten Diol-Synthese, nur dass anstelle eines starken Reduktionsmittels ein starkes<br />

Oxidationsmittel eingesetzt wird.<br />

73


R<br />

HO<br />

R<br />

OH<br />

R<br />

R<br />

HO<br />

O<br />

+ PbO 2<br />

R<br />

R<br />

Pb<br />

OH<br />

O<br />

R<br />

R<br />

H<br />

R<br />

O<br />

R<br />

O<br />

H<br />

Pb<br />

O<br />

O<br />

R<br />

R<br />

R<br />

O<br />

PbO + H 2 O<br />

R<br />

R<br />

O<br />

R<br />

Die zweite Raktion ist die Pinakolspaltung und zeigt, wie vicinale Alkohole mit starken<br />

Säuren reagieren.<br />

R<br />

HO<br />

R<br />

OH<br />

R<br />

R<br />

+ H + HO<br />

R<br />

R<br />

H<br />

O<br />

R<br />

R<br />

H<br />

R<br />

HO<br />

R<br />

H<br />

H<br />

O<br />

R<br />

R<br />

Mehrwein-Wagner<br />

Umlagerung<br />

HO<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

O<br />

R<br />

R<br />

-H +<br />

H<br />

O<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

R<br />

Die Triebkraft ist hier der +-M-Effekt des OH-Gruppe, analog zu dem bereits bei Aromaten<br />

Gelernten. Dieser +-M-Effekt ist stärker als der hyperkonjugative Effekt der Alkylgruppen<br />

(auch in Einklang mit der Aromatenchemie).<br />

17. Ether und Thioether/Sulfide<br />

Wird der verbleibende Wasserstoff an den Alkoholen und Thiolen durch eine weitere<br />

Alkylgruppe ersetzt, dann erhält man als neue Stoffgruppen Ether und Thioether. Letztere<br />

werden als Sulfide bezeichnet.<br />

Die Benennung erfolgt über die Alkylgruppen.<br />

O<br />

Diethylether<br />

S<br />

Diethylsulfid<br />

O<br />

Ethyl-isopropylether<br />

S<br />

Ethyl-propylsulfid<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

1,2-Dimethoxyethan<br />

Tetrahydrofuran (THF)<br />

Oxiran, Epoxid<br />

Die O-Alkylgruppe wird häufig auch als Alkoxy-Gruppe bezeichnet. Ringförmige Ether<br />

erhalten spezielle Benennungen. Zwei wichtige ringförmige Ether sind oben abgebildet.<br />

74


17.1 Physikalische Eigenschaften<br />

Bezüglich ihrer Siedepunkte ähneln die Ether den analogen Alkanen und nicht den Alkohlen,<br />

die deutlich höher sieden. Der Grund ist, dass durch die Funktionalisierung der zweiten O-H-<br />

Gruppe in Ethern keine Wasserstoffbrückenbindung mehr geknüpft werden kann. Zwar sind<br />

Ether durch die zwei C-O-Bindungen mäßig polar. Jedoch sind die freien Elektronenpaare des<br />

Sauerstoffs weniger leicht polarisierbar als die Elektronen der C-H-Bindungen in Alkanen.<br />

Daher haben beide in etwa dieselben Siedepunkte. Ether liegen wegen ihrer geringen aber<br />

vorhandenen Polarität an der Schnittstelle als Lösemittel sowohl für polare (Alkohole, jedoch<br />

nicht Wasser) als auch für unpolare (Alkane) Verbindungen. Durch die Lewis-Basizität der<br />

freien Elektronenpaare des Sauerstoffs könne Ether zwar selbst keine<br />

Wasserstoffbrückenbindungen aufbauen, wohl aber mit polaren X-H-Bindungen gelöster<br />

Substanzen eine Wasserstoffbrückenbindung bilden.<br />

17.2 Herstellung<br />

Ether aus primären Alkylgruppen können im stark Sauren aus den Alkoholen hergestellt<br />

werden.<br />

OH<br />

HO<br />

H + OH 2 HO<br />

O<br />

H<br />

+ H 2 O<br />

O<br />

+ H 3 O<br />

Für die Herstellung von Ethern mit sekundären und tertiären Alkylgruppen eignet sich diese<br />

Methode nur bedingt, da Eliminierungs- und Umlagerungsprozesse als Nebenreaktionen<br />

auftreten.<br />

Die klassische Synthese von Ethern, die analog auch auf die Synthese von Sulfiden<br />

übertragen werden kann, ist die Williamsonsche Ethersynthese aus den Alkoholaten.<br />

OH<br />

+ NaH<br />

O - Na + + H 2<br />

Br<br />

O - Na +<br />

S N 2<br />

O<br />

+ NaBr<br />

Die Williamsonsche Ethersynthese verläuft im Allgemeinen nach einem SN2-Mechanismus.<br />

Dennoch stellt das Alkoholat eine starke Base dar, so dass Eliminerungen als<br />

Nebenreaktionen mit einkalkuliert werden müssen.<br />

75


17.3 Reaktionen<br />

Ein weiterer Aspekt, der Ether als Lösemittel so wertvoll macht, ist dass sie recht<br />

reaktionsträge sind. Zwei Reaktionen, die mit sehr starken Säuren und die mit sehr starken<br />

Basen, sollen hier trotzdem erwähnt werden, wobei betont wird, dass die Ether wirklich nur<br />

mit sehr starken Säuren oder Basen reagieren und unter den meisten Bedingungen inert sind.<br />

Starke Säuren; Etherspaltung:<br />

O<br />

HI<br />

O<br />

H<br />

+ I - OH I<br />

Starke Basen; Wittig-Umlagerung:<br />

H<br />

Li<br />

Li<br />

O<br />

O<br />

O<br />

Li<br />

17.4 Cyclische Ether, Oxirane<br />

Oxirane, also Ether in Dreiringen, weisen durch ihre Ringspannung erhöhte Reaktivität auf.<br />

Bei ihnen kann es durch Nukleophile zur Ringöffnung kommen.<br />

O<br />

+ Nu<br />

Nu<br />

O<br />

Bei unsymmetrischen Oxiranen erfolgt, basisch katalysiert, der Angriff des Nukleophils<br />

regioselektiv am weniger substituierten Kohlenstoff. Säurekatalysiert wird das höher<br />

sbustituierte Kohlenstoffatom angegriffen (stabileres Carbokation).<br />

O<br />

+ Nu<br />

Nu<br />

O<br />

O + H + O H + HNu HNu<br />

OH<br />

H<br />

Nu<br />

OH<br />

76


Ethylenoxid und Propylenoxid können auf diese Weise zu Polyethylenoxid (PEO) und<br />

Polypropylenoxid (PPO) kationisch wie auch anionisch Ring-öffnend polymerisiert werden.<br />

O<br />

O<br />

+ Nu<br />

Initiation Nu<br />

Polymerisation Nu<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

+ H<br />

O H<br />

Initiation Polymerisation HO<br />

O<br />

O<br />

18. Halogenalkane revisited; die Grignard-Reaktion<br />

Eine spezielle und sehr wichtige Reaktion von Halogenalkanen, die bisher unberückschtigt<br />

geblieben ist, ist die Reaktion mit elementarem Magnesium. Dies wird Grignard-Reaktion<br />

genannt.<br />

R<br />

δ+<br />

δ−<br />

X<br />

Et 2 O<br />

+ Mg R<br />

δ−<br />

O<br />

Mg<br />

δ+<br />

X<br />

O<br />

Das Magnesium wird dabei in die C-X-Bindung eingeschoben, wobei sich die Polarisation am<br />

Kohlenstoffatom von δ+ auf δ− ändert. Man spricht daher auch von Umpolung. Aus einem<br />

Elektrophil wird ein Nukleophil erzeugt. Die Grignardverbindung ist allerdings nur mit<br />

stabilisierenden Lewisbasen, im allgemeinen Ethermoleküle, lager- und handhabbar. Diese<br />

Reaktion ist sehr allgemein anwendbar für die Halogene Cl, I und Brom. Sie funktioniert für<br />

primäre, sekundäre und tertiäre Alkylhalogenide und auch für an sp 2 -Zentren gebundene<br />

Halogene wie Halogenaromaten.<br />

77


19. Amine, Aminoalkane<br />

Amine enthalten als funktionales Element eine R-NR 2 -Gruppe. Die Benennung einfacher<br />

Amine erfolgt analog zu den Ethern.<br />

Ethylamin Diethylamin Triethylamin<br />

NH 2 N<br />

H<br />

N<br />

primär sekundär tertiär<br />

Kompliziertere Amine werden häufig über die Aminoalkan-Nomenklatur bezeichnet.<br />

2-Aminopentan<br />

2-(N-Methyl-amino)pentan<br />

2-(N,N-Dimethyl-amino)pentan<br />

NH 2<br />

NH<br />

N<br />

primär sekundär tertiär<br />

Amine werden als primär bezeichnet, wenn zwei Wasserstoffatome am Stickstoff gebunden<br />

sind. Sie heißen sekundäre Amine, wenn nur ein Wasserstoff am Stickstoff gebunden ist.<br />

Tertiäre Amine besitzen gar keine N-H-Bindung mehr.<br />

19.1 Physikalische Eigenschaften<br />

Die physikalischen Eigenschaften der Amine sind von der Fähigkeit geprägt,<br />

Wasserstoffbrückenbindungen zu bilden. Dies ist für primäre und sekundäre Amine möglich,<br />

für tertiäre Amine jedoch nicht, da sie keine polare N-H-Bindung besitzen. Daher sieden<br />

isomere primäre Amine (zwei Wasserstoffbrückenbindungen möglich) höher als isomere<br />

sekundäre Amine (eine Wasserstoffbrückenbindung möglich, sterisch abgeschirmt) und diese<br />

wiederum höher als isomere tertiäre Amine (keine Wasserstoffbrückenbindung mehr<br />

möglich).<br />

7.5°C 17°C<br />

H<br />

N<br />

NH 2<br />

N NH 2<br />

3°C 49°C<br />

78


19.2 Säure/Base-Verhalten<br />

Primäre und sekundäre Amine sind genau wie Alkohole Amphotere, können also als Säure<br />

und als Base fungieren. Amine stellen deutlich stärkere Basen dar als Alkohole und deutlich<br />

schwächere Säuren (tertiäre Amine ausgenommen, die nicht als Säure fungieren können).<br />

+ H +<br />

+ H +<br />

NH - pK s =35<br />

NH 2<br />

pK s = 9<br />

+<br />

NH 3<br />

Wie die Phenole zeigen die Aniline ein abweichendes Säure/Base-Verhalten:<br />

NH 2 NH 3<br />

+ H +<br />

NH 2 NH 2<br />

NH 2<br />

pK s ist 5<br />

Aniline sind folglich schwächere Basen als Aminoalkane, weil das freie Elektronenpaar durch<br />

Delokalisierung in den Benzolring schlechter für eine Protonierung zugänglich ist.<br />

19.3 Herstellung<br />

Die Herstellung von Aminen erfolgt entweder durch Umsetzung von Halogenalkanen mit<br />

Ammoniak oder über die Gabrielsynthese. Herstellungsverfahren über Carbonylverbindungen<br />

werden später besprochen.<br />

79


Cl<br />

NH 3<br />

NH 3<br />

Cl - H 2 O<br />

NH 2<br />

Cl -<br />

H 3 O<br />

Cl<br />

N<br />

N<br />

N<br />

H<br />

Bei der Umsetzung von Halgeonalkanen mit Ammoniak ist die Überalkylierung ein Problem,<br />

da die erzeugten substituierten Amine nukleophiler sind als die Ausgangsamine und daher in<br />

der S N 2-Reaktion bevorzugt reagieren. Die Überalkylierung kann durch die Gabrielsynthese<br />

verhindert werden.<br />

O<br />

O<br />

O<br />

Cl -<br />

NH<br />

+ NaOH<br />

N<br />

Cl<br />

N<br />

O<br />

O<br />

O<br />

H 2 O<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

H 2 N<br />

O<br />

80


20. Carbonyl-Verbindungen<br />

Carbonyl-Verbindungen enthalten als charakteristisches Strukturelement eine C=O-<br />

Doppelbindung. Wir müssen diese wie bei den Halogenalkanen zusammen mit der β-CH-<br />

Einheit betrachten.<br />

acid<br />

O<br />

O<br />

nukleophil<br />

H<br />

H<br />

C<br />

R<br />

C<br />

R<br />

elektrophil<br />

Diese Funktionalität zeigt wegen der Vielzahl an unterschiedlichen Eigenschaften eine<br />

interessante Chemie. Der Sauerstoff ist nukleophil. Das Carbonyl-Kohlenstoffatom ist<br />

elektrophil. Ein in β-Position plaziertes Wasserstoff zeigt beachtliche Acidität.<br />

Durch den Substituenten R am Carbonylkohlenstoffatom kann die Stärke der positiven<br />

Ladung an diesem Kohlenstoffatom eingestellt werden. Je höher diese Ladung ausgeprägt ist,<br />

desto elektrophiler wird das Carbonylkohlenstoffatom und desto acider wird das β-<br />

Wasserstoff. Wir können unser Wissen aus der Aromatenchemie direkt eins zu eins auf die<br />

Carbonylverbindungen übertragen, um zu entscheiden, welchen Effekt in Summe ein Rest R<br />

ausüben wird.<br />

reactivity towards nucleophiles increases<br />

Caboxylate<br />

Amide Ester Carboxylic acid Anhydride Ketone Aldehyde Acid chloride<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

NR 2<br />

O<br />

Alk<br />

O<br />

H<br />

O<br />

Alk<br />

H<br />

Cl<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

NR 2<br />

O<br />

Alk<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

81


Bei einem –NR 2 -Rest überwiegt etwa der +M-Effekt den –I-Effekt. Bei einem –Halogen-Rest<br />

ist es genau umgekehrt.<br />

20.1 Ketone/ Aldehyde<br />

Wenn der Rest -R an der Carbonylfunktion ein Alkyl- oder Aryl-Rest ist, bezeichnet man die<br />

Verbindung als Keton. Ketone werden systematisch als Alkanone benannt. Ist der Rest –R ein<br />

Wasserstoff, so wird die Verbindung als Aldehyd (Alcoholus Dehydrogenatus) bezeichnet.<br />

Diese erhalten als systematischen Namen die Benennung Alkanale.<br />

O<br />

Propanon<br />

Aceton<br />

H<br />

O<br />

H<br />

Methanal<br />

Formaldehyd<br />

O<br />

2-Butanon<br />

Methyl-Ethyl-Keton<br />

H<br />

O<br />

Ethanal<br />

Acetaldehyd<br />

O<br />

O<br />

Acetophenon<br />

H<br />

Benzaldehyd<br />

O<br />

Benzophenon<br />

Bezüglich des Siedepunktes liegen Aldehyde und Ketone höher als vergleichbare Ether aber<br />

niedriger als vergleichbare Alkohole, weil sie zwar stark polar sind, aber keine<br />

Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden können.<br />

Vergleich der Siedepunkte bei Normaldruck verschiedener Verbindungen<br />

Butan 58 g/mol 0°C<br />

Methyl-Ethylether 60 g/mol 8 °C<br />

Propanal 58 g/mol 49°C<br />

Propanon 58 g/mol 56°C<br />

n-Propanol 60 g/mol 97°C<br />

Essigsäure 60 g/mol 118°C<br />

82


Säure/Base-Verhalten<br />

Ketone und Aldehyde können über ihr Carbonylsauerstoff basisch reagieren und, wenn sie ein<br />

β-Wasserstoff besitzen auch für eine C-H-Bindung beachtliche saure Eigenschaften zeigen.<br />

C<br />

O<br />

O<br />

O<br />

+H + H +H + H<br />

C<br />

C R<br />

C R<br />

R pK s = 16-17<br />

pK s = -8<br />

O<br />

H<br />

R<br />

H<br />

C<br />

O<br />

H<br />

R<br />

Ketone und Aldehyde sind etwa so acide wie Alkohole aber deutlich weniger basisch. Dies ist<br />

darauf zurückzuführen, daß bei Alkoholen ein sp 3 -hybridisiertes freies Elektronenpaar<br />

protoniert wird, bei Aldehyden und Ketonen jedoch ein sp 2 -hybridisiertes.<br />

Keto/Enol-Tautomerie<br />

Ausgehend von den mesomeren Grenzstrukturen des deprotonierten Aldehyds oder Ketons ist<br />

der Schritt zur Keto-Enol-Tautomerie nicht weit.<br />

H<br />

O<br />

H<br />

O<br />

C<br />

R<br />

C<br />

R<br />

Enol-Form<br />

Keto-Form<br />

In den meisten Fällen liegt dieses Gleichgewicht fast vollständig auf der Seite der Keto-Form.<br />

Dies liegt an er hohen Stbilität der C=O-Doppelbindung. Durch intramolekulare<br />

Wasserstoffbrückenbindung (auch durch intermolekulare mit dem Lösemittel) oder<br />

Aromatisierung kann das Gleichgewicht erheblich auf die Seite der Enolform verschoben<br />

werden.<br />

83


Keto-Form<br />

H<br />

C<br />

O<br />

R<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

Enol-Form<br />

C<br />

R<br />

O<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

Eine spezielle Form der Keto-Enol-Tautomerie tritt in β-Hydroxy-aldehyden auf.<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

O<br />

HO<br />

H<br />

C<br />

H<br />

HO<br />

C<br />

H<br />

O<br />

C<br />

H<br />

R<br />

R<br />

R<br />

Aldehyd<br />

Keton<br />

In diesem Falle kommt es zur Keton/Aldehyd-Isomerisierung.<br />

20.1.1 Ketone/Aldehyde und Wasser; Hydratisierung<br />

Die Elektrophilie der Carbonylgruppe zeigt sich in ihrer Reaktion mit Wasser, bei der Hydrate<br />

gebildet werden.<br />

H<br />

H<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

O<br />

-H + +H + C<br />

C<br />

R<br />

O<br />

H<br />

H<br />

C<br />

H<br />

O<br />

R<br />

H<br />

C<br />

O<br />

R<br />

H<br />

R<br />

O<br />

H<br />

Carbonyl-Hydrat<br />

84


Je elektrophiler das Carbonylkohlenstoff ist, desto stärker liegt das Gleichgewicht der<br />

Hydratbildung auf der Seite des Hydrates und umgekehrt.<br />

H<br />

Cl<br />

O<br />

K=10 4<br />

Cl<br />

O<br />

Cl<br />

Cl<br />

C<br />

H<br />

O<br />

H<br />

H<br />

Cl<br />

Cl<br />

C<br />

O<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

O<br />

K=10 3<br />

H<br />

H<br />

O<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H 3 C<br />

H<br />

O<br />

H<br />

H<br />

K=10 1<br />

H 3 C<br />

O<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H 3 C<br />

CH 3<br />

O<br />

H<br />

H<br />

K=10 -2<br />

H 3 C<br />

O<br />

CH 3<br />

H<br />

20.1.2 Reaktion von Alkoholen mit Aldehyden und Ketonen: Acetalbildung<br />

Der nukleophile Angriff eines Alkohols auf ein Keton oder Aldehyd ist der erste Schritt in der<br />

Bildung eines Acetals, das Endprodukt der Reaktion dieser beiden Verbindungen. Wie im<br />

Reaktionsschema ersichtlich, wird die Reaktion durch Säuren katalysiert und die entstehenden<br />

Acetale sind stabil gegenüber Basen wie OH - .<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

Alk<br />

O<br />

O<br />

H<br />

+H + O<br />

O<br />

H<br />

H<br />

-H + O<br />

O<br />

H<br />

Alk<br />

Alk<br />

Alk<br />

Alk<br />

Alk<br />

+H +<br />

O<br />

O<br />

Alk<br />

-H +<br />

O<br />

O<br />

H<br />

Alk<br />

Alk<br />

O<br />

H<br />

O<br />

Alk<br />

O<br />

Alk<br />

-H 2 O<br />

O<br />

O<br />

H<br />

H<br />

Alk<br />

85


Die Reaktion ist eine Gleichgewichtsreaktion. Triebkraft ist die Freisetzung von Wasser, das<br />

oft abgefangen wird, um das Gleichgewicht auf die Seite des Acetals zu verschieben.<br />

20.1.3 Reaktion von Aminen mit Aldehyden und Ketonen: Imine<br />

Wenn ein primäres (zwei Wasserstoffe gebunden) Amin mit einem Aldehyd oder Keton<br />

reagiert, resultiert daraus ein Imin mit einer C=N Doppelbindung. Ein sekundäres Amin (nur<br />

ein Wasserstoff gebunden) bildet in dieser Reaktion ein Diaminal. Ein tertiäres Amin (kein<br />

Wasserstoff gebunden) zeigt keine sichtbare nukleophile Reaktion mit Ketonen und<br />

Aldehyden, aber es kann mit diesen Funktionalitäten in einer Säure/Basereaktion reagieren,<br />

wie später noch gezeigt wird.<br />

O<br />

Alk<br />

Alk<br />

N<br />

N<br />

Alk Alk<br />

H Alk<br />

O<br />

N<br />

H;Alk<br />

Alk<br />

Alk<br />

N<br />

-H + H<br />

N<br />

Alk Alk<br />

Alk<br />

Alk<br />

N<br />

H<br />

Alk,H<br />

N<br />

O<br />

Alk<br />

H<br />

N<br />

+H + O<br />

H<br />

H<br />

N<br />

Alk;H<br />

Alk<br />

H,Alk<br />

H,Alk<br />

N<br />

Alk<br />

Alk<br />

-H + O<br />

H<br />

N<br />

H,Alk<br />

Alk<br />

+H +<br />

H<br />

-H 2 O<br />

O<br />

H<br />

N<br />

H,Alk<br />

-H +<br />

Alk<br />

N<br />

Erneut ist das Entfernen von Wasser notwendig, um das Gleichgewicht auf die Seite der<br />

Produkte zu schieben. Eine C=N ist stabiler als zwei C-N Einfachbindungen. Das ist der<br />

Grund dafür, daß mit primären Aminen keine Diaminale sondern ausschließlich Imine<br />

gebildet werden. Wie im Falle der Acetale wird die Bildung der Aminale und Imine durch<br />

Säuren katalysiert. Imine sind recht Hydrolyse-empfindlich.<br />

Alk<br />

86


20.1.4 Ketone/Aldehyde und Grignard-Verbindungen<br />

Grignard-Verbindungen können Aldehyde und Ketone nukleophil am<br />

Carbonylkohlenstoffatom angreifen. Dabei entstehen aus den Carbonylverbindungen<br />

Alkohole.<br />

O<br />

O<br />

MgCl<br />

O<br />

MgCl<br />

H 2 O<br />

O<br />

H<br />

Mg(OH)Cl<br />

20.1.5 Reduktion von Ketonen/Aldehyden<br />

Analog können Ketone und Aldehyde mittels Metallhydriden reduziert werden. Wiederum<br />

entstehen Alkohole dabei.<br />

H<br />

O<br />

O<br />

O<br />

AlH 4 AlH 3<br />

H 2 O<br />

O<br />

H<br />

H<br />

Eine spezielle Form der Reduktion von Ketonen hatten wir im Zusammenhang mit der<br />

Friedel/Crafts-Acylierung kennengelernt, die Wolf/Kishner-Reduktion.<br />

O<br />

+Hydrazin<br />

-H 2 O, -N 2<br />

Scauen wir uns jetzt an, ob wir diese Reaktion inzwischen besser verstehen können. Hydrazin<br />

ist H 2 N-NH 2 . Es reagiert mit einem Keton, ähnlich wie ein primäres Amin zum Imin, zu<br />

einem Hydrazon.<br />

87


NH 2<br />

NH<br />

O<br />

+H 2 N-NH 2<br />

N<br />

Tautomerisierung<br />

N<br />

H<br />

Hydrazon<br />

OH -<br />

N<br />

N<br />

N<br />

N<br />

H<br />

H 2 O<br />

OH<br />

Das Hydrazon kann ähnlich wie Ketone tautomerisieren (Tautomerisierung: Isomerisierung<br />

durch Verschiebung kleiner Molekülgruppen, im allgemeinen von Wasserstoffatomen). Das<br />

so gebildete recht stark azide Wasserstoff am endständigen Stickstoff wird von Hydroxid-<br />

Ionen, die z. B. in Form von NaOH zugegeben werden, deprotoniert. Aus dem so gebildeten<br />

Anion kann ähnlich wie bei den Diazo-Verbindungen gasförmiger Stickstoff austreten, wobei<br />

ein mesomeristabilisertes Carbanion ensteht, das von Wasser protoniert wird.<br />

20.1.6 Ketone/Aldehyde und Ketone/Aldehyde<br />

Zwei Aldehyde/Ketone, von denen mindestens eines ein β-Wasserstoff besitzt, können in<br />

einer Aldol-Addition miteinander reagieren und letztendlich, wenn sogar zwei β-Wasserstoffe<br />

vorhanden sind, in einer Aldol-Kondensation. Diese Reaktion zeigt insbesondere die<br />

Reaktivität von Carbonylverbindungen, und zwar ihre Elektrophilie, gekoppelt mit ihren<br />

aciden Eigenschaften.<br />

88


O<br />

H<br />

OH<br />

O<br />

H<br />

H<br />

O<br />

O<br />

Alk<br />

O<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

OH<br />

O<br />

O<br />

O<br />

Alk<br />

O<br />

O -OH -<br />

O<br />

OH<br />

O<br />

OH<br />

Es hängt von der Menge und Stärke der eingesetzten Base ab (die in katalytischer Menge<br />

eingesetzt werden kann) und auch von der Reaktionstemperatur, ob die Addition oder die<br />

Kondensation stattfindet. Die Triebkraft dieser Reaktion ist die Bildung zweier konjugierter<br />

Doppelbindungen, die Mesomerie-stabilisiert sind. Wenn ein Aldehyd mit einem Keton<br />

reagiert, fungiert das Aldehyd bevorzugt als Elektrophil, während das Keton bevorzugt als<br />

deproniertes Nukleophil fungiert.<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

more reactive<br />

more stable<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

H 3 C<br />

H 3 C<br />

H 3 C<br />

H 3 C<br />

.<br />

Die Aldol-Reaktion kann auch Säure-katalysiert ablaufen. Als Nukleophil fungiert dann die<br />

Enolform der Carbonylverbindung.<br />

89


Aldoladdition<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

O<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

O<br />

H<br />

minus H<br />

O<br />

Aldolkondensation<br />

OH 2<br />

O<br />

OH 2<br />

O<br />

Die Weiterreaktion nach der Aldoladdition zur Aldolkondensation ist im Sauren<br />

wahrscheinlicher als im Basischen und meist nicht zu verhindern.<br />

20.2 Carbonsäurederivate<br />

Unter Carbonsäurederivaten faßt man insbesondere die fünf Verbindungsgruppen,<br />

Carbonsäure, Carbonsäureester, Carbonsäureamid, Carbonsäureanhydrid und<br />

Carbonsäurehalogenid zusammen.<br />

H<br />

O<br />

R<br />

X<br />

Heteroatom, also nicht C oder H<br />

H<br />

R<br />

O H O H O H O<br />

H O<br />

O<br />

NAlk 2 R OAlk R OH R O<br />

R Cl<br />

Amid<br />

R<br />

Ester Carbonsäure Anhydrid Säurechlorid<br />

Carbonylreaktivität steigt<br />

Acidität von Carbonsäurederivaten<br />

Carbonsäuren selbst sind mittelstarke Säuren mit einem pK s von etwa 4.5. Deprotoniert wird<br />

die COOH-Funktion. Das entstehende Anion ist mesomeristabilisiert. Daher sind<br />

Carbonsäuren stärker acide als Alkohole (auch wegen der positiven Ladung am<br />

Carbonylkohlenstoff).<br />

90


H<br />

R<br />

O<br />

OH<br />

pK s =4.5<br />

H<br />

R<br />

O<br />

O<br />

R<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H +<br />

Ester weisen nur eine Acidität über ihr β-Wasserstoff auf, falls vorhanden. Dieses ist mit pK s<br />

= 25 deutlich weniger acide als in Ketonen und Aldehyden (geringere positive Partialladung<br />

am Carbonylkohlenstoff).<br />

H<br />

R<br />

O<br />

OR<br />

pK s =25<br />

R<br />

O<br />

OR<br />

H<br />

O<br />

OR<br />

H +<br />

Eine vergleichbare Acidität gilt für Amide ohne N-H-Bindung mit β-Wasserstoff. AMide mit<br />

N-H-Bindung werden bevorzugt dort deprotoniert (pK s = 15).<br />

H<br />

R<br />

O<br />

NR 2<br />

pK s =25<br />

O<br />

O<br />

R NR 2 H NR 2<br />

H +<br />

H<br />

R<br />

O<br />

NHR<br />

pK s =15<br />

H<br />

R<br />

O<br />

NR<br />

R<br />

H<br />

O<br />

NR<br />

H +<br />

20.2.1 Carbonsäurederivate und Amine<br />

Alle Carbonsäurederivate reagieren mit primären oder sekundären Aminen zu den<br />

entsprechenden Carbonsäureamiden.<br />

X<br />

O<br />

X<br />

O<br />

H<br />

N<br />

R<br />

Alk<br />

X<br />

O<br />

NR<br />

Alk<br />

H<br />

X<br />

O<br />

NR<br />

Alk<br />

H<br />

O<br />

-H + NR<br />

X<br />

Alk<br />

91


Tertiäre Amine reagieren nur mit den sehr reaktiven Anhydriden oder Säurechloriden.<br />

X<br />

OCOR<br />

Cl<br />

O<br />

X<br />

O<br />

R<br />

N<br />

R<br />

Alk<br />

X<br />

O<br />

NR<br />

Alk<br />

H<br />

X<br />

O<br />

NR<br />

Alk<br />

R<br />

20.2.2. Carbonsäurederivate und Alkohole<br />

Wenn eine carboxylische Carbonylverbindung mit einem Alkohol reagiert, unterscheidet sich<br />

das Verhalten von dem für Ketone und Aldehyde. Dies kommt daher, daß im Falle der<br />

carboxylischen Carbonylverbindungen eine potentielle Abgangsgruppe direkt an die<br />

Carbonylfunktion gebunden ist, die in Ketonen und Aldehyden fehlt.<br />

X<br />

O<br />

X<br />

O<br />

H<br />

O<br />

Alk<br />

X<br />

O<br />

O<br />

Alk<br />

H<br />

X<br />

O<br />

O<br />

Alk<br />

H<br />

O<br />

-H + O<br />

X<br />

Alk<br />

Diese Reaktion kann durch Säuren (Protonierung des Carbonylsauerstoffs) und durch Basen<br />

(Deprotonierung des Intermediats) katalysiert werden. Carbonsäureamide werden von<br />

Alkoholen nicht angegriffen.<br />

20.2.3 Carbonsäurederivate und Wasser<br />

Alle Carbonsäurederivate außer die Amide reagieren mit Wasser unter Bildung der<br />

entsprechenden Carbonsäure.<br />

X<br />

O<br />

X<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

X<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

X<br />

O<br />

O<br />

H<br />

H<br />

O<br />

-H + O<br />

X<br />

H<br />

O<br />

H<br />

X<br />

O<br />

92


20.2.4 Carbonsäurederivate und Grignard-Verbindungen<br />

Alle Carbonsäurederivate außer die Amide reagieren mit Grignard-Verbindungen in zwei<br />

Stufen über das entsprechende Keton zu einem tertiären Alkohol.<br />

X<br />

O<br />

X<br />

O<br />

R<br />

C<br />

H 2<br />

MgCl<br />

X<br />

O<br />

MgCl<br />

CH 2 R<br />

X<br />

O<br />

CH 2 R<br />

R<br />

C<br />

H 2<br />

MgCl<br />

RH 2 C<br />

O<br />

CH 2 R<br />

20.2.5 Reduktion von Carbonsäurederivaten<br />

Außer den Amiden reagieren alle Carbonsäurederivate mit LiAlH 4 zu den entsprechenden<br />

primären Alkoholen.<br />

X<br />

O<br />

X<br />

O<br />

AlH 4<br />

O<br />

X<br />

O<br />

H<br />

H<br />

X<br />

H<br />

O<br />

H<br />

Amide werden durch LiAlH 4 zu den entsprechenden Aminen reduziert.<br />

R 2 N<br />

O<br />

R 2 N<br />

O<br />

AlH 3<br />

O<br />

AlH 4<br />

R 2 N<br />

H<br />

R 2 N<br />

H<br />

O<br />

AlH 3<br />

R 2 N<br />

O<br />

H<br />

H<br />

AlH 2<br />

Amide sind einfach zu schlechte Abgangsgruppen, stabilisieren aber andererseits die<br />

intermediär gebildete positive Ladung vorzüglich.<br />

93


20.2.6 Carbonsäurederivate und Carbonylverbindungen<br />

Ester mit mindestens einem β-Wasserstoff relativ zur Carbonylfunktion reagieren miteinander<br />

in einer Claisen-Kondensation. Wie vorher ist die Existenz einer Abgangsgruppe direkt an der<br />

Carbonylfunktion der Grund für ein unterschiedliches Reaktionsverhalten als bei Aldehyden<br />

und Ketonen.<br />

X<br />

O<br />

H<br />

H<br />

X<br />

O<br />

O<br />

Alk<br />

X<br />

O<br />

O<br />

X<br />

O<br />

O<br />

O<br />

H<br />

X<br />

X<br />

O<br />

O<br />

H<br />

X<br />

O<br />

X<br />

X<br />

O<br />

Alk<br />

X<br />

X<br />

X<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

Zwei Äquivalente an Base sind notwendig, um das Gleichgewicht auf die Seite der Produkte<br />

zu schieben. Die Triebkraft ist die Bildung eines Mesomerie-stabilisierten Anions. Also,<br />

während zwei Ketone/Aldehyde zu einer 1,3-O=C-C=C Funktion reagieren, erzeugen zwei<br />

Ester eine 1,3-Dicarbonylfunktion.<br />

Wenn die X-Gruppe ein Ester ist, dann kann diese nach der Claisen Kondensation<br />

hydrolysiert werden und die freie Carboxylfunktion in 3-Position zu einer anderen Carbonyl<br />

Funktion kann thermisch decarboxyliert werden.<br />

RO<br />

H 2 O<br />

HO<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

HOR<br />

O<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

O<br />

C<br />

O<br />

O<br />

H<br />

94


Im letzten Schritt findet eine schon vorher erwähnte Keto/Enol-Tautomerisierung statt. Ihr<br />

Gleichgewicht liegt praktisch vollständig auf der Seite der Ketoform in fast allen Fällen,<br />

solange keine zusätzliche Stabilisierung der Enolform wie etwa Wasserstoffbrückenbindung<br />

zum Lösemittel oder intramolekular zu anderen Lewisbasen im Molekül auftritt.<br />

21. Kohlenhydrate<br />

Kohlenhydrate sind Polyhydroxyketone oder Polyhydroxyaldehyde der allgemeinen<br />

Zusammensetzung C n (H 2 O) n (daher „Hydrate“ des Kohlenstoff). Die Chemie dieser<br />

Naturstoffgruppe ist daher geprägt durch seine zwei Funktionalitäten, die Alkoholfunktion<br />

und die Keto/Aldehyd-Funktion. Die Kohlenhydrate werden gemäß der Länge des<br />

Kohlenstoffgerüstes als Aldo- oder Keto-Alkosen bezeichnet. Wir konzentrieren uns auf die<br />

zwei sehr wichtigen Hexosen Glucose und Fructose.<br />

CHO<br />

OH<br />

CH 2 OH<br />

O<br />

HO<br />

HO<br />

OH<br />

OH<br />

CH 2 OH<br />

Glucose<br />

OH<br />

OH<br />

CH 2 OH<br />

Fructose<br />

Beide können über ihre Endiolform ineinander überführt werden.<br />

HO<br />

CHO<br />

OH<br />

OH<br />

OH<br />

CH 2 OH<br />

D-Glucose<br />

HO<br />

CHOH<br />

OH<br />

OH<br />

OH<br />

CH 2 OH<br />

Endiolform<br />

HO<br />

CH 2 OH<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

CH 2 OH<br />

D-Fructose<br />

Tatsächlich liegen die beiden Hexosen nicht als offenkettige Verbindungen vor sondern<br />

cyclisieren durch Halbacetalbildung.<br />

95


OH<br />

OH<br />

H<br />

H<br />

H<br />

OH<br />

H<br />

OH<br />

HO<br />

H<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

OH<br />

H<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

OH<br />

CH 2 OH<br />

CH 2 OH<br />

H OH<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

H/OH<br />

OH<br />

OH/H<br />

HO HO<br />

H<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

O<br />

H/OH<br />

H<br />

OH/H<br />

OH<br />

Gluco-pyranose<br />

Gluco-furanose<br />

Glucose kann den Ringschluß in Form eines 6-Ringes (Pyranose) und eines 5-Ringes<br />

(Furanose) vollziehen, wobei der 6-Ring die weitaus stabilere Form darstellt. Es wären<br />

prinzipiell zwei Wannenformen denkbar, wobei jedoch eine die größeren Substituenten in die<br />

axiale Position zwingen würde, was sterisch ungünstig ist.<br />

H OH<br />

HO<br />

H/OH<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

H/OH<br />

OH<br />

OH/H<br />

H<br />

H<br />

OH<br />

H<br />

OH<br />

O<br />

OH<br />

H<br />

OH/H<br />

Durch den Ringschluß entsteht an dem Halbacetalkohlenstoff (dieses wird auch anomeres<br />

Kohlenstoffatom genannt) ein neues Asymmetriezentrum. Die beiden Konfigurationsisomere<br />

werden α/β-Glucose genannt. Da die Bildung des Halbacetals reversibel ist, stellt sich in<br />

wässriger Lösung ein Gleichgewicht zwischen beiden Formen ein, das als Mutarotation<br />

bezeichnet wird.<br />

HO<br />

HO<br />

H OH<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

α-Gluco-pyranose<br />

H<br />

HO<br />

HO<br />

H OH<br />

H<br />

H<br />

OH<br />

OH<br />

H<br />

HO<br />

HO<br />

H OH<br />

H O<br />

H<br />

36% 64%<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

H<br />

β-Gluco-pyranose<br />

OH<br />

96


Der recht hohe Anteil an a-Gluco-pyranose, in der die OH-Gruppe die sterisch ungünstige<br />

axiale Position einnimmt, wird mit dem Anomeren Effekt, einer speziellen Form inverser<br />

Hyperkonjugation, erklärt.<br />

H OH<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

H<br />

H OH<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

H<br />

OH<br />

HO<br />

HO<br />

H OH<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

α-Gluco-pyranose<br />

H<br />

HO<br />

HO<br />

H OH<br />

H<br />

36% 64%<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

H<br />

β-Gluco-pyranose<br />

OH<br />

Aus historischen Gründen werden Zucker bezüglich ihrer Stereochemie noch nach der<br />

veralteten D/L-Nomenklatur benannt. Dabei geht man über die Fischerprojektion der<br />

offenkettigen Form des Zuckers (Kohlenhydrates) aus. Die Keot/Aldehyd-Funktion wird<br />

dabei soweit wie möglich nach oben gestellt und dann eine Fischerprojektion des Moleküls<br />

gezeichnet. Für die D/L-Benennung ist nun dasjenige Stereozentrum entscheidend, das am<br />

weitesten von der Keto/Aldehyd-Funktion entfernt ist. Weist hier die –OH-Gruppe nach<br />

rechts, dann wird dieser Form ein D zugewiesen. Weist die OH-Gruppe nach links bekommt<br />

der Name den Zusatz L.<br />

CHO<br />

OH<br />

CH 2 OH<br />

O<br />

HO<br />

HO<br />

OH<br />

OH<br />

CH 2 OH<br />

D-Glucose<br />

OH<br />

OH<br />

CH 2 OH<br />

D-Fructose<br />

D-Fructose liegt vorwiegend als halbacetaler 5-Ring (Furanose) vor. Ein 6-Ring hätte<br />

mindestens zwei Nichtwasserstoffsubstituenten in axialer Position.<br />

97


HO<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

HO<br />

H<br />

OH<br />

OH<br />

O<br />

HO<br />

H<br />

O<br />

CH 2 OH<br />

OH<br />

CH 2<br />

HO<br />

CH 2<br />

HO<br />

CH 2<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

CH 2 OH<br />

H<br />

H<br />

CH 2 OH<br />

H<br />

H<br />

OH<br />

β-D-Fructofuranose<br />

α-D-Fructofuranose<br />

Auch hier findet eine Mutarotation zwischen α/β-Form am anomeren Kohlenstoffatom statt.<br />

Kohlenhydrate zeigen alle bereits besprochenen Reaktionen von Alkoholen und<br />

Ketonen/Aldehyden. So kann das Halbacetal durch Alkohole (etwa Methanol) ins Vollacetal<br />

überführt werden.<br />

H OH<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

H<br />

Methanol/H + (kat)<br />

H OH<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

OH 2<br />

H<br />

H OH<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

H O<br />

OH<br />

OH 2<br />

H<br />

OH<br />

Methanol/H + (kat)<br />

CH 3<br />

H OH<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OCH 3 /H<br />

OH<br />

H/OCH 3<br />

-H +<br />

H OH<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

H<br />

H<br />

OCH 3<br />

H OH<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

H<br />

OH<br />

OCH 3<br />

H<br />

Miot Aceton reagiert Glucose ebenfalls unter Vollacetalisierung selektiv über die trans<br />

zueinander stehenden benachbarten OH-Gruppen.<br />

H OH<br />

H OH<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

H<br />

Aceton/H + (kat)<br />

O<br />

O<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

H<br />

+ H 2 O<br />

Die Carbonyl-Gruppen können entsprechend zu Alkoholen reduziert, und im Falle der<br />

Aldehyde zu Carbonsäuren oxidiert werden. Die Alkoholfunktionen kann man verestern. Die<br />

CH 2 -OH-Gruppe reagiert dabei aus sterischen Gründen bevorzugt. An ihr können nach der<br />

98


Veresterung auch S N 2-Substitutionen durchgeführt werden (primäres C-Atom). Die unter 16.8<br />

angesprochene Spaltung von vicinalen Diolen funktioniert bei Kohlenhydraten ebenfalls und<br />

wurde zu deren Charakterisierung erfolgreich eingesetzt.<br />

99

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