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1 Die Kosmische Kanne

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1 <strong>Die</strong> <strong>Kosmische</strong> <strong>Kanne</strong><br />

Mit diesem Versuchsaufbau sollen auf der Erde auftreffende Myonen gemessen<br />

werden. Vorüberlegungen:<br />

• Was ist kosmische Strahlung?<br />

• Warum öffnet kosmische Strahlung das ’Fenster zum Weltall’?<br />

• Teilchen im Überfluss: Elektronen, Myonen, Gammas. Charakterisieren<br />

Sie die Myonen nach Masse und Ladung.<br />

• Wo und wie hinterlässt die kosmische Strahlung ihre Spuren?<br />

1.1 Aufbau<br />

Der Detektor besteht aus einer verspiegelten, mit Wasser gefüllten Thermoskanne.<br />

In dieser <strong>Kanne</strong> erzeugen schnelle geladene Teilchen durch den<br />

sogenannten Cherenkov-Effekt schwache Lichtblitze. Auf der <strong>Kanne</strong> sitzt<br />

ein Photomultiplier, der auch Photosensor genannt wird. <strong>Die</strong>ser wandelt die<br />

Lichtblitze in kurze schwache Spannungssignale um. <strong>Die</strong> Verspiegelung der<br />

Thermoskanne stellt sicher, dass eine größtmögliche Lichtmenge den Photomultiplier<br />

erreicht. Genaueres dazu kann z.B. in der Staatsexamensarbeit<br />

von Dania Burak nachgelesen werden, zu finden unter:<br />

http://www.physik.uni-karlsruhe.de/Studium/Lehramt/kosmische<strong>Kanne</strong>.html<br />

1.1.1 Benötigte Geräte/Zubehör<br />

• Netzgerät (konstant)<br />

• Myonenkanne(n)<br />

• HV-Box<br />

• digitales Speicher-Oszilloskop<br />

• Multimeter<br />

• 50 Ohm-Abschlusswiderstand<br />

1


1.1.2 Informationen zu den speziell kombinierbaren Boxen<br />

• VERDI-BOX: Verstärker (verstärkt die Impulse des Photomultipliers)<br />

u. Diskriminator<br />

• KONDOR-BOX: Zählt gleichzeitigh Signale im Bereich von ∆t =<br />

1µs von 2 bzw. max. 3 VERDI-Boxen. (<strong>Die</strong>nt dem Nachweis von Luftschauern)<br />

• LIMES-BOX: Registriert schnell aufeinander folgende Signale einer<br />

VERDI-Box im Bereich von ∆t = 1 − 10µs (Messung der Lebensdauer<br />

von Myonen)<br />

1.1.3 Sicherheitshinweise<br />

• <strong>Die</strong> dünnen Kabel nur am Metall anfassen!<br />

• Hochspannung herunterdrehen, bevor die <strong>Kanne</strong> aufgeschraubt und der<br />

Photomultiplier damit dem Tageslicht ausgesetzt wird!<br />

• Möglichst destilliertes Wasser nehmen wegen Verkalkung und Schimmelbildung<br />

in der <strong>Kanne</strong><br />

1.2 Versuch 1: Nachweis kosmischer Myonen<br />

In diesem einführenden Experiment soll zunächst die kosmische <strong>Kanne</strong> als<br />

Detektor kennengelernt werden.<br />

Aufbau <strong>Die</strong> <strong>Kanne</strong> wird mit Wasser gefüllt. Der im Deckel der <strong>Kanne</strong><br />

befestigte Photomultiplier wird, nachdem er auf die <strong>Kanne</strong> geschraubt wurde,<br />

über die HV-Box mit Hochspannung versorgt. <strong>Die</strong> Hochspannung wird<br />

auf den Idealwert des Photomultipliers eingestellt, der auf dem Aufkleber<br />

am Photomultiplier angegeben ist (Typischerweise 1720V . Am Ausgang des<br />

Reglers wird die Spannung in 1 : 1000V ausgegeben.<br />

Will man eine Spannung von beispielsweise 1700V einstellen, muss der<br />

Regler so eingestellt werden, dass ein Messgerät an diesem Ausgang eine<br />

Spannung von 1, 7V misst.<br />

Nun kann die <strong>Kanne</strong> an das Oszilloskop angeschlossen werden. Um die<br />

Signale gut zu sehen, werden hier folgende Einstellungen gewählt:<br />

• 200mV<br />

• 25ns<br />

• Triggerschwelle auf ca. −200mV (negative Flanke)<br />

Achtung: Bevor der Photomultiplier von der <strong>Kanne</strong> abgeschraubt und<br />

somit direkt ins Licht gehalten wird, muss die Hochspannung wieder heruntergedreht<br />

werden.<br />

2


Messung Mit diesem Versuchsaufbau soll Folgendes beobachtet werden:<br />

1. <strong>Die</strong> Signale auf dem Oszilloskop mit Wasser in der <strong>Kanne</strong><br />

2. (ohne die Einstellungen am Oszilloskop zu ändern) <strong>Die</strong> Signale auf dem<br />

Oszilloskop ohne Wasser in der <strong>Kanne</strong><br />

3. (mit Wasser in der <strong>Kanne</strong>) <strong>Die</strong> Signale am Oszilloskop, während die<br />

Triggerschwelle langsam variiert wird. Das Oszilloskop baut immer dann,<br />

wenn ein Signal die Triggerschwelle erreicht, beziehungsweise sie überschreitet<br />

ein neues Bild auf. Mit der Triggerschwelle kann also die minimale<br />

Spannung eingestellt werden, die ein Puls haben muss, damit<br />

er am Oszilloskop angezeigt wird.<br />

Aufgaben Zu den jeweiligen Punkten der Beobachtungen sollen die folgenden<br />

Aufgaben bearbeitet werden:<br />

Zu 1<br />

Zu 2<br />

Zu 3<br />

• Zeichnen Sie ein typisches Signal, oder fotografieren sie ein solches.<br />

• Gibt es unterschiedliche Signale?<br />

• Zeichnen Sie ein typisches Signal, oder fotografieren sie ein solches.<br />

• Welche Unterschiede zu 1 gibt es?<br />

• Wie verändern sich die Signale?<br />

1.3 Versuch 2: Messung der Pulshöhenverteilung<br />

In diesem Experiment soll ein Pulshöhenspektrum aufgenommen werden. Eine<br />

solche Messung erfolgt mit einem sogenannten Vielkanalpulshöhenanalysator.<br />

Hier wird die VKA-Box zusammen mit dem Detektor und in Verbindung<br />

mit Sensor-CASSY oder Pocket-CASSY und einem Computer verwendet.<br />

<strong>Die</strong>se Bausteine ergeben zusammen einen Vielkanalpulshöhenanalysator zur<br />

Aufnahme eines Spektrums.<br />

<strong>Die</strong> Cherenkov-Strahlung im Detektor wird vom Photomultiplier in elektrische<br />

Pulse unterschiedlicher Höhe umgewandelt, die proportional zum Energieverlust<br />

im Detektor ist. <strong>Die</strong>se Pulshöhen werden in äquivalente Zahlenwerte<br />

umgesetzt und vom Sensor-CASSY in Kanälen, die dem Zahlenwert<br />

entsprechen, aufaddiert. Das so entstehende Pulshöhenspektrum stellt die<br />

Häufigkeitsverteilung der detektierten Strahlung in Abhängigkeit von der<br />

Energie dar.<br />

3


Aufbau Wie im vorherigen Versuch wird der Photomultiplier über die HV-<br />

Box mit Hochspannung versorgt. Der Ausgang des Detektors wird an die<br />

VKA-Box angeschlossen. <strong>Die</strong>se wird mit einem Pocket-CASSY oder einem<br />

Sensor-CASSY an den Computer angeschlossen. Nun wird am Computer<br />

das Programm CASSY gestartet und die VKA-Box angeklickt. Folgende<br />

Messparameter werden eingestellt:<br />

• Vielkanalmessung<br />

• Anzahl der Kanäle: 512<br />

• Verstärkung an Box A1: -12<br />

• Haken beim Feld ”<br />

negative Pulse“ setzen<br />

• Messdauer: mindestens 15min<br />

Um die Messung zu starten, wird auf die Stoppuhr geklickt.<br />

Messung <strong>Die</strong> Messung wird zweimal durchgeführt:<br />

1. Mit Wasser in der <strong>Kanne</strong><br />

2. Ohne Wasser in der <strong>Kanne</strong><br />

Aufgaben<br />

1. Welche physikalische Bedeutung hat das aufgenommene Spektrum?<br />

2. Welche Unterschiede zwischen den beiden aufgenommenen Spektren<br />

sind zu erkennen?<br />

3. Was können Sie aus den Unterschieden der Spektren schließen?<br />

4. Subtrahieren Sie vom Spektrum, das mit Wasser in der <strong>Kanne</strong> gemessen<br />

wurde, jenes, welches ohne Wasser gemessen wurde. Das Spektrum<br />

welcher Pulse wird durch diese Differenz dargestellt?<br />

5. Welche Aussagen über die Wahl der Schwelle können Sie nun treffen?<br />

1.4 Versuch 3: Poisson-Statistik<br />

Um nachzuweisen, dass die einzelnen Signale, die vom Detektor registriert<br />

werden, voneinander unabhängig sind, ist zu zeigen, dass die Häufigkeitsverteilung<br />

der Raten einer Poisson-Verteilung entspricht. <strong>Die</strong> Poisson-Verteilung<br />

beschreibt die Häufigkeitsverteilung von zueinander unabhängigen Ereignissen<br />

in einem bestimmten Zeitraum. So kann zum Beispiel die Anzahl der<br />

Menschen, die pro Minute ein Geschäft betreten, durch die Poisson-Verteilung<br />

beschrieben werden. Manchmal kommt kein Kunde, manchmal 20 Kunden<br />

4


pro Minute in das Geschäft. <strong>Die</strong> einzelnen Kunden sind voneinander unabhängig.<br />

Genauso verhält es sich mit Sekundärteilchen aus der kosmischen<br />

Strahlung. Sie kommen zwar in Luftschauern an, da aber die Luftschauer<br />

voneinander unabhängig sind, sind auch die Teilchen, die ein einzelner Detektor<br />

misst, voneinander unabhängig. Ereignisse dieser Art, die also mit kleiner<br />

Wahrscheinlichkeit p auftreten, genügen der diskreten Poisson-Verteilung mit<br />

der Wahrscheinlichkeitsfunktion<br />

f(k) = P(X = x) = λx<br />

x! · e−λ , x ∈ N 0<br />

<strong>Die</strong> Verteilungsfunktion der Poisson-Verteilung lautet<br />

F(x) = P(X ≤ x) = e −λ · ∑<br />

Aufbau Wie im vorherigen Versuchsaufbau wird der mit Hochspannung<br />

versorgte <strong>Kanne</strong>n-Detektor an die VERDI-Box angeschlossen. <strong>Die</strong> Schwelle<br />

der VERDI-Box wird in diesem Versuch so eingestellt, dass im Mittel etwa<br />

2-3 Myonen pro Sekunde registriert werden. Der Ausgang der VERDI-Box<br />

wird mit der TIMER-Box verbunden, welche wie zuvor an den Computer<br />

angeschlossen wird. In der CASSY-Lab-Software wird ”<br />

Rate“ ausgewählt und<br />

die folgenden Messparameter eingestellt:<br />

• automatische Aufnahme<br />

• Intervall: 2s<br />

• Messdauer: mindestens 15 − 20min<br />

k≤x<br />

λ k<br />

k!<br />

Messung <strong>Die</strong> Messung wird zweimal durchgeführt:<br />

1. Mit Wasser in der <strong>Kanne</strong><br />

2. Ohne Wasser in der <strong>Kanne</strong><br />

Aufgaben<br />

Stufe 1:<br />

• In der CASSY-Lab-Software soll eine Poisson-Verteilung berechnet werden.<br />

Dazu müssen Sie mit der rechten Maustaste auf die Häufigkeitsverteilung<br />

klicken und unter weitere Auswertungen die Poissonberechnung<br />

auswählen.<br />

5


Stufe 2:<br />

• Lesen Sie die gemessenen Daten in Excel ein.<br />

• Stellen Sie die Häufigkeitsverteilung in einem geeigneten Diagramm<br />

dar.<br />

• Berechnen Sie die theoretische Poisson-Verteilung mit dem zugehörigem<br />

Mittelwert µ und mit der Anzahl der Ereignisse N 0 und zeichnen<br />

Sie diese in dasselbe Diagramm ein.<br />

• Vergleichen Sie die theoretisch berechnete Verteilung mit der von Ihnen<br />

gemessenen, indem sie einen Chi-Quadrat-Test durchführen.<br />

1.5 Der Chi-Quadrat-Test<br />

Der Chi-Quadrat-Test (χ 2 − Test) ist einer der ältesten und wichtigsten<br />

Anpassungs- oder Vergleichstests. Er beruht auf einem Vergleich der empirischen<br />

Häufigkeitsverteilung mit der theoretisch erwarteten Verteilung. <strong>Die</strong><br />

empirische Häufigkeitsverteilung wird aus einer Zufallsstichprobe x 1 ,x 2 ,...,x n<br />

gewonnenen. <strong>Die</strong> theoretisch erwartete Verteilung berechnet man aus der als<br />

” wahr“ angenommenen Verteilungsfunktion F 0(x) der Grundgesamtheit, aus<br />

der die Stichprobe stammt. Man testet dabei die Nullhypothese<br />

gegen die Alternativhypothese<br />

H 0 : F(x) = F 0 (x)<br />

H 1 : F(x) ≠ F 0 (x)<br />

Dabei geht man folgendermaßen vor:<br />

<strong>Die</strong> n Stichproben x 1 ,x 2 ,...,x n werden in k Intervalle I 1 ,I 2 ,...,I k (k < n)<br />

unterteilt, welche auch Klassen genannt werden. Jedes dieser Intervalle sollte<br />

dabei erfahrungsgemäß mindestens 5 Stichprobenwerte enthalten. Dann<br />

werden die absoluten Klassenhäufigkeiten, die sogenannten Besetzungszahlen<br />

n 1 ,n 2 ,...,n k , bestimmt, wobei n 1 + n 2 + ... + n k = n gilt.<br />

Aus der als ”<br />

wahr“ angenommenen Verteilungsfunktion F 0 (x) berechnet man<br />

zunächst für jedes Intervall I i die zugehörige Klassenwahrscheinlichkeit p i und<br />

daraus die hypothetische, also die theoretisch zu erwartende Anzahl n ∗ i = np i ,<br />

der Stichprobenwerte in I i . Dabei ist p i die Wahrscheinlichkeit dafür, dass<br />

unter der Voraussetzung, dass F 0 (x) die wahre Verteilungsfunktion ist, eine<br />

Stichprobe in die i-te Klasse fällt.<br />

Ein geeignetes Maß für die Abweichung zwischen empirischer und theortischer<br />

Verteilung ist nach K. Pearson 1 die Maßzahl<br />

ˆχ 2 =<br />

k∑<br />

i=1<br />

(n i − np i ) 2<br />

np i<br />

=<br />

k∑ (∆n i ) 2<br />

i=1<br />

n ∗ i<br />

(1)<br />

1 Karl Pearson (1857-1936): britischer Physiker<br />

6


Bei einer guten übereinstimmung zwischen den empirischen und den hypothetischen<br />

Werten erwartet man kleine Abweichungsquadrate (∆n i ) 2 und somit<br />

auch kleine Werte für das Abweichungsmaß ˆχ 2 . <strong>Die</strong> Maßzahl ˆχ2 ist dabei ein<br />

spezieller Wert der Testvariablen oder Prüfgröße<br />

k∑<br />

Z = χ 2 (N i − np i ) 2<br />

= , (2)<br />

i=1<br />

np i<br />

den diese Variable für die vorgegebene konkrete Stichprobe annimmt. Dabei<br />

ist N i die Anzahl der beobachteten Stichprobenwerte in der i-ten Klasse, also<br />

die empirische absolute Klassenhäufigkeit. <strong>Die</strong> Testvariable Z = χ 2 genügt<br />

für großes n, das heißt bei einer umfangreichen Stichprobe, näherungsweise<br />

einer Chi-Quadrat-Verteilung mit f = k −1 Freiheitsgraden, wenn alle Parameter<br />

in der als ”<br />

wahr“ angenommenen Verteilungsfunktion F 0 (x) bekannt<br />

sind.<br />

Man wählt nun eine kleine Signifikanzzahl α (in der Praxis meist α = 0, 05 =<br />

5% oder α = 0, 01 = 1%) und bestimmt dann die kritische Grenze so, dass<br />

die Werte der Testvariablen Z = χ 2 mit der Wahrscheinlichkeit p = 1 − α<br />

unterhalb dieser kritischen Grenze liegen. Somit gilt:<br />

P(Z ≤ c) H0 = p = 1 − α (3)<br />

<strong>Die</strong> kritische Grenze c teilt dabei das Intervall Z = χ 2 ≤ 0 in einen nichtkritischen<br />

und einen kritischen Bereich. <strong>Die</strong> zur Durchführung des χ 2 -Testes<br />

benötigten kritischen Werte χ 2 k−1;1−α können für verschiedene Werte von α<br />

und k der Tabelle im Anhang entnommen werden.<br />

Liegt der aus der Stichprobe berechnete Test- oder Prüfwert ẑ = ˆχ 2<br />

der Testvariablen Z = χ 2 unterhalb der kritischen Grenze c, so wird die<br />

Nullhypothese beibehalten, andernfalls zu Gunsten der Alternativhypothese<br />

H 1 : F(x) = F 0 (x) verworfen. <strong>Die</strong> gewählte Signifikanzzahl α ist dabei<br />

die Irrtumswahrscheinlichkeit. <strong>Die</strong> Irrtumswahrscheinlichkeit entspricht der<br />

Wahrscheinlichkeit dafür, eine an sich richtige Nullhypothese H 0 abzulehnen,<br />

geschieht dies, so spricht man von einem Fehler 1. Art.<br />

7


2 <strong>Die</strong> Nebelkammer<br />

2.1 Radioaktivität und Zerfallsgesetze<br />

Bei den natürlich vorkommenden Elementen gibt es stabile und instabile<br />

Atomkerne. Beim radioaktiven Zerfall zerfällt ein instabiler Kern (Mutterkern)<br />

unter Aussendung von Teilchenstrahlung in ein anderes Element (Tochterkern).<br />

<strong>Die</strong> Entdeckung der Radioaktivität um das Jahr 1900 rüttelte an<br />

der damals herrschenden Sichtweise, dass Elemente unveränderlich seien. Der<br />

beim Zerfall entstehende Kern ist meistens ebenfalls instabil. Somit ergeben<br />

sich vier verschiedene natürliche Zerfallsreihen mit dem namensgebenden<br />

Ausgangselement, die in je einem stabilen Element enden.<br />

Eine Kernreaktion wird für gewöhnlich folgendermaßen dargestellt:<br />

A<br />

ZX → A′<br />

Z ′ Y + s<br />

Dabei ist X der Mutterkern, Y der Tochterkern, Z bzw. Z ′ die Kernladungszahl,<br />

also die Zahl der Protonen im Kern, und A bzw. A ′ die Massenzahl,<br />

also die Zahl der Nukleonen (Protonen und Neutronen) im Kern,<br />

jeweils vor bzw. nach dem Zerfall. Das s steht für die beim jeweiligen Zerfall<br />

abgegebene Teilchenstrahlung. <strong>Die</strong> freiwerdende Bindungsenergie geht<br />

als Massendefekt gemäß E = mc 2 in die Energie der nach dem Zerfall vorhandenen<br />

Teilchen über. Der Massendefekt berechnet sich über die Massen<br />

M des Mutter- und des Tochterkerns sowie die Masse M s des abgestrahlten<br />

Teilchens. Für die freiwerdende Energie gilt damit:<br />

E = (M( A ZX) − M( A′<br />

Z ′Y ) − M s) · c 2<br />

Durch den großen Massenunterschied geht der Großteil der Energie in die<br />

kinetische Energie des Strahlungsteilchens über.<br />

Man kann für einen einzelnen instabilen Kern keine Vorhersagen treffen,<br />

wann dieser zerfällt. Man kann nur gewisse Wahrscheinlichkeiten angeben,<br />

es handelt sich also um einen statistischen Prozess. <strong>Die</strong> Wahrscheinlichkeiten<br />

drücken sich in verschiedenen Größen aus: <strong>Die</strong> Wahrscheinlichkeit, dass<br />

ein Kern in einem bestimmten Zeitfenster zerfällt, ist für alle N in einer<br />

beobachteten Probe vorhandenen Kerne eines Elements gleich. Sie wird als<br />

Zerfallskonstante λ bezeichnet. Es gilt also für die Zerfälle pro Zeiteinheit:<br />

dN(t)<br />

dt<br />

= −λ · N = −A(t)<br />

Dabei ist zu beachten, dass alle Zerfälle unabhängig voneinander stattfinden.<br />

<strong>Die</strong> Zerfälle pro Zeiteinheit werden auch als Aktivität A bezeichnet und<br />

in Becquerel (= Zerfälle pro Sekunde) gemessen. Demnach ist die Einheit<br />

von λ ebenfalls 1/s.<br />

8


Aufgaben<br />

1. Leiten Sie aus obigem Zusammenhang das radioaktive Zerfallsgesetz<br />

her, mit dem sich die Anzahl der zum Zeitpunkt t vorhandenen Kerne<br />

einer radioaktiven Probe bestimmen lässt.<br />

2. Der Mittelwert der Zeit von t = 0 bis zum Zerfall eines Kerns wird mit<br />

der mittleren Lebensdauer τ bezeichnet: τ = 1 λ<br />

Meist wird als charakteristische Eigenschaft eines instabilen Elements<br />

die Halbwertszeit t1 angegeben. Das ist die Zeit, nach der nur noch die<br />

2<br />

Hälfte der zum Ausgangszeitpunkt vorhandenen Kerne übrig ist.<br />

Leiten Sie aus diesem Zusammenhang sowie aus dem Zerfallsgesetz<br />

einen Ausdruck für die Halbwertszeit her, der nur von der mittleren<br />

Lebensdauer der entsprechenden Kerne abhängt.<br />

3. Für die Experimente, die Sie durchführen werden, werden Sie Radon-<br />

220-Gas verwenden. <strong>Die</strong>ser Alphastrahler ist ein Zerfallsprodukt des in<br />

Glühstrümpfen enthaltenen Thoriums, seine Halbwertszeit beträgt 55,6<br />

Sekunden. Das Radon zerfällt zu Polonium-216, das eine so kurze Halbwertszeit<br />

(0,15 Sekunden) hat, sodass einige Doppelspuren beobachtbar<br />

sind. Sie gehen kurz nacheinander bzw. für das Auge gleichzeitig vom<br />

nahezu selben Punkt aus und sehen wie ein ’V’ aus. Sie müssen später<br />

bei der Messung der Halbwertszeit beachtet werden. Warum?<br />

Erklären Sie, was ein Alphazerfall ist.<br />

2.2 <strong>Die</strong> Diffusionsnebelkammer<br />

In der Nebelkammer wird ein Dampf (meist Alkohol) in einen übersättigten<br />

Zustand überführt. Für die Funktion ist wichtig, dass Ionen als Kondensationskeime<br />

dienen können. Fliegt ein geladenes Teilchen durch den übersättigten<br />

Dampf in der Nebelkammer, der gemischt ist mit Luft, ionisiert es entlang<br />

seiner Spur Gasteilchen, an denen die Alkoholmoleküle kondensieren<br />

und Tröpfchen bilden. Damit man diese Spur sehen kann, müssen die Tröpfchen<br />

eine Größe in der Ordnung von 10 −3 cm erreichen. Nimmt man ein geschlossenes<br />

Dampfvolumen und kühlt dieses ab, kann es in einen übersättigten<br />

Zustand übergehen. <strong>Die</strong> radioaktive Strahlung wechselwirkt mit dem<br />

Coulomb-Feld der Hüllenelektronen oder der Atomkerne des Gases in der<br />

Kammer. Das Strahlungsteilchen ”<br />

fliegt“ relativ weit entfernt an den Elektronen<br />

vorbei, sodass immer nur wenig Energie abgegeben wird. Ist diese<br />

Energie kleiner als die Ionisierungsenergie des Gases, so werden die Elektronen<br />

nur angeregt und kehren sofort wieder in ihren Grundzustand zurück.<br />

Ist sie größer, werden die Atome des Gases ionisiert, aber das freie Elektron<br />

hat nicht genug kinetische Energie, um sich merklich vom Atom zu entfernen.<br />

Kollidieren Strahlungsteilchen und Hüllenelektron, findet elastische<br />

Coulomb-Streuung statt. Der Hauptteil des Gesamtenergieverlusts rührt von<br />

9


den nieder-energetischen Übertragungen bei der Ionisation her. <strong>Die</strong> Energieübertragung<br />

bei der Coulomb-Streuung ist zwar pro einzelnem Stoß höher,<br />

trägt aber wegen ihrer geringen Häufigkeit nur wenig zum Gesamtenergieverlust<br />

bei. An den entstandenen Ionen lagern sich dann Alkoholmoleküle an,<br />

die ein elektrisches Dipolmoment besitzen und deshalb angezogen werden.<br />

<strong>Die</strong> Tröpfchen wachsen bis zu einer sichtbaren Größe heran und man sieht<br />

eine Spur des radioaktiven Teilchens.<br />

Unsere Nebelkammer ist eine sog. kontinuierliche Diffusionsnebelkammer.<br />

<strong>Die</strong>ser Nebelkammertyp erreicht die Übersättigung des Dampfes<br />

durch einen räumlichen Temperaturgradienten. Der Dampf diffundiert dabei<br />

nicht-isotherm vom Bereich hoher Temperatur zum Bereich niedrigerer Temperatur.<br />

An der Oberseite der abgeschlossenen Kammer wird Alkohol erhitzt<br />

und verdampft. Am Boden befindet sich eine Kühlplatte, die kontinuierlich<br />

auf der benötigten Temperatur von unter 0 o C gehalten wird (in unserem Fall<br />

etwa −15 o C). Der Alkohol diffundiert durch die Luft durch immer kälter werdende<br />

Bereiche bis er kurz über dem Boden die Schicht erreicht hat, in der<br />

sein Sättigungsdampfdruck kleiner ist als sein tatsächlicher Druck. <strong>Die</strong>s ist<br />

die übersättigte Schicht, in der Spuren von geladenen Teilchen sichtbar werden<br />

können. Sie ist etwa 10 bis 15 mm dick.<br />

Messungen<br />

• Zunächst müssen Sie die Nebelkammer in Betrieb nehmen. <strong>Die</strong>s dauert<br />

einige Zeit, denn Sie müssen Heizung und Kühlung auf die richtige<br />

Betriebstemperatur bringen. Ihnen steht eine Betriebsanleitung zur<br />

Verfügung, die Ihnen Schritt für Schritt alle wichtigen Maßnahmen beschreibt.<br />

Bitte halten Sie sich sehr genau daran, da Sie die Nebelkammer<br />

sonst beschädigen können!<br />

• Einbringen der radioaktiven Probe und Sichtbarmachung der Alphastrahlung:<br />

Wenn die Kammer betriebsbereit ist, können Sie radioaktives<br />

Gas einfüllen. Beim Aufbau finden Sie eine große Glasspritze, in der<br />

sich ein thoriumhaltiger Glühstrumpf befindet. Ziehen Sie die Spritze<br />

auf und spritzen das darin befindliche Radongas durch den Einfüllstutzen<br />

in die Nebelkammer. Beobachten Sie einige Minuten lang, was<br />

passiert. Welche Spuren können Sie erkennen? Warum sind einige Spuren<br />

kürzer als erwartet (Sie haben ja nur Radon eingefüllt, demnach<br />

sollten theoretisch alle Spuren gleich lang sein..)?<br />

• Messung der Halbwertszeit:<br />

Filmen Sie mit der zur Verfügung stehenden Kamera (oder mit einer eigenen)<br />

das Geschehen in der Nebelkammer vom Einspritzen des Gases<br />

an einige Minuten lang. Ideal ist eine Zeitrafferaufnahme, bei der Bilder<br />

im Abstand von 1 Sekunde gemacht werden. Zur Auswertung müssen<br />

Sie die Spuren in jedem Einzelbild zählen. Sie können dazu ein beliebiges<br />

Videoprogramm oder die Software ”<br />

ParTrac“ verwenden, die Sie<br />

10


sich auch zuhause von der Praktikumshomepage herunterladen können.<br />

Sie können den Film in die Software laden und sich Bild für Bild anzeigen<br />

lassen. Tragen Sie schließlich die Anzahl der gezählten Teilchen<br />

in einem Zeitintervall (Intervalllänge maximal 30 Sekunden) gegen die<br />

Zeit auf. Sie können nun direkt das Zerfallsgesetz auf die gewonnene<br />

Kurve anwenden und daraus die Halbwertszeit ermitteln (s. Aufgabenteil).<br />

Wie gut stimmt das Ergebnis mit dem erwarteten Wert überein?<br />

Wodurch kommen Abweichungen zustande?<br />

11


2.3 Anhang<br />

p<br />

f 0, 900 0, 950 0, 975 0, 990 0, 995 0, 999<br />

1 2, 71 3, 84 5, 02 6, 63 7, 88 10, 83<br />

2 4, 61 5, 99 7, 38 9, 21 10, 60 13, 82<br />

3 6, 52 7, 83 9, 53 11, 34 12, 84 16, 72<br />

4 7, 78 9, 49 11, 14 13, 28 14, 86 18, 47<br />

5 9, 24 11, 07 12, 83 15, 09 16, 75 20, 51<br />

6 10, 64 12, 59 14, 45 16, 81 18, 55 22, 46<br />

7 12.02 14, 07 16, 01 18, 48 20, 09 24, 32<br />

8 13, 36 15, 51 17, 53 20, 09 21, 95 26, 12<br />

9 14, 68 16, 92 19, 02 21, 67 23, 59 27, 88<br />

10 15, 99 18, 31 20, 48 23, 21 25, 19 29, 59<br />

11 17, 28 19, 68 21, 92 24, 73 26, 76 31, 26<br />

12 18, 55 21, 03 23, 34 26, 22 28, 30 32, 91<br />

13 19, 81 22, 36 24, 74 27, 69 29, 82 34, 53<br />

14 21, 06 23, 68 26, 12 29, 14 31, 32 36, 12<br />

15 22, 31 25, 00 27, 49 30, 58 32, 80 37, 70<br />

20 28, 41 31, 41 34, 17 37, 57 40, 00 45, 31<br />

25 34, 38 37, 65 40, 65 44, 31 46, 93 52, 62<br />

30 40, 26 43, 77 46, 98 50, 89 53, 67 59, 70<br />

40 51, 81 55, 76 59, 34 63, 69 66, 77 73, 40<br />

50 63, 17 67, 50 71, 42 76, 15 79, 49 86, 66<br />

100 118, 50 124, 34 129, 56 135, 81 140, 17 149, 45<br />

Tabelle 1: Tabelle der Quantile χ 2 f,p mit f Freiheitsgeraden (f = k − 1) und<br />

der Wahrscheinlichkeit p = 1 − α<br />

12

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